Durch einen Prostatakrebs-Gentest ist es möglich das Risiko für eine Krebserkrankung zu ermitteln und die Auswirkungen einer Genveränderung für gesunde Familienmitglieder zu erfahren. Dadurch können die Therapiemöglichkeiten gezielter gestaltet und eine Vererbung aufgedeckt werden. Univ.-Prof. Dr. Thomas Bauernhofer erklärt, welche Ergebnisse Prostatakrebs – Gentests liefern können und geht auf die weiteren Vorgehensweisen bei positiven, negativen und unklaren Ergebnissen ein.
Mögliche Ergebnisse eines Prostatakrebs-Gentests
Welche Ergebnisse können bei einem Gentest herauskommen?
Beim Gentest kann sich entweder ein positives oder ein negatives Ergebnis ergeben:
- positives Ergebnis bedeutet: im Untersuchungsmaterial hat sich eine genetische Veränderung im entsprechenden Gen (BRCA) gezeigt,
- negatives Ergebnis bedeutet: Wir konnten im entsprechenden Gen (BRCA) keine genetische Veränderung nachweisen.
Und es gibt auch die dritte Möglichkeit, dass der Befund, der vor uns lieget, noch nicht interpretieren werden kann, also ein Befund eines Gen-unsicheren Verhaltens vorliegt. Dann wird in aller Regel zwei Jahre später ein Follow-up-Beratungsangebot gemacht, um zu sehen, ob sich an diesem Verständnis dieser Variante, die unsicheren Verhaltens ist, etwas geändert hat.
Man muss wissen, dass diese ganzen Ergebnisse auf einer Datenbank basieren, die weltweit eingespeist wird und wo alle genetischen Veränderungen, die zu diesen relevanten Genen, also z.B. BRCA1 oder BRCA2 gefunden werden, eingespielt sind. Auch die Auswirkung: Hat das jetzt eine Auswirkung auf die Funktion des Proteins, das dahintersteht, das ist das ganz Wichtige, oder nicht? Und ein positives Ergebnis heißt: Es hat eine Auswirkung, es verändert unsere Möglichkeit, in dem Fall das Erbgut zu reparieren, oder eben nicht. Oder wir können es noch nicht einschätzen.
Was ist der Unterschied zwischen Keimbahn- und Tumortestung und warum ist das für das Verstehen des Ergebnisses wichtig?
Die Keimbahn ist das Erbgut, das wir in gesunden und kranken Zellen erwarten, das wir in allen unseren Zellen im Körper tragen. Und der Zellkern enthält das Erbgut. Und weil es am leichtesten zugänglich ist, nehmen wir für die Keimbahn-Untersuchungen weiße Blutkörperchen, die einen Zellkern tragen. Aus diesem wird das Erbgut gewonnen wird und dann untersucht für das relevante Gen, das dieser Erkrankung oder der möglichen familiären Tumorerkrankung zugrunde liegt.
Im Gegensatz dazu wird für die somatische Testung nur Tumorgewebe herangezogen, das eine genetische Veränderung tragen kann, die nur im Tumor vorkommt und nicht in den anderen gesunden Zellen.
Und aus dem Grund brauchen wir zwei verschiedene Ausgangsmaterialen:
- Für die Keimbahn-Testung, die für die familiäre, für die genetische Beratung hinsichtlich einer möglichen familiären Tumorerkrankungen zugrunde liegt, verwenden wir dieses Material,
- und für die Therapieplanung, also wenn es darum geht, eine spezielle Behandlung für einen Tumor anzubieten, basieren diese auf einer besonderen genetischen Voraussetzung, an die diese Therapie gebunden ist, und hier verwenden wir das Tumorgewebe.
Wie kommt das Ergebnis zustande?
Man muss sich das so vorstellen: Unser Erbgut ist wie eine große Bibliothek. Da sind ganz, ganz viele Bücher in dieser Bibliothek, die wir in einzelne Bände unterteilen können, dann in diesen Bänden jede Seite, und auf jeder Seite sind Sätze, und jeder Satz besteht aus Buchstaben. Und genau so funktioniert im NGS – Next Generation Sequencing. Das heißt: Wir lösen aus entweder den weißen Blutkörperchen oder dem Tumorgewebe das Erbgut heraus. Und es wird dann mit Spezialmethoden das normale Erbgut verglichen mit dem Erbgut, das zu untersuchen ist. Das heißt: Es wird hinaufhybridisiert auf einen Chip, der jetzt unterscheiden kann: Ist dieses Gen normal repräsentiert, oder ist das nicht normal repräsentiert? Aus diesem Vergleich entsteht dann das Ergebnis. Dieser Chip misst sozusagen: Sind alle Bücher in dieser Bibliothek, sprich alle Gene, die wir haben, vorhanden? Sind diese Gene alle richtig aufgebaut? Sind alle Sätze richtig geschrieben? Es kann bis zum Punkt genau auf den Buchstaben in diesen Sätzen zurückverfolgen, ob dieser Bauplan des Gens richtig ist oder nicht.
So erfahren wir dann das Ergebnis dieses Tests, der uns dann Auskunft gibt:
- Ist eine genetische Veränderung in Ihrem Erbgut vorhanden? Das wäre dann ein positives Ergebnis.
- Versus: Es ist ganz gleich wie das von gesunden Anderen auch. Dann ist das ein negatives Ergebnis.
- Oder: Es kann noch nicht eingeschätzt werden, weil es bisher in den in den vorhandenen Datenbanken zu wenig Einträge gibt, um das Ergebnis abschließend zu interpretieren.
Wie zuverlässig ist das Ergebnis?
Das Ergebnis ist, wenn es die weißen Blutkörperchen betrifft, sehr zuverlässig, weil hier genug Ausgangsmaterial da ist und wir diese genetischen Tests so anwenden können in optimaler Bedingung. Das wird auch wiederholt. Das heißt: Es wird sich nicht auf einen Test verlassen, sondern es wird einmal ein Test gemacht. Und dann, wenn ein Ergebnis vorliegt, wird es dann nochmal bestätigt. Es wird doppelt angesetzt. Nur wenn es zweimal das gleiche Ergebnis gegeben hat, wird es auch dann ausgegeben oder Ihnen mitgeteilt.
Bei Tumorgewebe ist das etwas schwieriger, weil es Gewebeproben gibt, gerade beim Prostatakarzinom, da sind nur kleine Gewebestanzen aus der Prostata z.B. gewonnen worden. Und da ist der Tumoranteil z.B. nur 5 oder 10 Prozent in dieser Stanze. Das ist für eine aussagekräftige Untersuchung zu wenig. Wir brauchen im Schnitt ungefähr 60 Prozent Tumorzellen in diesem zu untersuchenden Material, damit wir es von normalem Gewebe unterscheiden können. Und da kann es manchmal Schwierigkeiten geben, genug repräsentatives Gewebe in der Probe zu haben. Aus dem Grund, sozusagen als Verdünnungseffekt, dass zu viele normale Zellen drinnen sind, kann einmal ein Ergebnis nicht aussagekräftig sein.
Aber auch das wird vorher eingeschätzt. Der Spezialist schaut sich an, wie viele Tumorzellen im Vergleich zu normalen gesunden Zellen sind in dieser Probe enthalten und macht die Untersuchung an sich nur dann, wenn zumindest 30 Prozent Tumorzellen drinnen sind, noch besser 60 Prozent. Gegebenenfalls muss man auch frisches Gewebe gewinnen, um eine bessere Aussage treffen zu können. Das kann manchmal auch notwendig sein.
Worauf hat das Ergebnis eines Keimbahn-Tests Auswirkungen?
Sollten Sie einen Keimbahn-Test gemacht haben und der kommt als positives Ergebnis zurück, dann heißt das, dass in Ihrer Familie ein besonderes Gen diese genetische Besonderheit trägt.
Die Natur hat es so vorgesehen, dass Sie immer zwei von diesen Genen in Ihrem Körper besitzen. Und dieser Keimbahn-Test zeigt uns, dass eines dieser beiden Gene betroffen ist und nicht richtig funktioniert. Es könnte sein, dass Sie dadurch ein erhöhtes Erkrankungsrisiko haben, eine bestimmte Tumorerkrankung zu bekommen.
Wenn Sie z.B. ein BRCA1- oder BRCA2-Gen jetzt als positiv getestet zurückbekommen, heißt das, dass Sie,
- wenn Sie eine Frau sind, ein etwas erhöhtes Brustkrebs- oder Eierstockkrebsrisiko haben,
- aber wenn Sie ein Mann sind, z.B. ein erhöhtes Prostatakrebsrisiko oder auch ein erhöhtes Brustkrebsrisiko als Mann.
Das kann dann eingeschätzt werden. Das ist, je nachdem, welches Gen betroffen ist, BRCA1 ist die Chance, ein Mammakarzinom, ein Brustkrebs im Laufe des Lebens zu entwickeln, doch relativ hoch. Das Risiko ist bei 80 Prozent. Beim BRCA2 ist es zum Beispiel 40 Prozent.
Und wie Sie daraus hören, ist es eben nicht 100 Prozent. Das heißt: Auch wenn Sie positiv getestet sind, heißt es nicht, dass Sie automatisch eine Krebserkrankung deswegen bekommen. Denn Sie haben ja noch ein zweites gesundes Gen, das normalerweise diese Funktion übernimmt. Das heißt nur: Das kranke Gen wird sozusagen nicht benutzt, das gesunde Gen erfüllt alle Funktionen, die für dieses Gen vorgesehen sind.
Aber es kann im Laufe des Lebens dieses zweite Gen auch betroffen werden. Und das ist dann ein erhöhtes Risiko, dass wirklich aus diesem Gen auch eine Tumorerkrankung sich ergibt, oder auch Tumorerkrankungen. Es gibt Familien, bei denen auch mehr als eine Tumorerkrankung pro Person auftreten kann.
Das hat eine Konsequenz auch insofern, dass, wenn Sie so ein Gen in sich tragen, dass wir eben Vorsorgeuntersuchungen anbieten, Früherkennungstests anbieten, damit wir dieses erhöhte Risiko durch die Früherkennung von Tumorvorstufen zum Beispiel minimieren.
Es gibt auch Möglichkeiten, dass wir andere Angebote machen, d.h. medikamentöser Natur oder auch Lebensstil-Natur oder auch chirurgischer Natur, die da eine Rolle spielen können.
Also wenn Sie jetzt so einen positiven Keimbahn-Test bekommen, hat es nicht nur für Sie persönlich eine Implikation, also eine Konsequenz, die in einem erhöhten Risiko, einem potenziell erhöhten Risiko einer Tumorerkrankung oder für Tumorerkrankungen besteht, sondern auch für die Familie.
Denn Sie können dieses kranke Gen auch weitergeben. Und deswegen ist das jetzt für Ihre Blutsverwandten ersten Grades ein wichtiges Ergebnis. Denn es sind diese ganzen genetischen Besonderheiten, die DNA-Reparatur-Gene betreffen, autosomal-dominant vererbte Gene. Das heißt: Eine 50:50-Chance besteht, dass Sie, wenn Sie einen Nachkommen bekommen, dass der von den zweien, das eine ist gesund, das andere ist krank, entweder das gesunde oder das kranke von Ihnen ererbt. Sollte es das kranke ererben, hat es auch ein genetisch erhöhtes Risiko, eine Tumorerkrankung zu bekommen. Wenn es das gesunde bekommt, eben nicht.
Deswegen ist es ganz, dass diese Information in der Familie geteilt wird. Prinzipiell haben Sie die Möglichkeit, das einfach bei sich zu behalten, zu sagen: „Okay, das ist mein persönliches Wissen.“ Natürlich hat man von vornherein so die Intuition: „Ich will es gar nicht wissen, ob ich jetzt eine erhöhte Tumorerkrankungswahrscheinlichkeit habe oder nicht. Ich will lieber mein Leben sorgenfrei leben und wenn es passiert, dann passiert es.“
Aber die Chance, dass man Einfluss nehmen kann auf sein Schicksal, sei es gesunden Lebensstil, Früherkennungs- und Vorsorgemaßnahmen in Anspruch zu nehmen, Gesundenuntersuchungen, bildgebende Verfahren, Labortest, ist einfach sehr, sehr gut. Und wir können auch durch Früherkennung von Vorstufen von Tumorerkrankungen die Krankheit verhindern. Das heißt: Sollten Sie ein Ergebnis bekommen, verwenden Sie das nicht nur für sich zu, sondern teilen Sie es unbedingt in der Familie.
Wie wahrscheinlich ist ein positiver Keimbahntest?
Die Wahrscheinlichkeit eines positiven Keimbahn-Tests ist, wenn man weiß, dass in der Familie dieses Gen schon gefunden wurde, 50:50. Das heißt, wenn Sie ein Nachkomme einer positiv getesteten Person sind, dann ist Ihr Risiko 50:50. Wenn Sie jetzt aus einer Familie stammen, wo wir das doch nicht wissen, dass so eine Tumorerkrankung vorliegt, können wir es nur abschätzen. Wenn Sie jetzt als Beispiel Prostata-Karzinom hernehmen und wir eben diese Frage stellen: „Wie wahrscheinlich ist, dass Sie eine BRCA1- oder BRCA2-Mutationen, also eine DNA-Reparatur- oder Erbgut-Reparaturstörung finden?“, ist das ungefähr bei 12 Prozent zu erwarten. Das heißt: 12 von 100 Menschen könnten ein genetisch, Keimbahn-bedingtes, also familiär erhöhtes Risiko für eine Tumorerkrankung haben.
Wie hoch ist das Prostatakrebs-Risiko je nach vorgewiesener Veränderung?
Das Prostatakrebs-Rrisiko ist am höchsten, wenn man eine BRCA2-Gen-Veränderung findet. Das ist auch die häufigste, die wir bei Prostatakarzinom beobachten. Ungefähr 6,7 Prozent aller Patienten, die ein Prostatakarzinom mit einer Erbgut-Reparaturstörung aufweisen, sind BRCA2-postiv. BRCA1 ist deutlich seltener, also es ist ungefähr 1, 2 Prozent. Für das Risiko, eine Prostatakrebs-Erkrankung als Gen-Träger zu entwickeln, ist BRCA2 sicher das wichtigste Gen.
Aber wir lernen, dass inzwischen auch andere Gene, die nicht zu dem Brustkrebs-assoziierten Genen gehören, sondern die zu anderen DNA-Reparaturgenen gehören, das sind 15 verschiedene, z.B. ATM oder PALB2, CHEK2, also es gibt eine Reihe von anderen, die auch dazu getestet werden können heutzutage, die möglicherweise einen Einfluss haben. Aber die sind noch viel schlechter untersucht, und da beginnen wir erst zu lernen. Und da gibt es noch keine abschließenden Einschätzungen, wie häufig das mit familiären Tumorsymptomen verbunden ist.
Worauf hat das Ergebnis eines Tumortests Auswirkungen?
Wenn Sie in einem Tumor genetische Veränderungen positiv getestet bekommen, dann heißt das, dass Ihr Tumor diese genetische Besonderheit hat. Das heißt nicht, dass Sie diese Keimbahn-Mutation auch tragen müssen. Aber wir würden, wenn wir diese genetische Besonderheit in Ihrem Tumor finden, Ihnen anbieten, das auch in der Keimbahn, das heißt aus Ihren weißen Blutkörperchen, noch einmal zu überprüfen, denn es kann beides vorliegen. Wir sehen in den Familien, die ein erhöhtes Tumorrisiko haben und dieses ererbte Gen in sich tragen, dann auch Tumoren entwickeln können, die wir vorher noch nicht gewusst haben, dass diese Familien diese genetische Besonderheit haben. Das ist gar nicht selten. Bei ungefähr 30 Prozent unserer Patienten mit Brustkrebs zum Beispiel ist es nicht bekannt in der Familie, dass eine häufige Tumorerkrankung bei anderen Familienangehörigen gefunden wurde. Daher sollte das unbedingt gemacht werden.
Wenn Sie diesen positiven Test im Tumor finden, ist eine genetische Beratung auch hinsichtlich der Möglichkeit, dass in der Keimbahn eine Untersuchung angeboten werden soll und auch das überprüft werden soll, ob es zu diesen erblichen Tumorformen gehört oder nicht, eine der möglichen Konsequenzen.
Die zweite ist, dass wir, wenn wir das jetzt in Ihrem Tumor sehen und zum Beispiel dieser Tumor jetzt im Gesunden entfernt wurde und Sie nicht mehr tumortragend sind, wir Ihre Vorsorge-Untersuchungen etwas anders planen. Im Falle des BRCA1 oder BRCA2 würden wir, wenn es eine Frau betrifft, nicht nur die Mammographie und Mamma-Ultraschall-Untersuchung als Vorsorgeuntersuchung empfehlen, sondern auch eine MR-Mammographie. Wir würden auf die Eierstöcke noch besonders schauen und noch zusätzlich auch einen laborchemischen Test, einen sogenannten Tumormarker CA-125 untersuchen.
Wenn wir jetzt in einer Situation wären, wo Sie eine Erkrankung haben, die noch im Körper verblieben ist, das heißt möglicherweise auch Metastasen gesetzt hat, dann kann dieses Ergebnis bedeuten, dass wir eine spezielle Therapieform, die zielgerichtet auf diese genetische Besonderheit des Tumors angewendet werden kann, und jede Chance, dass dieser Tumor dadurch abstirbt oder zumindest im Wachstum beeinflusst wird, gestoppt werden kann, sich sehr günstig auswirken.
Wir haben zwei mögliche Ergebnisse:
- Das eine ist: Wir würden die Vorsorge und Früherkennung genauer machen und auch auf andere Organe ausdehnen.
- Oder wir würden im Behandlungsfall, also wenn wir einen Tumor vor uns haben, der zu behandeln ist, Ihnen spezielle Medikamente auf der anderen Seite zur Verfügung stellen. Wir würden gegebenenfalls, auch wenn wir das schon vor der Operation des Tumors wissen, dass Sie diese genetische Besonderheit haben, auch die Tumoroperationsart möglicherweise anders Ihnen anbieten, möglicherweise auch prophylaktische Operationsoptionen anbieten, und wir würden auch gegebenenfalls andere Therapiestrategien diesbezüglich anpassen.
Wie wahrscheinlich ist ein positiver Tumortest?
Ein positiver Tumortest ist häufiger als ein positiver Keimbahntest — beim Prostata-Karzinom ungefähr doppelt so hoch. Also wir haben davon gesprochen, dass die Keimbahn ungefähr bei 12 Prozent unserer Patienten gefunden wird. Und wenn wir das aus dem Tumorgewebe gewinnen, ist das ungefähr so 20, 25 Prozent, also deutlich höher. Das hängt auch ein bisschen von der Quelle ab:
- Also wenn der primäre Tumor, also die Prostata, wenn die operiert wurde und der Test aus diesem Gewebe gemacht wurde, dann ist die Wahrscheinlichkeit etwas kleiner.
- Wenn es aus einer Metastase, die später auch operiert wurde z.B. oder eine Gewebeprobe entnommen wurde, ist die Wahrscheinlichkeit höher.
D.h.: Der Tumor entwickelt im Laufe der Entstehungsgeschichte und auch der Behandlungsgeschichte — die Therapie hat auch einen Einfluss auf die Selektion von Tumorzellen, und auch die genetische Instabilität des Tumors nimmt im Laufe der Erkrankung zu –, einen Einfluss auf die Häufigkeit dieser genetischen Besonderheiten.
Kann sich das Testergebnis im Verlauf einer Tumorerkrankung verändern?
Da ist eine heute noch recht schwer zu beantwortende Frage, aber wie schon erwähnt: Wenn wir jetzt den Gentest aus Ihrem Primärtumor gemacht haben und sehen, er ist negativ, und es gibt auch eine Probe einer Metastase, dann könnte es sein, dass in der Metastase ein anderes Ergebnis, zum Beispiel ein positives Ergebnis herauskommt. Allerdings sind diese DNA-Reparaturstörungen, diese Erbgutreparaturstörungen, ein frühes Ereignis in der Tumorentstehung und Tumorentwicklung. Es ist schon ein relativ guter Zusammenhang zwischen dem Ergebnis aus dem primären Tumor der Prostata z.B. oder einer Metastase wahrscheinlich. Aber es ist eine Chance, die man noch nützen kann, wenn es beide Gewebearten gibt, die beide zu überprüfen, um noch zu sehen, ob doch eine Möglichkeit der speziellen Behandlung in diesem Fall vorliegt oder der speziellen Vor- und Nachsorge.
Hier geht es zum Video-Interview: „Mögliche Ergebnisse eines Prostatakrebs-Gentests”
Bedeutung eines positiven Tumortests
Was bedeutet ein positives Ergebnis eines Tumortests?
Wenn Sie jetzt als Tumorerkrankter eine genetische Testung Ihres Tumorgewebes bekommen haben und der zeigt, dass Ihr Tumor diese genetische Besonderheit trägt, z.B. BRCA2-positiv ist, dann heißt das, dass dieser Tumor eine Schwierigkeit hat, sein Erbgut zu reparieren. Das ist prinzipiell nichts Gutes. Diese Tumoren verlaufen anders, wenn sie diese genetische Besonderheit haben, nicht besser. Also man würde intuitiv glauben: Wenn ein Tumor eine DNA-Reparaturstörung, eine Erbgut-Reparaturstörung hat, dann kann er sich auch schlechter reparieren und würde sich dadurch nicht so gut teilen können.
Das Gegenteil ist leider der Fall. Das heißt: Diese Tumoren haben eine höhere genetische Instabilität und verlaufen aggressiver, unbehandelt muss man dazu sagen. Sie haben auch ein höheres Risiko, wenn man das aus dem primären Tumorgewebe schon weiß, dass Metastasen entstehen, bzw. im metastasierten Stadium verlaufen Erkrankungen etwas schneller, oder sie haben einen ungünstigeren Verlauf im Vergleich zu Tumoren, die diese genetische Besonderheit nicht tragen, also wenn sich im Test ein negatives Ergebnis ergibt.
Heute kann sich dieses Ergebnis aber auch sehr, sehr positiv auswirken, weil wir ganz, ganz neu, also beim Prostatakrebs zumindest ganz, ganz neu seit zwei Wochen, eine neue Behandlungsmöglichkeit haben, die genau diese Schwäche des Tumors ausnützt, um ihn auch besser behandelbar zu machen. Das gleiche gilt auch für Brustkrebs oder auch Eierstockkrebs, oder auch Bauchspeicheldrüsenkrebs, die diese genetischen Besonderheiten genauso tragen können. Und die gleiche Art von Medikamenten diesbezüglich den Tumor, diese Achillesferse, die er prinzipiell hat, auch ausnützen kann.
Primär, also ohne Behandlung, ist dieses Ergebnis an sich nicht günstig.
Welchen Einfluss haben Genveränderungen auf die Therapie?
Ja, also wenn Sie jetzt ein positives Ergebnis bekommen haben, wie schon vorher ausgeführt, hat das eine therapeutische Konsequenz.
Wir würden ja nur dann Ihren Tumor auf genetische Besonderheiten testen, wenn wir uns erhoffen, dass wir eben eine Möglichkeit haben, ihn besser behandeln zu können. Wenn wir jetzt diese BRCA1- und BRCA2-Mutationen suchen, dann sieht man, dass dieser Tumor diese Erbgut-Reparaturstörung hat, und wir können Medikamente, die genau diese Erbgut-Reparaturstörungen noch weiter vertiefen und weitere Mechanismen, die dazu dienen, dass der Tumor dieses Erbgut reparieren kann. Diese Störung im Erbgut ist ein Bruch, weil es geht darum, dass wenn ein Tumor jetzt in seinem Erbgut einen Doppelstrangbruch seiner DNA-Helix hat, das ist so der Bauplan unseres Erbguts, das ist als so eine Alpha-Doppelhelix angelegt. Und da kann es manchmal zum Beispiel, wenn Sie jetzt das in der Haut sehen, wenn Sonnenlicht auf die Haut trifft, können in diesen Hautzellen durch die UV-Strahlung Doppelstrangbrüche entstehen. Und Ihr Körper repariert die und gleicht diesen Strangbruch wieder aus, indem er diesen Bruch reparieren kann. Wir nennen das homologe rekombinante Erbgutreparatur. Und diese BRCA1- und BRCA2-Gene, die sind genau dafür zuständig.
Damit diese Reparatur auch gut funktioniert, gibt es weitere Eiweißstoffe, die eine große Rolle spielen, dass diese Reparatur stattfindet. Und diese neuen Medikamente, diese PARP-Inhibitoren, die haben genau diese Hilfseiweißstoffe, die da in der Reparatur zuständig sind als Ziel und verhindern, dass diese andocken können und dem Tumor sozusagen diese Reparatur erlauben. Weil der Tumor dann mit dieser Erbgut-Reparaturstörung und dem Medikament, das die Reparatur noch weiter blockiert, auch absterben müssen, ist das eine neue, sehr hoffnungsvolle Therapieform. Diese Medikamente haben noch andere Einflüsse auf die Erbgut-Reparatur. Das ist nur eine dieser Möglichkeiten. Es ist jedenfalls eine gute Chance, einen Tumor, der sonst vielleicht gar nicht mehr gut behandelbar ist, wieder unter Kontrolle zu bringen.
Welchen Einfluss haben Genveränderungen auf die Prognose?
Wie wir schon kurz vorher angesprochen haben, ist eine DNA-Reparaturstörung bei einem Tumor prinzipiell eine prognostisch ungünstige Information. Wenn wir keine Behandlung machen würden oder die Vorsorge und Nachsorge im Falle einer schon operierten Tumorerkrankung nicht intensivieren würden oder auf andere Organsysteme ausdehnen würden, ist das ein höheres Risiko, entweder wieder zu erkranken oder einen schlechteren Verlauf der Tumorerkrankung zu erleiden.
Aber durch diese neuen Medikamente und auch durch diese modernen Möglichkeiten der Früherkennung und Vorsorge ist es oft sogar günstig für den Patienten, weil wir
- einerseits bessere Vorsorge machen können, also Vorstufen schon operieren können und damit auch verhindern können, dass ein neuerlicher Tumor entsteht
- wir auch prophylaktische Operationen von Organen, die möglicherweise als nächstes betroffen sein könnten, manchmal anbieten.
Welche Therapiemöglichkeiten bei Prostatakrebs gibt es?
Die erste Behandlung, die wir jetzt medikamentös zur Verfügung haben, ist eine Antihormontherapie. Der wichtigste gestörte Signalweg in Prostata-Tumoren ist der Androgen-Empfänger. Das Geschlechtshormon Testosteron und der Androgen-Empfänger sind die beiden Steuerungen, die die Prostata hat und die normalerweise dieses Organ in ihrer Funktion beeinflussen. Tumoren entwickeln sich die Möglichkeit, über die Maßen hinaus sich dieses Signal zu verstärken. Das heißt:
- sie können besser Testosteron binden,
- oder sie haben mehr Empfänger für dieses Hormon,
- oder sie haben einen veränderten Empfänger, der noch viel, viel sensibler auf dieses Hormon reagiert mit Wachstum.
Und dadurch kommt dieser Tumor überhaupt erst außer Kontrolle, weil er noch viel mehr Wachstumssignal generiert. Es kommen noch andere Störungen dazu, dass auch die Möglichkeit, abzusterben, programmiert abzusterben, nicht mehr so gut funktioniert, und andere.
Jedenfalls ist seit den 50er Jahren bekannt, dass die Prostata-Tumoren hormonsensitiv sind, d.h. durch Entzug des wichtigsten Wachstumsfaktors, und das ist das männliche Geschlechtshormon Testosteron, können wir diesen Tumor medikamentös in erster Linie sehr gut beeinflussen.
Die Hauptmöglichkeit ist da, die Produktion des Testosterons zu blockieren, und das sind Androgen-Deprivationstherapien, oder so landläufig wird das als „Spritze unter die Haut“ bezeichnet, 3-Monatspritze, 6-Monatsspritze oder auch manchmal Monatsspritze, die eben dazu führen, dass die Hormonproduktion im Hoden unterbrochen wird, damit der Tumor kein Wachstumshormon, Testosteron mehr zur Verfügung gestellt bekommt und dadurch, so wie die Blume, die kein Wasser mehr bekommt, vertrocknet. So ist das mit dem Tumor, der dann deutlich in seinem Wachstum gehemmt ist und oft auch abstirbt. Das ist die erste Möglichkeit. Das ist die Antihormontherapie.
Dann haben wir auch Medikamente, die nicht nur den Wachstumsfaktor des Testosterons reduzieren, sondern auch den Empfänger, den Androgenrezeptor blockieren, Andogenrezeptor-Blocker. Da ist zum Beispiel das Bicalutamid eines der schon jetzt länger in Verwendung stehenden Medikamente, und jetzt die neuen Antihormone Enzalutamid, Abirateron, sind die, die diesen Empfänger noch viel besser blockieren und auch die Signalweiterleitung, also diese Übertragung der Information dieses Wachstumsreizes im Zellkern und damit die Wachstumsfähigkeit des Tumors sozusagen wieder beschleunigend unterbrechen kann.
Also wir haben einerseits Hormonentzugsbehandlungen, auf der anderen Seite den Hormonrezeptor-Blocker, Androgen-Rezeptor-blockierende Substanzen.
Das war unsere klassische Antihormontherapie, die wir dann auch oft kombiniert haben.
Seit ungefähr Anfang der 2000er haben wir auch die erste Chemotherapie entwickelt, die bei Prostata-Karzinom hilfreich ist: Taxotere, ein Medikament, das aus der europäischen Eibe gewonnen wird, Taxus Europeensis, und an sich noch immer synthetisch hergestellt wird. Ein Medikament, das einerseits die Zellteilung hemmt von Tumorzellen, auf der anderen Seite auch antihormonelle Wirkungen hat, oder auch solche, die der Tumorzelle wieder das Absterben ermöglicht oder erlaubt und dadurch etwas breiter wirksam ist als die Antihormontherapie, die zielgerichtet diesen Signalweg blockieren kann, aber nicht andere, und oft auch nach der Antihormontherapie noch wirksam ist.
Und es gibt jetzt auch ein zweites neues Chemotherapeutikum, Cabazitaxel (Jevtana), das eine Weiterentwicklung ist, das auch nach dem Versagen der ersten Chemotherapie helfen kann.
Und wir haben jetzt auch andere Formen der Behandlung dazubekommen, die diese, wenn Sie jetzt einen genetisch besonderen Tumor haben, der diese BRCA1- oder BRCA2-Mutation trägt, diese PARP-Inhibitoren, die diese Erbgut-Reparaturstörung, die der Tumor schon hat, noch weiter ausnützen, sozusagen nach Versagen von diesen Antihormontherapien und/oder Chemotherapien in der Vorgeschichte. Wenn die nicht mehr helfen, dann können diese Medikamente neu eingesetzt werden.
Wir haben aber auch Strahlentherapie, die helfen kann. Also da kann die klassische Bestrahlung einfach der Prostata selbst schon in der heilenden Behandlung eine Rolle spielen oder eben auch bei Metastasen-Lokalisationen.
Ganz neu haben wir auch Radioliganden, also Strahlenquellen, die in die Vene gespritzt werden sozusagen und sich den Tumor dann suchen und dort dann die Strahlung abgeben. Da haben wir einen, der für Knochenmetastasen zugelassen ist und einen, der im ganzen Körper wirksam werden kann, überall wo Metastasen sind – Lutetium-PSMA.
Wir haben eine ganz neue Fülle von vielen, vielen Substanzen. Und wir arbeiten auch an Immuntherapien. Die sind leider noch nicht so weit wie bei anderen Tumoren entwickelt. Wir hoffen trotzdem, dass auch diese Behandlung einmal auch für unsere Prostata-Tumorbehandlung zur Verfügung stehen wird.
Was sind HRR-Mutationen und welchen Einfluss haben sie auf die Therapiewahl?
HRR – was steckt dahinter?
- Also das „H“ steht für homolog,
- das erste „R“ für rekombinant,
- und das zweite „R“ für Reparatur,
also „Homologe Rekombinante Reparatur“ von Erbgut steckt dahinter. Und das sind eben alle diese Gene, die wir ja schon im Eingang gesprochen haben: das BRCA1, das BRCA2, ATM und andere gehören zu diesen homologen rekombinanten DNA-Reparaturgenen, die diesen Doppelstrangbruch des Erbguts, dieser DNA-Helix, dieser aufgewundenen Spirale, wieder reparieren können. Und wenn da eine Störung drinnen ist, dann hat das Erbgut eine DNA-, eine Erbgut-Reparaturstörung, die potentiell zu Tumorerkrankungen eher führen kann bzw. Tumoren erlaubt, genetisch instabiler zu werden bzw. dadurch dann auch rascher zu wachsen.
Welche Gene spielen für die Therapie bei Prostatakrebs eine Rolle?
In Europa sind das BRCA1 und das BRCA2 diese HRR-Gene, die für die PARP-Inhibitortherapie vorhersagend sind und auch dafür zugelassen sind, dass wir diese neuen Medikamente verwenden dürfen.
Es gibt noch eine zweite Störung, die man als Mikrosatelliten-Instabilität, die tauchen in diesen Formenkreise der DNA-, der Erbgut-Reparaturstörungen in Zellen, die für eine spezielle Form der Immuntherapie vorhersagend sind, die da auch mit getestet werden kann, aber jetzt nicht klassischerweise zur Homologen Rekombinanten Reparatur zählt.
Was sind PARP-Inhibitoren und wann wird damit therapiert?
PARP Inhibitoren, das sind spezielle Medikamente, die Eiweißstoffe, die in der Reparatur dieses Doppelstrangbruchs eingesetzt werden müssen, damit diese beiden Enden sozusagen wieder „zusammengenäht“ werden, diese sind sozusagen der Faden, den diese Nähmaschine braucht, damit diese Reparatur gelingt. Und mit diesen PARP-Inhibitoren, da ziehen wir den Faden heraus. Das heißt: Die Nähmaschine hat keinen Faden mehr und kann den Strang nicht mehr reparieren, und dadurch bekommt der Tumor immer mehr solche Erbgutschäden, die letztendlich auch dazu führen, dass der Tumor absterben muss. Und wir nennen das eine synthetische Legalität, indem wir der Nähmaschine den Faden entziehen, kann dann die Nähmaschine nicht mehr funktionieren oder auch das ist, obwohl der Tumor sehr gestört ist, dann auch zu viel und das ist dann mit dem Absterben von Tumorzellen auch verbunden, weil einfach die genetische Störung so groß wird, dass es mit dem Leben dieser Tumorzellen auch nicht mehr vereinbar ist.
Soll ich nach dem Tumor-Gentest auch noch einen Keimbahn-Gentest machen?
Also, wenn Sie jetzt einen positiven Test in Ihrem Tumor hatten, der eine Homologe Rekombinante Reparaturstörung aufweist, dann ist sehr zu empfehlen, auch eine Keimbahn-Mutationstestung zu machen, weil wir sehen, dass ungefähr die Hälfte der Patienten auch eine Keimbahn-Mutation tragen und das sozusagen die Mitursache war, dass dieser Tumor entstanden ist.
Und man hat durch eine zweite Information, die für den Patienten wichtig ist, erstens für die Familie des Patienten und für den Patienten selbst sind, dass wir gewisse andere Organsysteme in den Vorsorgeuntersuchungen weiter, zusätzlich untersuchen bzw. gewisse Therapien, die jetzt im Tumor selbst vorhersagend sind, wenn wir das z.B. nur aus der Keimbahn wüssten, würden wir das auch schon verwenden können.
Man muss nicht, wenn man weiß, man hat eine Keimbahn-Mutation, nicht automatisch eine Tumor-Mutationstestung machen, weil die vorliegt.
Aber umgekehrt: Wenn wir nur einen Tumor-Mutationstestung hatten, sollte unbedingt eine Keimbahn-Mutationstestung erfolgen, weil wir das dann nicht genau vorhersagen können, ob das damit zusammenhängt oder ob das, wir nennen das „sporadisch“, also nicht-familiär, also unabhängig von familiärer Häufung auftritt.
Kann für die Therapieentscheidung auch der Gentest von Keimbahnzellen sinnvoll sein?
Der Keimbahn-Test ist sehr sinnvoll, weil wir wissen, dass der Tumor das auf jeden Fall auch hat. Wenn wir wissen, dass in der Keimbahn diese Störung vorliegt, dann müssen wir nicht unbedingt den Tumor auch noch testen. Man kann es natürlich tun. Es ist auf jeden Fall vorhersagend, dass der Tumor diese genetische Besonderheit auch trägt, weil er in diesem Körper, wo alle Körperzellen diese genetische Besonderheit aufweisen, entstanden ist und wahrscheinlich deswegen entstanden ist, weil beide Gene, die normalerweise im Körper für diesen Eiweißstoff, der letztendlich die Funktion dieses Gens ausübt, verlorengegangen sind oder anders inaktiviert wurden.
Die eine Richtung ist vorhersagend, die andere Richtung muss überprüft werden.
Was bedeutet eine Keimbahnmutation, wenn ich bereits Krebs habe?
Es bedeutet eine Erklärung, eine Erklärung einerseits: „Warum habe ich Krebs?“ Das ist eine häufige Frage: „Wieso? Ich habe ein gesundes Leben geführt, ich habe alles richtig gemacht. Wieso bekomme ich Krebs?“ Und wenn wir sehen, dass in der Keimbahn, also in dem genetischen Code jeder Körperzelle eine Erbgutreparatur-Störung in einem Gen vorhanden ist, dann wird die Chance, dass das zweite Gen an irgendeiner Stelle im Körper, jetzt im Falle BRCA1 und BRCA2 sind es Brust und Eierstöcke bzw. die Prostata die häufigste, seltener die Bauchspeicheldrüse, Haut und ganz, ganz selten andere Organe, häufiger. Und das ist die wichtige Information, die wir da erhalten. Und sollten eben diese Information dafür nützen, Vorsorge, Lebensstil, Früherkennung diesbezüglich zu planen.
Wenn man den Primärtumor entfernt hat, wenn jemand jetzt eine Erkrankung hat, die metastasiert ist, ist das eine ganz, ganz wichtige Information, wie wenn wir zum Beispiel kein Tumorgewebe zur Verfügung haben, weil einfach das Gewebe schon verbraucht wurde für die primäre Diagnosestellung.
Warum nicht noch ein Gewebe gewinnen? Wir können auch schon anhand des Keimbahn-Tests Therapieplanungen vornehmen, weil es nicht unterschieden wird, ob das jetzt nur im Tumor vorgekommen ist oder auch in der Keimbahn. Das kann sowohl/als auch, oder entweder/oder sein. Also bei einer Keimbahn heißt: Wir können diese Behandlung anwenden.
Hier geht es zum Video-Interview: „Bedeutung eines positiven Tumortests”
Bedeutung eines positiven Keimbahntests
Was bedeutet ein positives Ergebnis eines Keimbahntests?
Wenn Sie jetzt als augenscheinlich gesunde Person aufgrund von einer Familienanamnese, eines Familienangehörigen oder Blutsverwandten ersten Grades, einen positiven Test hatten, heißt das für Sie, dass Sie ein etwas höheres Risiko haben, eine Tumorerkrankung im Laufe Ihres Lebens zu entwickeln.
Das wäre z.B., wenn wir auf das BRCA1 oder BRCA2 wieder zurückkommen, diese klassischen oder am längsten bekannten Gene, die mit einem häufigen Auftreten von Brustkrebs oder Eierstockkrebs verbunden sind, dann würden wir ab einem gewissen Alter, das heißt mit 25 oder älter, beginnen, Ihnen regelmäßig Vorsorgeuntersuchungen und Früherkennungsuntersuchungen anzubieten. Das würde bedeuten, im Falle wenn Sie eine Frau sind, dass Sie eine Mammographie und eine Ultraschalluntersuchung der Brust zum Beispiel schon mit 25 statt mit 45 Jahren beginnen. Und dass wir auch MR-Mammographien der Vorsorge verwenden, um noch genauer die Brustdrüse auch mit Kontrastmittel untersuchen können, die Sie sonst nicht zur Verfügung gestellt bekommen. Und wir die Eierstöcke auch regelmäßig mit gynäkologischem Ultraschall und einen Eiweißstoff, den wir CA-125 nennen, überprüfen. Wir würden Ihnen gegebenenfalls auch Lebensstilberatung geben, das heißt, weil wir wissen, dass auch schwarzer Hautkrebs, Melanome etwas häufiger sind, Sie vielleicht mehr darauf achten, Sonnenschutzfaktor zu verwenden oder andere Lebensstile, die mit einem erhöhten Krebsrisiko verbunden sind, zum Beispiel aufhören zu rauchen, dass Sie sich bewegen, weil alle diese Lebensstile, die mit Gesundheit verbunden sind, Ihr Risiko, eine Tumorerkrankung im Lauf des Lebens zu bekommen, reduziert.
Und das heißt nicht, dass Sie automatisch Krebs bekommen, sondern das Risiko ist erhöht. Und deswegen macht auch diese Vorsorgeuntersuchung extrem Sinn.
Wie wirken sich die einzelnen Genveränderungen auf das Risiko für andere Krebsarten aus?
Wenn Sie jetzt einen positiven Test erhalten, dann heißt das, je nachdem, welches Gen betroffen ist, wenn wir das BRCA1-Gen ansehen, dann ist die Brustdrüse der häufigste Entstehungsort von Tumorerkrankungen, Brustkrebs. Und auf der anderen Seite etwas seltener und das hängt ein bisschen von den Familienmitgliedern ab, die davor schon erkrankt sind, wir können schon ablesen anhand des Alters, wann die erkrankt sind, welche Organe betroffen waren, welche Organe eher die Risiko-Organe sind. Aber auch die genetische Besonderheit sagt uns ein bisschen voraus, welche Organe da betroffen sind: BRCA1 Brustkrebs, Eierstockkrebs, aber seltener auch schwarzer Hautkrebs, Bauchspeicheldrüsenkrebs, und auch selten Prostatakrebs, aber doch für Männer auf jeden Fall auch eine wichtige Information. Deswegen sollten sich Blutsverwandte ersten Grades, wenn Sie natürlich einverstanden sind und Sie auch einverstanden sind, dieses Ergebnis mitzuteilen, unbedingt auch testen lassen, die Chancen stehen 50:50. Entweder es ist ein gesundes Gen ererbt, dann haben Sie kein erhöhtes Risiko. Oder Sie haben das kranke Gen, dann haben Sie ein erhöhtes Risiko, und man kann dagegen etwas tun.
Was kann ich tun, um mein Prostatakrebsrisiko zu senken?
Ja, also wir wissen, dass Hormon-gesteuerte oder Hormon-sensitive Tumorerkrankungen, und da gehören Brustkrebs und Prostatakrebs dazu, eben schon auf Lebensstil reagieren. Das sind nicht umsonst die zwei häufigsten Tumorerkrankungen, die wir in der westlichen Welt beobachten, außer vielleicht Lungenkrebs noch dazu, die mit dem Lebensstil zusammenhängen, einerseits Bewegung und auf der anderen Seite auch Ernährung.
Wir sehen, dass Bewegungsmangel Brustkrebs z.B. alleine, auch wenn Sie keine genetische Störung hätten, dass das Risiko ungefähr 10 Prozent erhöht ist. Das heißt, wenn Sie sich in der Woche 150 Minuten bewegen, das heißt nicht, dass Sie jetzt Sport betreiben müssen, sondern einfach Radfahren, Stiegensteigen statt Liftfahren, Gartenarbeiten, Zufußgehen statt mit dem Auto fahren, dann haben Sie dieses Mortalitätsrisiko schon gesenkt um diese 10 Prozent. Also das gilt natürlich für Genträger positiv getestet insbesondere. Das heißt, wir sollen diese ganzen präventiven Maßnahmen auch nützen.
Bei der Ernährung ist das auch so. Wir sehen, dass die mediterrane Kost im klassischen Sinn eben zum Beispiel das Risiko an Brustkrebs zu erkranken für Gesunde 40 Prozent senken kann. Wir wissen es für Prostatakrebs nicht ganz so genau, weil es auch nicht so gut untersucht ist. Aber auf jeden Fall macht es Sinn, also Bewegung und Ernährung mit zu beachten.
Und auch Schlaf ist etwas Wichtiges. Diese drei Säulen der Gesundheit, die für uns alle gelten. Also acht Stunden Schlaf ist z.B. auch was, was Ihr Immunsystem extrem besser aktiv macht, und auch zum Beispiel eine Immunreaktion wird deutlich verbessert, wenn Sie schlafen.
Und daran sieht man oder kann man erkennen, dass das ganz, ganz wichtig ist, den Lebensstil so optimal wie möglich zu führen. Sie haben das in der Hand.
Dann ist ganz, ganz wichtig, diese Früherkennungsmaßnahmen mit zu nützen. Und das ist eine erweiterte Gesundenuntersuchung einmal im Jahr, wenn Sie sagen, müsste man jetzt Brust und Eierstöcke, wenn man eine Frau ist, im Fall des Mannes würde man wahrscheinlich Selbstabtastung der Brust, weil es ist einfach durch die unterschiedliche Anatomie wahrscheinlich sehr schnell erkennbar ist, oder eben die urologische Untersuchung mit auf den Plan rufen, und zwar immer schon zehn Jahre, bevor der Erste in der Familie erkrankt ist bzw. mit 25 beginnen.
Wie wird das erhöhte Krebsrisiko vererbt?
Ein erhöhtes Krebsrisiko wird vererbt, im Fall der DNA-, der Erbgut-Reparaturgene ist es ein autosomal dominanter Erbgang. Wir haben immer zwei Gene, die wir prinzipiell vererben können. Es kommt immer ein Gen von der Mutter und eins vom Vater. Das heißt, jeder hat zwei. Und aus diesen beiden wird sozusagen eine neue Kombination gemacht. So ist es 50:50, dass Sie das kranke Gen weitergeben, oder das gesunde Gen.
Das heißt: Es ist eine 50: 50-Chance für Ihre Nachkommen, wenn Sie jetzt Gen-Träger sind, auch diese Erkrankung zu bekommen. Aber das ist rein statistisch, das kann man so nicht sagen, dass jeder zweite sozusagen betroffen ist, sondern man muss es dann letztendlich testen. Und es ist auch dann die Chance für Ihre Angehörigen, dass, wenn wir Sie jetzt positiv getestet haben, dass wir das genau wissen, wo die genetische Störung ist und viel, viel einfacher für Ihre Angehörigen diese Untersuchungen anbieten können.
Kann auch eine Frau die Genveränderungen erben und was bedeutet das für sie?
Es ist vom Geschlecht unabhängig. Als Frau und als Mann ist das Risiko gleich hoch. Das ist nicht auf den Geschlechts-Chromosomen, dieses Gen, sondern auf einem anderen Gen wird das weitergegeben. Und hier haben Frauen das gleiche hohe Risiko – 50: 50 eben, und Männer auch. Das wirkt sich anders aus, weil einfach die Brust bei der Frau das hormongesteuerte Organ Nummer eins ist und beim Mann die Prostata und sich diese DNA-Reparaturstörung interessanterweise in diesen beiden Organsystemen nicht geschlechtsneutral verhält.
Wie können sich meine Verwandten vor den Auswirkungen der Veränderung schützen?
Die Auswirkungen der Veränderung — prinzipiell kann man sich nicht schützen, weil das ist ja nichts, was eine Infektion ist, das man weitergeben kann, sondern das ist etwas, was man sozusagen als Embryo mitbekommt von Vater und Mutter. Das heißt, die Angehörigen können sich nur testen lassen. Sie sind nicht gefährdet, wenn jetzt ein Angehöriger getestet ist, dann heißt es nicht, dass das übertragbar ist auf den anderen, wie z.B. eine Viruserkrankung durch Niesen oder durch Berühren, sondern das ist nur durch Vererbung. Wenn ein neues Leben entsteht und aus Vater- und Mutter-Chromosomen das neue Leben entsteht, nur zu diesem Zeitpunkt kann diese Erkrankung oder diese genetische Besonderheit, die ja noch keine Erkrankung ist, weitergegeben werden.
Welchen Einfluss hat das positive Ergebnis auf die Vorsorge?
Ein positives Ergebnis eines Gentests hat einen großen Einfluss auf die Vorsorge.
Wir wissen: Es gibt gewisse Erkrankungen oder Tumorerkrankungen, wo Vorsorgeprogramme auch für Menschen, die keine genetische Besonderheit haben, angeboten werden. Bei Brustkrebs, bei Brustkrebsvorsorge wird Mammographie-Screening eingesetzt, bei Prostatakrebs urologische Kontrollen, ab einem gewissen Alter. Bei Brustkrebs wird bei 45 derzeit begonnen mit einer zweijährlichen Mammographie und Kontrolle im Angebot, und bei Prostatakrebs ab dem 50. Lebensjahr einmal im Jahr eine urologische Kontrolle mit PSA-Testung empfohlen.
Wenn Sie eine Betroffene oder ein Betroffener sind mit einem positiven Gentest, würden wir mit 25 schon beginnen, diese Vorsorgeuntersuchungen im Falle der Frau mit Mammographie und Mamma-Ultraschall, wobei der Ultraschall keine Auswirkung hat, weil es keine Strahlenbelastung darstellt, und wo wir die MR-Mammographie dazustellen würden einmal im Jahr, um einfach diese Früherkennung möglichst zu haben. Und weil wir wissen, dass Menschen mit einem z.B. BRCA1 positiv getesteten genetischen Befund auch schon in sehr, sehr jungen Jahren, also wir sehen auch schon Frauen mit 25 oder ich habe eine Frau mit 24 gehabt, und auch vor dem 35. Lebensjahr können diese Tumoren auftreten. Da hat eben ein Gen schon einen Schaden, und dass im Laufe des Lebens das zweite Gen auch einen bekommt, ist einfach höher, und deswegen geht’s schneller, dass man so eine Tumorerkrankung bekommt. Deswegen muss man früher mit diesen Vorsorgeuntersuchungen beginnen, und bei der Frau ist es ist es eben die Brust und die Eierstöcke, beim Mann ist es die Prostata. Man kann auch die Haut aufs Muttermale untersuchen einmal im Jahr. Aber das sind so ungefähr die wichtigen Kontrollen, die man durchführen soll und dies schon viel früher, als wir es sonst anbieten würden.
Welche Prostata-Vorsorgeuntersuchungen gibt es?
Also als Mann, wenn wir an Vorsorgeuntersuchungen denken, ist sicher die Prostata das wichtigste Organ bei familiären Tumorerkrankungen, die das BRCA1- oder das BRCA2-Gen betreffen.
- Es gibt prinzipiell die urologische Kontrolle, wo eine Prostata-Untersuchung mit dem Zeigefinger durchgeführt wird auf der einen Seite, rektal-digitale Untersucher nennen wir das.
- Und davor sollte eine Blutabnahme stattfinden, die das Prostata-spezifische Antigen PSA berücksichtigt. Einmal im Jahr ist das empfohlen.
- Im Falle eines PSA-Anstiegs über den Normalbereich oder wenn wir sehen, dass einfach bei den seriellen Blutabnahmen eine gewisse Dynamik, eine Erhöhung jedes Mal stattfindet, kann man auch eine Magnetresonanz-Untersuchung der Prostata anstreben. Da wird mit großen Magnetfeldern das Gewebe dargestellt und dann mit Kontrastmittel auch und mit gewissen speziellen Untersuchungstechniken die Prostata so dargestellt, dass wir unterscheiden können, ob diese Prostata tumortragend ist oder nicht. Wir sehen vor allem die gefährlichen Tumoren, die aggressiver verlaufen, in dieser MR-Untersuchung. Also das ist sicher auch eine Untersuchung, die wir bei Patienten, die eine genetische Besonderheit haben, unabhängig vom PSA-Spiegel einmal im Jahr dazu empfehlen.
Soll ich mir vorsorglich die Prostata entfernen lassen?
Die Prostata wird vorsorglich nicht entfernt. Dafür gibt es überhaupt keinen Hinweis, dass dadurch die Chance, am Leben zu bleiben, gesund zu bleiben, erhöht wird. Das wird derzeit nicht empfohlen.
Man kann heute, ähnlich wie bei der Frau, mit MR-Untersuchung der Prostata, eine Spezial-MR-Untersuchung, Multiparameter-MR-Untersuchung auch Tumoren früh erkennen. Das ist ganz, ganz neu.
Es ist jetzt nicht mehr nur die urologische Kontrolle und das PSA, sondern wir haben auch eine neue Art des MR zur Verfügung, um diese Tumoren früh zu erkennen. Das heißt, man würde das dann wahrscheinlich auch einmal im Jahr dazu anbieten, um eine Früherkennung anzustreben, weil prinzipiell ist Prostata-Krebs auch eine heilbare Erkrankung. Durch eine Operation oder eine Bestrahlung kann diese Erkrankung geheilt werden. Und derzeit wird es nicht empfohlen, eine prophylaktische Prostatektomie zumachen.
Zu welchen anderen Krebs-Vorsorgeuntersuchungen sollte ich gehen?
- Man sollte als Mann, wenn man so eine genetische Besonderheit hat, auf jeden Fall auch die Brustdrüsen-Selbstuntersuchung einmal im Monat machen. Das klingt jetzt irgendwie eigenartig. Aber es ist eben so, dass dieser Tumor auch beim Mann etwas häufiger auftritt. Das heißt, dass jeder zweite Mann, der einen Brustkrebs hat, auch eine genetische Besonderheit in diesen Genen trägt. Nur jeder hundertste Brustkrebs bei einem Mann, wenn er diagnostiziert wird, ist ein sehr seltener Tumor. Wir würden keine routinemäßige Kontrolle der Brust, wie bei der Frau eine Mammographie oder ein Ultraschalluntersuchung machen, sondern eine Selbstuntersuchung empfehlen. Wenn Ihnen da etwas auffällt, dann eben diese weiterführende Diagnostik.
- Als Mann würde man auch die Haut untersuchen, weil Melanome häufiger sind. Also einmal im Jahr beim Dermatologen, Dermatologin eine Hautuntersuchung, Ganzkörperhautuntersuchung machen oder selbst darauf zu achten, ist sicher gut.
- Man kann auch eine Gesundheitsuntersuchung mit Ultraschall des Oberbauchs, um die Bauchspeicheldrüse hier abgebildet zu haben, anstreben, bei Unklarheiten auch eine MR-Untersuchung des Bauchraums, weil wir hier die Bauchspeicheldrüse gut dann abgrenzen können.
- Bei der urologischen Kontrolle wird auch die Blase ein bisschen mehr beachtet. Man kann einen Ultraschall von der Blase auch durchführen und von den harnableitenden Wegen. Das wird einem dann angebotenen beim Urologen zusätzlich zur Prostatavorsorge.
Hier geht es zum Video-Interview: „Bedeutung eines positiven Keimbahntests”
Bedeutung eines negativen oder unklaren Ergebnisses
Was bedeutet ein negatives Ergebnis?
Ein negatives Ergebnis in einem Gentest bedeutet, dass Sie dieses erhöhte Risiko, eine Tumorerkrankung zu bekommen, nicht in sich tragen. Sie haben im Vergleich zur Normalbevölkerung kein erhöhtes Krebsrisiko, sei es jetzt Brustkrebs oder Prostatakrebs oder andere Tumorerkrankungen. Es heißt aber nicht, dass Sie keinen Krebs bekommen können.
Das Risiko ist deutlich geringer. Aber es ist so, dass leider im Laufe des Lebens sehr viele Menschen trotzdem eine Krebserkrankung bekommen können. Auch ein gesunder Lebensstil und die empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen, Mammografie ab 45, urologische Kontrolle ab 50 und Kolonoskopie, Darmspiegelung, auch mit 50 sind zu empfehlen. Und Gesundenuntersuchungen einmal im Jahr.
Und auch Lebenstil, was wir vorher angesprochen haben, ist immer für alle günstig.
Das heißt aber, Sie haben kein besonders erhöhtes Risiko und brauchen nicht schon mit 25 damit beginnen.
Bekomme ich sicher keinen Prostatakrebs, wenn der Test unauffällig war?
Ein unauffälliger Test, ein negativer Test heißt nicht, dass Sie keinen Prostatakrebs bekommen können. Sie haben aber ganz sicher kein erhöhtes Risiko.
Es ist so, dass Prostatakrebs bei Männern in Österreich der häufigste Tumor ist. Das ist ein Tumor, der normalerweise im hohen Alter auftritt, so ab dem 70. Lebensjahr. Sie haben diesbezüglich ein ähnlich hohes Risiko wie jeder andere Österreicher auch. Das heißt, man sollte ab 50 auf jeden Fall auch die Vorsorgeuntersuchung nützen. Aber es muss nicht davor sein.
Wenn Sie ein negatives Ergebnis haben, heißt das: Sie haben kein erhöhtes Risiko.
Was bedeutet der negative Tumor-Gentest für meine Krebstherapie und Prognose?
Für die Krebstherapie, wenn es aus dem Tumor gewonnen ist oder aus der Keimbahn, heißt das, dass wir keine genetische Besonderheit im Tumor finden, auf deren Basis wir eine Therapie aufbauen können. Das heißt, diese vorher schon angesprochene PARP-Inhibitoren haben keine besonders hohe Wirksamkeit, soweit wir das heute einschätzen können bei Tumoren, die diese genetische Besonderheit nicht tragen. Das heißt auch, dass Ihr Tumor nicht, also zumindest was diesen Parameter betrifft, da gibt’s auch noch andere, die uns die Tumorbiologie auch beleuchtet, der Gleason-Score. Aber jedenfalls dieses Puzzlesteinchen im Mosaik der Tumorbiologie lässt einen etwas milderen, wenig aggressiveren Verlauf der Tumorerkrankung erwarten.
Was bedeutet ein unklares Ergebnis?
Ein unklares Ergebnis bedeutet, dass wir eine Besonderheit im Gen gefunden haben. Das heißt, es ist eben anders als bei Gesunden. Aber wir können noch nicht einschätzen, ob diese genetische Veränderung eine Auswirkung auf die Übersetzung in einen Eiweißstoff, die dieses Gen kodiert hat und damit eine Auswirkung auf ein erhöhtes Erkrankungsrisiko an bestimmte Tumoren. Die Datenbank kennt diese Mutation oder diese genetische Besonderheit noch nicht gut genug, sodass wir sicher sagen können: Es hat eine Auswirkung oder es hat keine Auswirkung.
Bei solchen Ergebnissen sollte man zwei Jahre später wieder eine genetische Beratung machen lassen, um zu sehen, ob sich in diesen zwei Jahren neue Erkenntnis zu dieser genetischen Besonderheit unsicheren Verhaltens oder unklaren Verhaltens entwickelt hat. Das Wissen verdoppelt sich jetzt in 7 Monaten, 7-Monats-Schritten. Das heißt: Wir wissen nach zwei Jahren wahrscheinlich mehr zu diesem Thema, und es macht auf jeden Fall Sinn, das nochmal zu hinterfragen. Es werden dann manchmal zusätzliche Gene angeboten. Sollten wir erkennen, dass es jetzt in diesen Genen keine Besonderheit gibt, die einen krank macht, aber in der Familie z.B., in der häufig Tumorerkrankungen aufgetreten sind, können weitere Gene, bis zu 50 Gene angesehen werden mit einem erweiterten Gen-Panel. Diese Konsequenz kann es auch haben.
Wie geht es nach einem unklaren Ergebnis weiter?
Also, wenn Sie ein unklares Ergebnis haben, heißt das nicht automatisch, dass Sie ein erhöhtes Risiko haben, eine Tumorerkrankung zu bekommen. Aber wir geben Ihnen Empfehlungen, als hätten Sie ein positives Ergebnis. Weil wir sehen, dass oft in diesem Familien Tumorerkrankungen häufiger waren und wir es noch nicht einschätzen können, sagen wir zur Sicherheit: „Machen Sie die Vorsorgeuntersuchungen, beginnen Sie schon früher. Und wir treffen uns in zwei Jahren und schauen, ob wir an dieser Empfehlung, dieser erhöhten Vorsorgevorsicht, etwas verändern sollen.“
Manchmal, wenn wir jetzt so ein genetisches Ergebnis haben und die Familie ist so eindeutig, kann es sein, dass es die Beratung etwas beeinflusst. Also es ist anders als ein negatives Ergebnis, heißt aber nicht, dass Sie automatisch ein erhöhtes Risiko haben oder irgendwelche prophylaktischen Maßnahmen diesbezüglich, eine prophylaktische Brustoperation machen würde oder Eierstockentfernung. Das würden wir auf keinen Fall empfehlen. Aber es macht Sinn, diese genetische Beratung alle zwei Jahre aufzufrischen bzw. wenn man dann weiß: Es ist z.B. dann ein negatives Ergebnis, ein Gen unsicheren Verhaltens wird als negativ eingeschätzt, dann hat man kein erhöhtes Risiko. Und manchmal kann es eben in die Richtung gehen, dass es dann doch interpretiert wird, als wäre es mit einem höheren Risiko in Zusammenhang. Und dann würden wir diese Empfehlung der Vorsorge-Früherkennung deutlich adaptieren. Das macht auf jeden Fall Sinn, eben das nicht ad acta zu legen, sondern alle zwei Jahre mal bis zu dem Zeitpunkt, wo wir wissen, besser einschätzen können, was es bedeutet, zu verfolgen.
Ist es sinnvoll, den Test zu wiederholen?
Das Testergebnis ist eindeutig, das ist nicht ein Fehler im Testergebnis, sondern die Interpretation ist noch nicht möglich, weil die Datenbasis zu klein ist.
Es kann sein, dass erst ein oder zwei andere solche Gentests auf der ganzen Welt in der Datenbank abgespeichert sind und wir einfach aus dieser sehr, sehr geringen Datenlage Ihnen noch keine Interpretation liefern können. Wenn sich im Jahr danach mehrere solche genetischen Besonderheiten ansammeln in diesem kollektiven Wissen, dann kann es sein, dass wir zwei Jahre später dieses Ergebnis interpretieren können. Es macht keinen Sinn, das jetzt nochmal zu wiederholen. Das Ergebnis ist auf Basis des genetischen Codes. Und dieser Vergleich mit dem normalen Gewebe ist passiert. Nur wir können diese genetische Veränderung, die wir bei Ihnen gefunden haben, eben noch nicht interpretieren.
Zu welchen Vorsorgeuntersuchungen sollte ich bei unauffälligem Gentest gehen?
Soweit Sie einen unauffälligen Gentest bekommen haben, dann heißt das, dass Sie kein erhöhtes Krebsrisiko haben. Aber es Krebs gehört nach wie vor zu den sehr häufigen Erkrankungen, die man im Laufe des Lebens entwickelt. Und Alter ist der größte Risikofaktor neben Lebensstil. Also z.B. Rauchen ist auch ein bekannter Risikofaktor für Lungenkrebs, Übergewicht für andere Tumorerkrankungen, zum Beispiel Dickdarmkrebs, der dritthäufigste Tumor in Österreich. Sie sollten die normalen Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch nehmen. Das ist sehr zu empfehlen:
- das Mammographie-Screening als Frau ab dem 45. Lebensjahr,
- das urologische Früherkennungsprogramm beim Mann ab 50,
- und genauso die Kolonoskopie, die Dickdarmspiegelung ab dem 50. Lebensjahr für beide Geschlechter
und
- ein gesunder Lebensstil,
- Bewegung,
- ausreichend Schlaf
sind die weiteren günstigen Lebensstile, die Sie auch als Gesunder einhalten sollten.
Wieso wird die Prostatakrebs-Früherkennung von vielen Fachleuten kritisch gesehen?
Die Prostata-Krebsvorsorge war bis vor kurzem sehr PSA-lastig. Wir haben diesen Bluttest als wichtigsten Vorsorgetest eben eingeschätzt. Und da ist eine große Kontroverse aufgetreten, ob wir nicht viele Patienten umsonst operieren, weil das PSA zwar diesen Tumor angezeigt hat und der deswegen operiert wurde, aber eben das Leben des Menschen gar nicht beeinflusst hätte, weil er nie zu einer lebensbedrohlichen Erkrankung geworden wäre. Deswegen hat sich das heute verfeinert. Sie haben heute, Gottseidank, die Möglichkeit, mit dieser urologischen rektal-digitalen Untersuchung, mit dem PSA und im Zweifel mit dieser MR-Untersuchung der Prostata, die es ermöglicht, die gefährlichen Krebse von den ungefährlichen Krebsen bildgebend ein bisschen einzuschätzen. Und dann eine gezielte Biopsie zu machen und anhand der Biologie der Biopsie auch Beobachtungsstrategien, nicht Operation oder Bestrahlung als Folge, als Konsequenz dieser Untersuchungen immer heranziehen.
Die Möglichkeit der Vorsorge ist jetzt sehr, sehr viel differenzierter, nicht mehr so allein auf diesen Biomarker PSA, der den Namen Prostata-spezifisches Antigen trägt. Dieser ist für die Prostata spezifisch, nicht für den Prostata-Krebs. Und dadurch hat sich zwischendurch eine Kontroverse entwickelt, das war zwischen USA und Europa. In Europa wurden die Guidelines nicht verändert.
Wir können zusammenfassend sagen: Es macht absolut Sinn, diese Vorsorge zu machen. Die Früherkennung von aggressiven Formen von Prostatakrebs ist wichtig und lebensrettend. Es kann auch bedeuten, dass wir einen Tumor finden, der das Leben nicht bedroht. Aber dann würden wir auch keine Operation oder keine Bestrahlung machen, sondern beobachten.
Das könnte sein, dass das eine neue Form ist, die in Österreich noch nicht so bekannt ist. In den USA werden schon viele, viele Männer, die einen nicht gefährlichen, nicht lebensbedrohlichen Krebs haben, nicht mehr operiert und nicht mehr bestrahlt, sondern es wird einfach nachbeobachtet.
Und sollte es eine Entwicklung geben, wo wir sehen: Die Charakteristik des Tumors verändert sich, weil das PSA schneller ansteigt oder bei einer Gewebeprobe, die in der Folge gemacht wird, zeigt sich ein anderes Ergebnis, dann würde die Operation als nächstes oder Bestrahlung angeboten.
Das heißt, die Vorsorge ist immer indirekt. Das heißt, wir haben Bildgebung und wir haben rektale Untersuchung und wir haben einen Laborwert. Letztendlich gibt die Gewebeprobe dann Sicherheit, um zu sagen: Das ist Prostatakrebs oder das ist keiner. Wenn es darum geht, muss man eine Biopsie machen.
Was soll ich tun, wenn es in meiner Familie Fälle vom Prostata-Krebs gibt, ein Gentest aber unauffällig war?
Also, wenn Sie eine starke Familienanamnese haben, Vater oder Bruder hatten auch Prostatakrebs, ist jetzt rein statistisch gesehen Ihr Risiko, auch Prostatakrebs zu bekommen, im Vergleich zur Normalbevölkerung, zu einem Mann, der diese Familiengeschichte nicht hat, ungefähr 50 Prozent höher, auch wenn Ihr Gentest negativ ist.
Wir können noch nicht alle Gene testen und wir wissen auch noch nicht für alle Gene, was sie für eine Bedeutung haben. Wir testen die, die häufig verbunden sind mit einer Tumorerkrankung der Prostata. Wir lernen noch oder sind noch in einem Lernprozess und werden anscheinend in den nächsten 15 Jahren noch mehrere andere Gene dazunehmen. Erst ist es BRCA1 und BRCA2, und wenn da nichts gefunden wird, kann dieses Fenster, das wir da haben in die Gene etwas erweitert werden. Bis zu 50 Gene können heute schon mit familiären Tumoren in Verbindung gebracht werden. Wir empfehlen Menschen trotzdem, die Vorsorge und Früherkennung früher zu beginnen und auf dieses Organsystem noch mehr zu achten.
Der Gentest ist sicher: Dieses Gen — Ja oder Nein. Aber es heißt nicht, dass es nicht andere Gene geben könnte in dieser Familie, die wir heute noch nicht kennen, die diese Erhöhung dieser Tumorhäufigkeit beeinflusst.
Hier geht es zum Video-Interview: „Bedeutung eines negativen oder unklaren Ergebnisses”
Wie geht es weiter?
Welche Vorteile bringt es mir, von einer Genmutation zu wissen?
Was habe ich für einen Vorteil, wenn ich von der Genmutation weiß, wenn ich mich testen ließ und ein positives Ergebnis bekomme? Das ist natürlich sicher für viele eine belastende Mitteilung, dass in Ihrem genetischen Code eine Erhöhung des Risikos, eine Tumorerkrankung im Lauf des Lebens zu bekommen, gefunden wurde.
Wir bieten zur genetischen Beratung auch psychologische Beratung an, um einfach mit dieser Sorge, die vielleicht entsteht, besser umgehen zu lernen.
Und auch die Information ist ganz wichtig, dass dieser Gentest, der jetzt positiv ist, nicht automatisch heißt, dass man eine Tumorerkrankung bekommt, sondern dass sehr viele gesund bleiben und dass man viel dazu tun kann, auch gesund zu bleiben, trotz dieses positiven Tests. Und dass es eine Chance auch ist, Einfluss zu nehmen auf das Schicksal. Mit Früherkennung und mit Vorsorgeuntersuchungen kann man eben schon Vorstufen von Tumoren erkennen, wenn sie entstehen, oder Ihnen bestätigen, dass Sie gesund geblieben sind, das ist für die Sorge, dass man vielleicht erkranken könnte, auch wichtig.
Wir können, wenn wir ein positives Ergebnis haben und Sie ein gewisses Alter erreicht haben, z.B. Ihre Familienplanung abgeschlossen haben als Frau, auch vorsorgliche Entfernung der Brustdrüsen und/oder auch der Eierstöcke anbieten, weil wir wissen, dass das das Risiko, Brustkrebs zu bekommen oder Eierstockkrebs zu bekommen im Laufe des Lebens, auf ein Minimum reduziert – auf ein Prozent ungefähr.
Als Mann hat man diese Möglichkeit noch nicht, weil wir erst viel, viel später erkannt haben, dass Prostatakrebs auch mit genetischem Betroffensein höher ist, und diese ganzen Informationen noch nicht vorliegen und derzeit keine Empfehlungen einer prophylaktischen Operation ausgegeben werden.
Auch ist die Chance, mit Prostatakrebs am Leben zu bleiben, viel, viel höher. Es ist ein weniger aggressiver Tumor. Da ist die Früherkennung das Richtige. Und dann die Entscheidung: Musst man überhaupt etwas tun, wenn man wirklich einen bekommen hat, oder können wir einfach beobachten?
Welche negativen Konsequenzen können sich aus dem Wissen ergeben?
Natürlich hat jeder eine Grundangst, Tumoren zu bekommen. Manche sind da vielleicht etwas stabiler und denken nicht dran, sondern sagen: Sie sind unverwundbar. Sie würden überhaupt nie eine Erkrankung bekommen. Und andere leben doch etwas bewusster, und sagen: Okay, ich nehme diese ganzen Empfehlungen wahr, die es heute gibt, um gesund zu bleiben.
So ähnlich ist das ja auch, wenn man einen positiven Test jetzt bekommt. Und was wir schon erleben ist, dass manche Menschen sehr große Schwierigkeiten haben, damit umzugehen.
Und deswegen wird einer Gentestung immer ein Beratungsgespräch vorgeschaltet. Das heißt: Bevor man den Test überhaupt macht, wird eine genetische Beratung durchgeführt. Wenn man da erkennt, dass ein Mensch z.B. große Herausforderungen hätte, mit dem Ergebnis umzugehen, dann wird man sich vielleicht im Zweifelsfall gar nicht dazu entschließen, den überhaupt durchzuführen, oder zu einem späteren Zeitpunkt. Es ist ja nichts, was zwingend notwendig ist, sondern was jeder selber entscheiden darf, ob er das wissen will oder nicht.
Und es gibt Menschen, die wollen das nicht wissen, und das ist auch in Ordnung. Die müssen das nicht machen.
Gerade Menschen, die sagen: „Wenn ich das wüsste, dann würde ich nur mehr in Angst leben davor und mir die ganze Zeit Sorgen machen, wenn ich da oder dort ein kleines Wehwehchen entwickele, dass das ein Krebs ist“, also wenn ich schon jetzt eine Krebsangst habe, für die ist das wahrscheinlich nicht sehr leicht, so eine neue Information zu bewältigen. Deswegen bieten wir auch psychologische Begleitung an, um auch mit solchen Stresssituationen besser umgehen zu lernen. Wie man das bewältigt, das kann man lernen. Da muss man dann ein bisschen schauen: Ist das der richtige Zeitpunkt, den Test zu machen, und wie gehe ich dann mit dem Ergebnis um? Alles das können wir begleiten. Es ist nicht schicksalshaft, wie man damit umgeht. Wie jede Krise oder jede Bedrohung im Leben Bewältigungsstrategien braucht, auch diese. Da gibt es eben verschiedene Formen, die günstiger sind und weniger günstig.
In Familien, wo Tumorerkrankungen häufig sind, hat jeder schon Sorge vor Tumorerkrankungen. Eine Betroffene hat es mal so ausgedrückt: „I bin eh schon wegen jeden Dimmerl g‘hupft“, um es mal auf gut Steirisch auszudrücken, und es ist oft eine Erleichterung, das Wissen zu haben: „So, jetzt weiß ich’s, und ich kann was dagegen tun“ oder „Ich weiß es und ich brauch nix dazu. Ich brauch nicht mehr so viel Sorgen zu machen.“
Also das darf man auch nicht unterschätzen, das Wissen, aber es ist oft Erklärung und eine Entlastung. Das klingt paradox, aber es ist eben das Wissen und mit dem Wissen dann etwas anfangen zu können oft besser als die Ungewissheit. Der Test ist prinzipiell zu empfehlen, außer es sind Menschen, die mit dieser Nachricht nicht nur nicht gut umgehen können, und da müsste man eventuell Dinge vorher machen, bevor man einen Test macht.
Ist Prostatakrebs heute heilbar?
Prostatakrebs ist heilbar – im lokalisierten Stadium praktisch 100 Prozent. Also die Chance, mit einem früh erkannten Prostatakrebs zu überleben ist praktisch, also wenn er nicht im metastasierten Stadium erkannt wird, was die häufigste Situation heute in Österreich ist, hat man eine normale Lebenserwartung, mit Operation oder Bestrahlung in Teilen der Zielsetzung.
Wer ist mein/e erste/r AnsprechpartnerIn nach einem positiven Testergebnis?
Wenn jetzt Sie als Mann ein positives Testergebnis für BRCA1 oder BRCA2 erhalten haben, dann ist Ihr erster Ansprechpartner der Urologe. Die Vorsorge und Früherkennung wird mit urologischen Kontrollen, dieser digitalen körperlichen Untersuchung der Prostata, auf der anderen Seite des PSA-Tests oder auch jetzt neu mit MR-Untersuchung der Prostata angeboten. Das ist einmal im Jahr, wo wir das empfehlen, beginnend schon sehr früh so ab dem, bei Männern mit familiärer Belastung, also vor dem 35. Lebensjahr. Mein jüngster Patient war derzeit 38 Jahre alt, also ist jetzt nicht ganz so früh wie bei Brustkrebs, wo wir wirklich auch unter 30-Jährige haben. Das habe ich bei Prostatakrebs noch nicht gesehen. Aber prinzipiell ist es sicher ratsam, so ab dem 30. Lebensjahr urologische Kontrollen durchzuführen und das PSA und diese MR-Untersuchung mitzumachen, und eben andere Vorsorgeuntersuchungen, die wir besprochen haben – Haut, Darm und Bauchspeicheldrüse im Rahmen von Gesundenuntersuchungen. Da gibt es noch keine wirklichen Empfehlungen diesbezüglich.
Wer berät bezüglich anderer Krebsarten, für die mein Risiko noch erhöht ist?
- Der Dermatologe/die Dermatologin, wären für den schwarzen Hautkrebs die richtigen Ansprechpartner, dass man einmal im Jahr sich die Haut ansehen lässt, Muttermale, wenn es welche gibt, unter die Lupe genommen werden. Das ist sicher sinnvoll.
- Dann prinzipiell würde bei der urologischen Kontrolle die Blase mitgemacht werden, also ein Blasenultraschall angeboten werden.
- Und wir würden Dickdarmspiegelungen auch mit 50. Lebensjahr dazu empfehlen, einfach weil wir sehen, dass es manchmal auch eine Erhöhung dieser Erkrankungen gibt. Und warum soll man nicht die Vorsorge, die sowieso angeboten wird, dementsprechend noch ernster nehmen als andere? Und im Zweifel auch mal eine MR-Untersuchung des Bauchraums, wenn irgendwo eine unklare Veränderung gefunden wird, sollte auch mitgedacht werden.
Und ganz generell: Wenn Sie Beschwerden haben, die länger als 14 Tage, 3 Wochen anhalten und keine Erklärung haben, sollten auf jeden Fall abgeklärt werden. Da sollte man nicht warten. Dann dauert es ein halbes, dreiviertel Jahr, bis man sagt: „Okay, ich habe da jetzt Beschwerden“, und dann das erst einmal empirisch behandelt, das heißt, man nimmt irgendeine Creme, irgendeine Salbe oder irgendein Medikament gegen Schmerzen und schaut nicht nach, was das ist. Also ganz generell sozusagen ein bisschen mehr Ihren Körper beobachten. Und wenn Sie bemerken: „Da ist irgendetwas anders, als ich es gewohnt bin von mir“, einfach früher reagieren.
An wen wende ich mich bezüglich Vorsorgeuntersuchungen?
Für Vorsorgeuntersuchungen neben den urologischen Kontrollen, die wir jetzt schon genauer besprochen haben, ist Ihr Hausarzt Ihr Manager, der diese Gesundenuntersuchungen, die wir allgemein einmal im Jahr für alle Österreicherinnen und Österreicher empfehlen, mit dem Anamnesegespräch, körperlicher Untersuchung und Laborkontrolle empfohlen wird, macht.
Wenn wir als Frau positiv getestet werden, sollten wir beim Bluttest auch das CA125 mitmachen für die Eierstöcke und beim Mann das PSA. Damit hätten wir sozusagen einen Stich und würden gleich viel mehr Informationen haben. Das würde der Hausarzt machen, wobei leider von den Kosten her es so ist, dass das PSA manchmal dann nicht von der Kasse abgedeckt wird und man das selber zahlen muss. Dass der Hausarzt dann auch sagt: „Okay; dann muss das dann halt doch der zweite Stich beim Urologen sein.“ Das ist leider das Paradoxon in Österreich, dass die Kosten nicht neutral sich verhalten, wer es abnimmt und welche Versicherung das abdeckt. Nur damit man das mal gehört hat, dass das nicht immer kostenfrei ist.
Ihr Hausarzt weist Sie dann auch zum Dermatologen oder zum Gastroenterologen, wenn es um eine Untersuchung des Bauchraums geht oder eine endoskopische Untersuchung oder eine dermatologische Untersuchung, und auch wenn eine MR-Untersuchung geplant wird, würde das, wenn es jetzt die Prostata betrifft, vielleicht vom Urologen zugewiesen werden, aber auch von Ihrem Hausarzt gemacht werden können oder auch, wenn es ein Bauch-MR zum Beispiel wäre, würde man das über den Hausarzt organisieren können. Wobei das manchmal auch chefarztpflichtig ist. Manchmal gibt’s da Klärungsbedarf. Da ist es am besten, wenn Sie mit Ihrem humangenetischen Zentrum Kontakt aufnehmen, dass man mit den Versicherungen auch diese Leistungen, die ja viel früher erbracht werden und der Versicherer nicht weiß und auch nicht erfahren soll, dass Sie diese genetische Besonderheit haben, dann auch angeboten werden kostenfrei.
Mit wem sollte ich über die Testergebnisse sprechen und mit wem nicht?
Ja, das ist ein sehr, sehr persönliches Thema.
Also prinzipiell ist diese Information, die Sie bekommen, an Sie gerichtet. Und das Gentechnikgesetz regelt das ganz, ganz genau. Sie müssen uns die Erlaubnis erteilen, wer dieses Ergebnis sonst noch erfährt. Das ist nicht automatisch, dass das Ihr Hausarzt oder Ihr Zuweiser erfährt. Sondern Sie haben die Möglichkeit, im Rahmen der Einverständniserklärung zu bestimmen, wer diese Information bekommt. Das sieht das österreichische Gentechnikgesetz vor.
Aber ich bitte Sie, dass Sie diese Information weitergeben, dass Sie das erlauben, dass zumindest Ihr Hausarzt, das ist ja Ihr zentraler Manager, und Ihr Spezialist, zum Beispiel Urologe oder die Gynäkologin, auch erfahren darf, weil das ganze Management der Vorsorge und Früherkennung sich sehr damit ändert.
Das wäre jetzt mal so auf der ärztlichen Seite.
Es ist natürlich auch so, wie wir schon besprochen haben, für die Familie. Es hat dieses Ergebnis nicht nur für Sie persönlich einen Einfluss, was die ganzen Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen betrifft. Wenn Sie wirklich erkrankt sein sollten, auch was Behandlungsmaßnahmen oder vorbeugende Operationen betrifft, ist das ein wichtiges Thema.
Wir raten persönlich dazu, dass Sie das teilen. Und zwar mit Ihren Familienangehörigen ersten Grades, mit denen Sie in einer guten Beziehung stehen und wo Sie das Gefühl haben, dass diese Menschen auch diese Informationen mit Ihnen teilen können.
Auf keinen Fall soll es Ihr Arbeitgeber erfahren oder Ihr Versicherer, weil die Chance, dann eine Lebensversicherung abschließen zu können oder andere Versicherungsleistungen, die über das normale Maß hinausgehen, zu bekommen, dann ganz große Hürden da aufgebaut werden oder gar nicht mehr möglich sind. Sie sollten auf jeden Fall verhindern, dass dieses Ergebnis in irgendwelchen Arztbriefen, in irgendwelchen Diagnoseblöcken auftritt. Da wird man schauen, dass diese Information bei Ihnen bleibt.
Aber in der Familie würde ich es auf jeden Fall verteilen, dass die Angehörigen auch die Chance haben auf diese genetische Testung, wenn sie das wollen.
Und ich würde es im Freundeskreis wahrscheinlich auch nicht besonders weitergeben, weil es niemanden etwas angeht und Sie ja der gleiche Mensch sind, mit dieser, sagen wir so, ganz kleinen genetischen Besonderheit. Die macht Sie nicht zu einem anderen Menschen.
Müssen noch andere Familienmitglieder den Test machen lassen?
Alles ist freiwillig. Dass Sie sich testen ließen, ist Ihre eigene persönliche Entscheidung gewesen, und diese Entscheidung, die darf jeder andere Familienangehörige auch machen, wenn Sie ihm überhaupt diese Information weitergeben. Und darum würde ich Sie sehr bitten, weil es eben so viel Gutes bewirken kann und jeder, der diese Entscheidung dann treffen kann, lasse ich mich testen oder lasse ich mich nicht testen, wenn man es nicht weiß, dann kann man diese Entscheidung nicht treffen.
Bei den Kindern ist es so, dass bei den meisten genetischen Erkrankungen, die diese HRR-Gene betreffen, das Erkrankungsalter nach dem Volljährigkeitsalter ist, also erst nach dem 18. Lebensjahr. Das heißt, dass eigentlich dann der Angehörige selber entscheiden kann, ob er sich testen lassen will oder nicht, also Ihr Sohn, Ihre Tochter. Natürlich kann man diese Information auch schon früher teilen. Das ist bei Kindern immer etwas problematischer. Deswegen ist es jetzt für Kinder keine wichtige Information, sondern zu einem gegebenen Anlass vielleicht, wenn es um dieses Gesundheitsthema nach dem 18. Lebensjahr geht, dass man das mal auch mit den Kindern bespricht.
Natürlich ganz, ganz wichtig ist, dass man es mit Kindern bespricht, wenn man jetzt eine Krebserkrankung hat, weil das natürlich viel, viel mehr Gewicht hat und Kinder das ja auch mitbekommen.
Was mache ich, wenn ich nach dem Testergebnis unsicher bin?
Na klar ist man verunsichert. Das ist ja eine Mitteilung, die schwer wiegt und die viele Implikationen für das weitere Leben haben kann und Sie möglicherweise auch schon Erfahrungen haben mit Tumorerkrankungen von anderen Angehörigen und sozusagen auch so deren Schicksal im Kopf haben. Das ist sicher eine herausfordernde Situation. Und was es in Österreich gibt, und diese Möglichkeit würde ich auf jeden Fall in Anspruch nehmen, dass es psychologische, psychotherapeutische Angebote gibt. Und es ist oft leichter mit einer Person, die nicht in der Familie ist, Dinge zu besprechen, die jetzt Ängste sind, aber die man dem anderen nicht aufbürden will, dass man das in diesen Besprechungen macht. Also unbedingt dieses Angebot in Anspruch nehmen. Oder auch, wenn es darum geht, anderen Familienmitgliedern das mitzuteilen. Oft ist das leichter, wenn man das zusammen mit einem Psychologen, einer Psychologin macht. Gerade mit Kindern ist es oft gar so einfach, die richtigen Worte zu finden. Deswegen würde ich das auf jeden Fall mitberücksichtigen und unbedingt in Anspruch nehmen, wenn Sie das Gefühl haben, dass ihnen das nützen würde.
Hier geht es zum Video-Interview: „Wie geht es weiter?”
Geprüft Univ.-Prof. Dr. Thomas Bauernhofer: Stand Juli 2021 | AT-4996 | Quellen und Bildnachweis