Wie lange ist eine Therapie notwendig und kann man ein hereditäres Angioödem heilen?
Ein hereditäresAngioödem (HAE) ist eine genetische Erkrankung, daher bleibt sie lebenslang bestehen. Die Therapie bei einem HAE ist in der Regel eine langfristige Behandlung. Nach aktuellem Wissensstand gibt es derzeit keine Heilung. Die Behandlung ist in den meisten Fällen jedoch so effektiv, dass Betroffene mit der richtigen Therapie ein nahezu normales Leben führen können.
Die Art der Therapie und deren Dauer hängt von der Häufigkeit und Schwere Ihrer Anfälle ab. In vielen Fällen wird die Behandlung angepasst, wenn sich Ihre Symptome verändern. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin über die für Sie passende Therapie, um die Krankheit gut unter Kontrolle zu halten und Ihre Lebensqualität zu verbessern.
Was ist das Ziel der Behandlung bei HAE?
Das Ziel der Behandlung bei einem HAE ist es, Ihre Symptome zu kontrollieren, Anfälle zu verhindern und Ihre Lebensqualität zu verbessern. Mit den heutigen Therapien ist es möglich, die Häufigkeit und Schwere der Attacken deutlich zu reduzieren, in einigen Fällen sogar Attackenfreiheit zu erreichen.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei HAE?
Beim hereditären Angioödem gibt es zwei Hauptbehandlungsarten:
Akutbehandlung bei Anfällen: Sobald eine Attacke beginnt, ist eine sofortige Behandlung notwendig. Das ist für HAE-Patient:innen sehr wichtig, um Schwellungen schnell zu stoppen und schwerwiegende Folgen zu vermeiden. Es gibt spezielle Medikamente, die Ihnen dabei helfen, einen Anfall schnell zu kontrollieren.
Langzeitprophylaxe: Seit einigen Jahren gibt es auch die Möglichkeit einer Dauertherapie. Diese Behandlung hilft Ihnen, die Häufigkeit der Anfälle zu verringern oder diese sogar komplett zu verhindern. Es gibt verschiedene Medikamente, die je nach Ihren individuellen Bedürfnissen gemeinsam mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt ausgewählt werden.
Verabreichungsformen bei HAE
Medikamente können auf mehrere Arten verabreicht werden und beim HAE stehen verschiedene Verabreichungsarten zur Verfügung:
Intravenös (IV): Hier wird das Medikament direkt in die Vene gespritzt, wodurch es sofort in die Blutbahn gelangt und schnell wirkt. Diese Methode ist effektiv, wenn eine rasche Wirkung erforderlich ist.
Subkutan: Bei dieser Form wird das Medikament unter die Haut in das Fettgewebe gespritzt (z. B. am Bauch). Das Medikament wird langsamer als bei der IV-Verabreichung aufgenommen, aber die Anwendung ist einfacher und oft schmerzärmer.
Oral: Hier wird das Medikament in Form einer Tablette oder Kapsel eingenommen und gelangt über den Verdauungstrakt ins Blut. Diese Verabreichung ist unkompliziert, jedoch setzt die Wirkung meist etwas später ein, da das Medikament zuerst verdaut werden muss.
Was passiert bei einer HAE-Attacke im Körper und wo kann die HAE-Therapie ansetzen?
Bei einer HAE-Attacke spielt das Kallikrein-Kinin-System im Körper eine entscheidende Rolle. Es ist für die Regulation von Entzündungen, Schmerz, Gefäßfunktionen und Blutdruck verantwortlich. Normalerweise sorgt ein Protein namens C1-Inhibitor (kurz: C1-INH) dafür, dass dieses System im Gleichgewicht bleibt. Bei Menschen mit HAE ist dieser C1-Inhibitor entweder nicht genug vorhanden oder funktioniert nur unzureichend. Dadurch arbeitet dieser Mechanismus nicht richtig, sodass zu viel Bradykinin produziert wird.
Pathomechanismus einer HAE-Attacke
Im Körper wird durch verschiedene Faktoren ein Protein namens Faktor XII aktiviert und dadurch zu Faktor XIIa umgewandelt. Normalerweise wird dieser Prozess von C1-INH reguliert. Da dieses Protein bei HAE fehlt oder fehlerhaft ist, läuft dieser Prozess unkontrolliert ab und ist wie das Startsignal für eine Kettenreaktion: Faktor XIIa aktiviert ein Enzym namens Präkallikrein, das in Kallikrein umgewandelt wird. Auch dieser Prozess wird normalerweise durch C1-INH reguliert, bei HAE jedoch nicht. Kallikrein spaltet wiederum aus hochmolekularem Kininogen (HMWK) Bradykinin ab. Auch hier fehlt bei HAE der C1-INH als regulierender Faktor. Die Ansammlung von überschüssigem Bradykinin führt zu Gefäßerweiterungen und damit zu den typischen Symptomen einer HAE-Attacke, wie den schmerzhaften Schwellungen.
Der Pathomechanismus beim hereditären Angioödem zusammengefasst: Bei einer HAE-Attacke führt der Mangel an funktionierendem C1-INH dazu, dass der Körper zu viel Bradykinin produziert, was wiederum Schwellungen verursachen kann.
Ansatzpunkte für die HAE-Therapie im Pathomechanismus
Die HAE-Therapie zielt darauf ab, die Ursache der Schwellungen zu stoppen. Dafür gibt es drei Hauptwege:
C1-Esterase-Inhibitoren (C1-INH-Präparate): Diese Medikamente ersetzen den fehlenden oder nicht richtig funktionierenden C1-Inhibitor im Körper. Sie helfen dabei, die Aktivierung von wichtigen Enzymen (Faktor XIIa und Kallikrein) zu blockieren. Dadurch wird weniger Bradykinin produziert. Bradykinin ist der Stoff, der die Schwellungen verursacht.
Kallikrein-Inhibitoren: Diese verhindern die Bildung des Enzyms Kallikrein, welches eine wichtige Rolle bei der Produktion von Bradykinin spielt. Weniger Kallikrein bedeutet weniger Bradykinin, wodurch Schwellungen vermieden werden können.
Bradykinin-B2-Rezeptorantagonisten: Diese Medikamente setzen am Ende der Kettenreaktion an. Sie blockieren die Andockstellen von Bradykinin auf den Zellen der Blutgefäße. So verhindern sie, dass Bradykinin andocken und Schwellungen auslösen kann. Selbst wenn Bradykinin also bereits im Körper freigesetzt wurde, kann es seine Wirkung nicht entfalten.
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Maurer M, et al. The international WAO/EAACI guideline for the management of hereditary angioedema-The 2021 revision and update. Allergy. 2022 Jul;77(7):1961-1990. doi: 10.1111/all.15214. Epub 2022 Feb 3. PMID: 35006617.
Schöffl C, Wiednig M, Koch L, Blagojevic D, Duschet P, Hawranek T, Kinaciyan T, Öllinger A, Aberer W. Hereditary angioedema in Austria: prevalence and regional peculiarities. J Dtsch Dermatol Ges. 2019 Apr;17(4):416-423. doi: 10.1111/ddg.13815. Epub 2019 Mar 18. PMID: 30883006; PMCID: PMC6850089.
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https://dg-e.de/progressive-relaxation-pr/
Schwellung der tieferen Hautschichten, oft verursacht durch Flüssigkeitsaustritt aus Blutgefäßen.
Bradykinin
Wichtiger Botenstoff im Körper mit verschiedenen Funktionen. Er reguliert zum Beispiel den Blutdruck und spielt eine wichtige Rolle bei Entzündungen. Er wirkt gefäßerweiternd und kann Schmerzsignale auslösen.
Dauertherapie
Eine Therapie, die dauerhaft, also über mehrere Jahre hinweg, durchgeführt wird.
Eiweiße
(Proteine)
Eiweiße, auch bekannt als Proteine, sind Makromoleküle, die aus Ketten von Aminosäuren bestehen. Sie spielen eine entscheidende Rolle im Aufbau und der Funktion von Zellen und Geweben im Körper.
Enzym
körpereigener Stoff, der biochemische Reaktionen steuert und schneller und effizienter ablaufen lässt.
Hereditär
(Vererbt)
beschreibt Krankheiten oder Eigenschaften, die genetisch weitergegeben werden
intravenös
(Abkürzung: IV)
Flüssigkeiten, Medikamente oder Nährstoffe werden direkt in die Vene durch eine Nadel oder einen Katheter gegeben.
oral
Flüssigkeiten, Medikamente oder Nährstoffe werden über den Mund, normalerweise in Form von Tabletten, Kapseln, Sirup oder flüssigen Lösungen aufgenommen.
Pathomechanismus
Vorgang oder Kette von Prozessen, die zur Entstehung einer Krankheit führen.
subkutan
Verabreichung von einer Injektion unter die Haut, also ins Unterhautfettgewebe.
Vene
Venen sind Blutgefäße, die dafür verantwortlich sind, sauerstoffarmes Blut aus den verschiedenen Körperbereichen aufzunehmen und zurück zum Herzen zu transportieren.
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