Erfahrungsbericht

Vorstellung

Mein Name ist Gerhard Hinterlassnig, Alter 71. Erkrankt bin ich an CLL, sprich chronisch lymphathische Leukämie. Und die Erst-Diagnose liegt schon sehr lange zurück. Das war Mai 2005.

Welche Therapieansätze haben Sie bisher in Anspruch genommen?

Die Therapieformen waren insgesamt eine Chemotherapie, es waren Antikörper, und es war orale Therapie, die bis heute andauert und vermutlich noch länger andauern wird.

Wie war Ihr Weg bis zur Diagnose von CLL?

Bis zur Diagnose war es ein ganz normaler Weg ohne jedwede Vorzeichen oder Symptome. Es war reiner Zufall, dass man darauf gekommen ist durch eine bekannte Ärztin von mir, die mich ständig drangsaliert hat, weil einiges nicht gepasst hat. Und so bin ich dann ans AKH gelangt im Mai 2005. Und der hat mir dann die Diagnose unterbreitet.

Was hat sich durch die Diagnose der CLL bei Ihnen verändert?

Es hat sich in der ersten Zeit nur eines geändert, nämlich, dass ich regelmäßig, d.h. alle zwei Monate, zu einer Kontrolle musste. Das hat sich also verändert. Es hat aber trotzdem keine Beschwerden gegeben. Ich musste meinen Lebensrhythmus geringfügig, muss man wirklich sagen, geringfügig umstellen.

Mir war zu dem Zeitpunkt klar, dass das nicht immer so verlaufen wird und dass etliche Untersuchungen anstehen würden. Aber genau genommen hat niemand, und auch ich nicht, den Verlauf vorhersagen können.

Was hat Ihnen geholfen, als Sie die Diagnose CLL bekommen haben?

Ich mir selbst am meisten, weil ich mich damit beschäftigt habe. Denn das über einen Dritten zu machen, hätte, glaube ich, nicht so viel Sinn gehabt, weil jeder darauf anders reagiert. Und für mich war es halt so: solange es keine Beschwerden gibt, und die gab es nicht, habe ich mich nicht großartig umstellen müssen oder wollen. So quasi „keep cool“ – wir warten ab. Wir haben keinen Stress. Irgendwann wird was passieren. Beide wissen wir nicht, wann das sein wird. Beide wissen nicht, was es sein wird. Aber wenn es passiert, dann haben wir Mittel dagegen.

Und in meinem Fall waren es dann doch etliche Jahre, die verstrichen sind, ohne gröbere Beschwerden, ohne Einschränkungen. Ich war in meinen Beruf weiter tätig. Und das war natürlich auch eine Ablenkung.

Wie lange hat die Watch & Wait-Phase bei Ihnen angedauert?

Die Phase war relativ lang. Wie gesagt, niemand wusste, wie lange das dauern wird, ich am allerwenigsten als Patient. Zirka vier Jahre, fast fünf Jahre hat man diese Phase immer einmal durchgemacht. Ich habe genau gewusst: Wenn die Kontrollen enger werden, also wenn dieser Zeitpunkt erreicht wird, dann wird es ernst. Und das war dann tatsächlich so bei mir, dass nach zirka fünf Jahren Handlungsbedarf war.

Die Watch & Wait-Phase hat bei mir fast fünf Jahre gedauert. Dass sie kommt, war jedem klar. Und bei mir war diese Zeit um in etwa fünf Jahren. Und dann wurden die Kontrollen nicht mehr drei- oder sechsmonatig durchgeführt, sondern monatlich.

Was ist Ihr persönlicher Tipp, den Sie anderen nach einer CLL-Diagnose mit auf den Weg geben möchten?

Das ist schwierig, weil erstens jeder anders reagiert auf diese Diagnose, von gelassen bis hysterisch wahrscheinlich. Das zweite ist: “Ruhig bleiben” ist leichter gesagt. Aber man sollte wirklich vielleicht, auch wenn es erforderlich ist, fremde Hilfe in Anspruch nehmen. Es gibt jede Menge Psychoonkologen zum Beispiel. Es gibt Stellen, Selbsthilfegruppen, die wirklich hilfreich sein können. Das war bei mir der Fall.

Aber ich habe bis zu dem Zeitpunkt nicht wirklich andere Menschen gebraucht, sondern habe das einfach versucht zu verdrängen, weil ich ja keine Schmerzen und keine Beschwerden gehabt habe. Auch zu dem Zeitpunkt nicht.

Wie haben Sie sich in die Therapieentscheidung eingebracht?

Die Therapieentscheidung wurde von den Professoren im AHK vorgeschlagen, und man hat ja im Grunde genommen als Patient nicht wirkliche eine Alternative. Möchte man die Krankheit in den Griff kriegen, dann muss man zwangsläufig Ja sagen zu der vorgeschlagenen Therapie und hoffen, dass das gut über die Bühne geht. Sagt man Nein – das Recht habe ich natürlich auch als Patient – ist die Frage, ob es gescheit ist. Wir reden ja nicht von einem Schnupfen. Wir reden ja von einer doch schweren Grunderkrankung.

Wie haben Sie die Teilnahme an Studien erlebt?

Das war schon lange nach der Chemo. Die war erledigt. Mit einem sehr, sehr guten Erfolg, muss man dazu sagen. Also ich hätte es nie für möglich gehalten. Es war so, dass einige Monate nach der Chemo die Krankheit fast nicht mehr nachweisbar war. Also ein Riesenerfolg. Wohl wissend, dass es aber nicht so bleibt, natürlich.

Zur Studie: Die wurde mir natürlich angeboten. Und meine erste Reaktion war: „Sicher nicht!“ Da steht immer das Wort Versuchskaninchen im Raum, was man ja letztlich auch ist, aber ich habe mir dann eine Bedenkzeit erbeten von vier Wochen. Und das war kein Problem, die wurde genehmigt. Ich haben bei denen einen Termin ausgemacht und habe zu dem gesagt, – das war eine ziemlich entscheidende Phase, was die Studie betrifft – ich habe gesagt: „Herr Professor, wie würden Sie mir das verklickern, warum sollte ich an dieser Studie teilnehmen? Ich habe kein gutes Gefühl.“ Daraufhin hat er einen ganz gescheiten Satz gesagt: „Sie sind jetzt ein Indianer und sind auf Kriegspfad und haben fünf Pfeile im Köcher. Die fünf verschießen Sie erfolgreich. Dann haben wir ein Problem…“ Und das war so der Auslöser, wo ich gesagt habe: „Das klingt gut. Das tue ich.“

Und das Ganze, das muss ich schon sagen, ist sehr professionell aufgezogen, also nicht nur vom AKH in dem Fall, sondern auch von den Pharmafirmen. Es ist wirklich sehr komplex und sehr, sehr professionell. Und darauf habe ich schon Wert gelegt. Also irgendwem irgendwas zu vertrauen ist ja nicht so… Und letztendlich war die Entscheidung ganz sicher richtig.

Was möchten Sie Menschen mitteilen, die Angst vor einer Studienteilnahme haben?

Das ist leicht beantwortet. Wovor man Angst hat… Man macht es ja für sich selbst in erster Linie. Und die Studie wird ja auch nicht jedem angeboten, sondern es wird vorher im Hintergrund genau recherchiert: Wer kommt dafür in Frage? Das ist ja kein Lotteriespiel.

Also ich kann aus meiner Sicht nur sagen, nachdem ich schon zwei Studien durchgemacht habe: Beides waren keine Fehler.

Also die Angst ist unbegründet, ist absolut unbegründet.

Was hat Ihnen beim Umgang mit Nebenwirkungen geholfen?

Die Nebenwirkungen waren bei mir so gut wie kaum vorhanden, außer bei einer Phase. Das war bei der Chemo. Nach der ersten Chemo gab es einen Schüttelfrost. Und das war in den ganzen Jahren Gott sei Dank die einzige gröbere Nebenwirkung.

Wie hat sich Ihr Lebensstil durch Ihre Erkrankung verändert?

Mein Lebensstil hat sich, nachdem ich das Glück hatte, so gut wie keine Beschwerden zu haben, im Grunde nicht wesentlich verändert. Ich bin dann nach wie vor berufstätig gewesen, bin mit 61 in Pension gegangen. Das Ganze ist ziemlich nahtlos gegangen. Und die letzten Jahre nehme ich allerdings einmal täglich eine Tablette. Das ist zur Erhaltung sozusagen.

Wie nehmen Sie sich Auszeit von der Erkrankung?

Also eine Auszeit betreffend Krankheit gibt es nicht wirklich. Also das schleppt man halt mit sich. Den Rucksack kann man nicht abstellen und sagen: „Ich komme in zwei Wochen wieder vorbei…“ Das geht nicht, sondern das hat man halt, und irgendwann tritt so ein gewisser, das ist jetzt vielleicht ein blöder Vergleich, schon ein gewisser Gewöhnungseffekt ein, sofern man natürlich keine Beschwerden hat.

Was war für Sie im Laufe Ihrer Patientengeschichte schwierig und was hat Ihnen dabei geholfen?

Na ja, die Tatsache vielleicht, dass es eine Krankheit ist, die nicht heilbar ist. Das steht immer im Raum. Das „C“ steht halt für „chronisch“, und das ist nicht immer sehr beruhigend.

Wie geht man damit um? Da gibt es kein Rezept, weil das so eine individuelle Geschichte ist. Es klingt so: Die Phasen, die ich hatte und immer habe und wahrscheinlich haben werde, habe ich zu 90 % für mich selber bewältigt. Also es kommen dann so schlaue Ratschläge wie „Es wird schon wieder und geht wieder“. Es ist nicht hilfreich, habe ich die Erfahrung gemacht.

Da ist es vielleicht besser, man setzt sich mal sechs Stunden in den Garten, sofern man einen hat, und horcht auf das Vogelgezwitscher. Das ist für mich persönlich effizienter als Sitzen mit unserem Psychologen eine Stunde oder zwei. Aber das muss natürlich jeder für sich entscheiden.

Wie sprechen Sie mit anderen über Ihre Erkrankung?

Sofern die Krankheit zum Thema wird mit anderen, nehme ich es eher locker. Ich versuche, keinen anderen mit hineinzureißen. Es gibt ja Leute, die sind da sehr sensibel. Und irgendwo habe ich schon immer das Gefühl, dass die Menschen rundum mich das zur Kenntnis nehmen, aber sie wissen ja, dass sie mir nicht helfen können. Und daher ist das Gespräch nie sehr lang, was das betrifft.

Wie erklären Sie anderen Ihre Erkrankung?

Ich nenne das Kind beim Namen. Ich sage: „Das ist eine chronische Leukämie, Lymphathische Leukämie.“ Wenn sie dann fragen: „Was ist das?“ Dann sage ich: „Das ist eine Bluterkrankung.“ Damit ist das Thema abgehakt.

Es beschäftigt sich keiner mehr damit. Das, was wir jetzt besprechen, interessiert im Grunde die wenigsten. Das sind reine Höflichkeitsformen, habe ich die Erfahrung gemacht. Und das ist auch in Ordnung so. Wahrscheinlich würde ich genauso reagieren.

Wie bereiten Sie sich auf ein Arztgespräch vor? Nehmen Sie jemanden zum Arztbesuch mit?

Nachdem ich im AKH schon sehr lange ein und ausgehe und auch die Professoren durchwegs kenne, ergeben sich nicht sehr viele Fragen. Ist es eher umgekehrt, dass die Ärzte mich fragen nach dem Allgemeinzustand. Dann gibt es gewisse Standardfragen, gewisse Parameter, die man halt, wenn es geht, mit Nein beantworten sollte. Also: „Haben Sie Fieber? Haben sie Durchfall? Haben Sie Nachtschweiß?“ und, und, und. Aber ich selber bereite mich nicht mehr vor, oder ich wüsste gar nicht, was ich fragen soll.

Zum Arztbesuch gehe ich alleine, aus dem einfachen Grund, weil ich fünf Stunden Wartezeit niemandem antun möchte. Es ist manches Mal meine Frau mitgegangen, aber wie gesagt: Das mache ich schon selbst.

Wie oft sind Sie noch im Krankenhaus?

Aktuell sind es wieder zwei Monate, denn ich hatte einen Infekt gehabt vor einigen Wochen. Bei einem gesunden Menschen ist der in zwei Wochen weg. Bei mir hat er sechs Wochen gedauert. Und der hinterlässt natürlich Spuren. Nachdem das Immunsystem geschwächt ist, wie man weiß, bei der Krankheit, muss man mir halt mehr auf den Zahn fühlen. Daher zwei Monate. Aber nun ist alles im grünen Bereich, hoffe ich.

Was hat Ihnen bei schwierigen Gesprächen geholfen?

Schwierige Gespräche mit Ärzten habe ich noch nicht erlebt, ganz ehrlich. Es waren eher aufklärende Gespräche. Schlecht? Ich weiß es nicht. Vielleicht kommt es darauf an, wie man fragt, wen man fragt. Ob Sie die Frage nicht 20 Mal wiederholen. Aber ich könnte jetzt nicht sagen, dass ich mit einem Arzt oder einer Ärztin ein schlechtes Gespräch gehabt hätte. Das kann ich absolut nicht sagen.

Was ist Ihr persönlicher Tipp, den Sie anderen mit CLL mit auf den Weg geben möchten?

Im Wesentlichen haben wir darüber gesprochen. Das ist einmal eben die Studie, um darauf zurückzukommen. Ich habe den Eindruck, dass sehr viele oder 80 % bei dem ersten Ausdruck Studie zurückzucken. Den Eindruck habe ich schon gehabt. Ich habe einige Arbeitskollegen, die das sagen. Da sind wir erst nachher darauf kommen, dass die auch die gleiche Erkrankung haben. Und manche sind standhaft geblieben, bis heute, haben gesagt: „Bei mir gibt es keine Studie.“ Was gescheiter ist, ist wirklich schwer zu sagen.

Aber einen speziellen Tipp für jeden Einzelnen möchte ich mir jetzt nicht anmaßen.

Was ganz wichtig ist, ist vielleicht schon zu erwähnen: Die CLL ist nach wie vor eine Krankheit, wie man weiß, die nicht heilbar ist. Hätte man die Krankheit vor 40 Jahren gekriegt, dann hätte die Sache anders ausgeschaut. Heute ist es tatsächlich so, daran sind teilweise die Studien „Schuld“, dass es derartig viele Möglichkeiten gibt, diese CLL zu bekämpfen. Und zwar für jeden. Es ist halt schon so weit, dass man eine spezielle Therapie für jede einzelne Person machen kann. Und das ist natürlich ein gewaltiger Fortschritt.

Also die Krankheit hat schon ein bisschen an Schrecken verloren, kommt mir vor. Das sollte man sich halt bewusst machen.

CLL behandeln - Erfahrungsbericht

Gerhard Hinterlassnig ist 71 Jahre alt und erhielt im Mai 2005 die Diagnose „chronisch lymphatische Leukämie“ (CLL). In diesem Erfahrungsbericht spricht er offen über seine Erlebnisse mit der Erkrankung. Dabei behandelt er eine Reihe von Themen, darunter den Umgang mit der Diagnose, das Leben während der ‘Watch & Wait’-Phase, die Bedeutung von Studienteilnahmen, den Umgang mit Nebenwirkungen und viele mehr.

Vorstellung

Mein Name ist Gerhard Hinterlassnig, Alter 71. Erkrankt bin ich an CLL, sprich chronisch lymphathische Leukämie. Und die Erst-Diagnose liegt schon sehr lange zurück. Das war Mai 2005.

Welche Therapieansätze haben Sie bisher in Anspruch genommen?

Die Therapieformen waren insgesamt eine Chemotherapie, es waren Antikörper, und es war orale Therapie, die bis heute andauert und vermutlich noch länger andauern wird.

Wie war Ihr Weg bis zur Diagnose von CLL?

Bis zur Diagnose war es ein ganz normaler Weg ohne jedwede Vorzeichen oder Symptome. Es war reiner Zufall, dass man darauf gekommen ist durch eine bekannte Ärztin von mir, die mich ständig drangsaliert hat, weil einiges nicht gepasst hat. Und so bin ich dann ans AKH gelangt im Mai 2005. Und der hat mir dann die Diagnose unterbreitet.

Was hat sich durch die Diagnose der CLL bei Ihnen verändert?

Es hat sich in der ersten Zeit nur eines geändert, nämlich, dass ich regelmäßig, d.h. alle zwei Monate, zu einer Kontrolle musste. Das hat sich also verändert. Es hat aber trotzdem keine Beschwerden gegeben. Ich musste meinen Lebensrhythmus geringfügig, muss man wirklich sagen, geringfügig umstellen.

Mir war zu dem Zeitpunkt klar, dass das nicht immer so verlaufen wird und dass etliche Untersuchungen anstehen würden. Aber genau genommen hat niemand, und auch ich nicht, den Verlauf vorhersagen können.

Was hat Ihnen geholfen, als Sie die Diagnose CLL bekommen haben?

Ich mir selbst am meisten, weil ich mich damit beschäftigt habe. Denn das über einen Dritten zu machen, hätte, glaube ich, nicht so viel Sinn gehabt, weil jeder darauf anders reagiert. Und für mich war es halt so: solange es keine Beschwerden gibt, und die gab es nicht, habe ich mich nicht großartig umstellen müssen oder wollen. So quasi „keep cool“ – wir warten ab. Wir haben keinen Stress. Irgendwann wird was passieren. Beide wissen wir nicht, wann das sein wird. Beide wissen nicht, was es sein wird. Aber wenn es passiert, dann haben wir Mittel dagegen.

Und in meinem Fall waren es dann doch etliche Jahre, die verstrichen sind, ohne gröbere Beschwerden, ohne Einschränkungen. Ich war in meinen Beruf weiter tätig. Und das war natürlich auch eine Ablenkung.

Wie lange hat die Watch & Wait-Phase bei Ihnen angedauert?

Die Phase war relativ lang. Wie gesagt, niemand wusste, wie lange das dauern wird, ich am allerwenigsten als Patient. Zirka vier Jahre, fast fünf Jahre hat man diese Phase immer einmal durchgemacht. Ich habe genau gewusst: Wenn die Kontrollen enger werden, also wenn dieser Zeitpunkt erreicht wird, dann wird es ernst. Und das war dann tatsächlich so bei mir, dass nach zirka fünf Jahren Handlungsbedarf war.

Die Watch & Wait-Phase hat bei mir fast fünf Jahre gedauert. Dass sie kommt, war jedem klar. Und bei mir war diese Zeit um in etwa fünf Jahren. Und dann wurden die Kontrollen nicht mehr drei- oder sechsmonatig durchgeführt, sondern monatlich.

Was ist Ihr persönlicher Tipp, den Sie anderen nach einer CLL-Diagnose mit auf den Weg geben möchten?

Das ist schwierig, weil erstens jeder anders reagiert auf diese Diagnose, von gelassen bis hysterisch wahrscheinlich. Das zweite ist: “Ruhig bleiben” ist leichter gesagt. Aber man sollte wirklich vielleicht, auch wenn es erforderlich ist, fremde Hilfe in Anspruch nehmen. Es gibt jede Menge Psychoonkologen zum Beispiel. Es gibt Stellen, Selbsthilfegruppen, die wirklich hilfreich sein können. Das war bei mir der Fall.

Aber ich habe bis zu dem Zeitpunkt nicht wirklich andere Menschen gebraucht, sondern habe das einfach versucht zu verdrängen, weil ich ja keine Schmerzen und keine Beschwerden gehabt habe. Auch zu dem Zeitpunkt nicht.

Wie haben Sie sich in die Therapieentscheidung eingebracht?

Die Therapieentscheidung wurde von den Professoren im AHK vorgeschlagen, und man hat ja im Grunde genommen als Patient nicht wirkliche eine Alternative. Möchte man die Krankheit in den Griff kriegen, dann muss man zwangsläufig Ja sagen zu der vorgeschlagenen Therapie und hoffen, dass das gut über die Bühne geht. Sagt man Nein – das Recht habe ich natürlich auch als Patient – ist die Frage, ob es gescheit ist. Wir reden ja nicht von einem Schnupfen. Wir reden ja von einer doch schweren Grunderkrankung.

Wie haben Sie die Teilnahme an Studien erlebt?

Das war schon lange nach der Chemo. Die war erledigt. Mit einem sehr, sehr guten Erfolg, muss man dazu sagen. Also ich hätte es nie für möglich gehalten. Es war so, dass einige Monate nach der Chemo die Krankheit fast nicht mehr nachweisbar war. Also ein Riesenerfolg. Wohl wissend, dass es aber nicht so bleibt, natürlich.

Zur Studie: Die wurde mir natürlich angeboten. Und meine erste Reaktion war: „Sicher nicht!“ Da steht immer das Wort Versuchskaninchen im Raum, was man ja letztlich auch ist, aber ich habe mir dann eine Bedenkzeit erbeten von vier Wochen. Und das war kein Problem, die wurde genehmigt. Ich haben bei denen einen Termin ausgemacht und habe zu dem gesagt, – das war eine ziemlich entscheidende Phase, was die Studie betrifft – ich habe gesagt: „Herr Professor, wie würden Sie mir das verklickern, warum sollte ich an dieser Studie teilnehmen? Ich habe kein gutes Gefühl.“ Daraufhin hat er einen ganz gescheiten Satz gesagt: „Sie sind jetzt ein Indianer und sind auf Kriegspfad und haben fünf Pfeile im Köcher. Die fünf verschießen Sie erfolgreich. Dann haben wir ein Problem…“ Und das war so der Auslöser, wo ich gesagt habe: „Das klingt gut. Das tue ich.“

Und das Ganze, das muss ich schon sagen, ist sehr professionell aufgezogen, also nicht nur vom AKH in dem Fall, sondern auch von den Pharmafirmen. Es ist wirklich sehr komplex und sehr, sehr professionell. Und darauf habe ich schon Wert gelegt. Also irgendwem irgendwas zu vertrauen ist ja nicht so… Und letztendlich war die Entscheidung ganz sicher richtig.

Was möchten Sie Menschen mitteilen, die Angst vor einer Studienteilnahme haben?

Das ist leicht beantwortet. Wovor man Angst hat… Man macht es ja für sich selbst in erster Linie. Und die Studie wird ja auch nicht jedem angeboten, sondern es wird vorher im Hintergrund genau recherchiert: Wer kommt dafür in Frage? Das ist ja kein Lotteriespiel.

Also ich kann aus meiner Sicht nur sagen, nachdem ich schon zwei Studien durchgemacht habe: Beides waren keine Fehler.

Also die Angst ist unbegründet, ist absolut unbegründet.

Was hat Ihnen beim Umgang mit Nebenwirkungen geholfen?

Die Nebenwirkungen waren bei mir so gut wie kaum vorhanden, außer bei einer Phase. Das war bei der Chemo. Nach der ersten Chemo gab es einen Schüttelfrost. Und das war in den ganzen Jahren Gott sei Dank die einzige gröbere Nebenwirkung.

Wie hat sich Ihr Lebensstil durch Ihre Erkrankung verändert?

Mein Lebensstil hat sich, nachdem ich das Glück hatte, so gut wie keine Beschwerden zu haben, im Grunde nicht wesentlich verändert. Ich bin dann nach wie vor berufstätig gewesen, bin mit 61 in Pension gegangen. Das Ganze ist ziemlich nahtlos gegangen. Und die letzten Jahre nehme ich allerdings einmal täglich eine Tablette. Das ist zur Erhaltung sozusagen.

Wie nehmen Sie sich Auszeit von der Erkrankung?

Also eine Auszeit betreffend Krankheit gibt es nicht wirklich. Also das schleppt man halt mit sich. Den Rucksack kann man nicht abstellen und sagen: „Ich komme in zwei Wochen wieder vorbei…“ Das geht nicht, sondern das hat man halt, und irgendwann tritt so ein gewisser, das ist jetzt vielleicht ein blöder Vergleich, schon ein gewisser Gewöhnungseffekt ein, sofern man natürlich keine Beschwerden hat.

Was war für Sie im Laufe Ihrer Patientengeschichte schwierig und was hat Ihnen dabei geholfen?

Na ja, die Tatsache vielleicht, dass es eine Krankheit ist, die nicht heilbar ist. Das steht immer im Raum. Das „C“ steht halt für „chronisch“, und das ist nicht immer sehr beruhigend.

Wie geht man damit um? Da gibt es kein Rezept, weil das so eine individuelle Geschichte ist. Es klingt so: Die Phasen, die ich hatte und immer habe und wahrscheinlich haben werde, habe ich zu 90 % für mich selber bewältigt. Also es kommen dann so schlaue Ratschläge wie „Es wird schon wieder und geht wieder“. Es ist nicht hilfreich, habe ich die Erfahrung gemacht.

Da ist es vielleicht besser, man setzt sich mal sechs Stunden in den Garten, sofern man einen hat, und horcht auf das Vogelgezwitscher. Das ist für mich persönlich effizienter als Sitzen mit unserem Psychologen eine Stunde oder zwei. Aber das muss natürlich jeder für sich entscheiden.

Wie sprechen Sie mit anderen über Ihre Erkrankung?

Sofern die Krankheit zum Thema wird mit anderen, nehme ich es eher locker. Ich versuche, keinen anderen mit hineinzureißen. Es gibt ja Leute, die sind da sehr sensibel. Und irgendwo habe ich schon immer das Gefühl, dass die Menschen rundum mich das zur Kenntnis nehmen, aber sie wissen ja, dass sie mir nicht helfen können. Und daher ist das Gespräch nie sehr lang, was das betrifft.

Wie erklären Sie anderen Ihre Erkrankung?

Ich nenne das Kind beim Namen. Ich sage: „Das ist eine chronische Leukämie, Lymphathische Leukämie.“ Wenn sie dann fragen: „Was ist das?“ Dann sage ich: „Das ist eine Bluterkrankung.“ Damit ist das Thema abgehakt.

Es beschäftigt sich keiner mehr damit. Das, was wir jetzt besprechen, interessiert im Grunde die wenigsten. Das sind reine Höflichkeitsformen, habe ich die Erfahrung gemacht. Und das ist auch in Ordnung so. Wahrscheinlich würde ich genauso reagieren.

Wie bereiten Sie sich auf ein Arztgespräch vor? Nehmen Sie jemanden zum Arztbesuch mit?

Nachdem ich im AKH schon sehr lange ein und ausgehe und auch die Professoren durchwegs kenne, ergeben sich nicht sehr viele Fragen. Ist es eher umgekehrt, dass die Ärzte mich fragen nach dem Allgemeinzustand. Dann gibt es gewisse Standardfragen, gewisse Parameter, die man halt, wenn es geht, mit Nein beantworten sollte. Also: „Haben Sie Fieber? Haben sie Durchfall? Haben Sie Nachtschweiß?“ und, und, und. Aber ich selber bereite mich nicht mehr vor, oder ich wüsste gar nicht, was ich fragen soll.

Zum Arztbesuch gehe ich alleine, aus dem einfachen Grund, weil ich fünf Stunden Wartezeit niemandem antun möchte. Es ist manches Mal meine Frau mitgegangen, aber wie gesagt: Das mache ich schon selbst.

Wie oft sind Sie noch im Krankenhaus?

Aktuell sind es wieder zwei Monate, denn ich hatte einen Infekt gehabt vor einigen Wochen. Bei einem gesunden Menschen ist der in zwei Wochen weg. Bei mir hat er sechs Wochen gedauert. Und der hinterlässt natürlich Spuren. Nachdem das Immunsystem geschwächt ist, wie man weiß, bei der Krankheit, muss man mir halt mehr auf den Zahn fühlen. Daher zwei Monate. Aber nun ist alles im grünen Bereich, hoffe ich.

Was hat Ihnen bei schwierigen Gesprächen geholfen?

Schwierige Gespräche mit Ärzten habe ich noch nicht erlebt, ganz ehrlich. Es waren eher aufklärende Gespräche. Schlecht? Ich weiß es nicht. Vielleicht kommt es darauf an, wie man fragt, wen man fragt. Ob Sie die Frage nicht 20 Mal wiederholen. Aber ich könnte jetzt nicht sagen, dass ich mit einem Arzt oder einer Ärztin ein schlechtes Gespräch gehabt hätte. Das kann ich absolut nicht sagen.

Was ist Ihr persönlicher Tipp, den Sie anderen mit CLL mit auf den Weg geben möchten?

Im Wesentlichen haben wir darüber gesprochen. Das ist einmal eben die Studie, um darauf zurückzukommen. Ich habe den Eindruck, dass sehr viele oder 80 % bei dem ersten Ausdruck Studie zurückzucken. Den Eindruck habe ich schon gehabt. Ich habe einige Arbeitskollegen, die das sagen. Da sind wir erst nachher darauf kommen, dass die auch die gleiche Erkrankung haben. Und manche sind standhaft geblieben, bis heute, haben gesagt: „Bei mir gibt es keine Studie.“ Was gescheiter ist, ist wirklich schwer zu sagen.

Aber einen speziellen Tipp für jeden Einzelnen möchte ich mir jetzt nicht anmaßen.

Was ganz wichtig ist, ist vielleicht schon zu erwähnen: Die CLL ist nach wie vor eine Krankheit, wie man weiß, die nicht heilbar ist. Hätte man die Krankheit vor 40 Jahren gekriegt, dann hätte die Sache anders ausgeschaut. Heute ist es tatsächlich so, daran sind teilweise die Studien „Schuld“, dass es derartig viele Möglichkeiten gibt, diese CLL zu bekämpfen. Und zwar für jeden. Es ist halt schon so weit, dass man eine spezielle Therapie für jede einzelne Person machen kann. Und das ist natürlich ein gewaltiger Fortschritt.

Also die Krankheit hat schon ein bisschen an Schrecken verloren, kommt mir vor. Das sollte man sich halt bewusst machen.

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Die Kurse sind kein Ersatz für das persönliche Gespräch mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt, sondern ein Beitrag dazu, PatientInnen und Angehörige zu stärken und die Arzt-Patienten-Kommunikation zu erleichtern.