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Kurs Angina pectoris verstehen: Lektion 1 von 8

Was verbirgt sich hinter Angina pectoris?

Die meisten Menschen denken bei Schmerzen und einem Engegefühl in der Brust sofort an einen Herzinfarkt. Oftmals handelt es sich hierbei jedoch um einen Angina-pectoris-Anfall, der ähnliche Beschwerden auslösen kann, sich aber innerhalb weniger Minuten bessert oder ganz verschwindet. Diese Lektion vermittelt Ihnen allgemeines Wissen zur Angina pectoris einschließlich der Formen, der Stadien und der Prognose.

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Was ist Angina pectoris?

„Angina pectoris“ ist ein lateinischer Begriff. Das macht schon einmal irgendwie spezieller, wenn man mit lateinischen Begriffen um sich wirft. Aber ich glaube, für Patienten ist es gut zu wissen, wo das herkommt. Denn wenn jemand „Angina“ hört, dann denkt er initial an Halsweh.

  • Gemeint ist aber damit Halsenge, also „Angina“ heißt im Prinzip ein „Engegefühl“.
  • Und das „pectoris“, der „pectoris“-Teil bedeutet „Brust“.

Und aus diesen beiden Termini, aus diesen beiden Fachbegriffen ergibt sich das, was Sie als Patient potenziell spüren oder hoffentlich nicht spüren, nämlich eine Brustenge. Und das ist der übersetzte Begriff für dieses Beschwerdebild. Angina pectoris ist also Brustengegefühl.

Was ist der Unterschied zwischen Angina pectoris und einer koronaren Herzerkrankung?

Der Unterschied zwischen Angina pectoris und koronarer Herzerkrankung ist der, dass wir mit der Brustenge eine Symptomatik, also ein Beschwerdebild vorliegen haben. Diesem Beschwerdebild können aber ganz viele Ursachen zugrunde legen. Und nur eine der Ursachen, die es dafür gibt, ist die koronare Herzerkrankung, also die Durchblutungsstörung des Herzens auf Basis einer Verengung von Herzkranzgefäßen. Es gibt viele andere Ursachen auch. Und es ist eine der wesentlichen ärztlichen Aufgaben, herauszufinden:

  • Ist es jetzt eine etwas ungefährliche oder hoffentlich ganz ungefährliche Variante eines Brustschmerzes,
  • oder ist es eine doch etwas bedrohlichere, und die Prognose potenziell beeinflussende Variante, die über die Durchblutungsstörungen des Herzens, über die koronare Herzerkrankung definiert wird?

Und das ist rein aufgrund der Beschwerden oft nicht auseinanderzuhalten. Da brauchen wir also viele zusätzliche Informationen und unter Umständen noch zusätzliche Untersuchungsbefunde und Untersuchungsergebnisse, die uns dann helfen in der Differenzierung zwischen

  • gefährlich oder nicht gefährlich,
  • oder zwischen durch koronare Probleme bedingte oder durch außerhalb des Herzens liegende Ursachen bedingte Brustkorbschmerzen.

Wie unterscheiden sich die Angina pectoris und ein Herzinfarkt?

Die Angina pectoris ist ein Symptom, das auch bei einem Herzinfarkt vorhanden sein kann. Der einzige relevante Unterschied ist, dass beim Herzinfarkt die Symptome besonders ausgeprägt, besonders bedrohlich, besonders lebensbedrohlich empfunden werden, und dass Menschen spüren, dass potenziell ihr Leben gefährdet ist. Es sterben in Österreich die meisten Menschen an einem Herz-Kreislauf-Tod. Also es ist eine häufige Todesursache. Und die Brustenge, die Patienten verspüren, ist durchaus so lange als ein solcher zu interpretieren, bis wir wirklich ausgeschlossen haben, dass es nicht auch ein Herzinfarkt ist. Also wenn ich als Arzt zu einem Patienten gerufen werde, der ein Brustengegefühl, eine Angina pectoris hat, dann gehe ich immer prinzipiell vom Gefährlichsten aus, und das Gefährlichste ist der Herzinfarkt. Und ich werde erst durch die weitere Abklärung, durch die Untersuchungen, durch das EKG, durch das Labor in die Lage versetzt, zu sagen: Das ist jetzt ein infarktbedingter akuter Brustkorb Schmerz, oder es ist ein, Gott sei Dank, noch nicht durch einen Infarkt hervorgerufener Brustkorbschmerz.
Und diesen Unterschied zu machen, das ist die ärztliche Aufgabe des Kardiologen, aber auch des Internisten oder auch des allgemeinen Hausarztes, der vor Ort diese Entscheidung oft zu fällen hat. Und die Entscheidung ist nicht immer einfach.

Wie unterscheiden sich die verschiedenen Formen der Angina pectoris?

Der Hauptunterschied in den unterschiedlichen Formen der Angina pectoris ist sicherlich das Ausmaß der Einschränkungen in der täglichen Belastungsbreite. Also, es gibt Menschen, die nur bei sehr, sehr ausgeprägten Leistungen auch ihren Brustkorbschmerz verspüren. Diese Menschen haben dann Gott sei Dank weniger Risiko als Patienten, die es schon bei geringeren Belastungen verspüren. Und wir teilen das ein in

  • Belastungen, die beim ebenen Gehen zu Brustkorbschmerzen führen,
  • oder Belastungen, die beim Bergaufgehen zu Brustkorbschmerzen führen,
  • oder eben auf der anderen Seite des Spektrums Belastungen, die vielleicht sogar schon in Ruhe oder quasi ohne Belastung schon, Patienten, die schon ohne Belastung eine hohe Angina pectoris bekommen.

Und diese letzte Gruppe sind diejenigen Patienten, die am bedrohtesten sind. Also dort ist es natürlich am ehesten notwendig, diesen Herzinfarkt, der auch ursächlich dafür sein kann, auszuschließen.

Wie unterscheiden sich die stabile und die instabile Angina pectoris?

Wenn Sie mich fragen, wie die stabile und instabile Angina pectoris voneinander unterschieden werden, so werden sie eigentlich hauptsächlich durch das subjektive Empfinden des Betroffenen oder der Betroffenen unterschieden. Ich sage extra auch „der Betroffenen“, weil Frauen oft ganz andere Beschwerdebilder als Männer haben. Und wir Ärzte sind oft auf die weibliche Form der Präsentation weniger trainiert als auf die männliche Form der Angiona pectoris. Aber für beide Geschlechter ist es ähnlich, dass die Beschwerden, die dem Thoraxschmerz zugrunde liegen, mehr werden. Also das heißt: In ihrer Intensität gibt es eine Veränderung. Und diese Intensität kann man auch in Worte ganz gut fassen, indem man zum Beispiel sagt: „Okay, ich konnte bislang in den zweiten Stock ohne Probleme hinaufgehen und ohne Beschwerden zu bekommen. Und jetzt habe ich schon nach dem ersten Stockwerk meine Beschwerden und meine Schwierigkeiten.“ Und wenn diese Situation eintritt und das innerhalb relativ kurzer Zeit sich verschlechtert oder die Einschränkungen in der Leistungsbreite auftritt, dann ist das eine frühere Abklärungsnotwendigkeit als wenn die Beschwerden relativ gleichbleibend und somit stabil sind.

Wie lässt sich einschätzen, wie schwerwiegend meine Angina pectoris ist?

Für Sie als Patient ist es, glaube ich, nicht wichtig herauszufinden, in welcher Art des Schweregrades Sie sind. Für Sie ist wichtig herauszufinden: Ist es was Gefährliches oder etwas Ungefährliches. Und wenn Sie in Ruhe Ihre Beschwerden haben, oder wenn Sie Beschwerden haben, die früher nur beim Bergaufgehen gekommen sind und jetzt aber auch schon beim ebenen Gehen kommen, also wenn die Beschwerde-Intensität zunimmt und Ihre Leistungsbreite abnimmt durch diese Beschwerden, dann ist es immer etwas, wo es instabil wird, wo Sie also potenziell Feuer am Dach haben, wo Sie also sofort oder relativ kurzfristig mit dem Hausarzt Kontakt aufnehmen sollen. Und der leitet dann auch die weiteren Schritte in die Wege in der Abklärung. Also immer dann, wenn etwas immer konstant war und plötzlich nicht mehr so konstant ist und sich verändert hat im Sinne der Intensität, dann sollte man entsprechende Reaktionen zeigen und die Schritte setzen, um das abzuklären.

Warum treten Angina-pectoris-Anfälle am häufigsten unter Belastung auf?

Angina pectoris Anfälle treten zumindest im Initialstadium vor allem unter Belastung auf und weniger häufig in Ruhe, wenn es nicht ein akutes oder instabiles Krankheitsbild ist. Das ist dadurch bedingt, dass das Herz eine große Reservekapazität hat. Wenn wir uns in Ruhe befinden, brauchen wir viel weniger Herzarbeit, als wenn wir uns anstrengen.
Wenn nun aber eine Verengung von Herzkranzgefäßen vorliegt, und das ist ja die Ursache bei Thorax-Schmerzen, die wir bei Angina pectoris vorfinden, und wenn wir dann dem Herzen mehr Leistung abfordern, bewirkt dies eine höhere Belastung und das Ausreizen der Reservekapazitäten.
Und wenn wir zum Beispiel den Berg hinaufgehen oder den zweiten Stock hinaufgehen, dann muss das Herz oft zwei- oder dreimal so viel Arbeit verrichten, wie wenn wir uns in Ruhe am Tisch sitzend befinden oder ein Buch lesen.
Und daher werden Beschwerden zuerst unter Belastung und erst später unter geringeren Belastungsstufen oder auch schon in Ruhe manifest. Denn die Herzreserve bewirkt, dass man in Ruhe sehr, sehr lange auch mit verengten Herzkranzgefäßen ohne Beschwerden durchkommt und erst bei Belastung seine Beschwerden bekommt.

Auf den Punkt gebracht

  • Angina pectoris bedeutet Brustkorbenge.
  • Es handelt sich um häufige, aber auch gut beeinflussbare Beschwerden.
  • Wenn Sie in Ruhe Beschwerden haben oder wenn die Beschwerdeintensität abnimmt, sollten Sie die Beschwerden rasch abklären lassen.

Was ist Angina pectoris?

Unter einer Angina pectoris verstehen MedizinerInnen ein mit Schmerz verbundenes Engegefühl in der Brust (Brustenge). Ursache hierfür ist meistens eine Durchblutungsstörung des Herzens, die aus einer durch Plaquebildung verursachten Veengung der Herzkranzgefäße resultiert.

Der medizinische Terminus Angina pectoris hat seinen Ursprung im Lateinischen. „Angor“ bedeutet übersetzt „Beklemmung“, während „pectus“ der lateinische Begriff für „Brust“ ist. Die Bezeichnung Angina pectoris steht nicht für eine eigenständige Krankheit, sondern dient als Sammelbegriff für Symptome, die im Zusammenhang mit Einschränkungen oder Erkrankungen des Herzens auftreten. In der Medizin wird die Angina pectoris auch Stenokardie genannt.

Wie viele Menschen haben Angina pectoris?

In Österreich leiden etwa zwei von 1000 Menschen an einer Angina pectoris, wobei Männer etwas häufiger betroffen sind als Frauen. Die meisten PatientInnen sind älter als 70 Jahre. Lediglich 8 Prozent sind jünger als 50. Für Deutschland und die Schweiz gelten ähnliche Werte.

Welche Formen der Angina pectoris gibt es?

Hinsichtlich ihres Verlaufs unterscheiden MedizinerInnen bei Angina pectoris zwei Formen: die stabile und die instabile Angina pectoris.

Wie äußert sich eine stabile Angina pectoris?

  • die Schmerzen und die Brustenge dauern relativ kurz an (circa 1 bis 20 Minuten),
  • die Symptome treten unter physischer oder psychischer Belastung (Stress) auf,
  • die Beschwerden bessern sich in Ruhe innerhalb von 5 bis 30 Minuten,
  • die Symptome nehmen nach Einnahme des Medikaments Nitroglycerin innerhalb von 5 bis 10 Minuten ab.

Wie äußert sich eine instabile Angina pectoris?

  • der/die PatientIn leidet erstmals unter einem Anfall,
  • die Anfälle treten in Ruhe oder bei geringster körperlicher Belastung auf,
  • die Anfälle häufen sich, werden zunehmend stärker oder dauern länger an.

Hinsichtlich ihres Auftretens wird die Angina pectoris in folgende Formen unterteilt:

  • Prinz-Metal Angina – durch Spasmen der Herzkranzgefäße ausgelöste Angina pectoris,
  • De-novo Anina – erstmalig auftretende Angina pectoris,
  • Angina decubitus – im Liegen auftretende Angina pectoris,
  • Ruhe Angina – in Ruhe auftretende Angina pectoris,
  • Angina nocturna – nächtliche Angina pectoris.

Darüber hinaus gibt es weitere Formen wie die Präinfarktangina oder die Belastungsangina.

Welche Stadien der Angina pectoris gibt es?

Die Angina pectoris tritt in unterschiedlichen Schweregraden in Erscheinung. Entscheidend für die Therapie der stabilen Angina pectoris ist die Unterteilung in vier Stadien nach der CCS-Klassifikation der Canadian Cardiovascular Society.

Schweregrade der stabilen Angina pectoris:

CCS I Keine Symptome bei Alltagsbelastungen wie Treppensteigen, aber bei größeren oder längeren Anstrengungen wie Joggen oder Schneeräumen
CCS II Symptome bei stärkerer körperlicher Anstrengung wie Treppensteigen oder Bergaufgehen sowie bei Wind, Kälte oder psychischen Belastungen
CCS III Symptome bei leichten körperlichen Belastungen wie Ankleiden, leichter Hausarbeit oder normalem Gehen
CCS IV Symptome nach wenigen Schritten oder sogar in Ruhe

Eine instabile Angina pectoris, also wenn sich das Beschwerdebild plötzlich verändert, ist immer als gefährlicher einzustufen, daher sollte sie möglichst rasch medizinisch abgeklärt werden.

Prognose der Angina pectoris

Mithilfe von Nitroglycerin-Präparaten können die Symptome der Angina pectoris in aller Regel gut behandelt werden. Für akute Anfälle gibt es spezielle, schnell wirkende Nitromedikamente. Allerdings haben die Arzneimittel keinen Einfluss auf den Krankheitsverlauf, sondern lindern lediglich die Beschwerden. Wird die eigentliche Ursache, z. B. eine koronare Herzerkrankung, erfolgreich therapiert, verschwinden die Angina-pectoris-Symptome von allein.

Wussten Sie schon

Wussten Sie, dass Ihr Herz im Laufe eines 75-jährigen Lebens so viel Flüssigkeit durch Ihren Körper pumpt, dass davon ein Supertanker nahezu voll werden würde? Ein Grund mehr, alles zu tun, damit dieses Organ über viele Jahre leistungsfähig bleibt.

Geprüft Univ.-Prof. Dr. Robert Zweiker: Stand Februar 2019 | AT-RAN-29-06-2019

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Dieser Kurs ist Teil der Kursreihe „Leben mit Angina pectoris“

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