3. Akuttherapie bei HAE

Was ist eine Akuttherapie bei HAE und wann wird sie eingesetzt?

Eine Akuttherapie wird bei einem hereditären Angioödem (HAE) eingesetzt, um eine akute, also aktuell auftretende oder gerade entstehende HAE-Attacke schnell zu stoppen. Zwei Therapieoptionen stehen dafür zur Verfügung:

  • Icatibant: Dieses Medikament ist ein sogenannter Bradykinin-Rezeptor-Antagonist und wird als Fertigspritze unter die Haut gespritzt (subkutan ). Icatibant blockiert die Rezeptoren für Bradykinin , die für die Schwellungen bei einer Attacke verantwortlich sind. Dadurch verhindert es, dass sich die Blutgefäße ausweiten, was die Schwellung stoppt. Es wirkt direkt an der betroffenen Stelle, wo Bradykinin die Schwellungen auslösen würde. Der Vorteil von Icatibant ist, dass es sofort einsatzbereit ist, sodass Patient:innen es bei einem akuten Anfall recht einfach selbst anwenden können.
  • C1-Esterase-Inhibitor: Wenn in Ihrem Körper zu wenig von dem Protein C1-Esterase-Inhibitor vorhanden ist, wird es durch dieses Medikament ersetzt. Es stammt aus dem Blut von gesunden Menschen, wird gereinigt und als Pulver in kleinen Fläschchen bereitgestellt. Dieses Pulver wird dann mit einer Flüssigkeit gemischt und langsam in die Vene (IV) gespritzt. Die Infusion dauert etwa 10 Minuten. Der Vorteil dieser Therapie ist, dass sie sehr gut vertragen wird, weil das Präparat dem körpereigenen Stoff ähnelt, und an mehreren Stellen gleichzeitig wirkt: Es stoppt die Aktivierung von Faktor XII und verhindert die Umwandlung von Präkallikrein in Kallikrein, wodurch die Produktion von Bradykinin gebremst wird.
Wie wird entschieden, welche HAE-Akuttherapie mir verschrieben wird?

Die Wahl der Therapie hängt von folgenden Faktoren ab:

  • wie gut die Medikamente bei Ihnen wirken
  • wie gut Sie mit den Medikamenten zurechtkommen
  • wie schnell die Schwellung zurückgeht
  • wie Ihre persönliche Venensituation ist
  • Ihre individuellen Präferenzen

Meist wird zunächst Icatibant verschrieben, da es einfach anzuwenden ist, indem man es selbst unter die Haut spritzt. Für viele Patient:innen reicht das aus, um die Schwellungen schnell zu stoppen. Es kann jedoch vorkommen, dass die Schwellung nach 5 bis 8 Stunden zurückkehrt. In diesem Fall reicht die Verabreichung von Icatibant allein nicht mehr aus.

Stattdessen wird in diesem Fall das C1-Esterase-Inhibitor-Präparat (IV-Produkt) empfohlen. Dieses Medikament wirkt an mehreren Stellen im Ablauf der Attacke und verhindert nicht nur die Schwellungen, sondern auch ein schnelles Wiederauftreten der Symptome.

Wenn die Hände oder Arme während eines Anfalls geschwollen sind und es schwierig ist, eine Vene zu finden oder das IV-Medikament selbst vorzubereiten, können Sie zunächst Icatibant verwenden. Sobald die Schwellung nachlässt, können Sie das C1-Esterase-Inhibitor-Produkt intravenös anwenden, um die Attacke vollständig zu stoppen.

Wie schnell wirkt die Akutbehandlung bei einer HAE-Attacke?

Bei rechtzeitiger Anwendung setzt die Wirkung der Akuttherapie innerhalb von 30 bis 45 Minuten ein und die Schwellung nimmt nicht weiter zu. Je früher Sie mit der Behandlung beginnen, desto schneller setzt der Heilungsprozess ein. Ist die Schwellung bereits stark ausgeprägt, kann es länger dauern, bis sie vollständig abklingt. Der weitere Anschwellungsprozess wird jedoch gestoppt, sobald die Akuttherapie wirkt.

C1-Esterase-Inhibitoren wirken oft schneller. Icatibant benötigt etwas mehr Zeit, um seine Wirkung zu entfalten.

Welche Nebenwirkungen können auftreten und was kann man dagegen tun?

Bei der Anwendung von Icatibant und dem C1-Esterase-Inhibitor können verschiedene Nebenwirkungen auftreten, die meist mild und vorübergehend sind.

Mögliche Nebenwirkungen von Icatibant:

  • Brennendes Gefühl während der Injektion , das durch langsames Spritzen reduziert werden kann.
  • Rötungen oder Juckreiz an der Einstichstelle, die durch leichtes Reiben gelindert werden können, weil das Medikament sich dadurch schneller im Gewebe verteilt.

Mögliche Nebenwirkungen von C1-Esterase-Inhibitoren:

  • Schmerzen oder Blutergüsse an der Einstichstelle, insbesondere wenn die Vene schwer zu finden ist. Heparin- oder Diclofenac-Salben können bei Blutergüssen helfen.
  • Wenn die Venen schwer zugänglich sind, ist möglicherweise Unterstützung durch eine medizinische Fachkraft notwendig.

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Geprüft Ao. Univ.-Prof.in Dr.in Tamar Kinaciyan Stand: März 2025 | Quellen und Bildnachweis
Die Kurse sind kein Ersatz für das persönliche Gespräch mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt, sondern ein Beitrag dazu, PatientInnen und Angehörige zu stärken und die Arzt-Patienten-Kommunikation zu erleichtern.
Angioödem
Schwellung der tieferen Hautschichten, oft verursacht durch Flüssigkeitsaustritt aus Blutgefäßen.
Bradykinin
Wichtiger Botenstoff im Körper mit verschiedenen Funktionen. Er reguliert zum Beispiel den Blutdruck und spielt eine wichtige Rolle bei Entzündungen. Er wirkt gefäßerweiternd und kann Schmerzsignale auslösen.
C1-Esterase-Inhibitor
(C1-Inhibitor oder C1-Esterasehemmer)
Wichtiges Protein im menschlichen Körper, das eine besondere Rolle im Immunsystem und bei der Regulierung von Entzündungsprozessen spielt. Lässt sich im Blut messen.  
Eiweiße
(Proteine)
Eiweiße, auch bekannt als Proteine, sind Makromoleküle, die aus Ketten von Aminosäuren bestehen. Sie spielen eine entscheidende Rolle im Aufbau und der Funktion von Zellen und Geweben im Körper.
Hereditär
(Vererbt)
beschreibt Krankheiten oder Eigenschaften, die genetisch weitergegeben werden
Infusion
Verabreichung einer Flüssigkeit (mit oder ohne darin gelösten Medikamente) über einen Zugang in ein Blutgefäß.
Injektionen
Verabreichung einer Flüssigkeit, meist eines Medikaments, in den Körper mithilfe einer Spritze und einer Hohlnadel. Dabei wird die Substanz direkt in das Gewebe oder die Blutbahn eingebracht, um eine schnelle oder gezielte Wirkung zu erzielen.  
intravenös
(Abkürzung: IV)
Flüssigkeiten, Medikamente oder Nährstoffe werden direkt in die Vene durch eine Nadel oder einen Katheter gegeben.
subkutan
Verabreichung von einer Injektion unter die Haut, also ins Unterhautfettgewebe.
Vene
Venen sind Blutgefäße, die dafür verantwortlich sind, sauerstoffarmes Blut aus den verschiedenen Körperbereichen aufzunehmen und zurück zum Herzen zu transportieren.