Die rheumabedingten Entzündungen schwächen häufig den gesamten Körper der PatientInnen. Daraus resultiert ein allgemeines Krankheitsgefühl, das zum Teil mit Abgeschlagenheit, ständiger Müdigkeit und einem Appetitverlust einhergeht. Die Erkrankung kann alltägliche Verrichtungen erschweren und sich beeinträchtigend auf viele Lebensbereiche auswirken. Die Folge können Depressionen sein, die wir in dieser Lektion etwas näher betrachten wollen.
Prim. Prof. Priv. Doz. Dr. Michael Bach, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, Psychotherapeut, beantwortet im Video "Depressionen" folgende Fragen:
Klicken Sie auf eine Frage, um direkt zum entsprechenden Videoabschnitt zu springen!- Warum leiden so viele RheumapatientInnen unter Depressionen?
- Welche Anzeichen können auf eine Depression hindeuten?
- Was ist der Unterschied zwischen einer depressiven Verstimmung und einer Depression?
- Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Schmerz, Angst und Depressivität?
- Was kann ich gegen meine negativen Gedanken machen?
- Wie lerne ich wieder positiver zu denken?
- Was kann ich gegen meine Schlafprobleme machen?
- Wann sollte ich bei psychischen Beschwerden eine Ärztin/einen Arzt aufsuchen?
- Wie kann eine Depression behandelt werden?
- Wie können Antidepressiva bei chronischen Schmerzen helfen?
- Wie komme ich zu einer Psychotherapie?
- Auf den Punkt gebracht
Video Transkript
Warum leiden so viele RheumapatientInnen unter Depressionen?
Wir wissen, dass etwa 50 Prozent aller Schmerzpatientinnen und -patienten im Laufe ihrer Erkrankung auch eine Depression entwickeln und umgekehrt etwa 50 Prozent aller depressiven Menschen auch unter Schmerzen leiden. Da gibt es viele Zusammenhänge.
- Zum Beispiel eine länger dauernde Schmerzerkrankung lässt letztlich viele Betroffene dann auch in so ein Gefühl der Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Zermürbung hineinrutschen, sodass sich nach und nach auch depressive Symptome einstellen können.
- Das zweite ist die Antriebsminderung und die Aktivitätsminderung. Wenn Sie Schmerzen haben, dann bewegen Sie sich weniger. Und das kann letztlich auch Antriebslosigkeit zur Folge haben, dass Sie immer weniger motiviert sind, Dinge zu tun, und damit über die Motivationslosigkeit auch in eine Depression hineinrutschen, weil Sie immer weniger positive Alltagsaktivitäten auch erleben.
- Ein dritter Zusammenhang ist das Thema Schlaflosigkeit. Sehr viele Schmerzbetroffene haben Schlafprobleme wegen ihrer Schmerzen. Auch das kann eine Depression begünstigen.
Welche Anzeichen können auf eine Depression hindeuten?
Eine Depression ist gekennzeichnet durch drei Hauptsymptome:
- Das erste Hauptsymptom ist die depressive Verstimmung. Damit meint man ein Gefühl von Niedergeschlagen-, Niedergedrücktsein. Das ist etwas anderes als Traurigkeit. Traurig ist ein gesundes Gefühl, ein normales Gefühl. Depressiv ist eher eine Gefühllosigkeit, also wenig bis gar nichts mehr empfinden können, und das eigentlich die meiste Zeit des Tages über einen Zeitraum von mehreren Wochen oder Monaten durchgehend.
- Das zweite ist die Interesse- oder Lustlosigkeit, Freudlosigkeit. Das bedeutet: Die Dinge, die Ihnen normalerweise Freude bereiten oder früher auch was gegeben haben, bedeuten Ihnen plötzlich nichts. Es ist egal. So eine Art Wurschtigkeit.
- Und das dritte ist die Antriebsminderung, Energielosigkeit, Erschöpfung, dass Sie sich eigentlich zu allem aufraffen und zwingen müssen, dass Sie das Gefühl haben: Es geht nichts mehr leicht von der Hand.
Daneben können noch ein paar zusätzliche Beschwerden auftreten wie zum Beispiel Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme, Entscheidungsschwierigkeiten, Nervosität, innere Unruhe und viele weitere.
Was ist der Unterschied zwischen einer depressiven Verstimmung und einer Depression?
Eine depressive Verstimmung ist etwas, was jeder von uns kennt, im Unterschied zu einer echten Depression, was eine krankhafte Veränderung ist.
- Der Unterschied ist einerseits der Schweregrad, also wie ausgeprägt ist zum Beispiel ein Gefühl von Erschöpfung oder von Energielosigkeit oder ein Gefühl von Lustlosigkeit, Freudlosigkeit.
- Und wie lange dauert es. Von einer Depression spricht man, wenn das Ganze mindestens zwei Wochen oder länger andauert, und zwar die meiste Zeit des Tages.
Kurzfristige depressive Verstimmungen kennen die meisten Menschen, kennt fast jeder, zum Beispiel nach einem anstrengenden Arbeitstag oder im Rahmen einer schweren persönlichen Krise, wenn Sie gerade in einer Konfliktsituation sind. Der berühmte „Durchhänger“ wäre jetzt noch keine krankhafte Veränderung.
Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Schmerz, Angst und Depressivität?
Schmerz, Angst und Depressivität können sich gegenseitig bedingen und verstärken. Wir wissen heute, dass es sich dabei um drei unterschiedliche Dimensionen handelt. Es ist nicht das Gleiche.
- Aber es kann zum Beispiel jemand, der längere Zeit Schmerzen hat, dann tatsächlich auch Befürchtungen bekommen, Angst davor, wieder neue Schmerzen zu bekommen oder durch Bewegung mehr Schmerzen zu bekommen, und kann damit vielleicht auch in eine tatsächlich Angsterkrankungen hinein sich entwickeln, also eine Phobie beispielsweise.
- Umgekehrt kann dieses zermürbende, niedergedrückt Gefühl, dieses Gefühl der Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit auch eine Depressivität fördern, sodass Sie tatsächlich dann auch einen behandlungsbedürftigen depressiven Zustand erleben.
- Umgekehrt kann auch bei Auftreten einer Depression oder eine Angststörung Schmerz ein Thema werden, wenn Sie beispielsweise Schlafstörungen entwickeln. Menschen, die schlecht schlafen, sind schmerzempfindlicher und schmerzanfälliger.
Was kann ich gegen meine negativen Gedanken machen?
Ein entscheidender Punkt ist, dass es Ihnen überhaupt auffällt, dass Sie negative Gedankenmuster haben und dass das ein Muster ist, das heißt etwas, was sich wiederholt. Etwas, was da hilfreich wäre, ist, mal für ein paar Tage ein Schmerztagebuch zu sammeln und Situationen sich aufzuschreiben, in denen Sie besonders starke Schmerzen hatten, sich dann zu überlegen: „Was ging mir da durch den Kopf? Welche Gedanken hatte ich da? Welche Gefühle hat das ausgelöst? Und wie hat mein Körper darauf reagiert?“ Daraus wird Ihnen dann bewusst, ob Sie immer wieder die gleiche Art von Gedanken haben. Typischerweise treten dann so Verallgemeinerungen, Generalisierungen auf, zum Beispiel Sätze wie „Immer habe ich das …“oder „Nie geht mir so …“ oder „Alle anderen haben das nicht und ich habe das“ oder „Keiner kann mir helfen.“ Das heißt, dass Sie dann erkennen, welche Verzerrungen, welche gedanklichen Verzerrungen oder Katastrophisierungen Sie dann plagen, sodass Sie nach und nach, beispielsweise auch mit therapeutischer Hilfe lernen, diese Gedankenmusteer, diese negativen aufzulösen und wieder konstruktiver an ihre schwierigen Lebenssituationen heranzugehen.
Wie lerne ich wieder positiver zu denken?
Ein Bereich, den sowohl chronische Schmerzpatienten als auch sehr viele Depressive kennen, ist das Gefühl, sich über nichts mehr freuen zu können, nichts mehr empfinden zu können für zum Beispiel Hobbys oder freundschaftliche Treffen, Ausüben von Aktivitäten, die Ihnen normalerweise viel bedeuten. Das heißt: Die Fähigkeit, etwas zu genießen, sich über etwas zu freuen ist in dieser krankhaften Phase verschüttet oder geht verloren. Hier kann es helfen zum Beispiel ein Genusstagebuch mal für ein paar Tage zu führen und ein Genusstraining anzuschließen.
Das Genießen ist eine Fähigkeit, die man wieder üben kann, die man trainieren kann, gerade wenn im Rahmen einer chronischen Schmerzerkrankung oder auch einer Depressivität die Fähigkeit, positive Lebensfreude und Genuss zu empfinden, verloren gegangen ist.
Vielleicht ein paar Vorbemerkungen zum Genusstraining oder zum Genusstagebuch:
- Ganz wichtig ist, dass Genuss etwas Alltägliches Das heißt: Sie müssen jetzt nicht besonders viel Aufwand betreiben, besonders viel Geld ausgeben.
- Eine zweite Grundregel ist das „Jedem das Seine“, das heißt: Jeder hat seine Dinge, die man genießt. Es gibt also keinen allgemeinen Genuss oder allgemeine Regeln.
Letztlich geht es darum, dass jede, jeder das wieder für sich selbst für sich entdeckt: „Was tut mir gut? Wo fühle ich mich am wohlsten?“
Und zum Genusstagebuch: Wie macht man das? Meine Empfehlung wäre, dass Sie einmal am Tag, idealerweise am Abend, bevor Sie zu Bett gehen, sich ein paar Minuten, fünf Minuten, zehn Minuten Zeit nehmen und sich die Frage stellen: „Was war heute angenehm?“ Gehen Sie einfach noch einmal den Tag durch vom Aufwachen, Aufstehen, Frühstück machen, Aktivitäten, die Sie gesetzt haben, mit wem Sie sich getroffen haben, was Sie vorgehabt haben, bis zum Niederlegen am Abend. Was war heute angenehm? Beantworten Sie die Frage nicht gleich nach zehn Sekunden, sondern gehen Sie es wirklich so in einzelnen Schritten noch einmal durch.
Eine Erfahrung, die ich gemacht habe in der Arbeit mit chronischen Schmerzpatientinnen und -patienten ist, dass dann zum Beispiel so Antworten kommen wie „Ja, ein Telefonat mit jemandem“. Oder: „Der erste Kaffee in der Früh, das war angenehm.“ Oder: „Das Gespräch mit Ihnen war ganz angenehm.“ Oder: „Die Sonnenstrahlen, wie ich heute in der Früh aus dem Haus getreten bin, das war angenehm.“ „Der Sonnenuntergang war angenehm.“ Oder: „Meine Lieblings-CD, meine Lieblingsnummer, die ich im Radio gehört habe.“ Das heißt: Was Sie entdecken, ist, dass das gar keine besonderen Dinge sein müssen, dass das alltäglich ist, dass es nichts kostet oder wenig kostet, und dass es vor allem dauernd da ist. Die Erfahrung, die viele Betroffene machen, ist, dass sie ohnedies häufig solche Situationen erleben, dass es ihnen gar nicht bewusst wird.
Daher die Empfehlung, dass Sie, wenn Sie diese Übung machen, für ein paar Tage auch das sich niederschreiben, so eine Art Tagebuch führen. Die Erfahrung, die viele machen, ist, dass dieses Tagebuch immer länger wird, der Eintrag. Das heißt: Beim ersten Mal werden vielleicht nur ein, zwei oder drei Dinge drinstehen. Sie werden merken: Das wiederholt sich, und es wird vor allem immer länger.
Empfohlen wird so ein Tagebuch vielleicht für eine Woche, zwei Wochen, drei Wochen zu führen. Sie müssen es nicht länger führen, weil Sie dann das Wesentliche des Genießens wieder entdeckt haben, nämlich dass es sich täglich abspielt.
Was kann ich gegen meine Schlafprobleme machen?
Schlafstörungen kann man sowohl mit Hilfe psychologischer oder psychotherapeutischer Maßnahmen, aber auch mit Hilfe von Medikamenten behandeln.
Vielleicht ganz kurz den Medikamenten: Wir setzen heute in erster Linie Antidepressiva dafür ein, auch wenn keine Depression vorliegt. Es gibt einige dieser Medikamente, die sehr gut den Biorhythmus wiederherstellen können. Der Vorteil dieser Medikamente ist, dass sie nicht süchtig machen, dass sie tatsächlich auch eine heilsame Wirkung auf Biorhythmusstörungen, also Schlafstörungen haben, und dass diese Antidepressiva auch einen positiven Effekt auf Ihre Schmerzen ausüben können. Das heißt: Im günstigsten Fall können Sie zwei Bereiche mit ein und demselben Medikament günstig beeinflussen.
Zu den psychologischen Maßnahmen: Was helfen könnte, wäre zum Beispiel auch ein Tagebuch zu führen, wann Sie schlafen gehen, wie lange Sie sich dann quälen, was Sie zum Beispiel dann tun, wenn Sie nicht schlafen können, wie Sie sich auf den Schlaf vorbereiten, wann Sie zum Beispiel das letzte Mal etwas essen, Kaffee trinken, Tee trinken, ob Sie Alkohol trinken, rauchen und ähnliche Dinge, die möglicherweise auch schlafstörend wirken können.
Oder wenn Sie grübeln, wie Sie dann mit diesen Grübeleien umgehen.
Hier gibt es eine Reihe von Techniken, die die Psychotherapie anbietet, um diese Selbstkontrolle über solche schwierigen Situationen während der Nacht auch wieder zu bewältigen.
Wann sollte ich bei psychischen Beschwerden eine Ärztin/einen Arzt aufsuchen?
Wenn Sie den Eindruck haben, dass Sie über längere Zeit, das heißt über mehrere Wochen oder Monate, mit Ihren psychischen Problemen oder Beschwerden nicht zurechtkommen, dann würde ich Ihnen empfehlen, dass Sie Ihre Hausärztin oder Ihren Hausarzt einmal aufsuchen und das zum Thema machen und vielleicht auch mal die Frage stellen, wo man in Ihrer Nähe auch zu einer klinisch-psychologischen Behandlung, zu einer Psychotherapie oder auch zu einer psychiatrischen Untersuchung und Behandlung hingehen kann. Üblicherweise haben Ihre Hausärztinnen und Hausärzte Kontaktadressen, mit denen sie auch gut zusammenarbeiten.
Wie kann eine Depression behandelt werden?
Eine Depression kann heute entweder mit Hilfe von Antidepressiva, also mit Hilfe von Medikamenten behandelt werden, oder mit Hilfe von Psychotherapie, oder beides.
- Bei leichter Depression gehen wir davon aus, dass die Psychotherapie eigentlich die Therapie der Wahl ist.
- Bei mittelstarker Depression kann man Psychotherapie oder ein Antidepressivum einsetzen.
- Bei sehr schweren Verlaufsformen wird man ohne eine medikamentöse Unterstützung, also ohne ein Antidepressivum, nicht durchkommen.
Antidepressiva, dazu noch ein paar Sätze, sind Medikamente, die nicht süchtig machen. Das ist der große Vorteil dieser Medikamente. Allerdings brauchen sie eine gewisse Zeit, bis sie wirksam sind. Das heißt: Antidepressiva eignen sich nicht als Bedarfsmedikament. Sie müssen diese Medikamente mal drei bis vier Wochen einnehmen, bevor sich tatsächlich auch eine nennenswerte klinische Besserung einstellt. Und dann sollte man diese Medikamente doch über längere Zeiträume, also zumindest ein halbes Jahr einnehmen, also letztlich wie eine Kur, bis Ihre Beschwerden sich wieder rückgebildet haben.
Am Beginn der Behandlung können Antidepressiva Nebenwirkungen machen, die meistens nicht gefährlich, aber unangenehm sein können, beispielsweise Übelkeit, Schwindel, Verstopfung und ähnliche Beschwerden. Daher geht man üblicherweise so vor, dass man in sehr kleiner Dosierung in den ersten Tagen die Medikamente einnimmt, um dann üblicherweise in mehreren Stufen die Dosis aufzubauen bis zu einem wirksamen Bereich.
Bei der Psychotherapie gibt es mehrere Methoden, die sich da bewähren. Am besten wissenschaftlich überprüft und abgesichert ist
- die sogenannte kognitive Verhaltenstherapie,
- die psychodynamische Psychotherapie oder tiefenpsychologische Therapie und
- die sogenannte interpersonelle Therapie.
Alle diese drei Methoden sind wissenschaftlich ausreichend überprüft und effizient in der Behandlung von Depressionen.
Wie können Antidepressiva bei chronischen Schmerzen helfen?
In der Behandlung chronischer Schmerzen setzt man heute immer öfter auch Psychopharmaka ein, in erster Linie die Antidepressiva. Antidepressiva haben einen ganz spezifischen Effekt in der Schmerztherapie: Sie können das Schmerzabwehrsystem stärken. Das bedeutet: In unserem Körper ist ein Nervensystem eingebaut, das Schmerzen auch unterdrücken kann. Beispielsweise könnten Sie sonst nicht längere Zeit irgendwo sitzen oder liegen, weil durch den Druck ständig Schmerz an Ihr Gehirn weitergeleitet werden würden. Unser Gehirn hat die Fähigkeit, diese Impulse auch abzupuffern und zu unterdrücken. Dieses Schmerzabwehrsystem wird durch die Antidepressiva gestärkt.
Sie können diese Medikamente auch dann einsetzen, wenn Sie keine Depression oder andere psychiatrische Erkrankungen haben. Sie heißen Antidepressiva, weil sie ursprünglich für die Behandlung von Depressionen entwickelt wurden, sind aber zur Behandlung von chronischen Schmerzen heute gut geeignet und auch wissenschaftlich überprüft.
Wie komme ich zu einer Psychotherapie?
Psychotherapie ist eine Wahlleistung. Sie können selbst sich eine Psychotherapeutin oder einen Psychotherapeuten suchen. Es gibt verschiedene Internetforen, über die man geeignete Therapeuten findet. Oder in jedem Bundesland gibt es einen sogenannten Landesverband für Psychotherapie. Auch dort gibt es Kontakt-, Telefonnummern, und da kann man sich Therapeutenlisten organisieren.
Psychotherapie als Wahlleistung wird rückerstattet. Das bedeutet: So wie wenn Sie jetzt zu einem Wahlarzt gehen, Sie gehen zu einer Psychotherapeutin, einem Therapeuten, bekommen eine Rechnung. Sie müssen das bezahlen und reichen diese Rechnung dann im Nachhinein bei Ihrer Krankenkasse ein und bekommen einen Teil der Kosten rückerstattet.
Es gibt allerdings in jedem Bundesland mittlerweile auch Vertragsvereinbarungen für bestimmte Zielgruppen, also zum Beispiel wenn Sie finanziell schlechter gestellt sind oder wenn bei Ihnen eine besonders schwere Verlaufsform einer psychischen Erkrankung besteht, dann haben Sie das Anrecht, das anzusuchen. Dann können Sie auch Psychotherapie auf Krankenschein machen. Das heißt: Sie müssen dafür einen eigenen Antrag an Ihre Versicherung stellen und werden dann bestimmten Therapeuten zugewiesen, die Vertragspartner dieser Krankenkassen sind.
Auf den Punkt gebracht
Depressionen bei rheumatoider Arthritis
- Etwa die Hälfte aller SchmerzpatientInnen entwickeln während ihrer Erkrankung auch eine Depression.
- Genusstraining kann dabei helfen, positive alltägliche Dinge wieder achtsamer wahrzunehmen.
Allgemeine Informationen zu Depressionen
Eine Depression kann sich durch zahlreiche Symptome äußern. Mögliche Anzeichen sind eine anhaltende gedrückte Stimmung, Interessenverlust, eine Hemmung des Denkens und des inneren Antriebs sowie vielfältige körperliche Beschwerden wie Schlaflosigkeit, Appetitstörungen oder Schmerzzustände.
Im Unterschied zur depressiven Verstimmung, bei der die melancholischen Phasen auch ohne Behandlung nach einiger Zeit von selbst abklingen, handelt es sich bei einer Depression um eine ernstzunehmende Erkrankung, die einer professionellen Therapie bedarf. Gehen Sie deshalb unbedingt zur Ärztin/zum Arzt, wenn:
- Ihre depressive Stimmung über mehrere Wochen oder Monate anhält oder
- Ihre Leistungsfähigkeit durch die auftretenden Symptome dauerhaft eingeschränkt ist
Folgender Test kann Ihnen aufzeigen, ob bei Ihnen bereits Anzeichen für eine Depression vorliegen. Bitte beachten Sie, dass es sich hierbei nicht um eine gesicherte Diagnosestellung handelt. Für diese wenden Sie sich bitte an Ihre Hausärztin/Ihren Hausarzt, eine Fachärztin/einen Facharzt oder eine/n PsychologIn.
Selbsttest: Anzeichen für eine Depression
Es ist nicht immer einfach, eine Depression zu erkennen. Um eine gesicherte Diagnose zu stellen, ist ein Gespräch mit einer Ärztin / einem Arzt oder einer Psychologin / einem Psychologen unerlässlich. Folgender Selbsttest kann Ihnen aber einen ersten Eindruck dafür geben, ob bei Ihnen Anzeichen für eine Depression vorliegen. Der Test basiert auf dem „PHQ-9“ genannten Gesundheitsfragebogen für PatientInnen, welcher auch von ÄrztInnen und TherapeutInnen genutzt wird.
Der Selbsttest besteht aus neun Fragen. Geben Sie jeweils an, wie oft Sie sich im Verlauf der letzten 2 Wochen durch die angegebenen Beschwerden beeinträchtigt gefühlt haben, um zu Ihrem Ergebnis zu gelangen.
Depression und rheumatoide Arthritis
Wie andere chronische Krankheiten (z. B. Multiple Sklerose oder chronische Darmerkrankungen) erhöht auch die rheumatoide Arthritis das Risiko, an einer Depression zu erkranken. Allerdings gilt dasselbe auch umgekehrt. Depressive PatientInnen unterliegen einem doppelt so hohen Rheuma-Risiko wie die Allgemeinbevölkerung. Grund hierfür ist die Wechselwirkung zwischen Angst, Schmerz und Depression, die auf neurobiologischen Zusammenhängen beruht.
Wie Studien zeigten, können depressive Verstimmungen das fehlgesteuerte Immunsystem von Rheuma-PatientInnen aktivieren. Im Blut depressiver RheumatikerInnen finden sich in höherem Maße entzündungsfördernde Stoffe. Dadurch können Depressionen den Erkrankungsverlauf ungünstig beeinflussen.
Rheuma-Schmerz und Depression – ein Teufelskreis
Wie bei anderen Erkrankungen mit starken Schmerzen, kann sich auch beim Rheuma ein Teufelskreis aus Krankheit und Depression entwickeln.
Starke Schmerzen in Kombination mit zunehmender Bewegungsunfähigkeit schlagen sich auf die Psyche nieder. Die/der PatientIn rutscht immer tiefer in eine Depression.
Passivität und Vereinsamung sowie ein erhöhtes Auftreten von Entzündungsstoffen führen zu stärkeren rheumatischen Beschwerden, die wiederum eine Verschlimmerung der Depression bewirken.
Die von der Depression verursachte Antriebslosigkeit und Passivität führt dazu, dass die/der PatientIn sich immer weiter aus seinem sozialen Umfeld zurückzieht.
Wie wird die Depression behandelt?
Zu den wichtigsten Standbeinen der Depressionsbehandlung gehören Medikamente (z. B. Antidepressiva), Psychotherapien und Entspannungstherapien, wie Achtsamkeitstraining. Unterschieden wird zwischen Akuttherapie, Erhaltungstherapie und Langzeitvorbeugung.
Achtsamkeit statt Antidepressiva – neue Wege aus der Depression
Wie aktuelle Studien zeigen, können Achtsamkeitstechniken das Wiederauftreten einer Depression ebenso wirksam verhindern wie Antidepressiva. Diesbezügliche Behandlungsansätze bestärken die Betroffenen darin, mehr auf das Hier und Jetzt zu achten. Statt sich ständig um die Krankheit zu sorgen, sollen sie ihre Gefühle wahrnehmen, akzeptieren und verstehen.
Eine große Rolle spielt beispielsweise das Genusstraining, bei dem es darum geht, die verlorengegangene Fähigkeit des Genießens wiederzuerlangen und damit das Leben wieder lebenswerter zu machen:
Übung Genusstraining
Das Genusstraining lässt sich ohne großen Aufwand in Ihren Alltag einbinden. Nehmen Sie sich einmal am Tag – am besten Abends vor dem Schlafengehen – fünf bis zehn Minuten Zeit, um darüber nachzudenken, was heute angenehm war.
Entscheiden Sie nicht innerhalb weniger Sekunden, sondern lassen Sie den Tag in einzelnen Schritten vor Ihrem inneren Auge vorbeiziehen und überlegen Sie, was Sie besonders genossen haben. Das können ganz banale Dinge sein, wie die ersten warmen Strahlen der Frühlingssonne, eine leckere Mahlzeit, ein Musikstück, ein nettes Telefonat oder ein sinnliches Erlebnis.
Führen Sie am besten für einige Tage ein Genusstagebuch. Dieses ermöglicht Ihnen zu erfahren, dass sich im Alltag zahlreiche Genussmöglichkeiten verbergen, die nur darauf warten, von Ihnen entdeckt zu werden.
Wussten Sie schon
Nicht selten wird eine Depression bei RheumapatientInnen übersehen, weil sie schon wegen ihrer Grunderkrankung häufig bedrückt wirken. Ist die Diagnose jedoch erst einmal gestellt, sprechen rund 70 Prozent der Betroffenen gut auf die Behandlung an.
Geprüft Prim. Prof. Priv. Doz. Dr. Michael Bach: aktualisiert April 2022 | PP-BA-AT-0302 Juli 2019