5. Zielgerichtete Therapien

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Was ist eine zielgerichtete Therapie bei Lungenkrebs? Welche Bedeutung haben dabei veränderte Gene? Wie läuft die zielgerichtete Therapie ab? OA Dr. Georg Pall beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema:

Was ist eine zielgerichtete Therapie und wie wirkt sie?

Wir wissen heute, dass es bestimmte, meistens relativ kleine Gruppen von Lungenkrebspatienten gibt, wo der Tumor ganz bestimmte Genveränderungen aufweist. Und diese Genveränderungen sind es letztendlich, die diesen Tumor, wie wir das nennen, treiben, die diesen Tumor antreiben, die sozusagen der entscheidende Grund für diese Tumorerkrankung sind.

Und das Wissen um diese sogenannten genetischen Treiber hat auch dazu geführt, dass wir in die Lage versetzt worden sind, Medikamente zu entwickeln, die ganz gezielt gegen diese Genveränderungen beziehungsweise die daraus im Stoffwechsel der Tumorzelle resultierenden Veränderungen gerichtet sind.

Und weil wir hier ebenso ganz gezielt in den Stoffwechsel der Tumorzelle eingreifen, ist hier auch der Begriff der zielgerichteten Therapie entstanden.

Man kann sich das ein bisschen vorstellen wie einen Schalter:

  • Wenn die Genveränderung da ist, wird der Schalter sozusagen umgelegt, und es beginnt der Tumor zu wachsen. Die Tumorzellen beginnen sich zu vermehren.
  • Und wenn wir mit unserer zielgerichteten Therapie hier gegensteuern, dann ist es uns im Idealfall möglich, diesen Schalter wieder umzudrehen und quasi das Wachstum der Tumorerkrankung zu unterdrücken.

Wann kommt eine zielgerichtete Therapie in Frage?

Es ist ganz entscheidend, dass diese zielgerichteten Therapien nur dann funktionieren können, wenn der Tumor auch die dazu passende Genveränderungen trägt. Das heißt, hier ist der entscheidende Fachmann der Pathologe, der sogenannte Molekularpathologe, der das Tumorgewebe auf das Vorhandensein dieser spezifischen Genveränderungen untersucht. Und nur wenn diese Genveränderung nachweisbar ist, können wir diese zielgerichteten Therapien zum Einsatz bringen.

Das ist wiederum eine Situation, wo wir nach Diagnosestellung eines Lungenkrebs oft einige Tage auf das Ergebnis dieser molekularpathologischen Analysen warten müssen, bevor wir mit der Therapie beginnen können.

Aber auch hier ist es ganz entscheidend, dass diese Zeit extrem wichtige Zeit ist, extrem gut investierte Zeit ist, weil der Nachweis von derartigen genetischen Treibern die Behandlungsmöglichkeiten dramatisch verbessert.

Derzeit finden zielgerichtete Therapien praktisch ausschließlich Einsatz bei Patienten mit metastasierter Erkrankung, also in weiter fortgeschrittenen Tumorstadien. Allerdings ist hier die Entwicklung ähnlich wie bei einer Immuntherapie: Es gibt Bestrebungen, diese zielgerichteten Medikamente auch in früheren Krankheitsstadien einzusetzen, und wir werden in naher Zukunft dazu neue wissenschaftliche Studiendaten präsentiert bekommen.

Einsatz einer zielgerichteten Therapie bei Lungenkrebs

Was ist eine zielgerichtete Therapie?

Zielgerichtete Therapie werden so genannt, weil sie sich gegen ganz bestimmte Eiweiße an bzw. in Tumorzellen richten, welche die treibenden Elemente für das Wachstum der Zellen sind. Dadurch kann das Tumorwachstum gehemmt werden. Wenn im genetischen Material der Tumorzellen Veränderungen, sogenannte Mutationen oder Genfusionen, nachweisbar sind, kann der Tumor mit zielgerichteten Medikamenten bekämpft werden.

Wann kommt eine zielgerichtete Therapie zum Einsatz?

Ob eine zielgerichtete Therapie in Frage kommt, hängt von mehreren Faktoren ab:

Tumorart:
Ein Teil der nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinome weist bestimmte Gen-Veränderungen auf. Diese können auf zielgerichtete Therapien ansprechen.

Genetischen Eigenschaften der Krebszellen:
Aus diesem Grund werden Lungentumore vor Beginn einer Therapie molekulargenetisch analysiert. Genveränderungen werden mit Abkürzungen bezeichnet; die wichtigsten bei Lungenkrebs betreffen die Gene EGFR, ALK, ROS1, BRAF, NTRK, RET, MET und Her2.
Solche Genveränderungen kommen bei ca. 25 Prozent aller nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinome vor.

Krankheitsstadium:
Derzeit kommt die Behandlung bei PatientInnen in fortgeschrittenen Krankheitsstadien zum Einsatz.

Wie funktioniert eine zielgerichtete Therapie?

Gen-Veränderungen führen zu Störungen in den Wachstums-Signalwegen der betroffenen Zellen. Die Folge ist ein unkontrolliertes Wachstum und schließlich die Entstehung eines Tumors. Zielgerichtete Therapien hemmen diese Signalwege des Tumors. So kann das Zellwachstum aufgehalten und der Tumor zum Schrumpfen gebracht werden.

Zielgerichtete Medikamente, die bei Lungenkrebs zum Einsatz kommen sind:

Kinasehemmer:
Die Blockade von Enzymen, die am Tumorwachstum beteiligt sind, bremst das Krebswachstum. Diese Enzyme werden Kinasen genannt. Entsprechend heißen die zielgerichteten Wirkstoffe Kinasehemmer oder Kinase-Inhibitoren. Wichtige Wirkstoffe sind die Tyrosinkinase-Inhibitoren (abgekürzt TKI). Dazu zählen auch die ALK-Inhibitoren. Alle Namen dieser Wirkstoffgruppe enden auf die Silbe „-nib“, z. B. Alectinib, Osimertinib oder Crizotinib.

Angiogenesehemmer:
Auch ein Tumor benötigt eine Blutversorgung. Über die Ausschüttung von Gefäßwachstumsfaktoren bildet er neue Blutgefäße aus. Das nennt man Angiogenese. Medikamente, die diese Gefäßwachstumsfaktoren gezielt angreifen, verhindern die Entstehung neuer Blutgefäße. Der Tumor bekommt nicht ausreichend Nährstoffe und kann nicht weiterwachsen. Diese Medikamente heißen Angiogenesehemmer oder Angiogenese-Inhibitoren. Beispiele sind: Bevacizumab, Nintedanib oder Ramucirumab.

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Welche Voruntersuchungen sind notwendig, um eine zielgerichtete Therapie durchführen zu können?

  • Die entscheidende Voruntersuchung für die Durchführung einer zielgerichteten Therapie ist die genetische Analyse des Tumorgewebes, durchgeführt durch den Pathologen, durch den Molekularpathologen.
  • Darüber hinaus sind es je nachdem, welche Art von zielgerichteter Therapie zum Einsatz kommt, auch organspezifische Voruntersuchungen, die unter Umständen erforderlich sein könnten.

Allerdings ist es so, dass die Verträglichkeit dieser zielgerichteten Therapien in praktisch allen Fällen sehr, sehr gut ist, sodass es kaum sogenannte Kontraindikationen für derartige Medikamente gibt, also letztendlich irgendwelche Vor- oder Begleiterkrankungen, die die Verabreichung einer derartigen Therapie unmöglich machen würden.

Wie und wie lange wird eine zielgerichtete Therapie verabreicht?

Die zielgerichtete Therapie ist eine kontinuierliche Therapie. Sie ist zu verstehen wie eine Art Bremse auf der Erkrankung. Wir verabreichen diese Therapie in aller Regel als Tablettentherapie, also als orale Therapie, wo die Patienten entweder einmal oder zweimal täglich ihre entsprechende Medikation einnehmen müssen.

Die Dauer der Verabreichung richtet sich nach zwei Parametern:

  • Die Therapie wird solange verabreicht, solange sie in der Lage ist, die Tumorerkrankung im Körper zu kontrollieren.
  • Und natürlich, und das ist wie immer ein ganz entscheidender Punkt, sie wird nur so lange verabreicht, solange sie vom Patienten auch akzeptabel gut toleriert wird.

Wird eine zielgerichtete Therapie anstatt oder ergänzend zu anderen Behandlungen durchgeführt?

Derzeit ist es so, dass die zielgerichteten Therapien in aller Regel alleine, also wie wir das nennen, als Monotherapie eingesetzt werden. Kombinationen mit Chemotherapie oder auch Kombinationen mit Immuntherapie haben sich da derzeit als nicht hilfreich, als nicht zielführend herausgestellt. Es ist aber durchaus denkbar, dass in Zukunft derartige Kombinationstherapien auch Bedeutung gewinnen könnten.

Ablauf einer zielgerichteten Therapie bei Lungenkrebs

Vor Therapiebeginn müssen im Gespräch mit der behandelnden Ärztin/dem Arzt folgende Fragen abgeklärt werden:

  • Bestehen Vorerkrankungen, die eine derartige Therapie unmöglich machen?
  • Besteht eine Schwangerschaft oder stillen Sie?
  • Nehmen Sie derzeit andere Medikamente ein?

HINWEIS: Es gibt eine Reihe von Medikamenten, die Wechselwirkungen mit zielgerichteten Wirkstoffen haben können, z. B. manche Antiepileptika, Schmerzmittel oder Blutverdünner. Informieren Sie Ihre Ärztin/Ihren Arzt über alle Medikamente, die Sie derzeit einnehmen.

Zielgerichtete Medikamente werden zumeist in Tablettenform verabreicht. Als PatientIn sollten Sie vor allem auf die regelmäßige Einnahme achten und die Therapie keinesfalls absetzen. Die Behandlung ist langfristig ausgerichtet. Sie wird so lange fortgeführt, so lange sie wirksam und verträglich ist, möglicherweise über mehrere Jahre.

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Welche Nebenwirkungen können bei zielgerichteten Therapien auftreten?

Nun, wir sind in der glücklichen Lage, dass wir heute nicht mehr nur eine oder zwei zielgerichtete Therapien einsetzen können, sondern dass wir mittlerweile schon eine ganze Reihe von Genveränderungen in Lungentumoren nachweisen können, für die es jeweils spezifische Medikamente gibt. Das bedeutet auch, dass es nicht möglich ist, eine generelle Übersicht über Nebenwirkungen von zielgerichteten Therapien zu geben, weil die Nebenwirkungen doch sehr, sehr spezifisch sind, je nachdem, welches Präparat zum Einsatz kommt.

In diesem Zusammenhang werden Sie, sollte eine derartige zielgerichtete Therapie für Sie als Patientin oder als Patient in Frage kommen, ein sehr ausführliches Aufklärungsgespräch mit Ihrem behandelnden Ärzteteam führen, in dem Sie vollständig über alle eventuellen unerwünschten Wirkungen informiert werden.

Was muss ich als PatientIn vor oder während einer zielgerichteten Therapie beachten?

Während einer zielgerichteten Therapie ist es wie bei jeder anderen medikamentösen Therapie auch wichtig, dass Sie sehr eng und sehr gut mit Ihrem behandelnden Ärzteteam zusammenarbeiten, dass Sie über Veränderungen, die Sie in Ihrem Körper bemerken, berichten und damit Ihr Ärzteteam in die Lage versetzen, auf eventuelle Nebenwirkungen auch richtig zu reagieren.

Wichtig, und das ist der wesentliche Unterschied bei der zielgerichteten Therapie im Vergleich zur Chemotherapie ist, dass diese Therapie in aller Regel keine Beeinträchtigung des Immunsystems verursachen. Das heißt, die Anfälligkeit für Infektionen, für fieberhafte Infekte ist in diesen Fällen nicht gegeben. Und das bedeutet für viele Patienten auch eine große Erleichterung, vor allem auch im alltäglichen sozialen Leben.

Mögliche Nebenwirkungen zielgerichteter Therapien bei Lungenkrebs

Obwohl zielgerichtete Therapien vor allem Krebszellen angreifen, haben sie Auswirkungen auf andere Gewebe.

Die am häufigsten auftretenden Nebenwirkungen sind von Präparat zu Präparat sehr unterschiedlich. Sie werden diesbezüglich vor Therapiebeginn ein ausführliches Informationsgespräch mit Ihrer behandelnden Ärztin/Ihrem behandelnden Arzt führen.

HINWEIS: Zielgerichtete Therapien sind in der Mehrzahl der Fälle gut verträglich. Im fortgeschrittenen Krankheitsstadium können durch diese Behandlungen Beschwerden und Lebensqualität deutlich gebessert werden.

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  • Fragen an die Ärztin/den Arzt bei Lungenkrebs Im hektischen Klinikalltag bleibt häufig kaum Zeit für ausführliche Unterhaltungen. Um sicherzugehen, dass Sie nichts vergessen, können Sie sich mit dieser Fragenliste schon zu Hause auf das Gespräch mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt vorbereiten und die wichtigsten Fragen schriftlich festhalten.

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Geprüft OA Dr. Georg Pall: Stand 07.09.2020 | AT-3781 | Quellen und Bildnachweis

Die Kurse sind kein Ersatz für das persönliche Gespräch mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt, sondern ein Beitrag dazu, PatientInnen und Angehörige zu stärken und die Arzt-Patienten-Kommunikation zu erleichtern.