9. Erschöpfung bei Myelofibrose – alle Fragen

Fatigue (englisch/französisch für Erschöpfung) ist eines der häufigsten Symptome bei Myelofibrose. Sie kann sich stark auf den Alltag und die Lebensqualität auswirken. In dieser Schulung erfahren Sie, wie Sie den Alltag trotzdem bewältigen können.

Begrüßung durch Friederike Hoffmann

Guten Tag, mein Name ist Friederike Hoffmann. Ich bin Hämatoonkologin und arbeite in Hamburg, in Altona, in einer großen hämatoonkologischen Praxis, der HOPA. Ich möchte heute etwas über ein ganz wichtiges Thema erzählen, welches mir täglich begegnet: die Fatigue Symptomatik bei Patienten und Patientinnen mit einer Myelofibrose.

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Fatigue bei Myelofibrose einfach erklärt

Was versteht man unter Fatigue?

Unter Fatigue versteht man ein allgemeines Erschöpfungssyndrom. Patienten beschreiben eine bleierne Müdigkeit, eine allgemeine Schwäche und haben häufig das Gefühl, dass schon kleine Dinge im Alltag zu viel sein können.

Das Besondere an der Fatigue ist, dass sie häufig nicht durch Schlaf oder Ruhepausen gebessert werden kann. Auch wenn man früh ins Bett geht und lange geschlafen hat, berichten die Betroffenen, dass sie morgens aufstehen und sich weiterhin sehr müde und erschöpft fühlen.

Wie unterscheidet sich Fatigue von normaler Müdigkeit?

Eine normale Müdigkeit bessert sich in der Regel dadurch, dass man ausreichend Nachtschlaf oder eine längere Phase mit ausreichender Entspannung und Ruhephasen hat. Bei der Fatigue ist es jedoch so, dass man sich nicht ausschlafen oder ausruhen kann, denn die Fatigue bleibt trotzdem.

Wie äußert sich Fatigue bei Myelofibrose?

Die Fatigue kommt bei der Myelofibrose durch verschiedene Ursachen zustande. Sie äußert sich ähnlich, wie bei Post-COVID oder Long-COVID, durch eine anhaltende Müdigkeit, Erschöpfung und Leistungsminderung. Bei der Myelofibrose kommt als Besonderheit noch dazu, dass häufig eine große Milz vorliegt, welche die Beschwerden wiederum verstärken kann.

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Ursachen für Fatigue bei Myelofibrose

Warum tritt Fatigue bei Myelofibrose auf?

Die Gründe für Fatigue bei Myelofibrose sind vielfältig. Ein wichtiger Punkt ist, dass es im Knochenmark durch die Veränderungen in den Blutstammzellen zu einer überschießenden Blutproduktion kommt. Zur besseren Vorstellung ist ein Virusinfekt ein gutes Bild. Dort muss der Körper gegen einen feindlichen Erreger ankämpfen, dafür werden die weißen Blutkörperchen hoch reguliert und Botenstoffe zwischen den Zellen hin und herschickt, sodass die Entzündung gegen den Erreger vorgehen kann.

Bei der Myelofibrose ist es jedoch so, dass die Produktion der weißen Blutzellen hoch reguliert ist, ohne dass man gegen einen wirklichen Feind vorgehen muss, aber die Botenstoffe und Entzündungsprozesse sind ähnlich. Das führt oft zu einer grippeähnlichen Symptomatik, die sich in einer anhaltenden Fatigue äußern kann. Des Weiteren kann eine große Milz bei der Myelofibrose zu Schmerzen und Unwohlsein führen, diese Symptome strengen an und verursachen zusätzlich Müdigkeit und Erschöpfung.

Am Anfang der Myelofibrose sind häufig alle Zellreihen erhöht, aber im Laufe der Erkrankung kommt es häufig zu einer Blutarmut, einer sogenannten Anämie oder auch zu einer Erniedrigung der Blutplättchen, einer Thrombopenie. Das führt dazu, dass dem Körper zu wenig Sauerstoffträger zur Verfügung stehen, weshalb ist man müde und hat insgesamt eine ausgeprägte Leistungsminderung, wodurch sich beispielsweise eine Treppe wie ein riesiger Berg anfühlen kann.

Bei einigen Patienten kommt erschwerend hinzu, dass man Gewicht verliert, da man wegen der großen Milz nicht ausreichend essen kann. Dadurch kann man auch nicht genug Energie zu sich nehmen und der Körper muss im Prinzip immer auf seine Energiereserven zugreifen.

Außerdem leiden viele Patienten mit Myelofibrose unter Nachtschweiß, was dazu führt, dass der Nachtschlaf gestört ist, was wiederum die Müdigkeit, die Fatigue Symptomatik verschlechtern kann. All das führt dazu, dass die Leistungsfähigkeit abnimmt und eine allgemeine Schwäche und Leistungsminderung auftritt.

Zu welchem Zeitpunkt der Myelofibrose-Erkrankung kann Fatigue auftreten?

Fatigue kann bei der Myelofibrose zu sämtlichen Zeitpunkten auftreten. Bei vielen Patientinnen und Patienten, die ich bei mir in der Sprechstunde sehe, ist es tatsächlich das ernste Symptom, welches überhaupt dazu geführt hat, dass sie das erste Mal zum Arzt gegangen sind.

Wenn die Erkrankung voranschreitet, kann sich die Fatigue Symptomatik im Laufe der Zeit entwickeln, sie kann manchmal aber auch erst auftreten, wenn die Blutarmut hinzukommt.

Natürlich können auch die Medikamente, die wir geben, in gewisser Weise eine Müdigkeit und Erschöpfung mit sich bringen und die Blutarmut verstärken, was wiederum die Fatigue Symptomatik verstärken kann.

Wie kann man Fatigue bei Myelofibrose vorbeugen?

Eine Vorbeugung von Fatigue ist schwierig. Sicherlich ist es so, dass ein gesunder, ausgewogener und entspannter Lebensstil helfen kann.

Das bedeutet, dass man darauf achtet, dass man ausreichend Bewegung hat, sich gesund und ausgewogen ernährt und genug Entspannung sowie einen Ausgleich zwischen stressigen Phasen und Erholung hat.

Wenn man in der Arzt-Patienten-Beziehung darauf achtet, dass keine zu schwere Blutarmut auftritt, dann hilft das sicherlich auch, damit erst gar keine lange, anhaltende Müdigkeit auftreten kann.

Hier geht es zum Video-Interview: „Ursachen für Fatigue bei Myelofibrose”

Behandlung von Fatigue bei Myelofibrose

An wen sollte ich mich wenden, wenn ich Fatigue-Symptome feststelle?

Wenn ich bei mir zu Hause das erste Mal Fatigue Symptome feststellen, dann ist der richtige Ansprechpartner sicherlich die Hausärztin oder der Hausarzt. Dann ist es wichtig, dass man gut erklären kann, was das überhaupt für einen bedeutet. Die Fatigue Symptomatik ist sehr unspezifisch und es ist als Arzt schwierig diese von Burnout, Folgen nach Infekten oder allgemeiner Überforderung zu unterscheiden.

Deswegen ist es wichtig, dass man dem Hausarzt oder der Hausärztin versucht ausführlich zu erklären, was so belastend ist. Man kann zum Beispiel reflektieren, ob man wie vorher seinen Hobbys nachgehen kann, ob man seine sozialen Kontakte pflegen kann, ob man arbeiten kann oder ob man merkt, dass all diese Dinge sich im Laufe der Zeit reduziert haben.

Wenn ich eine bekannte Myelofibrose habe, dann bin ich meistens in regelmäßiger Behandlung bei einem Spezialisten. In der Regel ist das ein Hämatologe oder Onkologe und derjenige wäre dann auch mein Ansprechpartner.

Wie kann ich mich auf ein Arztgespräch zu Fatigue vorbereiten?

Wichtig ist, dass man gut beschreibt, was einen beeinträchtigt und welche Dinge man nicht mehr wie zuvor machen kann. Das kann verschieden ausgeprägt sein, manche Menschen sagen, dass sie den Alltag gut gemeistert bekommen, aber die Arbeit nicht, weil sie sich nicht konzentrieren können. Bei anderen Menschen ist es so, dass sie es nicht einmal mehr schaffen, die Treppe hochzugehen.

Es ist gut und wichtig, wenn man diese Dinge vorher für die Ärztin oder den Arzt dokumentiert. Nehmen Sie sich einfach eine Woche Zeit und schreiben Sie alle Tätigkeiten auf, die Ihnen vor beispielsweise einem Jahr noch leicht gefallen sind, über die man gar nicht nachgedacht hat, die jetzt aber nicht mehr funktionieren oder sogar wegfallen.

Welche Medikamente können bei Fatigue helfen?

Medikamente, die man bei der Fatigue einsetzen kann, sind zum einen natürlich Medikamente, die direkt gegen die Entzündungsprozesse, gegen die Botenstoffe bei der Myelofibrose helfen. Das sind heutzutage in der Regel die JAK-Inhibitoren , sie helfen, dass die Entzündungsprozesse herunterreguliert werden. Bereits durch diese Einnahme kommt es häufig zu einer deutlichen Verbesserung der Fatigue Symptomatik. Weitere Medikamente, die man einsetzen kann, sind Medikamente zur Verbesserung der Blutarmut.

Neben den normalen Medikamenten ist es wichtig, dass dem Patienten auch sonst nichts fehlt. Wenn der Patient beispielsweise weniger essen kann, muss darauf geachtet werden, dass keine Vitamine fehlen oder das Eisen zu niedrig ist. Wenn das der Fall sein sollte, muss man diese auf jeden Fall ersetzen.

Ganz gezielte Medikamente allein gegen die Fatigue, gibt es heutzutage leider noch nicht.

Wie kann Anämie als Auslöser von Fatigue behandelt werden?

Die Anämie bei der Myelofibrose ist natürlich eine wichtige Ursache der Fatigue Symptomatik. Das bedeutet aber, dass man mit einer Verbesserung der Anämie, der Blutarmut und der Kontrolle, dass genügend Sauerstoffträger im Körper vorhanden sind, schon viel bewirken und verbessern kann.

Wir können dies tun, indem wir zum einen die Erkrankung mit den bereits erwähnten JAK-Inhibitoren behandeln. Wir können aber auch versuchen, die roten Blutzellen zu einer erhöhten Bildung anzuregen. Das kann man beispielsweise mit einem Botenstoff, dem Erythropoetin erreichen, man kann aber auch Transfusionen verabreichen und die fehlenden roten Blutzellen so einfach ersetzen.

Es ist jedoch so, dass sich die Fatigue manchmal unter den Therapien mit den JAK2-Inhibitoren verschlechtern kann. Das ist häufig dadurch bedingt, dass die Blutarmut eine typische Nebenwirkung ist. Wenn ich sehe, dass die Blutarmut unter meiner aktuellen Medikation das führende Symptom ist, dann kann man gemeinsam evaluieren, ob man die Medikation anpasst oder sogar wechselt und eine andere Substanz auswählt, die keine so eine starke Blutarmut verursacht.

Hier geht es zum Video-Interview: „Behandlung von Fatigue bei Myelofibrose”

Alltag mit Fatigue

Wie kann ich meinen Alltag anpassen, um Belastungen zu reduzieren?

Im Alltag mit Fatigue ist es wichtig, dass man versucht darauf zu achten, wann man mehr Energie hat und wann weniger. So kann man Tätigkeiten, von denen man weiß, dass sie mehr Kraft und Energie erfordern, in die energiereicheren Zeiträume legen.

Es ist außerdem gut, wenn man versucht, den Alltag ein wenig vorausschauend zu planen, damit man nicht plötzlich viele Sachen gleichzeitig zu erledigen hat, wonach man dann völlig erschöpft ist. Es hilft zu versuchen, diese Aktivitäten ein wenig zu verteilen.

Im Alltag ist es wichtig, dass man sich Ruhepausen nimmt und nehmen kann. Man kann den nötigen Raum dafür schaffen, indem man einen Mittagsschlaf macht, dieser sollte jedoch nicht drei Stunden dauern, das wäre eher kontraproduktiv. Man kann sich aber zum Beispiel mittags immer zwanzig bis dreißig Minuten hinlegen oder sich diese Pause speziell nehmen, wenn man einen wichtigen Termin oder eine anstrengende Aktivität vor sich hat.

Es gibt Betroffene, die im Alltag so beeinträchtigt sind, dass schon kleine Dinge, wie Einkaufen, sie fast überfordert. Dann ist es hilfreich, wenn man beispielsweise immer in denselben Supermarkt geht, denn dann weiß ich, wo ich alles finde. Eine Einkaufsliste ist eine gute Unterstützung, damit ich nicht zusätzlich lange überlegen muss. Das hilft vor allem, wenn man sich nicht so gut konzentrieren kann und erleichtert Situationen, in denen dann alles zusammenkommt.

Wie kann ich meinen Arbeitsalltag an meine Erschöpfung anpassen?

Der Arbeitsalltag kann durch eine Krankheit, die mit Fatigue einhergeht, oft deutlich beeinträchtigt sein. Ein meiner Meinung nach wichtiger Punkt ist, dass man mit seinen Vorgesetzten und Kollegen möglichst offen darüber spricht, dass man nicht zu jedem Zeitpunkt jede Leistung so abrufen kann, wie es vielleicht zuvor möglich war.

Es ist wichtig zu wissen, dass man mit einer Myelofibrose ein Anrecht auf einen schwerbehinderten Status hat. Damit einhergehend gibt es bestimmte Dinge, die man nicht tun muss, wie zum Beispiel Nachtschichten oder Schichtdienste. Denn diese könnten eine Fatigue Symptomatik aufgrund des Schlafmangels und der vielen Umstellungen nochmal verschlechtern.

Es ist gut, wenn man im Arbeitsalltag versucht, vorausschauend zu planen und sich nicht ein Riesenprojekt vornimmt. Man kann Projekte in mehrere Teilaspekte aufbrechen, sodass man immer kleinere „Berge“ hinter sich bringen und dann auch entsprechende Ruhepausen nehmen kann.

Mit den Ruhepausen ist es individuell sehr unterschiedlich, es gibt wahrscheinlich Menschen, denen es guttut, einen kurzen Spaziergang zu machen oder in Ruhe Mittag zu essen. Jemandem anders tut es vielleicht gut, sich mittags einmal hinzulegen und einen Power Nap zu machen.

Weil sich die Fatigue Symptomatik auch durch eine Konzentrationsschwäche und schnelle Ablenkbarkeit äußert, ist es hilfreich, wenn man seinen Arbeitsplatz möglichst so gestaltet, wie es für einen individuell am besten passt. Für viele ist es beispielsweise nicht gut, in einem großen Büro mit vielen Menschen und Ablenkungen zu sitzen. Da bietet sich das Home-Office an, wo man auch flexibler ist, wenn man seine Ruhepausen braucht oder ein Büro, in dem man seine Ruhe hat.

Wie kann ich trotz Fatigue am Sozialleben teilnehmen?

Viele Patienten mit Fatigue Symptomatik berichten darüber, dass ihr Sozialleben nicht mehr so stattfinden kann, wie vorher. Das führt dazu, dass viele Betroffene allein durch die Müdigkeit eine Rückzügigkeit erleben und sich traurig fühlen, weil sie all das nicht mehr bewältigen können. Dies verstärkt sich zusätzlich, wenn man seine sozialen Kontakte nicht mehr wahrnehmen kann.

Deswegen ist es ein wichtiger Punkt zu überlegen, wie man weiterhin versuchen kann, die sozialen Kontakte zu pflegen, ohne nach jedem Treffen völlig erschöpft zu sein. Es ist hilfreich hinzuschauen, welche Kontakte einem guttun, aus welchen man Energie ziehen kann und seinen Fokus auf diese zu legen.

Es ist hilfreich, wenn man zuvor miteinander bespricht, dass es sein kann, dass man an manchen Tagen aufwacht und einfach nicht die Kraft hat, das zu tun, was man geplant hat. Durch diese Kommunikation ist gesichert, dass der andere die eigene Situation verstehen kann und man keine Angst haben muss, den anderen zu verletzen.

Soziale Kontakte zu pflegen und wahrzunehmen sind ein wichtiger Bestandteil, um die Fatigue Symptomatik langfristig zu verbessern und die Lebensqualität aufrechtzuerhalten.

Wie kann ich trotz der Erschöpfung meine Therapie fortsetzen?

Manchmal führt die ausgeprägte Erschöpfung bei einer Myelofibrose dazu, dass selbst die Termine beim Arzt einem zu viel werden. Betroffene haben dann das Gefühl, zwei oder drei Wochen zu brauchen, in denen sie nirgendwo hinmüssen und das tun können, was sie möchten.

Aus ärztlicher Sicht ist es jedoch häufig so, dass wir diese Termine brauchen, um die Blutwerte zu kotrollieren und eventuell zum richtigen Zeitpunkt mit Ihnen zusammen entscheiden zu können, ob Sie eine Bluttransfusion brauchen, um die Erschöpfung zu verbessern. Bei diesen Terminen besprechen wir, ob es darüber hinaus noch weitere Angriffspunkte gibt oder ob wir noch andere Ideen zur Verbesserung haben, wenn wir Sie sehen und mit Ihnen sprechen.

Für die meisten Patientinnen und Patienten gibt es zum Beispiel die Möglichkeit, bei der Krankenkasse zu beantragen, dass man mit dem Taxi zur Therapie oder den Arztgesprächen gefahren werden kann. Das vereinfacht häufig schon vieles.

Ich habe auch Patientinnen und Patienten, die sich nach den Arztbesuchen immer etwas Schönes vornehmen. Sie verknüpfen die Termine mit einem Besuch im Café oder einem Treffen mit einer lieben Person, die in der Nähe wohnt. Es kann helfen, solche Brücken zu schaffen, damit der Arztbesuch trotzdem als etwas Positives und Hilfreiches wahrgenommen werden kann, auch wenn er mal nervig oder unangenehm sein kann, wie wenn man beispielsweise eine Blutentnahme vor sich hat.

Ich finde es wichtig, dass man regelmäßig zu den Arztterminen geht, denn ansonsten können wir die Therapie nicht optimal und sicher gestalten und so kann sie letztendlich auch langfristig weniger gut helfen.

Hier geht es zum Video-Interview: „Alltag mit Fatigue”

Energie tanken bei Myelofibrose

Warum sind Ruhepausen bei Myelofibrose wichtig?

Ruhepausen bei der Myelofibrose sind wichtig, weil die chronische Fatigue Symptomatik und rasche Erschöpfbarkeit dazu führen, dass man nicht wie sonst, den ganzen Alltag oder Arbeitsalltag durchgehend verrichten kann. Dafür, was viele Menschen sonst tun, wie arbeiten und von einem zum nächsten Termin zu hüpfen, fehlt oft die nötige Energie.

Regelmäßige, geplante Ruhepausen helfen, um sogenannte „Crashes“ vorzubeugen, damit man nicht in eine völlige Überforderungssituation hineinläuft, von der man sich dann nur schlecht wieder erholen kann. Deswegen ist es gut und wichtig, dass man im vornherein sagt: Egal was passiert, ich nehme mir ein, zwei oder drei Mal Pausen, so wie ich es brauche, wie ich es mit der Zeit für mich gelernt habe und mache dann Dinge, die mir ein bisschen Energie und Kraft schenken.

Welche Rolle spielt Schlaf als Energiequelle bei Fatigue?

Bei der Myelofibrose ist der Nachtschlaf häufig gestört, das kann verschiedene Gründe haben. Ein Grund ist die große Milz, welche Schmerzen bereitet und beim Liegen stört. Der Nachtschweiß kann manchmal dazu führen, dass man nicht gut durchschlafen kann, nachts wach wird und die Bettwäsche wechseln muss.

Außerdem führt die Fatigue Symptomatik oft dazu, dass man sich tagsüber weniger bewegt, dass man morgens, gerade wenn man für sich noch keine gute Routine gefunden hat, spät aufsteht, nach dem Frühstück bereits erschöpft ist und sich gleich wieder hinlegt. Die wenige Bewegung führt dazu, dass die Nächte oft sehr lang und quälend werden und man in keinen so tiefen, erholsamen Schlaf kommt.

Wichtig zu verstehen ist, dass man die Fatigue Symptomatik nicht wegschlafen kann, aber ein mangelnder Nachtschlaf wiederum dazu führt, dass die Fatigue Symptomatik verstärkt wird. Es ist wichtig alles so einzurichten, dass man einen ungestörten, guten Nachtschlaf haben kann.

Wie kann ich Fatigue durch meine Ernährung beeinflussen?

Eine wichtige Frage, die mir oft gestellt wird, ist wie man die Fatigue Symptomatik durch Essen beeinflussen kann und ob es bestimmte Dinge gibt, die man essen sollte oder nicht, damit man sich besser fühlt. Soweit wir heute wissen, ist das Beste, was man tun kann, eine ausgewogene Mischkost. Diese besteht aus Obst und Gemüse, ballaststoffreichen Lebensmitteln, guten Ölen, nicht zu viel Fleisch und regelmäßig Fisch.

Wenn man unter Myelofibrose leidet und die Milz beispielsweise groß ist und ich deswegen nicht so gut essen kann, dann finde es wichtig, dass man darauf achtet, ausreichend Energie zu sich zu nehmen. Wenn mein Magen klein ist, weil die Milz darauf drückt und ich sehr müde bin, kann ich wahrscheinlich keinen großen Salat essen. Wenn ich es aber tue, dann ist kein Platz mehr für andere Nahrungsmittel und ich habe nur wenig Energie zu mir genommen.

Ich empfehle meinen Patientinnen und Patienten deshalb viele kleine Mahlzeiten zu essen, die dafür aber energiereich sind und gute Nährstoffe enthalten, wie Nüsse oder Nusskuchen, wenn man ihn gerne mag. Man sollte schauen, dass man die Fatigue Symptomatik nicht zusätzlich verschlechtert, weil man zu wenig Energie zu sich nimmt.

Wichtig ist, dass es keine Hinweise drauf gibt, dass beispielsweise eine alleinige Rohkost-Diät die Fatigue Symptomatik anhalten verbessern kann.

Welche Strategien können helfen, Energie zu tanken?

Wir haben bisher viel darüber geredet, was die Fatigue verursacht und wie sie uns beeinträchtigt. Die Frage ist nun, was man tun kann, um ein bisschen mehr Energie zu haben. Ich finde hier hilft uns das Bild von Post-COVID, da es ein Einsatz von verschiedenen Seiten ist. Es gibt nicht nur eine Sache, die hilft, sondern viele unterschiedliche, die zusammenkommen müssen.

Es ist wichtig, dass man die Myelofibrose gut behandelt und der Blutarmut entgegenwirkt. Darüber hinaus sind die Ruhepausen essenziell. Wenn man sich fragt, was man in diesen tun kann, um Energie zu sammeln, dann kann ich Entspannungstechniken empfehlen. Es gibt verschiedene, wie die Muskelrelaxation nach Jacobson oder das Autogene Training.

Achtsamkeit ist sicherlich etwas, was helfen kann, um zwischendurch Ruhe und Entspannung zu bekommen, sie kann langfristig Energie geben. Dazu zählen zum Beispiel die sogenannten MBSR-Kurse, die auch bei Patientinnen und Patienten nach einer Krebserkrankung und der Chemotherapie gut helfen.

Weitere Energiequellen sind sowohl soziale Kontakte als auch ausreichendes und gutes Essen, sodass man zu sich nimmt, was der Körper braucht.

Hier geht es zum Video-Interview: „Energie tanken bei Myelofibrose”

In Bewegung kommen bei Myelofibrose

Wie kann Bewegung bei Myelofibrose helfen?

Bewegung ist ein wichtiger Faktor, der gegen die Fatigue Symptomatik helfen kann. Das kennen wir inzwischen aus vielen Bereichen der Medizin und wir sehen immer wieder, dass regelmäßige, angepasste Bewegung dazu führt, dass es den Menschen langfristig besser geht.

Viele Betroffene fragen dann, was das heißt und ob sie sich nun im Fitnessstudio anmelden müssen. Wenn man sich die Studien anschaut, dann geht daraus hervor, dass es gut ist, eine gewisse Alltagsaktivität zu haben, und zwar angepasst an das eigene Niveau, was man kann.

Man sollte sich nicht jeden Tag überfordern, jemand, der kaum die Treppe hochkommt, sollte nicht das Ziel haben, zehn Kilometer joggen zu gehen. Dessen Ziel wäre es zum Beispiel zu versuchen, in der Wohnung mehrmals am Tag Strecken durch die Räume zu gehen. Wenn ich einen Garten habe, dann nehme ich mir vor, mehrmals durch diesen zu gehen. Bei jemandem, der fitter ist, kann das Ziel sein, jeden Tag eine Viertelstunde oder zwanzig Minuten spazieren zu gehen. Das ist ein gutes Ganzkörpertraining, alternativ gibt es auch das Nordic Walking.

Ein angepasstes Ausdauertraining, zweimal pro Woche für dreißig bis sechzig Minuten, ist gut, wenn man fit genug dafür ist. Heute wissen wir auch, dass Krafttraining ein wichtiger Bestandteil ist. Bei Patientinnen und Patienten mit Myelofibrose tritt oft eine sogenannte katabole Situation auf, es kommt zu einem Muskelverlust. Dieser führt dazu, dass man weniger Kraft hat und die Fatigue Symptomatik sich verstärkt. Ein angepasstes Krafttraining kann hier viel bewirken.

Wenn ich eine Grunderkrankung, wie die Myelofibrose habe, dann sollte ich das Training angeleitet durchführen, zum Beispiel in einer spezialisierten Physiotherapie oder Krankengymnastik Praxis oder entsprechenden Abteilungen, wie es manche Kliniken anbieten. Wichtig ist zu schauen, dass man immer etwas tut, das etwas anstrengend ist, aber sich nicht überanstrengt.

Welche Möglichkeiten mich zu bewegen, habe ich mit Myelofibrose?

Neben Krafttraining und Ausdauertraining hat man inzwischen in vielen Studien und Untersuchungen gesehen, dass es gar nicht so entscheidend ist, was man tut, sondern dass es wichtig ist, Spaß an dem zu haben, was man macht.

Zum Beispiel Yoga, Pilates oder Tai Chi können dazu führen, dass man sich bewegt, Spaß dabei hat und die regelmäßige Bewegung führt dazu, dass die Fatigue Symptomatik sich verbessert.

Hier geht es zum Video-Interview: „In Bewegung kommen bei Myelofibrose”

Unterstützung und Ressourcen bei Myelofibrose

Welche Möglichkeiten zur Unterstützung gibt es bei Fatigue?

Bei einer Fatigue Symptomatik ist es neben der Ernährung, dem Sport und den Medikamenten wichtig, dass man sich um die Seele kümmert. Wir wissen, dass Menschen, die unter Fatigue leiden, häufig traurig oder deprimiert sind, weil alles nicht so funktioniert, wie man möchte, weil die Erkrankungen und die eingebüßte Lebensqualität einen belasten.

Ich finde es ganz wichtig, dass man darauf schaut, wie die Seele unterstützt werden kann. Wir nutzen dafür die Kolleginnen und Kollegen der Psychoonkologie und erleben, dass es oft sehr stärkende und unterstützende Gespräche geben kann. Diese können auch über längere Zeiträume, und zwar gar nicht immer unbedingt mit vielen engmaschigen und intensiven Kontakten, eine Stärkung geben. Das hilft, mit all den Dingen, welche eine Fatigue Symptomatik mit sich bringt, umzugehen.

Wie können Angehörige bei Erschöpfung unterstützen?

Die Schwierigkeit bei der Fatigue Symptomatik ist häufig, dass es für die Menschen um einen herum schwer zu greifen ist, was diese bedeutet. Fatigue ist nicht etwas, was man sieht, es ist auch nicht messbar, wie beispielsweise Fieber und trotzdem ist es extrem belastend. Sie führt dazu, dass man viele Dinge nicht so machen kann, wie man möchte.

Für die Angehörigen ist das häufig eine schwierige Situation, zum einen, weil natürlich auch sie einen gewissen Verlust von Dingen haben, die man sonst vielleicht zusammen unternommen hat. Zum anderen, weil sie in der Regel helfen wollen und es oft schwerfällt zu wissen, was richtig ist.

Ich finde es wichtig, dass man miteinander im Gespräch bleibt und sich über die Tagesform austauscht. Man kann zum Beispiel schauen, dass der oder die Betroffene sagt: Heute fühle ich mich auf einer Skala von eins bis zehn eher wie eine zwei, daher werde ich heute nicht viel machen können.

An Tagen, wo es einem sehr gut geht, kann man dies auch mitteilen: Heute habe ich richtig viel Energie und wir können etwas miteinander unternehmen. Trotzdem wird es natürlich vorkommen, dass die Angehörigen manchmal enttäuscht sind und darüber muss man sich einfach austauschen.

Wenn Angehörige die Möglichkeit haben, ist es hilfreich, wenn Tätigkeiten abgenommen werden können, welche den Patientinnen und Patienten mit Myelofibrose schwerfallen. Dazu zählen zum Beispiel Aktivitäten im Haushalt, Einkäufe oder das Tragen von schweren Sachen.

Als Angehörige kann man auch auf die sozialen Kontakte achten und sagen: Zu der Familienfeier gehe ich heute alleine, denn ich weiß, dass es für dich vielleicht zu viel ist.

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Meine Nachricht an Sie

Zusammenfassend finde ich es wichtig, dass man versteht, dass die Fatigue Symptomatik ein schwerwiegendes Symptom ist, was die Lebensqualität beeinflussen und wirklich vermindern kann. Ich glaube jedoch, dass es viele Angriffspunkte gibt und diese sind wie kleine Stellschrauben, die man dreht. Wenn man schaut, dass man die richtigen findet, dann kann eine anhaltende Verbesserung erreicht werden.

Es ist bei der Fatigue Symptomatik nicht so, wie nach einem Beinbruch, wo alles zuerst schlimm ist, man im Krankenhaus ist, Physiotherapie macht und es stetig besser wird, bis alles wieder gut ist. Bei der Fatigue Symptomatik ist es häufig so, dass selbst wenn man Therapien beginnt und schaut, dass man sich regelmäßig bewegt, seine Ernährung umstellt und alles tut, was empfohlen wird, dass es mal eine Verbesserung gibt, es dann wieder ein Stück zurück geht und es dann erst wieder eine Verbesserung gibt.

Nur, wenn man über längere Zeiträume zurückblickt und schaut, wie geht es mir heute und wie ging es mir vor einem halben Jahr, dann bemerkt man häufig erst, was man erreicht hat. Es ist wichtig, dass man den Mut auf diesem Weg nicht verliert, sondern das Vertrauen darin habt, dass man mit allen zusammen eine langfristige Verbesserung erreichen und die Lebensqualität wirklich verbessern kann. Dazu zählt, dass man eine gute Therapie seiner Myelofibrose erhält und schaut, dass man um sich herum die Hilfen hat, die man braucht.

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Geprüft Friederike Hoffmann Stand: November 2024 | Quellen und Bildnachweis
Die Kurse sind kein Ersatz für das persönliche Gespräch mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt, sondern ein Beitrag dazu, PatientInnen und Angehörige zu stärken und die Arzt-Patienten-Kommunikation zu erleichtern.
Chemotherapie
Behandlung mit Medikamenten (Zytostatika), die das Wachstum von Krebszellen hemmen sollen.
Fatigue
Häufige Begleiterkrankung von schweren Krankheiten, die mit anhaltender Müdigkeit, Kraftlosigkeit und fehlendem Antrieb einhergeht. 
JAK-Inhibitoren
Medikamente, die die Januskinase (JAK) hemmen, ein Enzym, das an der Signalübertragung in Zellen beteiligt ist.
Physiotherapie
Therapieform zur Verbesserung von Beweglichkeit und Kraft durch gezielte Übungen.