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Fragen an eine School Nurse: Eine unverzichtbare Stütze im Schulalltag

Gesundheit und Wohlbefinden spielen eine entscheidende Rolle für den schulischen Erfolg. Eine School Nurse sorgt nicht nur für Erste Hilfe, sondern kümmert sich unter anderem um die körperliche und seelische Gesundheit der Schülerinnen und Schüler und unterstützt Lehrkräfte sowie Eltern gleichermaßen. Im Interview berichtet Franziska Rumpf, eine erfahrene School Nurse, über ihre vielseitigen Aufgaben und erklärt, warum jede Schule von ihrer Expertise profitieren würde.

selpers: Wie sieht ein typischer Tag für Sie als School Nurse aus bzw. was macht eine School Nurse genau?

Franziska: Mein Dienst beginnt je nach Schulstandort zwischen 07:15 und 07:45 Uhr mit der Vorbereitung meines Arbeitszimmers sowie mit verschiedenen administrativen Arbeiten. Außerdem führe ich eine Kontrolle aller medizinischen Geräte und des Notfallrucksacks durch, desinfiziere die Liege und alle Flächen.
Danach führe ich ein informelles Update mit der Schulleitung und dem Sekretariat durch, dabei wird über besondere Vorkommnisse, eventuell anstehende Termine, geplante Beratungsgespräche, erkrankte Schülerinnen und Schüler (SuS) sowie Pädagog:innen gesprochen, so dass sich alle Beteiligten auf dem gleichen informellen Stand befinden.
Zu meinen Aufgaben gehört auch die Planung der nachmittäglichen Beratungsgespräche mit Erziehungsberechtigten.
Die Rolle der School Health Nurse verlangt nach einem proaktiven Arbeiten, daher begebe ich mich auf einen Rundgang durch die Schule, führe Gespräche mit SuS, Schulwart, Pädagog:innen, Jugendcoaches, usw.

Fortlaufend über den ganzen Tag bis zum Unterrichtsende bin ich mit der Erstversorgung von SuS beschäftigt. Das beinhaltet Verletzungen aller Art, die Nachsorge nach Sportunfällen, akute Infekte usw. regelmäßig, d.h. mindestens einmal täglich, benötigen SuS mit chronischen Erkrankungen Versorgung und Unterstützung. Die am häufigsten vorkommenden chronischen Erkrankungen sind:

  • Diabetes Mellitus
  • Asthma
  • Adipositas
  • Chronische Schmerzerkrankungen

Dazu kommen ab und an auch seltenere Erkrankungen, denen fachgerecht begegnet werden muss. In einem Sonderpädagogischen Zentrum der Stadt Wien stellt sich die Arbeitssituation noch einmal ganz anders dar, neben den bereits erwähnten chronischen Erkrankungen, begegne ich hier Kindern und Jugendlichen mit verschiedenen, teilweise schwersten körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen. Oftmals sind hier auch meine Kenntnisse in der pädiatrischen Palliativpflege gefragt.
Generell wird von meinen Kolleginnen und mir im Schulbetrieb ständig ein flexibles Reagieren auf verschiedenste Geschehen verlangt, dazu gehören unter anderem

  • kollabierende SuS (vielfältige Gründe)
  • Panikattacken
  • Wutausbrüche
  • Gewalttätigkeiten
  • Raufhandel
  • Emotionale Belastungen
  • (Psychische Belastungen/Probleme insgesamt, welche immer häufiger auftreten)

In den teilweise neu geschaffenen Integrationsklassen ist regelmäßig Unterstützung zu leisten, gerade wenn diese neu eingeführt wurden, ist der Bedarf an Unterstützung groß.
Gesprächsthemen sind, neben den immer häufigen auftretenden chronischen Erkrankungen, zunehmend Gespräche bei vorliegenden oder, im besten Fall ersten Anzeichen für psychische Probleme bei Schüler:innen. Grundsätzlich bilden präventiv wirkende Gespräche und weitere Präventionsmaßnahmen einen wichtigen Teil der Arbeit meiner Kolleginnen und mir.

Zusammenfassend können folgende Tätigkeitsfelder, als typisch für die School Health Nurses der Stadt Wien identifiziert werden:

  • Notfallmanagement und Erstversorgung
  • Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit chronischen Erkrankungen und/oder besonderen Bedürfnissen
  • Präventionsarbeit, Gesundheitsförderung und Stärkung der Gesundheitskompetenz
  • Informations- und Beratungsleistungen
  • Administration und Organisation

Die School Health Nurse stellt für alle Schülerinnen und Schüler die zentrale Ansprech- und Vertrauensperson zu allen gesundheitlichen Fragen und Problemen dar. Sie vermittelt weiterhin gesundheitsfördernden Maßnahmen im Setting Schule.
Es ist mir wichtig an dieser Stelle zu betonen, dass die Tätigkeit als School Nurse abwechslungsreich und vielfältig ist. Kein Tag ist wie der andere, die fachlichen Aufgaben teilweise herausfordernd, was die Aufgabe für mich sehr reizvoll macht.

Mit der Anwesenheit der School Health Nurse steigt das subjektive Sicherheitsgefühl in der Schule stark.

selpers: Welche Art von gesundheitlichen Problemen treten bei den Schülern und Kindergarten- Kindern am häufigsten auf? (z.B. Allergien etc.)

Franziska:

  • Sportunfälle
  • Akute und chronische Verletzungen
  • Akute und chronische Schmerzzustände (besonders häufig Bauch- und Kopfschmerzen)
  • Akute Infekte der oberen Atemwege
  • Dermatologische Erkrankungen (zum Beispiel Ekzeme, Skabies)
  • Lausbefall
  • Kinderkrankheiten (Scharlach, Masern, Varicellen und andere)
  • Chronische Krankheiten (Adipositas, Epilepsie, Diabetes Mellitus Typ 1 usw.)
  • Allergische Reaktionen und Unverträglichkeiten
  • Angststörungen, Belastungsreaktionen, Panikattacken
  • Sehstörungen akut oder länger bestehend

Die Aufzählung ist nicht vollständig und enthält keine Gewichtung, etwa in Bezug auf die Häufigkeit der Erscheinung.

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selpers: Welche Qualifikationen und Ausbildungen sind erforderlich, um als School Nurse zu arbeiten?

Franziska: Die Zielgruppe für das Arbeitsfeld sind Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege. Wünschenswert sind zudem Erfahrungen in der Kinder- und Jugendkrankenpflege und eine mehrjährige Berufserfahrung. Kompetenzen in der Ersteinschätzung (Manchester Triage System, MTS) sind von Vorteil und helfen in Zeiten des Hochbetriebs, die Arbeit schnell und sicher für die Schüler und Schülerinnen zu organisieren.
Wie schon zuvor erwähnt, sind besondere Kenntnisse und Kompetenzen in der Gesprächsführung mit den beschriebenen Zielgruppen, sowie eine fundierte Beratungskompetenz unbedingt erforderlich. Ein gewisses Maß an der Fähigkeit zur Deeskalation entsprechender Situationen mit und zwischen allen Zielgruppen ist nicht Bedingung aber von Vorteil.

In Österreich ist der Beruf der School Nurse noch immer nicht klar und einheitlich definiert. Das führt dazu, dass es kein standardisiertes Verständnis dafür gibt, welche Qualifikationen eine School Nurse mitbringen sollte. Um diesem Mangel zu begegnen und die Herausforderungen in der Praxis professionell anzugehen, hat die Magistratsabteilung 15 der Stadt Wien – verantwortlich für das Pilotprojekt – ein Mindestmaß an Schulungen, Praktika und Weiterbildungen festgelegt. Diese Maßnahmen sind fester Bestandteil des Onboarding-Prozesses für die angehenden School Nurses. Dabei handelt es sich Stand heute um:

  • Praktika im Bereich der Kinder- und Jugendkrankenpflege zur Sicherstellung von Kenntnissen und Fertigkeiten
  • Praktikum in einer Kinder-Diabetes- Ambulanz
  • Erste-Hilfe-Kurs mit pädiatrischem Schwerpunkt
  • Gewaltschutzschulungen sowie Fortbildungen zum Umgang mit Suchtmitteln und Suchtkranken
  • Kennenlernen der Bildungssystems, der Tätigkeiten der Schulärzt:innen gemäß Schulgesetz, der Schulsozialarbeit, der Arbeit der Kinder- und Jugendanwaltschaft und anderes mehr

selpers: Wie arbeiten Sie mit Pädagog:innen, Eltern und anderen Gesundheitsexperten zusammen?

Franziska: In der Zusammenarbeit mit den Pädagog:innen werden regelmäßig Gespräche im Tagesverlauf geführt. Diese finden teilweise spontan statt, des Weiteren im Zuge zuvor vereinbarter Termine, bei Team-Meetings und Konferenzen.
Workshops werden je nach Bedarf der Klasse mit den jeweiligen Klassenvorständen (Klassenlehrer:innen) geplant. Sehr gern angenommen werden Erste-Hilfe-Schulungen, einschließlich schweißtreibender Wiederbelebungsübungen mit entsprechenden Trainingspuppen (Mini-Ann).

Auf Wunsch der Pädagog:innen habe ich in meiner Funktion als School Nurse zweimal an Schulprojekttagen (Klassenfahrten) teilgenommen, um SuS mit chronischen Erkrankungen die Teilnahme zu ermöglichen. Wer jetzt denkt, und das werden garantiert viele Leser:innen, das sei eine „lockere“ Aufgabe, denen sei gesagt, dass meine durchschnittliche Nachtruhe/Tag drei Stunden kaum jemals überschritten hat, Rettungsbegleitungen, nächtliche Interventionen und anderes die Regel und nicht die Ausnahme dargestellt haben.

Ich informiere die Erziehungsberechtigten regelmäßig über meine Tätigkeit an der Schule. Hierfür nutze ich Elternabende, Tage der offenen Tür, Elternsprechtage und andere Informationsveranstaltungen.

Zu Beginn meiner Tätigkeit an einer Schule habe ich mich persönlich bei Gesundheitsexpert:innen aus anderen Fachbereichen vorgestellt – eine wichtige Grundlage für eine gute Zusammenarbeit. Doch dabei bleibt es nicht: Für eine umfassende und multiprofessionelle Versorgung der Schüler:innen halte ich regelmäßigen Austausch und Kontakt für essenziell. So können wertvolle Erfahrungen und Erkenntnisse geteilt werden.

Mit Kinderfachärzt:innen, Allgemeinmediziner:innen und auch mit behandelnden Spitälern stehe ich regelmäßig telefonisch in Verbindung. Auch der Austausch mit klinischen Psycholog:innen und Beratungslehrer:innen in den Schulen gehört dazu.
Darüber hinaus arbeite ich eng mit Jugend-Coaches, Sozialarbeiter:innen und Therapeut:innen verschiedener Fachrichtungen zusammen – beispielsweise aus der Logopädie, Ergotherapie oder Physiotherapie. Regelmäßige gemeinsame Updates sorgen dafür, dass alle Beteiligten an einem Strang ziehen und die Schüler:innen bestmöglich unterstützt werden.

selpers: Welche präventiven Maßnahmen ergreifen Sie, um die Gesundheit der Schüler zu fördern?

Franziska:

  • Bewegungsangebote, zum Beispiel Sitzkissenübungen in der Klasse
  • Regelmäßige und anlassbezogene Gesundheitschecks in meinem Arbeitszimmer, z.B. Blutdruck- und Pulsmessungen, Fern-Visusprüfungen, Gewichtsmessungen
  • Angebote zur persönlichen Beratung zum Thema „Gesunde Ernährung“ (Jausen-Box)
  • Immer wichtiger werden Beratungen zur mentalen Gesundheit
  • Infektionsprophylaxe, insbesondere das Thema „Händehygiene“ sind ein immer wiederkehrendes Thema sowohl in der persönlichen Beratung als auch als Schulung für einzelne Klassen
  • Offene Angebote an die Pädagog:innen zur gemeinsamen Gestaltung von
    Unterrichtseinheiten, welche gern angenommen werden
  • Entlastungsgespräche als Angebot für die Pädagog:innen der Schulen

Die School Health Nurse ist ein Must-Have an jeder Schule in Wien.

selpers: Welche Herausforderungen gibt es in Ihrem Beruf, und was macht Ihnen am meisten Freude?

Franziska: Die Arbeit als School Health Nurse erfordert ein gewisses Maß an Belastbarkeit und eine hohe Flexibilität, da kein Tag wie der andere verläuft. Gefragt ist ein breites fachliches Wissen.
Wichtig ist meiner Meinung nach die Fähigkeit (und der Wille) zum eigenständigen, strukturierten Arbeiten in teilweise schwierigen Situationen (Gewalt, hohes Aggressionspotential, selbst religiöse Auseinandersetzungen, können vorkommen). Grundlegende Dinge wie die Beherrschung von Zeit- und Materialmanagement setze ich grundsätzlich voraus.

Was mir persönlich Freude macht und mich stark motiviert, ist beispielsweise, dass ich jeden Tag aufs Neue die unmittelbare Wirkung meiner Arbeit in der Schule erlebe. Die Möglichkeit, im Rahmen des Pilotprojekts eine für Österreich neue, professionelle Rolle in der Pflege, gemeinsam mit dem Berufsverband Kinderkrankenpflege Österreich (BKKÖ) zu formen ist mir Ansporn und Verpflichtung zugleich. Die Chance, am ersten Meilenstein der Entwicklung der Schulgesundheitspflege in Wien aktiv mitzuwirken und zu gestalten ist eine weitere Motivation. Nicht zuletzt aber bietet mir die täglich zu erlebende Akzeptanz und Wertschätzung durch die Schulleitungen, Pädagog:innen, Schülerinnen und Schüler sowie der Eltern viel Freude und Zufriedenheit.

All das und noch viel mehr bestärkt mich in meinen Bemühungen, Kolleg:innen für die Aufgabenstellungen in diesem neuen Berufsbild zu begeistern und sie zu motivieren, in dieses spannende Berufsfeld ein- bzw. umzusteigen.

Herzlichen Dank für das Interview!

DGKP Franziska Rumpf
– School Health Nurse
– Leitung Schulgesundheitspflege-Pilotprojekt „School Nurses“
– Systemische Psychotherapeutin
– Fachbereich Aufsicht und Qualitätssicherung
– Mail: franziska.rumpf@wien.gv.at

Interview wurde geführt von:  selpers Redaktion

Bildnachweis: Franziska Rumpf