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Patientenanwalt mit langjähriger Erfahrung: Dr. Bachinger im Interview

Patientenanwalt Dr. Bachinger im Interview

Dr. Gerald Bachinger ist Jurist und Leiter der Patienten- und Pflegeanwaltschaft in Niederösterreich. Im Interview mit selpers spricht er über seine Erfahrungen und seinen Beruf als Patientenanwalt.

Aufgaben eines Patientenanwalts

selpers: Seit 1999 sind Sie für das Land Niederösterreich als PatientInnen- und Pflegeanwalt tätig. Inwiefern hat sich Ihr Beruf und Ihre Tätigkeiten im Laufe der Jahre verändert?

Dr. Bachinger: Das Tätigkeitsprofil der Patientenanwaltschaften hat sich insofern in den letzten Jahren stark verändert, als zwar weiterhin Beschwerdemanagement für die Patienten und Angehörigen gemacht wird, aber zusätzlich Aufgaben einer strukturellen Patientenvertretung dazu gekommen sind. Das bedeutet, dass von den Patientenanwälten die Funktion der Interessenvertretung der PatientInnen wahrgenommen wird etwa in den Entscheidunsgremien des Gesundheitswesens. Weitere zusätzliche und neue Aufgaben ergeben sich im Bereich e-health und ELGA, wo neue Serviceeinrichtungen (ELGA-Ombudsstellen) für die PatientInnen angeboten werden.

selpers: Als erfahrener Jurist leiten Sie die Niederösterreichische PatientInnen- und Pflegeanwaltschaft – mit welchen Anliegen können Menschen zu Ihnen kommen?

Dr. Bachinger: Grundsätzlich geht es um Konflikte im Bereich des Gesundheitswesens. Die meisten Fälle fallen bei den Krankenanstalten an, gefolgt von den Ordinationen im niedergelassenen Bereich. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt darin, dass wir analysieren und bewerten, ob medizinische Behandlungsfehler vorliegen. Gleichzeitig wird eine außergerichtliche Entschädigungslösung, möglichst ohne Aufwand für die PatientInnen, angestrebt. Weitere Schwerpunkte liegen in der Qualitätssicherung und im Bereich der Patientensicherheit.

Kontaktaufnahme mit einem Patientenanwalt, wenn ein Problem vorliegt

selpers: Wie funktioniert die Kontaktaufnahme im Falle eines Problems?

Dr. Bachinger: Ein Erstkontakt erfolgt meist telefonisch oder per mail. Wir müssen allerdings dann, um den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung zu entsprechen, als Voraussetzung für die weitere Bearbeitung, ein ausgefülltes Formular (abrufbar von der website) vom betroffenen Patienten erhalten.

selpers: Welche weiteren Schritte müssen nach der Kontaktaufnahme gesetzt werden, damit ein Problem erfolgreich gelöst werden kann?

Dr. Bachinger: Wir holen uns dann als nächsten Schritt die erforderlichen Unterlagen (Krankengeschichten) ein, führen eine interne Prüfung durch, holen im Bedarfsfall externe Gutachten ein und treten in Verhandlungen mit den Haftpflichtversicherungen. Eine erfolgreiche Lösung ist dann gegeben, wenn in einem zivilrechtlichen Vergleich, in Kooperation mit allen Beteiligten, eine zufriedenstellende Entschädigungslösung erzielt werden kann.

Informationsmöglichkeiten für Patientenrechte

selpers: Jede Patientin und jeder Patient hat seine Rechte – wo und wie können sich die PatientInnen am besten einen Überblick über die PatientInnenrechte verschaffen?

Dr. Bachinger: Grundlage für die Patientenrechte ist die österreichische Patientencharta. Erläuterungen und Erklärungen sind auf den Websites www.patientenanwalt.com oder www.gesundheit.gv.at abrufbar.

selpers: Wie machen Sie die Menschen auf die PatientInnenrechte aufmerksam?

Dr. Bachinger: Hier gibt es eine Vielzahl von Informationsbroschüren, Websites wie www.patientenanwalt.com, Medienauftritten  – etwa ORF-konkret – und Veranstaltungen.

Was den Beruf des Patientenanwalts so besonders macht

selpers: Was ist Ihnen in Ihrem Job besonders wichtig?

Dr. Bachinger: Einerseits der intensive, direkte Kontakt mit den Menschen und andererseits die Mitwirkung an den Entscheidungen in den hochrangigen Gremien im Gesundheitswesen. Diese Tätigkeit ist auch deshalb sehr erfüllend, da sie weisungsfrei und unabhängig ausgeübt werden kann, also wir können nach bestem Wissen und Gewissen vorgehen.

selpers: Was wollen Sie sonst noch über Ihre Tätigkeit als PatientInnenanwalt sagen?

Dr. Bachinger: Für diese Tätigkeit ist eine „dicke Haut“ notwendig, da es im Gesundheitswesen um viel Macht, Einfluss und Geld geht und hier oft gegen mächtige Einrichtungen argumentiert werden muss. Es bedarf dauernder Kritik und eines dauernden „Aufmuckens“, da nicht die Interessen der PatientInnen, sondern oft die Interessen der Institutionen bzw. der Berufsgruppen in den Mittelpunkt gestellt werden.

selpers: Herzlichen Dank für das Interview.

Weitere Informationen zu Patientenrechten erhalten Sie in unserem kostenlosen Online-Kurs „Rechte in der Arzt-Patienten-Beziehung

Dr. Bachinger Patientenanwalt Dr. Gerald Bachinger
Leiter der NÖ Patienten- und Pflegeanwaltschaft

www.patientenanwalt.com

Interview wurde geführt von:  selpers Red.

Bildnachweis: beigestelltes Foto