Reisen kann eine wunderbare Quelle der Erholung und Inspiration sein – auch mit einer chronischen Erkrankung. Doch wer mit gesundheitlichen Herausforderungen lebt, muss beim Packen nicht nur an Zahnbürste und Sonnencreme denken. Eine gute Vorbereitung, das richtige Maß an Flexibilität und ein bewusster Umgang mit den eigenen Bedürfnissen machen den Unterschied. In diesem zweiteiligen Blogbeitrag teilen Betroffene ihre ganz persönlichen Erfahrungen und Tipps. Sie zeigen: Mit der richtigen Planung und Einstellung ist vieles möglich – oft mehr, als man denkt. In Teil 1 berichten Andrea (Glioblastom), Franzi (Multiple Sklerose), Ben (Hämophilie B), Ira (Lupus und Sjögren-Syndrom) und Laura (Morbus Pompe) von ihren Reisen und geben jeweils drei praktische Tipps für unterwegs.
Reisen mit chronischer Erkrankung
Andrea
Andrea lebt mit einem Glioblastom. Sie wurde 1966 in Graz geboren und hat dort studiert. Sie ist diplomierte Pädagogin und seit vielen Jahren als Volksschullehrerin tätig, derzeit jedoch im Krankenstand. Sie ist verheiratet, hat zwei Kinder (25 und 18 Jahre) und lebt in Bregenz/Lochau.
Check deine eigenen Bedürfnisse gut ab
Reisen ist für mich etwas sehr Persönliches. Auch wenn ich nicht allein unterwegs bin, ist mir wichtig, dass ich meine eigenen (!) Bedürfnisse, Eigenheiten und Erwartungen gut kenne. Ich wähle mein Reiseziel so, dass ich nicht dem Zufall ausgeliefert bin, sondern weiß, was mich dort erwartet – und wie ich genau zu dem komme, was ich möchte.
Lieber vertraut und spontan als abenteuerlich
Ich reise – auch krankheitsbedingt – eher spontan und nicht zu weit im Voraus geplant. Meistens geht es dorthin, wo ich schon war oder wo ich wirklich sehr, sehr gerne bin. Das klingt vielleicht langweilig, bringt aber für mich echte Qualität und Erholung. Auf Abenteuer bin ich nicht mehr unbedingt aus – das ist sicher altersabhängig und meiner aktuellen Lebenssituation geschuldet.
Nicht am falschen Fleck sparen
Wenn ich mich für eine Reise entscheide, dann spare ich nicht an Anreise, Unterkunft, Fortbewegung vor Ort oder Rückreise. Über die Jahre habe ich einen sehr klaren Reisekompass entwickelt – und wenn ich da Kompromisse machen müsste, bleibe ich lieber daheim.
Franzi
Hi, ich bin die Franzi, 33 Jahre alt und habe seit nun 20 Jahren die Diagnose Multiple Sklerose (MS). Ich lebe im schönen Bayern, bin verheiratet und habe seit 2,5 Jahren eine kleine Tochter, welche momentan meinen Alltag gestaltet, da ich noch in Elternzeit bin. Vor der Schwangerschaft war ich PTA mit Leib und Seele in einer öffentlichen Apotheke.
Reisen mit Multipler Sklerose (MS): Ich bin Franzi, lebe seit 2004 mit MS – und ich reise trotzdem. Mit etwas Vorbereitung und Achtsamkeit lässt sich auch mit MS viel entdecken und erleben. Hier sind meine drei persönlich erprobten Tipps:
Pausen einplanen – bewusst und großzügig
Menschen mit MS wissen: Energie ist nicht unbegrenzt verfügbar. Deshalb plane ich von Beginn an regelmäßige Ruhephasen ein. Statt möglichst viel in kurzer Zeit zu sehen, konzentriere ich mich auf einzelne Highlights – und lasse Platz für Erholung. Qualität statt Quantität.
Medikamente & Versorgung frühzeitig organisieren
Vor jeder Reise prüfe ich:
- Habe ich genug Medikamente für die gesamte Zeit dabei?
- Müssen sie gekühlt werden – und wie organisiere ich das unterwegs?
- Wo finde ich im Notfall ärztliche Hilfe oder eine Apotheke?
- Ein Plan B (z. B. Notfallnummern oder eine kurze Info in der Landessprache) sorgt für zusätzliche Sicherheit.
Flexibel bleiben – und ehrlich mit sich selbst sein
Auch wenn ich gern viel erlebe: Mein Körper gibt das Tempo vor. Es kommt vor, dass ich spontan umplanen oder einen Tag Pause machen muss. Ich habe gelernt, das nicht als Rückschritt zu sehen, sondern als achtsamen Umgang mit mir selbst.
Ben
Hier sind Bens Tipps zum Reisen:
Medikamentenmenge:
3–4 Mal so viel Konzentrat dabei haben wie man für die eigentliche Reise benötigt (Prophylaxe)
Versorgung im Urlaubsland recherchieren:
Krankenhäuser und speziell Hämophilie-Versorgung vorher checken – Hämophiliebehandler informieren (und Arztbrief drucken lassen, damit es keine Probleme mit dem Konzentrat bei der Einreise gibt)
Aufkleber und Ausweis:
Sticker und Notfallausweise gut sichtbar bei sich tragen oder auf Gepäck/Rucksack kleben – bspw. hier: https://www.igh.info/infos/hilfen/notfall/notfallaufkleber
Ira
Hier geht es zu Iras Instagram-Account: @autoimmunebalanceclub
Keine Angst vor Fernreisen: Meine beiden Diagnosen Lupus (SLE) und Sjögren-Syndrom haben mein Leben geändert, aber nicht meine Liebe zum Reisen. Ich liebe es nach wie vor, durch fremde Länder zu reisen und mich durch den Tag treiben zu lassen. Hier sind meine 3 Tipps:
Eine gute Vorbereitung ist das A und O
Stelle sicher, dass du alle notwendigen Medikamente, ärztliche Unterlagen als Scan oder Kopie und eine Liste deiner Diagnosen auf Englisch dabei hast. Frag deinen Facharzt nach seiner Mailadresse für den Notfall! Ich habe meinen Rheumatologen mal aus Thailand um Hilfe bitten müssen und er hat mir per Mail innerhalb kurzer Zeit weiterhelfen können. Das war in diesem Moment sehr wertvoll für mich. Informiere dich zudem vorab über die medizinische Versorgung am Reiseziel und finde heraus, wo du im Notfall Hilfe bekommst. Privatkliniken bieten meiner Erfahrung nach oft eine bessere Versorgung und werden von einer Auslandsreisekrankenversicherung übernommen. Ich liebe z.B. nach wie vor Fernreisen nach Asien, verzichte dabei aber auf Inseln zu fahren, da dort die medizinische Versorgung oft nicht abgedeckt ist.
Höre auf deinen Körper und plane kleine Etappen und Pausen ein – der Weg ist das Ziel!
Reisen kann anstrengend sein, besonders wenn du mit einer chronischen Erkrankung unterwegs bist. Achte auf die Signale deines Körpers und gönn dir ausreichend Pausen. Hab immer Wasser und deine Notfallmedikamente dabei. Flexibilität im Reiseplan hilft dir, Stress zu vermeiden und deine Energie gut einzuteilen. Größere Reiseabschnitte in kleine Etappen zu unterteilen, kann dich auch an schöne Orte bringen!
Nimm Unterstützung an
Scheue dich nicht, Freunde, Familie oder andere Reisende um Hilfe zu bitten, wenn du sie brauchst. Manchmal ist es auch hilfreich, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen, die ähnliche Erfahrungen machen. Das gibt dir Sicherheit und zeigt dir, dass du nicht allein bist. Wenn du zum Beispiel Fragen zum Thema Asienreisen mit Lupus und Sjögren hast, kannst du mir gerne auf meinem Instagram-Account schreiben (@autoimmunebalanceclub).
Laura
Laura – Ich bin Laura, 18 Jahre alt. Ich habe Morbus Pompe (adulte Form) und mache zurzeit mein Fachabitur in der Richtung Biologie und Umwelttechnologie. Danach beginne ich eine Ausbildung zur tiermedizinischen Fachangestellten. In meiner Freizeit hänge ich am liebsten mit Tieren rum, gucke Serien oder lese ein Buch.
Hier geht es zu Lauras Instagram-Account: @morbus_pompe
Ich bin Laura, 18 Jahre alt, und habe eine chronische Muskelerkrankung, die zu einer Muskelschwäche führt. Deswegen ist es super wichtig für mich, beim Reisen schon im Vorhinein drauf zu achten. Das Hotel, die Ausflüge und der Weg dahin müssen barrierefrei sein. Vor allem muss ich auf Treppen und lange Strecken achten. Außerdem ist es wichtig, häufig Pausen einzulegen. Ich muss mich häufig ausruhen und Pausen einlegen. Auf sich selber zu achten, ist am wichtigsten. Mein letzter Punkt ist Spaß haben, das ist das Wichtigste. Natürlich muss man viel beachten beim Reisen mit einer Behinderung, aber vor allem darf man sich den Spaß nicht nehmen lassen. Meine drei Tipps sind also:
- Beim Buchen auf Barrierefreiheit achten, nach den Bedürfnissen buchen
- Pausen einlegen, auf einen selber achtgeben
- Spaß haben (trotz) oder gerade wegen der Behinderung!
Erzähl uns deine Geschichte
Du hast eine chronische Erkrankung und möchtest deine Geschichte teilen?
Wir bei selpers freuen uns, wenn Betroffene ihre Erfahrungen weitergeben. Wenn du deine Geschichte erzählen und damit anderen Mut machen möchtest, schreib uns an redaktion@selpers.com – wir melden uns gerne bei dir!
Interviews wurden geführt von: selpers Redaktion
Bildnachweis: Andrea, Franzi, Ben, Ira, Laura