Nach der Diagnose Brustkrebs stehen oft die Erkrankung und die Behandlung im Mittelpunkt. Sexualität wird in der Medizin selten aktiv berücksichtigt oder thematisiert. Doch die Diagnose und die Behandlung können durchaus auch Auswirkungen auf das Sexualleben haben. Dr.in Eliane Sarasin Ricklin geht in dieser Schulung auf mögliche Fragen rund um das Thema Sexualität und Verhütung bei Brustkrebs ein.
Grenzen und Bedürfnisse
Was sind typische körperliche Auswirkungen der Erkrankung und Therapie auf die Sexualität?
Die tragende Säule der Brustkrebsbehandlung ist die Chirurgie. Das Tumorgewebe wird entfernt und das hinterlässt Narben, Gefühlsstörungen, Schmerzen oder selten auch ein Lymphödem im Bereich des Operationsgebietes. Dies kann natürlich die Sexualität beeinflussen.
Nicht immer kann die Brust erhalten werden, manchmal muss sie entfernt werden. Danach kann man sie, wenn erwünscht, rekonstruieren. Das Fehlen einer Brust oder eine neue Brust ohne Gefühl beeinflusst die Sexualität. Dadurch, dass der Körper sich verändert hat, verändert sich auch das Empfinden mit dem Gefühl der Frau.
Neben der Therapie können aber auch die Chemotherapie und die Antihormontherapie die körperlichen Auswirkungen auf die Sexualität begründen. Einerseits macht die Chemotherapie die Krankheit öffentlich. Man verliert die Haare, nimmt vielleicht ein bisschen zu und das hat auch einen Einfluss auf die Sexualität. Bei der Chemotherapie und der Antihormontherapie kommt es insbesondere zu trockenen Schleimhäuten im Intimbereich. Diese können den Sex schmerzhaft machen und dies beeinflusst folglich die Lust und die Sexualität.
Sind die Auswirkungen der Erkrankung und Therapie auf den Körper dauerhaft?
Narben können mit der Zeit flacher, heller und weniger sichtbar werden. Aber Veränderungen am Körper, insbesondere die Formveränderung der Brust, bei der Brusterhaltung oder eine rekonstruierte Brust, wenn sie nicht erhalten werden konnte, bleiben natürlich. Ich denke man gewöhnt sich daran und hat einen anderen Umgang, aber unsichtbar werden sie nicht.
Mit der Voraussetzung einer täglichen Pflege sind die trockenen Schleimhäute behandelbar. Dafür gibt es mittlerweile gute Produkte, sodass die Schleimhäute wieder feuchter und elastischer werden.
Warum kann sich psychische Belastung durch die Diagnose auch auf die sexuelle Funktionsfähigkeit auswirken?
Ich glaube die Diagnose Brustkrebs ist primär Angst behaftet. Wenn Sie diese Diagnose erlebt haben, dann haben Sie sicher dieses Angstgefühl erlebt. Angst ist jedoch einer der größten Gegenspieler von sexueller Erregung und Lust.
Zusätzlich ist die Brust ein Symbol für Weiblichkeit und sexuelle Attraktivität. Die Erkrankung dieses Organs erzeugt bei vielen das Gefühl sexuell weniger attraktiv zu sein und das sexuelle Selbstbewusstsein kann schwinden. In dem Moment, in dem sich Frauen nicht mehr sexuell attraktiv finden, vermeiden viele sexuelle Begegnungen und die Lust schwindet. Insbesondere Brustkrebspatientinnen kommen häufig mit diesen Problemen zu mir.
Wie kann ich besser erkennen, worauf ich im Moment Lust habe und wo meine Grenzen sind?
Wichtig ist vor allem, dass Sie akzeptieren keine Lust zu haben. Insbesondere sagen viele Frauen am Anfang: “Ich habe keine Lust auf Sex”. Das ist normal, denn zu Beginn steht die Angst im Vordergrund und um sexuelle Lust zu haben muss man sich sicher fühlen.
Ich denke, es fängt damit an, dass man sich fragt: “Auf was hätte ich Lust?”. Das muss gar nicht unbedingt in Richtung Sexualität gehen, sondern in Richtung Lebendigkeit, um sich dort umzuschauen, was einem Lust bereiten könnte.
Wie kann ich besser zu einem “Nein” stehen, wenn ich keine Lust auf Sex habe?
Ich denke zum “Nein” zu stehen hat etwas mit Selbstfürsorge zu tun. Wir Frauen sind meist sehr gut darin, uns um die Bedürfnisse anderer zu kümmern, beispielsweise der Familie oder des Partners. Jedoch braucht es mehr Mühe, wenn wir uns um unsere eigenen Bedürfnisse kümmern. Gerade bei so einer Diagnose ist es wichtig, dass wir uns selber in den Vordergrund stellen und zu anderen sagen: “Nein das passt jetzt im Moment nicht.”.
Sollte ich meiner/meinem PartnerIn bzw. der Beziehung zuliebe Sex haben?
Sex kann auch ein Geschenk sein. Daher kann es sein, dass ich mich auf eine sexuelle Begegnung einlasse, obwohl ich primär keine Lust haben. Aber ich mache es dann vielleicht mit dem Gedanken, dass ich meinem Partner oder meiner Partnerin etwas schenken möchte. Wenn Sex jedoch immer nur Geben ist und ich nicht das Gefühl habe, etwas zu bekommen, dann wird es ein Lustkiller. Es braucht eine gute Balance zwischen Geben und Bekommen, damit die Lust da sein kann.
Wie kann ich meine sexuellen Grenzen kommunizieren und worauf sollte ich dabei achten?
Die eigenen Grenzen können mal enger und mal weiter gesteckt sein. Wichtig ist, dass ich selbst spüre, was im Moment für mich passt. Sexuelle Grenzen dürfen natürlich auch ausgelotet werden. Ich kann mich auf etwas einlassen, bei dem ich mir noch unsicher bin, ob es gerade passt.
Das Wichtigste ist, dass ich das Vertrauen habe, dass ich meinem Gegenüber „Stopp“ bzw. „Nein“ sagen kann. Denn wenn ich dieses Vertrauen habe, dass mein Gegenüber auf mich hört und mich akzeptiert, dann ist es einfacher, die Grenzen zu spüren und auch mal flexibel zu sein.
Wie gehe ich damit um, wenn ich oder meine/mein PartnerIn das Ausleben von Sexualität unangemessen findet?
In der Sexualität geht es natürlich auch um Kommunikation und Verhandlung. Sie ist eine Begegnung zwischen zwei Individuen, welche momentan oder generell andere Vorstellungen von der sexuellen Begegnung haben.
Wichtig ist, dass man darüber reden kann und sich dafür interessiert, wie es dem anderen geht, was er möchte, was man selbst möchte und wo wir uns finden können. Dies ist ein Prozess, der immer weitergeht und es braucht viel Vertrauen und Gespür, damit man weiß, was für beide gemeinsam gut ist und wo es für einen von beiden vielleicht aufhört und das zu akzeptieren.
Was kann ich tun, wenn ich nicht möchte, dass mich mein/meine PartnerIn nackt sieht oder bestimmte Bereiche meines Körpers anfasst?
Da kommt für mich zuerst die Frage: “Wie geht es mir selbst, wenn ich mich nackt sehe? Wie geht es mir, wenn ich mich berühre? Braucht das Mühe, kann ich das oder ist es etwas, was ich vermeide?”. Ich denke, je besser ich mit mir selbst und meinem neuen oder veränderten Körper im Reinen bin, desto eher kann ich mich zeigen.
Es kann sein, dass ich momentan noch nicht möchte, dass mein Partner mich sieht oder mich an gewissen Stellen berührt. Dann ist es jedoch wichtig, ihm das mitzuteilen und darüber hinaus, wie es mir dabei geht. Es handelt sich nicht um ein Misstrauensvotum, sondern ich befinde mich selbst noch in dem Prozess, in dem ich wieder in guten Kontakt mit mir selbst kommen möchte. Er sollte wissen, dass er mich dort vielleicht begleiten und mir eine Stütze sein kann. Ihm sollte bewusst sein, dass es mein Ziel ist, meinen Körper irgendwann wieder ganz vertraut mit ihm genießen zu können.
Hier geht es zum Video-Interview: „Grenzen und Bedürfnisse”
Umgang mit sexuellen Beschwerden
Was kann ich bei Scheidentrockenheit und Schmerzen beim Sex tun?
Das Wichtigste ist die regelmäßige Pflege Ihres Intimbereichs. Dazu gehört tägliches Eincremen. Das kann ein einfaches Öl aber auch ein spezielles Produkt für die Intimzone sein. Es fördert die Durchblutung, befeuchtet die Haut und ist die Basis der Pflege nach einer Chemotherapie aber auch während der Chemo- oder Antihormontherapie.
Außerdem empfehle ich meinen Patientinnen ein gutes Gleitgel für die Sexualität zu verwenden. Insbesondere die silikonhaltigen Gleitgels haben einen guten Effekt. Sie benötigen nur sehr wenig, sie sind geschmacksneutral und helfen enorm, wenn man eine zu trockene Vagina beim Sex hat.
Wie kann ich meine trockenen Schleimhäute stärken?
Eine der häufigsten Nebenwirkungen der Brustkrebsbehandlung, sowohl durch die Chemotherapie als auch durch die Antibiotikatherapie, sind die trockenen Schleimhäute, insbesondere im Intimbereich. Das führt dazu, dass der Sex schmerzhaft sein kann und die Lust nachlässt. Wichtig ist die tägliche Pflege mit Cremes oder Öl, das kann beispielsweise Oliven- oder Kokosöl sein.
Was auch helfen kann, ist eine Beckenboden Physiotherapie, in der man angeleitet wird: “Wie entspann ich meinen Beckenboden? Wie kann ich die Durchblutung stärken?”. Dies ist vor allem hilfreich, wenn eine lokale Pflege nicht ausreicht, Sie sich beim Geschlechtsverkehr reflektorisch verspannen, weil es Ihnen mal wehgetan hat. Sie lernen: “Wie entspannen ich? Wie kann ich meinen Körper und mein Becken bewegen, damit die Durchblutung wieder besser und meine Schleimhaut wieder feuchter wird?”.
Können mir lokale Östrogene beim Ausleben meiner Sexualität helfen?
Falls Sie mit hormonfreien Präparaten keine befriedigenden Verhältnisse der Schleimhaut, trotz täglicher Pflege erreichen, können lokal Östrogene verabreicht werden. Dabei ist es jedoch wichtig, dass man zuvor mit seinem Onkologen oder Gynäkologen darüber spricht. Diese Präparate sind rezeptpflichtig, sie sind nicht einfach so in der Apotheke erhältlich. Früher waren sie komplett verboten, jedoch sind Östrogene nach Brustkrebs mittlerweile zumindest für die Lokaltherapie mit Östrogenen erlaubt.
Wie können Depressionen und Schlafstörungen meine Sexualität beeinflussen und was kann ich dagegen tun?
Natürlich trifft Brustkrebs nicht nur den Körper, sondern auch die Seele. Die Diagnose führt oft zu einer psychischen Belastung, welche sich in Schlafstörungen oder einer Anpassungsstörung an die neue Situation niederschlagen. Ich begrüße eine psychoonkologische Unterstützung und Gespräche mit professionell ausgebildeten Spezialisten, die Ihnen helfen durch diese schwierige Zeit zu kommen. Manchmal braucht es zumindest für eine gewisse Zeit Medikamente, die den Schlaf oder das psychische Wohlbefinden unterstützen.
Wie kann sich die Behandlung auf das Lustempfinden auswirken?
Es gibt sowohl psychische als auch körperliche Faktoren, die unser Lustempfinden beeinflussen. Zu den psychischen Faktoren zählt vor allem die Angst, sich nicht mehr attraktiv zu fühlen. Auf körperlicher Ebene führen die trockenen Schleimhäute und die Müdigkeit durch die Behandlung zu einer Reduktion des Lustempfindens. Die Scheide wird trockener und weniger elastisch und dies kann zu Schmerzen führen. Natürlich haben wir dann keine Lust auf etwas, was uns weh tut.
Stellt sich das Lustempfinden nach der Brustkrebstherapie von selbst wieder ein?
Die Fatigue, die bleierne Müdigkeit durch die Behandlung, wird oft nach Abschluss der Therapie besser. Insbesondere wenn man trainiert und sich viel bewegt. Dies führt zu einem besseren Körpergefühl, sodass man sich wieder wohl im Körper fühlt und die Lust auch wieder auftritt.
Die Pflege der Schleimhäute, der trockenen Vagina, kann eine große Verbesserung bringen. So wird die Vagina wieder feuchter, elastischer und dementsprechend wird Sex wieder schmerzfreier. Auch dies hat eine positive Auswirkungen auf die Lust.
An wen kann ich mich wenden, wenn sich die Erkrankung auf meine Sexualität auswirkt?
Eigentlich ist es die Aufgabe Ihres Behandlungsteams, Sie auf die Nebenwirkungen der Brustkrebstherapie auf die Sexualität zu informiert. Beispielsweise wie Ihre Sexualität beeinträchtigt werden kann und was Sie dagegen tun können. Leider passiert das nicht immer, denn das Thema Sexualität wird oft noch tabuisiert.
Daher möchte ich Sie ermuntern, aktiv Ihre behandelnden Ärzte oder das Pflegepersonal darauf anzusprechen. Zuständig ist auch Ihr Onkologe oder Ihr Gynäkologe. Zunehmend macht sich das Gebiet der Sexualmedizin, insbesondere in der Onkologie breit, sodass es Sexualmediziner gibt, die sich mit der Sexualität oder respektive den Auswirkungen der Krebsbehandlung auf die Sexualität spezialisiert haben. Das sind die Personen, die Ihnen sicher weiterhelfen.
Wie kann ich Sexualität bei meinen BehandlerInnen ansprechen, wenn mir das Thema unangenehm ist?
Es ist wirklich schade, dass Sie das Thema Sexualität ansprechen müssen. Grundsätzlich sollten Sie über die Nebenwirkungen Ihrer Brustkrebsbehandlung vom Behandlungsteam informiert werden. Ich finde es ist nicht Ihr Job, dieses Thema anzusprechen, aber leider werden diese Nebenwirkungen oft tabuisiert oder nicht für wichtig genommen.
Dementsprechend bin ich froh, wenn Sie Ihr Behandlungsteam trotzdem danach fragen. Legen Sie sich zu Hause schon eine Formulierung im Kopf zurecht, sodass es Ihnen leicht über die Lippen geht. Natürlich geschieht dies nicht immer ungeniert, aber ein Satz wie: “Kann es sein, dass die Brustbehandlung auch Auswirkungen auf meine Sexualität hat?” geht doch eigentlich. Es ist nicht unangenehm und dann warten Sie, was Ihr Gegenüber sagt.
Was kann ich tun, wenn ich mich intensiver mit meiner Sexualität auseinandersetzen will?
Es gibt Patienten, die sind schon froh, wenn sie überhaupt darüber sprechen können. Andere brauchen Gleitgel und benutzen die tägliche Pflege und sind dann sehr zufrieden. Dann gibt es Patienten, die sagen: “Nein ich möchte das Thema Sexualität wichtiger nehmen, ich brauche mehr Unterstützung als nur eine lokale Pflege und ein Gleitgel”. Für diese Frauen gibt es in vielen Kliniken und Städten ein sexualmedizinisches Angebot.
Sexualmediziner sind Spezialisten, welche sich mit dem Thema Sexualität und dazugehörigen Fragen und Problemen auseinandersetzen, meist interdisziplinär. Das kann eine Gynäkologin, wie ich sein, aber auch ein Psychoonkologe, eine Psychoonkologin, oder Sexualtherapeuten wie Physiotherapeuten. Es gibt meist ein multidisziplinäres Behandlungsteam. Je nachdem, was Sie für Beschwerden haben, wird geschaut, was am besten zu Ihnen passt. Das Wichtigste ist das aktive Ansprechen und dass Sie Ihr Behandlungsteam nach Spezialisten fragen, die gibt es nämlich.
Hier geht es zum Video-Interview: „Umgang mit sexuellen Beschwerden”
Sexualität ausleben
Wie kann ich meine Weiblichkeit für mich wiederentdecken?
Die Diagnose Brustkrebs bedeutet für viele einen direkten Angriff auf ihre Weiblichkeit. Viele Frauen fühlen sich am Anfang sehr verletzt und empfinden eine Einbuße ihrer Weiblichkeit. Diese wieder hervorzuholen, braucht manchmal einfach Zeit, aber auch eine aktive Zuwendung zu sich selbst. Dies kann beispielsweise ein bewusstes Eincremen am Morgen nach der Dusche sein.
Eine liebevolle Zuwendung zu sich selbst braucht gar nicht viel Zeit, nehmen Sie sich diese zwei Minuten für sich. Dies können ein guter Duft, schöne Unterwäsche oder auch Aktivitäten sein. Beispielsweise ein Treffen mit Freundinnen oder tanzen gehen, also typische Frauen Dinge. Das alles hilft uns, unsere Weiblichkeit wiederzufinden.
Was kann ich tun, um meine Lust zu steigern?
Das Wichtigste, wenn ich merke, dass ich keine sexuelle Lust habe, ist die Akzeptanz. Es ist wichtig, dass Sie akzeptieren, dass im Moment die sexuelle Lust nicht Ihr Thema ist und dass Sie kein schlechtes Gewissen haben müssen. Auch nicht gegenüber Ihrem Partner und Sie müssen sich auch nicht selbst unter Druck setzen.
Der erste Schritt, um wieder zur eigenen Lust zu kommen, ist die Akzeptanz, dass man im Moment keine hat. Erst wenn man seine Unlust bejaht, gibt es den Raum, sich wieder zu fragen: “Auf was habe Ich überhaupt Lust?”. Wenn ich mich zu sehr unter Druck setze und nur denke: “Diese Lust sollte jetzt kommen”, kommt sie nicht. Zuerst braucht es Platz, damit ich überhaupt wieder Gedanken und Aktivitäten entwickeln kann, um so loszukommen.
Wie kann ich damit umgehen, dass Sexualität aufgrund der Erkrankung einen veränderten Stellenwert für mich hat?
Es mag gut sein, dass Ihre Sexualität für Sie einen neuen Stellenwert hat. Ich finde es lohnt sich immer, auch unabhängiger von der Brustkrebserkrankung, sich zu fragen: ”Was ist meine Motivation, sexuell aktiv zu sein?”. Gerade nach dem Brustkrebs kann die Sexualität nach wie vor eine Begegnung mit dem Partner sein, die auf einer körperlichen Ebene stattfindet, die nicht viele Wörter braucht, wo ein Verständnis füreinander nonverbal passiert.
Wenn man am Anfang das Gefühl hat, die Sexualität ist in der Prioritätenliste durch die Brustkrebserkrankung gesunken, dann ist das sehr verständlich. Aber gleichzeitig ist der Brustkrebs kein Grund auf diese Art der Kommunikation zu verzichten. Wenn einem bewusst ist, was die eigene Motivation ist sexuell aktiv zu werden, dann kommt auch die Lust wieder, diese sexuelle Begegnung einzugehen. Dabei kann es um Nähe und Kommunikation gehen aber auch darum, den eigenen Körper wieder lustvoll und nicht krank zu erleben.
Welche Sexstellungen sind für Brustkrebspatientinnen mit körperlichen Einschränkungen zu empfehlen?
Es kann gut sein, dass gewisse Stellungen beim Sex für Sie nach der Brustkrebsdiagnose nicht mehr passen. Sei es, dass Ihnen etwas weh tut, was früher nicht so war oder dass Sie sich im Moment nicht so zeigen möchten und das Bedürfnis haben, Ihre Brust nicht zu exponieren.
Das Ziel beim Sex ist, dass sich beide wohlfühlen. Daher ist es wichtig herauszufinden, was jetzt für Sie passt, was angenehm ist und in welchen Stellungen Sie sich wohlfühlen. Kommunizieren Sie dies mit Ihrem Partner.
Welche Alternativen gibt es, wenn ich keinen penetrativen Sex möchte?
Penetration ist nur eine Form von Sexualität. Oft wird Sexualität mit Penetration gleichgesetzt. Jedoch ist Sexualität viel mehr, sie beginnt beim Küssen, Streicheln und kann gegenseitige Stimulation mit der Hand, mit dem Mund sein.
Ich denke es ist wichtig, dass man die Penetration nur als Teil der Sexualität sieht und sich bewusst ist, dass es ebenbürtige Alternativen gibt. Denn es gibt keine Hierarchie in der Sexualität. Sexualität soll das sein, was beiden Spaß macht.
Wie kann ich Masturbation für mich lustvoller gestalten und wie kann sie sich auf meine Sexualität auswirken?
Masturbation und sogenannter Solosex ist eine wunderbare Möglichkeit, den eigenen Körper besser kennenzulernen. Durch die Masturbation erkennen wir, wo es für uns angenehm ist und wie wir zu einer Erregung und einem Orgasmus kommen. Denn je besser wir uns selbst kennen, desto besser können wir die Sexualität zu zweit genießen und unserem Partner zeigen, was uns Spaß macht.
Masturbation kann ein guter Weg sein, sich auch nach einer Brustkrebserkrankung wieder der Sexualität anzunähern. So werden Zonen am Körper entdeckt oder reaktiviert, die einem ein gutes Gefühl vermitteln.
Wie kann ich sexuelle Bedürfnisse ansprechen, wenn meine/mein PartnerIn das Thema meidet?
Wahrscheinlich ist es sinnvoll, dass Sie um Erlaubnis bitten. Fragen Sie Ihren Partner: “Darf ich mit dir über meine Sexualität sprechen? Ist es für dich in Ordnung, wenn wir unsere Sexualität gemeinsam zum Thema machen?”. Vielleicht ist dieses Vermeiden Ihres Partners nur eine Unsicherheit, vielleicht weiß er nicht, wie er das Thema ansprechen kann und ist sogar erleichtert, dass dieses Ansprechen von Ihnen kommt.
Wichtig ist auch die Akzeptanz, dass es nicht für jeden gleich einfach ist, über dieses Thema zu sprechen. Ich bin aber sicher, dass wenn es Ihnen ein Bedürfnis ist, über Ihre Sexualität zu sprechen, dass Sie die richtigen Worte finden. Dann wird es auch Ihrem Partner einfacher fallen darüber zu sprechen.
Wie kann ich meiner/meinem PartnerIn die Hemmung nehmen, mich anzufassen?
Wichtig ist vor allem, dass Sie sich selbst mit den Berührungen wohlfühlen und dass Sie sich selbst gerne anfassen. Je wohler es Ihnen damit geht, desto einfacher ist es für Ihren Partner, denn er will Sie spüren. Man kann auch die Hand des Partners führen und sie sanft dort hinlegen, wo man es gerne hat. So können Sie ihm zeigen: “Du darfst und ich genieße das.”.
Warum ist es wichtig, dass ich mich mit meiner Sexualität wohlfühle, bevor ich sie mit meiner/meinem Partner/in auslebe?
Um eine befriedigende Sexualität mit seinem Partner leben zu können ist es enorm wichtig, dass ich mich in meinem Körper wohl fühle. Das bedeutet, dass ich weiß, was mir gut tut, was ich möchte und was nicht. Je besser ich mich da auskenne, desto freier und ungehemmter kann ich auf meinem Partner zugehen und ihm zeigen, was ich gerne möchte. Eine gute Beziehung zum eigenen Körper ist die Voraussetzung für eine befriedigende Sexualität zu zweit.
Hier geht es zum Video-Interview: „Sexualität ausleben”
Sexuelle Beziehung
Mit welchen Gefühlen haben PartnerInnen häufig zu kämpfen und wie kann sich das auf unser Sexleben auswirken?
Die Partnerinnen und Partner von Brustkrebs Betroffenen erlebe ich in meiner Praxis eigentlich immer als sehr unterstützend. Gleichzeitig sind aber auch diese in Not und werden oft ein bisschen vergessen. Deren Ängste und Sorgen haben wenig Raum und immer wieder erlebe ich, dass die Partnerinnen und Partner sich eher zurückziehen, um nicht zu bedrängen. Sie haben auch Hemmungen ihr eigenes Begehren, ihren Wunsch nach Sexualität auszudrücken.
Die Partner halten sich zurück, weil sie die Erkrankte nicht unter Druck setzen wollen und gleichzeitig empfinden die Patientinnen diesen Rückzug als Bestätigung, nicht mehr attraktiv zu sein. Das ist jedoch fast nie der Fall, es handelt sich vor allem um Rücksichtnahme. Es ist wichtig, dass man immer in Kommunikation bleibt, damit solche Missverständnisse, dieses nette Rücksichtsvolle, das gegenseitige Schonen, das falsch verstanden werden kann, nicht auftreten.
Wie kann sich eine veränderte Sexualität auf meine Partnerschaft auswirken? Erhöht weniger Sex das Risiko für eine Trennung?
Die Angst, dass eine veränderte Sexualität und eine meist zu Beginn reduzierte Sexualität die Beziehungen zu sehr belastet oder sogar eine Trennung verursacht, ist aus meiner Erfahrung meist unbegründet. Wir wissen aus Studien, dass es durch die Brustkrebserkrankung der Frau nicht zu mehr Trennungen kommt.
Wichtig ist, dass man mit dem Partner in Kontakt bleibt. Denn je mehr man gemeinsam die Phase der Diagnose und Behandlung durchläuft, desto näher bleibt man sich auch. Wichtig ist, dass man die eigenen Ängste und Befürchtungen, aber auch die eigene Unlust kommunizieren kann. Denn je besser mein Partner weiß, wo ich stehe, was im Moment geht und was nicht, desto eher kann er mich verstehen. Ich möchte natürlich auch von ihm wissen, wie es ihm geht. Auch er sollte den Raum haben, um seine Ängste und Bedürfnisse ausdrücken zu können. Manchmal lohnt es sich, wenn der Partner psychoonkologische Unterstützung in Anspruch nimmt, diese ist nicht nur für die Betroffenen.
Wie können wir zu einer neuen gemeinsamen Sexualität finden?
Die Krebserkrankung muss keineswegs das Ende der Sexualität bedeuten. Sie kann sogar ein Anlass sein, die bisherige Sexualität, zu überdenken. Sie können sich zusammen hinsetzen und überlegen: “Was ist das Gute an unserer Sexualität? Was wollen wir unbedingt auch im Rahmen der Erkrankung beibehalten? Was ist momentan nicht stimmig? Was wäre jetzt etwas, was schön wäre, was wir bisher noch nicht gemacht haben?”.
Man kann auch die Diagnose als Anlass nehmen, eine Bestandsbestimmung der Sexualität zu machen. Sie können die Sexualität mal richtig zum Gesprächsthema machen, falls dies vorher nicht stattgefunden hat und man die Sexualität einfach gelebt hat, ohne darüber zu sprechen. Es kann sehr fruchtbar und schön sein, die Sexualität miteinander anzuschauen und neue Komponenten einzubeziehen.
Wie kann ich meine erkrankte Partnerin nicht nur als Patientin sondern auch als erotische Frau mit sexuellen Bedürfnissen sehen?
Ich denke es ist schwierig, wenn man seine Frau innerhalb der Therapien schwach und leidend gesehen hat. Daraufhin ist der Wechsel von der Frau als Patientin zur Frau als erotische Gefährtin schwer. Es macht vielen gesunden Partnern Mühe und es braucht seine Zeit, bis sie ihre Partnerin wieder als erotisches Wesen sehen. Dies hat natürlich auch damit zu tun, wie die erkrankte Partnerin damit umgeht. Je mehr sich diese wieder in ihrem Körper zu Hause fühlt und wieder sexuelle Gefühle und ein sexuelles Begehren entwickeln kann, desto mehr können Sie sie als Partner wieder erotisieren. Dies ist ein Prozess, an dem beide beteiligt sind.
Für Sie selbst kann ich raten, dass Sie den Fokus nicht auf den erkrankten Körper rücken, sondern genau dort hinschauen, wo das Alte noch da ist. Eine Patienten hat mir gesagt: “Mein Partner liebt meine Füße und die sind ja noch da, auch wenn die Brust versehrt ist!”. Ich denke, es ist nicht nur der Körper, sondern auch wie Ihre Partnerin spricht, wie sie aus ihrem Körper heraus schaut oder wie sie lacht. Das sind alles Faktoren, die wieder eine Erotik auferstehen lassen.
Wie gehe ich damit um, wenn ich meine Partnerin weniger attraktiv finde und wie darf ich das kommunizieren?
Die Veränderung der Brustkrebserkrankung betreffen beide, die Erkrankte aber auch den Partner. Ich finde es mutig und schön, wenn Sie sich als Partner eingestehen, dass Sie Mühe haben, gewisse körperlichen Veränderungen zu erotisierenden oder Ihr Begehren aufrecht zu erhalten.
Grundsätzlich erlebt jedes Paar innerhalb der Beziehung körperliche Veränderungen, die nicht nur zum Guten sind. Eine Erkrankung wie Brustkrebs beschleunigt jedoch diesen Prozess. Man wird weder gemeinsam alt noch setzt man gemeinsam ein Bäuchlein an oder wird weniger straff. Plötzlich ist der eine anders und hat sich vielleicht im negativen Sinne, zumindest für eine gewisse Zeit verändert, während der andere Partner äußerlich nach wie vor der Gleiche ist.
Das ist ein Prozess, eine Paarkrise, die man im besten Fall gemeinsam meistern kann. Es ist wichtig, dass jeder Partner den Fokus vom Kranken auf das noch Gesunde richtet. Schauen Sie, was von der Frau noch da ist, die Sie vorher so erotisch erlebt haben und mit der sie gerne Sex hatten, denn es ist noch vieles da.
Ihre Partnerin wird dazu einiges beisteuern können, denn je besser sie sich in ihrem Körper fühlt, je besser sie wieder aus diesem Körper heraus schaut und lacht, desto eher werden Sie sie auch wieder erotisieren können.
Wie kann ich meiner Partnerin zeigen, dass ich mich weiterhin zu ihr hingezogen fühle, ohne sie unter Druck zu setzen?
Ich denke Ihre Partnerin wird es primär freuen, wenn sie spürt, hört oder sieht, dass Sie sich nach wie vor körperlich zu ihr hingezogen fühlen und dass Sie sie weiterhin als sexuell aktives Wesen sehen.
Das können Sie ihr auch zeigen, ohne Druck zu machen. Insbesondere durch kleine Gesten, Worte oder zärtliche Berührungen, die nicht direkt auf Sex oder auf Geschlechtsverkehr hinzielen. Durch feine Berührungen, die ein offenes Ende haben merkt Ihr Partner, dass es keinen Druck gibt, dass es dabei belassen werden kann aber dass es auch zu mehr führen kann.
Kann Sex meine Prognose bei metastasierendem Brustkrebs verschlechtern?
Auch bei fortgeschrittener Erkrankung kann Sexualität eine große Ressource sein, eine Quelle von Lebensfreude, guten Gefühlen, besserer Durchblutung und dem Gefühl der Lebendigkeit. Sex, den man möchte, der nicht weh tut, für den man Energie hat, kann nie schaden.
Sexualität ist viel mehr als klassischer Geschlechtsverkehr. Das fängt an beim Küssen, Streicheln, körperlichen Berührungen oder manchmal nur einem begehrlichen Blick. Und dies kann Ihnen nicht schaden, sondern es tut Ihnen gut.
Gibt es einen Zeitpunkt, an dem ich nicht mehr sexuell aktiv sein sollte?
Was heißt eigentlich sexuell aktiv? Sexuell aktiv ist bereits ein Blick, eine sexuelle Fantasie, ein Begehren, das man spürt. Ich glaube, das hat immer Platz und Sexualität heißt auch nur die Hand zu halten von jemanden, den man liebt oder ihn zu streicheln und zu küssen.
Ich glaube und wünsche es mir zumindest für mich, dass dies bis zum letzten Atemzug möglich ist und bin überzeugt, dass das den meisten sehr gut tun kann.
Welche Stellungen können uns auch bei metastasiertem Brustkrebs Sex ermöglichen?
Ich glaube die sexuellen Stellungen beim Geschlechtsverkehr sollten so gewählt werden, dass man sich wohlfühlt und dass nichts weh tut. Wenn gewisse Stellungen schwierig sind, dann können Sie ein Kissen unterlegen, um sich gut abzupolstern.
Ich glaube jedes Paar, das eine gute sexuelle Kommunikation hat, findet eine Position, in der Sexualität möglich ist. Das muss gar keine Penetration sein, sondern auch nur sexuelle Berührungen und Erregung.
Welche Auswirkungen kann Angst auf unsere Sexualität haben und wie können wir gemeinsam damit umgehen?
Angst ist der große Gegenspieler der Sexualität. Denn wenn ich mich bedroht fühle, dann kann keine sexuelle Erregungen stehen. Sie lösen die Angst als Paar jedoch, indem Sie darüber sprechen: “Vor was haben wir Angst? Vor was hat mein Partner Angst? Hat er Angst mir weh zu tun oder traut er mir nicht zu, dass ich mich artikuliere, wenn etwas für mich nicht stimmt? Vor was habe ich Angst in der sexuellen Begegnung mit meinem Partner? Habe ich Angst nicht zu genügen? Habe ich Angst ihn nicht zu befriedigen?“.
Sobald eine Angst fertig gedacht oder ausformuliert ist verliert sie am Bedrohlichen. Indem mein Partner mir versichern kann, dass meine Angst unbegründet ist, kann sie sich auflösen. Ich kann Sie nur dazu ermutigen, Ihre Ängste gegenseitig auszudrücken, sodass sie sich auflösen können.
Hier geht es zum Video-Interview: „Sexuelle Beziehung”
Selbstbestimmte Sexualität
Darf man während der Brustkrebstherapie Sex haben und worauf sollte man achten?
Weder die Brustkrebs Diagnose noch die Behandlung sind Gründe, um auf Sexualität zu verzichten. Oft existieren Ängste, dass Krebs ansteckend sein könnte, dass man während der Bestrahlung keinen Sex haben könnte oder dass die Chemotherapie, auch für den Partner giftig sei. Da kann ich wirklich Entwarnung geben.
Was sein kann ist, dass man während der Behandlung zu müde ist oder eine hohe Infektanfälligkeit vorliegt. Bei der Angst vor Infektionen durch Geschlechtsverkehr sollte man etwas vorsichtiger sein und darf auch gerne den behandelnden Arzt fragen, ob es etwas gibt, was dem Sex entgegen stehen würde. Wenn Sie jedoch Lust haben und denken, dass Sexualität Ihnen gut täte, dann leben Sie diese. Wie schon gesagt beginnt Sexualität beim Küssen bis hin zum Geschlechtsverkehr und man kann selbst bestimmen, was im Moment gerade passend ist.
Gibt es Arten von Sex, die man vermeiden oder Vorsichtsmaßnahmen, die man treffen sollte?
Oft erzählen mir die Frauen, dass Geschlechtsverkehr unter der Behandlung schmerzhaft ist, weil eben gerade die Schleimhäute so empfindlich und trocken sind. So können kleine Risse entstehen oder eine Infektanfälligkeit steigen.
Es ist wichtig, dass Sie nur das tun, was Ihnen gut tut und nicht was schmerzt und dass Sie ein gutes Gleitgel verwenden, wenn Sie Penetration möchten. Man sollte die Schleimhäute auch nach dem Verkehr gut pflegen, damit sie sich gut regenerieren können. Erlaubt ist das, was Spaß macht, was nicht weh tut und im Zweifelsfall fragen sie Ihren behandelnden Arzt oder das Pflegepersonal.
Wie kann sich das Ausleben von Sexualität positiv auswirken?
Eine befriedigende und beglückende Sexualität kann positive Folgen auf die Lebensqualität haben. Man fühlt sich sowohl durch Solosex als auch durch Sex mit dem Partner lebendiger, hat das Gefühl besser durchblutet zu sein und ist es auch. Darüber hinaus kommt es zu einer Ausschüttung von Glückshormonen.
Frauen, die in glücklichen, sexuell aktiven Beziehungen leben, können mit den Nebenwirkungen der Behandlung besser umgehen. Das Leben fühlt sich leichter an. Wenn man keinen Partner hat, ist die Masturbation, der sogenannte Solosex, eine Möglichkeit mit den Strapazen der Therapie besser umgehen zu können, wenn es für einen passt. Es gibt aber auch Frauen, für die das Thema Sexualität keines während der Behandlung ist. Sie möchten davon Abstand und sich auf andere Sachen konzentrieren und das ist auch gut so.
Welche Möglichkeiten gibt es, mit meiner/meinem PartnerIn körperlich intim zu sein, ohne Sex zu haben?
Körperliche Begegnungen können sehr unterschiedlich sein und jedem Paar ist es selbst überlassen, was im Moment gerade stimmig ist. Wer definiert denn eigentlich was richtiger Sex oder das gerade Passende ist? Das definiert nur das Paar selbst.
Die Idee, dass alles nur Vorspiel und lediglich Geschlechtsverkehr richtiger Sex ist, existiert vielleicht in gewissen Köpfen unserer Gesellschaft. Im Grunde genommen ist jedoch jede sexuelle Handlung gleichwertig. Wichtig ist, dass das Paar oder das Individuum selbst den Genuss hat.
Wie kann ich meiner/meinem PartnerIn die Möglichkeit geben Sexualität zu erleben, wenn ich derzeit keine Lust darauf habe?
Wichtig ist, dass man als Paar offen kommuniziert und ich als Betroffene die Möglichkeit habe offen zu sagen: “Du, ich mag heute einfach nicht. Es ist mir zu viel, es tut mir weh, ich habe keine Lust, ich bin zu müde.”. Und gleichzeitig gilt dieses Recht auch für den Partner, zu sagen: “Du, ich hab eine Lust in mir, ich hätte jetzt gerne Sexualität.”.
Wichtig ist, dass er oder sie auch die Möglichkeit auf Solosex hat. Es kann ja sogar sein, dass ich dabei bin, wenn mein Partner sich selbst stimuliert und es genieße zuzusehen. Es kann aber auch sein, dass ich meinem Partner die Freiheit gebe, dass er seinen Solosex allein hat.
Wichtig ist, dass man miteinander spricht und nicht das Gefühl hat, dem Partner etwas wegzunehmen, wenn man Sex allein mit sich selbst hat. Als Partnerin sollte man nicht das Gefühl haben, dass wenn ich nicht will, er es auch nicht darf. Man muss offen und großzügig miteinander sein, denn das Ziel ist, dass es uns beiden gut geht.
Welche Alternativen gibt es zu penetrativem Sex?
Ich denke es gibt viel mehr als Geschlechtsverkehr. Manchmal ist die Krebsprognose vielleicht sogar ein Anlass, andere Handlungen neben dem klassischen Geschlechtsverkehr zu überdenken. Sie können schauen, was Ihnen und Ihrem Partner gefallen könnte. Denn es gibt vieles, wie eine gemeinsame oder gegenseitige Massage mit Ölen oder das gemeinsame Schauen von Pornos, was man vorher vielleicht noch nie gemacht hat.
Sie könnten sich auch darauf einlassen darüber zu sprechen, was jeder erotisch findet und was beiden gefällt. Dazu gehört beispielsweise das Vorlesen von erotischen Geschichten oder sich gegenseitig mit der Hand oder dem Mund zu stimulieren. Bereits das Verhandeln darüber, was der jeweils andere erotisch findet kann sehr prickelnd sein, es braucht aber auch viel Vertrauen. Auf dem Buffet der Sexualität gibt es vieles, für jeden ist etwas dabei und wichtig ist, dass man den Mut hat, etwas auszuprobieren.
Warum und wie lange sollte ich während und nach der Therapie verhüten?
Sehr oft setzt die Brustkrebstherapie, vor allem die Chemo- und die Antihormontherapie die Fruchtbarkeit der Frau herunter. Gleichzeitig ist dies jedoch keine Garantie dafür, dass man nicht schwanger werden könnte. Darum ist es wichtig, dass man unter der Therapie verhütet, doch oft wird dieser Hinweise vergessen.
Wenn Frauen einen Kinderwunsch haben und die Therapie aufgrund dessen absetzen, dann sollten Sie mit ihrem behandelnden Arzt darüber sprechen, wie lange Sie noch zusätzlich verhüten müssen, bevor Sie aktiv versuchen, schwanger zu werden.
Wie kann ich unter Therapie verhüten und welche Methoden sind nicht sinnvoll?
Nicht sinnvoll und sogar verboten sind Verhütungsmittel auf hormoneller Basis. Die meistverwendete Verhütung, die Pille, darf weder während der Brustkrebstherapie noch nach der Brustkrebsdiagnose eingenommen werden. Daher wird auf nicht hormonelle Methoden ausgewichen, wie beispielsweise die Kupferspirale oder auf Barrieremethoden wie Kondome.
Wer kann mich bezüglich der besten Verhütungsmethode unter Therapie beraten?
Der wichtigste Partner für diese Beratung wird Ihr Frauenarzt oder Ihre Frauenärztin sein. Manchmal können Sie auch den Onkologen fragen, jedoch ist der Frauenarzt für das Einsetzen der Spirale zuständig. Sie kennen diesen bereits und je nach individueller Situation der Frau, kann auch über definitive Verhütung, wie eine Unterbindung oder passagere Verhütung gesprochen werden.
Hier geht es zum Video-Interview: „Selbstbestimmte Sexualität”
Geprüft Dr.in Eliane Sarasin Ricklin: September 2021 | Quellen und Bildnachweis