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Brustkrebs beim Mann – Interview mit Robert Glattau

Brustkrebs beim Mann

Robert Glattau erkrankte 2011 an Brustkrebs. Seit 2013 ist er Kontaktperson in Österreich für das deutsche Netzwerk “Männer mit Brustkrebs”. Wie es ihm mit dieser für Männer seltenen Diagnose erging, schildert er im Interview über Brustkrebs beim Mann mit selpers.

Brustkrebs beim Mann: Die ersten Schritte nach der Diagnose

selpers: Lieber Herr Robert Glattau, Brustkrebs beim Mann: Welche Gedanken gehen einem bei so einer Diagnose durch den Kopf?

Robert Glattau: Etappenweise hatte ich unterschiedlichste Gedanken im Kopf. Als ich den Knoten in der Brust spürte, dachte ich an etwas Harmloses. Nach der Ultraschalluntersuchung und Mammographie war ich schon besorgter, weil auch eine Biopsie nötig war. Die Diagnose ergab bösartigen Brustkrebs. Auf die Computertomographie musste ich eine Woche warten, diese Woche war die emotional schlimmste meines Lebens. Die CT stellt fest, ob eine Metastasenbildung stattgefunden hat. In dieser Zeit kapselte ich mich völlig ab, fühlte mich wie in einem unendlich tiefen Loch und grübelte, wie ich mich gegebenenfalls umbringen könnte. Diese Erfahrung war die grenzwertigste meines bisherigen Lebens. Das Ergebnis der CT war dann eine Erlösung. Der Tumor war nur lokal festzustellen, was für mich eine außerordentlich gute und freudige Nachricht war.

selpers: Was können Angehörige tun, um diese schwierige Situation zu erleichtern?

Robert Glattau: Das kann ich nicht pauschal beantworten, die Reaktionen der Betroffenen und der Angehörigen sind recht unterschiedlich. Mir half es, dass mein Umfeld die „schlimmste Woche” zwischen Biopsie und CT verstand, und sie mich einfach in Ruhe ließen. Ich hatte trotzdem das Gefühl, unterstützt zu werden, wenn ich jemanden gebraucht hätte.

selpers: Wird man im Vorfeld genügend informiert?

Robert Glattau: Ja, ich fühlte mich in jeder Phase der Untersuchungen und der Therapie gut aufgeklärt.

Vorsorgemöglichkeiten für Brustkrebs beim Mann

selpers: Gibt es ähnliche Angebote für Vorsorgeuntersuchungen wie die Brustkrebsvorsorge für Frauen?

Robert Glattau: Meines Wissens nicht. Die Vorsorge kann nur sein, seine Brust abzutasten und auf Begleitsymptome zu achten. Eine Mammographie wird erst bei eindeutigem Verdacht angeordnet.

Selbsthilfe für Männer mit Brustkrebs

selpers: Was macht das Netzwerk Männer mit Brustkrebs für Betroffene?

Robert Glattau: Für Betroffene und Angehörige bieten wir nach dem Motto, auffangen, informieren und begleiten, regelmäßige Treffen. Es gibt fachliche Vorträge, Austausch und Geselligkeit. Diese finden halbjährlich in Deutschland statt, zu denen derzeit circa 25 Betroffene kommen, manche in Begleitung ihrer Lebenspartnerinnen. Die Reise- und Aufenthaltskosten werden für Mitglieder vom Verein getragen.
Wir tragen durch Öffentlichkeitsarbeit dazu bei, dass mehr Bewusstsein da ist, dass die Gefahr von Brustkrebs auch für Männer besteht. Wir stehen in engem Kontakt mit Medizin und Forschung.Es ist uns ein Anliegen, dass auch spezielle Antihormontherapien für Männer erforscht werden.

selpers: Wie wünschen Sie sich Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Brustkrebs bei Männern?

Robert Glattau: Man wird nur bei Ärztinnen und Ärzten und unserem Netzwerk informiert. Ich empfehle, bei Verdacht zu einer Gynäkologin oder einem Gynäkologen zu gehen, das sind die Spezialisten für die Brust. Ich kenne Fälle von Patienten, deren Hausärzte Brustkrebs nicht in Erwägung zogen („warten wir ab, kommen Sie in ein paar Monaten wieder”) und die dadurch wertvolle Zeit verloren.

Brustkrebs beim Mann: persönliche Erfahrungen

selpers: Was sind Ihre persönlichen Erfahrungen mit dieser Erkrankung?

Robert Glattau: Noch während der Chemotherapie lernte ich das „Netzwerk Männer mit Brustkrebs” kennen (http://www.brustkrebs-beim-mann.de) und nahm an einem Treffen in Deutschland teil. Dadurch erfuhr ich sehr viel mentale Unterstützung und dieser Gedanke keimte (mit einem Augenzwinkern) in mir: „Dass ich als Mann Brustkrebs habe … tja, ich war immer schon für Außergewöhnliches gut!”. Einer der Teilnehmer sagte mir bei meinem ersten Treffen: „Du wirst sehen, wenn du mit dem durch bist, geht es Dir besser, als vorher.” Er sollte recht haben. Zuerst litt ich an den Folgen der Therapie, aber ich gab nicht auf. Meinen Libidoverlust aufgrund der Hormontherapie bekam ich mit Tantraseminaren in den Griff, und habe dabei auch meine spätere Frau kennengelernt.
Später war ich überrascht, dass zum Beispiel in Sportumkleidekabinen meine Narbe auf der Brust, die fehlende Brustwarze und die halbseitig unbehaarte Brust überhaupt nicht wahrgenommen wurde.

selpers: Was berichten Ihnen andere betroffene Männer?

Robert Glattau: Der Umgang damit ist je nach Persönlichkeit sehr unterschiedlich. Ich hatte zum Beispiel kein Problem, zum Frauenarzt zu gehen, fand es sogar witzig, als Mann beim Gynäkologen zu sein. Andere genierten sich und nahmen ihre Frauen in die Ordination mit, damit es aussieht, als ob jene den Termin hätten. Manche werden aufgrund der Antihormontherapie total reizbar und gehemmt, und bezeichnen die Antihormontherapie als starken Libidohemmer. Andere klagen über Schlaflosigkeit und Appetitlosigkeit. Vielen wünschen sich einen sensibleren Umgang mancher Ärzte und Ärztinnen mit dem Thema.

selpers: Haben Sie noch weitere Tipps für Betroffene?

Robert Glattau: Bei Verdacht und Symptomen wie Knoten, angeschwollenen Lymphknoten unter der Achsel, eingezogener Brustwarze, Sekretabsonderung oder Entzündung der Brustwarze sofort zum Arzt gehen. Die Früherkennung ist das A & O einer Heilung. Ich empfehle Gynäkologen oder Gynäkologinnen sowie Onkologen oder Onkologinnen als Erstkonsultation. Hausärzten fehlt oft das Bewusstsein, dass Männer auch Brustkrebs haben könnten.

Herzlichen Dank für das Interview.

Robert-Glattau-Foto-Brustkrebs-beim-Mann Robert Glattau

Ist seit 2013 Kontaktperson in Österreich für das deutsche Netzwerk “Männer mit Brustkrebs”.

www.brustkrebs-beim-mann.de

Interview: selpers Redaktion.

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