7. Schmerzen verstehen – alle Fragen

Welche Funktion haben Schmerzen und ab wann spricht man von chronischen Schmerzen? Wann sollte man mit Schmerzen zur Ärztin/zum Arzt gehen? OA Dr. Wolfgang Jaksch erklärt mit welchen Untersuchungen die Ursache für Schmerzen festgestellt werden kann und was Betroffene zu einer frühzeitigen Diagnose und Behandlung beitragen können.

Was sind Schmerzen?

Welche Funktion hat Schmerz?

Schmerz ist eine Sinneswahrnehmung, die uns das ganze Leben begleitet. Schmerz ist eine ganz wichtige Sinneswahrnehmung, weil Schmerz führt Sie dazu, wenn irgendwas im Körper nicht stimmt, dass Sie medizinische Hilfe in Anspruch nehmen. Schmerz ist damit ein wichtiges Warnsignal für unseren Körper. Wenn der Körper einen Schaden nimmt, dann wird es am meisten durch Schmerz kommuniziert.

Schmerz kann aber auch sehr negative Auswirkungen haben. Wenn Schmerz weiterbesteht, die Warnfunktion verloren hat, zum chronischen Schmerz wird, dann kann Schmerz auch das Leben bestimmen, nämlich negativ bestimmen und Sie in Ihrer Lebensqualität massiv beeinträchtigen.

Welche Rolle spielen Schmerzen in unserer Gesellschaft?

Schmerzen spielen in unserer Gesellschaft wahrscheinlich eine eher unterschätzte Rolle.

Wir wissen in der Zwischenzeit, dass sehr viele Patienten davon stark betroffen sind. Laut einer Gesundheitsbefragungen von Statistik Austria sind wahrscheinlich 20 Prozent aller Österreicher immer wieder von chronischen Schmerzen betroffen. Ganz genaue Zahlen haben wir leider nicht.

Wir können es nur hochrechnen aus anderen Ländern, die das genauer untersuchen. Aber wir können davon ausgehen, dass zumindest 350.000 Österreicher solche Schmerzen haben, dass sie nicht nur körperlich, sondern auch seelisch und sozial betroffen sind.

Dann spricht man nämlich auch von einer Schmerzkrankheit. Und diese Schmerzkrankheit hat auch Auswirkungen. Diese Patienten sind meistens dann nicht mehr arbeitsfähig. Sie sind sehr oft im Krankenstand. Sind Patienten, die frühzeitig in Pension gehen.

Und deswegen sollten wir viel mehr Augenmerk auf die Behandlung von chronischen Schmerzen legen.

Welche typischen Schmerzerkrankungen gibt es?

  • Die typischen Schmerzerkrankungen, wenn man die Befragungen in Österreich betrachtet, sind vor allem die Erkrankungen des Bewegungsapparates, des Stützapparates, also es betrifft vor allem die Wirbelsäule, es betrifft die Gelenke.
  • Was sonst noch dazukommt, sind natürlich Nervenschmerzen bei Erkrankungen wie Diabetes mellitus
  • oder auch Nervenschmerzen ohne Ursache oder ohne fassbare Ursache.
  • Und relativ häufig treten natürlich auch noch Kopfschmerzen auf.
  • Schmerzen treten auch im Rahmen von Tumorerkrankungen auf. Aber das ist im Vergleich zu den anderen Patienten eine relativ geringe Zahl. Natürlich müssen diese Patienten ganz besonders sorgsam behandelt werden.

Welche Ursachen für Schmerzen gibt es?

Schmerzen können durch verschiedene Ursachen hervorgerufen werden:

  • Prinzipiell jede Zerstörung von Gewebe oder jeder Schaden am Gewebe erregt Schmerzrezeptoren. Das kann sein in der Haut, in der Muskulatur, im Knochen. Es kann tiefer in den Eingeweiden sein. Das ist aber der Schmerz, der eigentlich für uns notwendig ist, der physiologische Schmerz.
  • Es gibt aber dann auch Schmerzzustände, zum Beispiel bei chronischen Entzündungen, die werden zwar auch über Schmerzrezeptoren vermittelt. Nur durch die Entzündungsreaktion, zum Beispiel bei rheumatologischen Erkrankungen, kann es so weit gehen, dass jede Bewegung Schmerzen verursacht. Also eine normale Bewegung verursacht Schmerzen. Das sind die chronischen Entzündungsschmerzen.
  • Ein ganz wichtiger Punkt sind die Nervenschmerzen. Da werden nicht die Schmerzrezeptoren aktiviert, sondern da ist in der Regel die Schmerzleitung geschädigt, also die Nerven, die den Schmerz von den Schmerzrezeptoren zum Gehirn, zum Zentralnervensystem weiterleiten. Das kommt zum Beispiel vor bei Diabetes mellitus oder auch nach Chemotherapien, wenn die Nerven durch diese Substanzen geschädigt sind.
  • Und eine ganz eher außergewöhnliche Schmerzform sind die sogenannten dysfunktionalen Schmerzen. Dysfunktionale Schmerzen entstehen dadurch, dass die körpereigene Schmerzhemmung gestört ist und die Schmerzverarbeitung im Gehirn, im Zentralnervensystem, auch gestört ist oder verstärkt ist. Das beste Beispiel für diese Form von Schmerzen ist die Fibromyalgie.

Was ist der Unterschied zwischen akutem und chronischem Schmerz?

Schmerzen kann man natürlich auch nach der Dauer einteilen.

  • Es gibt akute Schmerzen,
  • es gibt chronische Schmerzen.

Der akute Schmerz ist prinzipiell der notwendige Schmerz, also der, der ein Warnsignal an unser Gehirn schickt, dass im Körper etwas nicht stimmt.

Der chronische Schmerz ist ein Schmerz, der dann aus so einem akuten Schmerz entstehen kann. In der Regel deswegen, weil der akute Schmerz nicht ausreichend behandelt wurde.

Also der akute Schmerz ist der sinnvolle Schmerz mit der Warnfunktion, der chronische Schmerz ist in der Regel immer ein sinnloser Schmerz.

Der akute Schmerz korreliert auch immer sehr, sehr gut mit der Gewebeschädigung. Beim chronischen Schmerz ist das ein bisschen schwieriger, der wird von den Patienten in der Regel eher diffus beschrieben. Er kann meistens nicht so genau lokalisiert werden.

Akuter Schmerz, wenn irgendwo ein Schaden entstanden ist, die Patienten können genau sagen, wo es wehtut. Beim chronischen Schmerz ist es oft eine ganze Körperregion, und dieser chronische Schmerz hat noch dazu die Angewohnheit, sich irgendwie weiter auszubreiten. Es kann sogar eine ganze Körperhälfte dann betroffen werden, obwohl eine Ursache irgendwo einmal vielleicht nur in einer Extremität gelegen ist.

Weiters kann man diese beiden Schmerzarten unterscheiden mit den Co-Symptomen: Akuter Schmerz, weil er besonders stark wehtut, z.B. wenn sich jemand den Arm bricht, kann Angst verursachen. Das betrifft vor allem Kinder. Erwachsene haben, in der Regel zumindest, die Einsicht, dass das eine Verletzung ist. Das kann man wieder reparieren, ruhigstellen oder operieren, und das wird wieder gut, und der Schmerz wird vorbeigehen.

Bei den chronischen Schmerzen kommen andere Symptome dazu. Die Patienten haben Depressionen, sind depressiv, verstimmt, es kommt zu Angststörungen. Es kommt zum Libidoverlust, zum Beispiel. Die Patienten vereinsamen. Und was nicht unterschätzt werden soll: Chronische Schmerzen können Patienten sogar so stark beeinträchtigen, dass diese Patienten einen Selbstmordversuch unternehmen. Der chronische Schmerz gehört eigentlich zu den häufigsten Ursachen für Selbstmordversuche.

Und wenn man das Ganze zusammenfassen will, dann ist der akute Schmerz ein Symptom einer Erkrankung, und der chronische Schmerz ist eigentlich eine eigene Krankheitsentität. Das heißt, es ist ein eigenes Krankheitsbild.

Was ist der Unterschied zwischen somatischem und viszeralem Schmerz?

Wenn man somatischen von viszeralem Schmerz unterscheiden möchte, ist es wichtig, dass den somatischen Schmerz betrifft eher die Oberfläche des Körpers, also z.B. die Haut, dann weiter die Muskulatur. Und dazu gehören eigentlich auch noch die Knochen, zum somatischen Schmerz. Die Haut ist am meisten exponiert gegen Einflüsse von der Umwelt. Deswegen gibt es in der Haut besonders dicht diese Schmerzrezeptoren. Aus diesem Grund können Patienten den Schmerz auch genauer lokalisieren, wenn es die oberflächlichen Strukturen betrifft.

In den Eingeweiden, in den Viszera, viszeraler Schmerz, also Magen, Darm oder auch Lunge, sind diese Schmerzrezeptoren deutlich seltener. Das führt dazu, dass Patienten den Schmerz dort nicht so genau lokalisieren können. Die Patienten geben eher diffuse Schmerzen an. Das ist meistens so ein leichter Druckschmerz. Nur wenn es dann zu Verschlüssen, z.B. von Hohlorganen kommt, wie die Gallenblase oder die Niere, so kolikartige Schmerzen, das werden dann ganz, ganz extreme Schmerzen.

Was ist ein nozizeptiver Schmerz?

Ein nozizeptiver Schmerz ist ein Schmerz, der durch sogenannte Nozizeptoren, das sind die Schmerzrezeptoren, vermittelt wird. Diese Nozizeptoren, Schmerzrezeptoren, gibt es in der Haut, im oberflächlichen Gewebe – sehr dicht, in den Eingeweiden, in den Viszera – eher weniger dicht.

Die Nozizeption, die Schmerzwahrnehmung, erfolgt eben über Schmerzrezeptoren und wird dann mittels Nerven an das zentrale Nervensystem weitergeleitet und dort wahrgenommen.

Was ist ein neuropathischer Schmerz?

Im Gegensatz zum nozizeptiven Schmerz entstehen neuropathische Schmerzen durch die Schädigung von schmerzleitenden Fasern.

  • Die Ursache dafür können sein; Erkrankungen wie Diabetes mellitus.
  • Es kann sein; Infektionen wie zum Beispiel eine Gürtelrose.
  • Es kann sein; durch Medikamente wie zum Beispiel durch Chemotherapeutika im Rahmen einer Tumorerkrankung.
  • Oder es kann auch durch eine traumatische Schädigung, also wenn durch ein Trauma, durch eine Verletzung, ein Nerv geschädigt wird.

Also es entsteht nicht durch die Erregung von Schmerzrezeptoren, sondern durch eine Verletzung oder Irritation der schmerzleitenden Fasern.

Was ist ein psychosomatischer Schmerz?

Manchmal spricht man auch vom psychosomatischen Schmerz. Das heißt, die Psyche ist ursächlich für die Entstehung von Schmerzen verantwortlich zu machen.

Meistens ist sehr wohl ein Schmerz da, der durch irgendeinen körperlichen Schaden hervorgerufen wird, wird aber massiv durch die Psyche verstärkt.

Also ein rein psychosomatischer Schmerz kommt zwar vor, ist aber eher selten.

Allerdings beeinflusst die Psyche die Stärke des Schmerzes bei einigen Patienten sehr.

Was ist ein dysfunktionaler Schmerz?

Von dysfunktionalen Schmerzen spricht man am ehesten, wenn die körpereigene Schmerzhemmung schlecht ausgebildet ist – der Körper versucht sich selbst vor Schmerzen zu schützen – bzw. die Schmerzverarbeitung im Gehirn verstärkt bzw. gestört ist. Das heißt, im somatischen Gewebe findet man kaum Ursachen, und trotzdem beschreiben die Patienten massive Schmerzen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Fibromyalgie.

Hier geht es zum Video-Interview: „Was sind Schmerzen?“

Schmerzen wahrnehmen

Wie entsteht Schmerz im Körper?

Schmerz kann auf verschiedene Arten im Körper entstehen.

Die häufigste Art ist: Durch eine Gewebe Schädigung werden sogenannte Schmerzrezeptoren aktiviert. Das heißt, es wird Gewebe geschädigt und diese Schmerzrezeptoren werden dadurch aktiviert. Es wird ein Signal über Nervenfasern primär zum Rückenmark geschickt. Dort wird der Schmerz umgeschaltet, teilweise moduliert und dann über aufsteigende Bahnen zum Gehirn weitergeleitet. Auch auf diesen aufsteigenden Bahnen gibt es modulierende Prozesse. Das heißt, es wird der Schmerz meistens eher gefiltert, etwas gehemmt und wird dann im Zentralnervensystem, im Gehirn, in speziellen Regionen wahrgenommen. Also dort kann man dann sagen: Wo tut es weh? Wie tut es weh? Wie lang tut es weh?

Während dieser Schmerzentstehung werden aber auch über gewisse Zentren absteigende, hemmende Bahnen aktiviert. Das heißt, der Körper aktiviert seine körpereigene Schmerzhemmung, um den Schmerz vor allem im Bereich des Rückenmarks auch selbst hemmen zu können bzw. zu filtern.

Warum unterscheidet sich die Schmerzwahrnehmung an verschiedenen Körperstellen?

Die Schmerzwahrnehmung ist im Körper teilweise sehr unterschiedlich. Es hängt davon ab, wie viele Schmerzrezeptoren wo vorhanden sind und auf was diese Schmerzrezeptoren auch reagieren können. Also in der Haut zum Beispiel, das wichtigste Organ, um Schäden von außen wahrzunehmen, gibt es sehr dicht Schmerzrezeptoren, und diese Rezeptoren können auf alles reagieren. Das heißt, sie können auf Temperatur, Hitze und Kälte reagieren. Sie können auf mechanische Reize reagieren, sie können aber auch auf chemische Reize reagieren.

Ein bisschen anders ist es in den Organen, die tiefer liegen. Das können die Eingeweide sein oder eben auch die Lunge. Da gibt es viel weniger oder gar keine Schmerzrezeptoren. Und zum Beispiel, wenn man die Gallenblase oder auch die Niere, die Hohlorgane der Niere, hernimmt, dort gibt es vor allem Mechanorezeptoren. Mechanorezeptoren heißt: Sie reagieren auf jeden Dehnungsreiz, und es ist ja bekannt, dass zum Beispiel ein Verschluss der Gallenwege durch Gallensteine oder nierenableitenden Wege durch Nierensteine so kolikartige Schmerzen machen können. Und kolikartige Schmerzen sind so ziemlich die stärksten Schmerzen, die von Patienten beschrieben werden. Aber dazu bedarf es eben dieser Mechanorezeptoren.

Alles andere, was sich verändert in diesem Eingeweide, wird nur als leichter Druck wahrgenommen und sehr diffus, und Patienten können dann gar nicht genau sagen, wo es wirklich genau wehtut. Wenn es zu einer kolikartigen Schmerzsymptomatik kommt, das können die Patienten sehr genau beschreiben.

Was ist ein übertragener Schmerz und was ist ein projizierter Schmerz?

Für die Diagnostik, vor allem für den Arzt, ist die genaue Schmerzbeschreibung sehr, sehr wichtig, vor allem, wenn es Schmerzen aus den Eingeweiden sind, wie der viszerale Schmerz. Dort gibt es relativ wenige Schmerzrezeptoren, und alles wird sehr diffus dargestellt.

Interessant ist, dass die Schmerzfasern, die aus den Eingeweiden kommen, oft an der gleichen Stelle in der Wirbelsäule im Rückenmark umgeschaltet werden wie Nervenfasern, die zum Beispiel von der Haut kommen.

Und so entsteht zum Beispiel das Phänomen eines übertragenen Schmerzes. Also Schmerzen, die aus der Gallenblase stammen, werden projiziert auf die Schulter zum Beispiel, oder Schmerzen vom Zwerchfell werden auch in die Schultern projiziert. Oder ganz bekannt ist ja zum Beispiel die Symptomatik von Herzinfarkt: Auch vom Herz gibt’s relativ wenige Schmerzrezeptoren, aber der übertragene Schmerz, der sogenannte übertragene Schmerz, wird vor allem im linken Arm oder in der linken Schulter wahrgenommen.

Ein bisschen davon unterscheiden muss man auch noch die projizierten Schmerzen oder ausstrahlende Schmerzen. Das sind Schmerzen, die eigentlich im Bereich der Wirbelsäule vor allem entstehen, aber durch eine Reizung der Nervenwurzel werden sie so ausstrahlendend zum Beispiel in den Beinen wahrgenommen. Da spricht man dann von radikulären oder Wurzelschmerzen oder projizierten Schmerzen.

Lässt sich Schmerz objektiv messen?

Für den behandelnden Arzt ist es natürlich sehr wichtig, wie stark der Schmerz ist.

Der Schmerz gehört eigentlich zu den wichtigen Vitalparametern, also Parameter, die wir beurteilen wollen bei den Patienten. Andere Vitalparameter wie zum Beispiel den Blutdruck, den Puls oder auch die Atemfrequenz, die können wir objektiv messen.

Den Schmerz können nur Sie subjektiv uns mitteilen.

Es gibt verschiedene Skalen dazu, anhand deren Sie uns sagen können, wie stark Ihr Schmerz von Ihnen wahrgenommen wird. Es ist natürlich kein objektiver Parameter, und deswegen ist es auch immer wichtig, wie sehr eine gewisse Schmerzstärke Sie als Patient beeinträchtigt.

Wovon hängt ab, als wie stark man Schmerzen wahrnimmt?

Die Schmerzwahrnehmung ist natürlich nicht immer gleich. Es hängt meistens vor allem vom sozialen Umfeld ab und von der Psyche des Patienten.

  • Wenn Sie gut aufgehoben sind, wenn Sie einen Rückhalt in der Familie haben, wird Schmerz oft doch relativ weniger wahrgenommen, kann aber auch den gegenteiligen Effekt auslösen.
  • Wenn durch Schmerzen eine besondere Unterstützung hervorgerufen wird, kann auch das negative Auswirkungen haben.
  • Von der Psyche her hängt natürlich ab, wie depressiv Patienten sind, welche Angststörungen sie haben, welche Ängste sie überhaupt haben, wie der Schmerz weitergehen wird.
  • Und ein wichtiger Punkt wäre, wie sehr man sich vom Schmerz auch wieder ablenken kann.

Wie kann ich meine Schmerzwahrnehmung beeinflussen?

Sie als Patient können versuchen, Ihren Schmerz selbst zu beeinflussen.

Das heißt, am besten wäre es, wenn es Zeiten gibt, wo Sie den Schmerz vergessen können. Ganz wichtig ist es, sich vom Schmerz abzulenken, einen möglichst normalen Lebensablauf zu leben. Nicht zulassen, dass der Schmerz Ihr Leben bestimmt.

  • Versuchen Sie, Ihren Hobbys nachzugehen.
  • Versuchen Sie, Ihrer Arbeit nachzugehen.
  • Versuchen Sie, Ihren normalen Aktivitäten nachzugehen.
  • Versuchen Sie, Zeiten zu finden, wo Sie Ihren Schmerz vergessen können.

Was ist die körpereigene Schmerzhemmung?

Es gibt auch eine körpereigene Schmerzhemmung. Das heißt: Der Körper versucht, sich selbst vor allzu starken Schmerzen zu schützen. Das heißt: Schmerzreize, die vom Schmerzrezeptor über die Schmerzfasern zum Rückenmark kommen, werden über absteigende, hemmende Bahnen oder auch über lokale Nervenzellen gehemmt. Es gibt eigene Überträgersubstanzen. Und diese körpereigene Schmerzhemmung ist auch ein Ansatz für viele Medikamente.

Wir wissen in der Zwischenzeit, dass bei einigen Patienten diese körpereigene Schmerzhemmung offensichtlich nicht gut funktioniert. Das sind genau die Patienten, die ein besonders hohes Risiko haben, chronische Schmerzen zu entwickeln.

Wo kann die Schmerztherapie ansetzen?

Wenn man jetzt die Schmerzentstehung und die Schmerzleitung anschaut, gibt es verschiedene Stellen, wo Schmerztherapie zumindest einmal medikamentös ansetzen kann.

  • Es gibt Substanzen, die die Schmerzrezeptoren im Gewebe hemmen können.
  • Es gibt Substanzen, die die Schmerzleitung in den Schmerzfasern unterdrücken können.
  • Ganz wichtig ist die Umschaltung im Bereich des Rückenmarks und die Aktivierung der körpereigenen Schmerzhemmung. Da gibt es einige Substanzen, die dort wirken.
  • Und natürlich dann die Schmerzverarbeitung im Zentralnervensystem. Das heißt vor allem im Gehirn. Da wirken zum Beispiel Substanzen wie Opiate, Morphin-Abkömmlinge.

Welche Rolle spielt Bewegung bei der Vermeidung und Behandlung von Schmerzen?

Bewegung ist wahrscheinlich das Um und Auf in der Behandlung von Schmerzen. Es gibt ganz neue Untersuchungen, dass es bei chronischen Schmerzen eigentlich zu chronischen Entzündungsreaktionen im Zentralnervensystem kommt. Und genau diese chronische Entzündung im Zentralnervensystem kann man durch einige Faktoren positiv beeinflussen.

Ein wichtiger Punkt, und vielleicht der wichtigste Punkt, ist die Bewegung. Bewegung führt dazu, dass diese sogenannte Neuroinflammation sich verbessert und dadurch auch chronische Schmerzzustände besser werden können.

Es ist natürlich als Prophylaxe, als Prävention ein ganz wichtiger Faktor, Bewegung zu machen, damit Schmerzen vielleicht primär gar nicht entstehen. Aber auch wenn man schon Schmerzen hat, sollte man immer schauen, dass man sich möglichst viel und möglichst vernünftig bewegt. Vernünftig heißt: Chronische Schmerzpatienten können natürlich keinen Marathon laufen. Aber Sie können als Patient versuchen, täglich ein gewisses Bewegungsprogramm durchzuführen. Sie sollen nicht so lang Bewegung machen, bis Sie massive Schmerzen haben. Aber auch wenn geringe Schmerzen auftreten, sollte es auch kein Grund sein, sofort wieder aufzuhören. Wenn Sie es regelmäßig machen, dann werden Sie sehen, dass Bewegung immer mehr möglich ist und sich positiv auf Ihre Schmerzsituation auswirkt.

Hier geht es zum Video-Interview: „Schmerzen wahrnehmen“

Chronische Schmerzen

Wann spricht man von chronischem Schmerz?

Es ist wichtig, einmal zu definieren: Was ist chronischer Schmerz?

Es gibt verschiedene Definitionen:

  • Einmal rein nach der Zeitdauer – das heißt, chronische Schmerzen sind Schmerzen, die auftreten oder immer wieder auftreten über einen Rahmen über drei Monate hinaus oder sechs Monate hinaus.
  • Ich denke, die fast bessere Definition wäre, wenn Schmerzen auftreten, also primär treten ja alle Schmerzen als akute Schmerzen auf, und wenn dann die Ursache für den akuten Schmerz abheilt, dann sollten auch die Schmerzen weg sein. Wenn Schmerzen über eine normale Heilungsdauer hinaus weiter bestehen, dann spricht man auf jeden Fall von chronischen Schmerzen.

Wie entsteht chronischer Schmerz?

Der Entstehungsmechanismus von chronischen Schmerzen wird ziemlich genau beforscht.

  • Ein Grund dafür, dass chronische Schmerzen entstehen, ist wahrscheinlich, dass die körpereigene Schmerzhemmung nicht ausreichend funktioniert.
  • Dann hängt es davon ab, in welcher Phase Schmerzen auftreten. Ob Patienten gerade in einer sogenannten verletzlichen, vulnerablen Phase sind, da spielt wieder die Psyche sicher eine gewisse Rolle.
  • Aber es entstehen eben bei schlecht behandelten akuten Schmerzen oder bei Patienten, die ein Risiko für die Entstehung von chronischen Schmerzen haben, Vorgänge in der Schmerzverarbeitung, die die Schmerzweiterleitung erleichtern. Das heißt, die Schmerzbahnen werden gebahnt, das heißt, die Übertragung von den Schmerzreizen wird erleichtert, und es führt dann dazu, dass sich Schmerz verselbständigen kann bzw. dass auch leichte Reize, die normalerweise keinen Schmerz machen, bei diesen Patienten dann schlussendlich Schmerzen auslösen.

Welche Faktoren (wie z.B. Fehlverhalten) fördern die Entstehung von chronischem Schmerz?

Also vielleicht zusammenfassend: Die wichtigsten Risikofaktoren, dass chronischer Schmerz entstehen, sind

  • eine angeborene schlechte Schmerzhemmung, körpereigene Schmerzhemmung,
  • schlecht behandelte akute Schmerzen, also nicht ausreichend behandelte akute Schmerzen
  • und eine falsche Reaktion auf Schmerzen. Das heißt, zum Beispiel unter Rückenschmerzen leidet jeder mal. Was sicher ganz, ganz schlecht ist, wenn man sich aufgrund von Rückenschmerzen ins Bett legt und sich nicht mehr bewegt. Rückenschmerzen, so unspezifische Rückenschmerzen, vergehen am besten, wenn man sich wieder bewegt. Also das ist ein ganz wichtiger Punkt: Also die falsche Ruhigstellung, das ist ein Faktor, der die Entstehung von chronischen Schmerzen massiv fördern kann.

Welche Rolle spielt die Psyche bei chronischem Schmerz?

Die Rolle der Psyche bei chronischem Schmerz ist von zwei Seiten zu betrachten:

  • Einerseits kann ein schlechter psychischer Zustand dazu beitragen, dass Schmerzen chronifizieren, dass überhaupt chronische Schmerzen entstehen. Das heißt, wenn Patienten akute Schmerzen in einer eben schlechten Phase erleben, man spricht von einer vulnerablen Phase, dann ist es ein hoher Risikofaktor, dass diese psychischen Kofaktoren zu einer Chronifizierung von Schmerzen führen.
  • Andererseits: Wenn chronische Schmerzen nicht professionell und nicht gut behandelt werden, also wenn auf die Psyche keine Rücksicht genommen wird, dann fördert die Psyche das Weiterbestehen von chronischen Schmerzen.

Chronische Schmerzen unbehandelt führen natürlich dazu, dass Sie sich depressiv fühlen, dass Sie Angst haben vor der Zukunft. Das wirkt sich natürlich dann auch auf die Psyche aus. Das ist auch ein Ansatz in der Therapie von chronischen Schmerzen.

Was ist das Schmerzgedächtnis?

Man hört immer sehr viel vom Schmerzgedächtnis, das heißt Schmerz ist etwas Ähnliches wie ein Lernvorgang. Also man kann Schmerzen so wie Radfahren lernen. Und wenn Sie sich das überlegen, wenn man mal Radfahren gelernt hat, verlernt man nicht mehr Radfahren. Und so ähnlich kann man sich eigentlich auch den chronischen Schmerz vorstellen. Es entsteht ein Gedächtnis für den Schmerz.

Deswegen ist es wichtig, akute Schmerzen so gut wie möglich zu behandeln, dass so ein Schmerzgedächtnis gar nicht entstehen kann. Denn das Schmerzgedächtnis wieder auszulöschen bzw. dass Sie Schmerzen wieder verlernen, ist ein sehr komplexes Thema.

Wie kann ich chronischem Schmerz vorbeugen?

Vorbeugen wäre natürlich die beste Methode, dass chronische Schmerzen nicht entstehen. Wenn wir einmal davon ausgehen, dass die meisten chronischen Schmerzen den Bewegungs- und Stützapparat betreffen, ist die wichtigste Vorbeugung die ausreichende Bewegung. Je mehr Sie sich bewegen, umso weniger Chance haben Sie, dass Sie chronische Schmerzen in diesem Bereich bekommen. Natürlich übertriebene Bewegung kann auch zu Schmerzen führen.

Andererseits ist es immer ganz gut: Chronische Schmerzen können zum Beispiel auch nach Operationen entstehen. Wenn Sie in eine Situation kommen, dass Sie eine geplante Operation haben, dann schauen Sie, dass Sie Unterstützung bekommen von Ihrem Umfeld, auch von Ihrer Familie, von dem sozialen Umfeld. Auch das kann unterstützen, dass Sie diese Phase, wo Gefahr besteht, dass Sie chronische Schmerzen entwickeln, gut überstehen.

Kann man einen Schmerz, der chronisch geworden ist, noch heilen?

Prinzipiell muss natürlich das Ziel sein, auch chronische Schmerzen wieder heilen zu können. Es wird immer wieder vermittelt: „Kein Patient muss Schmerzen haben.“, „Endlich schmerzfrei…“. Bei vielen chronischen Schmerzpatienten ist dieses Ziel aber nicht ganz erreichbar.

Die Therapieziele müssen eigentlich zwischen dem Arzt und Ihnen als Patient definiert werden. Es macht wirklich Sinn, wenn wir gemeinsam überlegen:

  • Wo wollen wir hin?
  • Was macht der Schmerz mit Ihnen?
  • Wie sehr sind Sie durch den Schmerz beeinträchtigt?

Eine Schmerzlinderung ist prinzipiell fast immer möglich, praktisch immer möglich. Aber wichtig ist, dass die Schmerzlinderung dazu führt, dass Ihre Lebensqualität besser wird, dass Ihr Schlaf besser wird, dass Ihre Aktivität besser wird.

Und deswegen macht es absolut Sinn, zu Beginn einer Therapie gemeinsam zu besprechen: Wo wollen wir hin?

Was sind realistische Ziele in der Schmerztherapie? Warum sollte ich sie gemeinsam mit meiner Ärztin/ meinem Arzt festlegen?

Realistisch ist, dass die Therapie

  • zu einer deutlichen Verbesserung Ihrer Lebensqualität führt,
  • zu einer deutlichen Verbesserung Ihrer Aktivität führt,
  • und dass es zu einer deutlichen Verbesserung Ihrer Psyche führt.

Dazu ist es natürlich notwendig, den Schmerz zu lindern. Es geht um Schmerzlinderung bei vielen Patienten, das heißt nicht unbedingt Schmerzfreiheit, und das ist wirklich gut zu definierendes Ziel, auch anhand von einer Schmerzskala.

Wie schnell können sich chronische Schmerzen durch eine Behandlung merkbar bessern?

Chronische Schmerzen wird man in der Regel nicht von einem Tag auf den anderen bessern können. Das ist ein wichtiger Punkt, den Ihr behandelnder Arzt mit Ihnen genau besprechen sollte.

Sie dürfen nicht erwarten, dass ein Therapieansatz dazu führt, dass Sie vielleicht schon am nächsten Tag eine deutliche Schmerzlinderung erfahren. In manchen Fällen ist es vielleicht möglich. Aber in der Regel ist es so, dass ein Therapiekonzept meistens Wochen bis ein paar Monate in Kauf nimmt.

Es wird in diesem Zeitraum natürlich zu einer langsamen Besserung kommen und hoffentlich kann man auch nach Tagen, Wochen, Monaten ein Therapieziel dann auch erreichen.

Wie kann ich besser mit bleibenden Schmerzen umgehen?

In vielen Fällen werden Sie damit rechnen müssen, dass ein gewisses Ausmaß an Schmerzen bestehen bleibt. Und da wäre es dann wichtig, dass Sie sich damit einmal arrangieren können. Es geht um eine Akzeptanz. Sie müssen akzeptieren, dass Sie ein Schmerzpatient sind, dass Sie mit diesen Schmerzen wahrscheinlich ihr Leben lang weiterleben müssen.

Aber wichtig ist, dass Sie bestimmen dann, wie Sie weiterleben. Es darf nicht der Schmerz Ihr Leben bestimmen, sondern Sie werden den Schmerz mit Ihrer Psyche, mit Ihren Aktivitäten selbst bestimmen.

Hier geht es zum Video-Interview: „Chronische Schmerzen“

Schmerzen beschreiben

Warum ist es wichtig, wie ich meinen Schmerz beschreibe und inwiefern hilft das meiner Ärztin/meinem Arzt weiter?

Für den behandelnden Arzt ist natürlich die Schmerzstärke ein wichtiger Parameter, aber fast noch wichtiger ist die Qualität Ihres Schmerzes. Es ist extrem wichtig, zu wissen, wie es Ihnen weh tut. Es gibt verschiedene Arten von Schmerzen:

  • Es gibt den Entzündungsschmerz, der meist brennend ist oder auch ein stechender Schmerz sein kann.
  • Aber es gibt auch Nervenschmerzen, und Nervenschmerzen haben ganz andere Qualitäten. Bei Nervenschmerzen kommen Phänomene wie Kribbeln, Ameisenlaufen vor. Es kommt brennend wie Feuer vor. Es kommen elektrisierende Schmerzwahrnehmungen vor.

Die Qualität, die Sie beschreiben, kann dem Arzt weiterhelfen, zur richtigen Diagnose zu finden.

Welche Informationen braucht die Ärztin / der Arzt über meinen Schmerz?

Je besser Sie dem behandelnden Arzt Ihren Schmerz schildern können, umso einfacher wird es für den Mediziner, die richtige Diagnose, die richtige Ursache zu finden. Es geht darum, dass Sie genau beschreiben können:

  • Wo tut es Ihnen weh?
  • Wie oft tut es Ihnen weh?
  • Wie stark tut es Ihnen weh?
  • Was löst diesen Schmerz aus?
  • Was lindert den Schmerz?
  • Wie ist der Schmerz?
  • Wie ist genau die Qualität des Schmerzes?

Und alle diese Parameter in Zusammenschau können dann dazu helfen, die richtigen Therapieansätze für Sie zu finden.

Wie kann ich beschreiben, wie sich der Schmerz anfühlt?

Um die Qualität Ihres Schmerzes besser beurteilen zu können, gibt es auch spezielle Fragebögen.

  • Es wird verglichen, wie Stromschläge zum Beispiel, oder zum Beispiel, wenn Sie duschen, ob Ihnen kaltes Wasser, warmes Wasser unangenehm ist.
  • Dieses Kribbeln ist ganz, ganz wichtig.
  • Oder ob Sie in dem Bereich, wo Sie Schmerzen empfinden, auch ein Taubheitsgefühl haben.
  • Ob auch nur leichter Druck auf diese Stelle Schmerzen auslöst.

Also je genauer Sie das beschreiben können, umso besser kommt man zur richtigen Diagnose.

Wie können Schmerzskalen die Kommunikation mit meiner Ärztin / meinem Arzt unterstützen?

  • Schmerzskalen sind einmal notwendig, um die aktuelle Schmerzstärke zu evaluieren und festzustellen.
  • Aber Schmerzskalen können auch dazu dienen, dass man gleich Therapieziele festsetzt.

Ein gutes Beispiel dafür ist diese Skala, wo im oberen Teil der aktuelle Schmerz auf einer zehnteiligen Skala, das ist die übliche Skala – 0 wäre kein Schmerz, 10 der stärkstvorstellbare Schmerz. Und wenn Sie als Patient mir dann sagen, wo Sie sich momentan befinden, sagen wir z.B. zwischen 7 und 8, dann können wir gemeinsam in Therapieziel festlegen:

  • Wo wollen wir hin?
  • Wo hätten Sie das Gefühl, dass eine Schmerzstärke mit einer guten Lebensqualität zu vereinbaren wäre?

Das könnten Sie auf der unteren Skala einstellen.

Und dann kann man im Therapieverlauf feststellen, ob wir dieses Therapieziel erreichen oder wie weit wir mit unserer Therapie kommen.

Welche Schmerzskalen kommen zum Einsatz?

Es gibt verschiedenste Schmerzskalen.

Für die Praxis bewährt, also auch für den Therapieverlauf, haben sich ganz einfach die numerischen Schmerzskalen. Das heißt: Eine numerische Schmerzskala beginnt bei 0. 0 ist kein Schmerz, und 10 ist das stärkstvorstellbare Schmerz.

Das kann man natürlich mit solchen Skalen visualisieren. Also Sie können es sich anschauen.

Im Therapieverlauf, also Patienten, die öfter danach gefragt wurden, können ganz einfach eine Zahl nennen. Man gewöhnt sich an diese Schmerzeinschätzung und braucht dann nicht mehr unbedingt eine Skala dazu. Also üblicherweise frage ich Patienten beim zweiten, dritten Mal: „Wo liegen wir heute beim Schmerz?“ Und ich kriege dann die Antwort: „Zwischen 4 und 5.“ oder „Bei 5 in etwa.“ Ich glaube, dass ist das bewährteste und auch anerkannteste Messinstrument in der Schmerzmedizin.

Auf welche Parameter für eine bessere Lebensqualität wird in der Schmerztherapie abgezielt?

  • Also wichtige Parameter für die Lebensqualität, die zu verbessern wären, sind vor allem der Schlaf. Viele chronische Schmerzpatienten sind in ihrer Schlafgewohnheit sehr gestört. Sie können tage-, wochen-, monatelang nie ausreichend schlafen. Das ist ein sehr wichtiges Therapieziel, dass das dem Patienten möglich gemacht wird.
  • Wichtig ist, dass die tägliche Aktivität wiederhergestellt werden kann, dass man sich selbst versorgen kann, dass man das, was einem Freude macht, auch wieder machen kann, eventuell auch wieder einer Arbeit nachgehen kann,
  • dass man wieder belastbarer wird.
  • Wichtig ist, dass die Stimmung besser wird.
  • Und ganz, ganz wichtig ist, dass die Therapie, die zur Schmerzlinderung führt, vor allem die medikamentöse Schmerztherapie, nicht massive Nebenwirkungen hervorruft. Dann hilft auch die Schmerzlinderung nicht, weil dann die Lebensqualität nicht besser wird, wenn die Nebenwirkungen der medikamentösen Therapie in den Vordergrund rücken.

Was ist ein Schmerztagebuch und wie funktioniert es?

Vor allem am Beginn einer Therapie kann auch ein Schmerztagebuch eingesetzt werden. In dieses Schmerztagebuch tragen Sie als Patient täglich, mehrmals täglich, Ihren Schmerz ein, also das heißt: Wie stark ist der Schmerz und, wenn möglich, auch die Beeinträchtigung durch Ihren Schmerz.

Auch da gibt es vorgefertigte Schmerztagebücher, wo dann drinnen Schmerzskalen vorhanden sind, wie Ihre Stimmung zu diesem Zeitpunkt ist, wie Ihre Nebenwirkungen sind, ob Sie Übelkeit, Verstopfung zum Beispiel auch haben, wie es Ihnen psychisch geht. Das wird dann meistens dreimal oder manchmal auch öfters pro Tag ausgefüllt.

Warum sollte ich ein Schmerztagebuch führen?

Das ist nämlich auch wichtig, um die Therapie genau an Ihren Tagesablauf anzupassen.

Schmerzen sind nicht immer den ganzen Tag gleich. Manche Patienten haben untertags mehr Schmerzen, andere Patienten haben mehr in der Nacht Schmerzen und sind dadurch sehr gestört.

Es ist für den behandelnden Arzt in diesem Fall wirklich wichtig, zu wissen: Wie ist der Schmerzverlauf? Wann haben Sie die stärksten Schmerzen?

Daran kann man die Therapie dann sehr gut anpassen.

Und man kann anhand der Schmerztagebücher natürlich auch den Erfolg überprüfen.

Wann sollte ich mit meinem Schmerztagebuch besser aufhören?

Ich möchte nur ein bisschen davor warnen, dieses Schmerztagebuch für immer und ewig weiter zu führen.

Es ist ein großes Ziel, Sie vom Schmerz abzulenken. Und wenn Sie dann über Wochen oder Monate so ein Schmerztagebuch ausfüllen, dann werden Sie keine Gelegenheit haben, sich vom Schmerz abzulenken. Sie werden immer wieder zum Schmerz zurückgeführt.

Also für die primäre Diagnostik vom Tagesablauf und wie sehr Sie beeinträchtigt sind und für den primären Therapieerfolg ist das Führen eines Tagebuches sehr, sehr sinnvoll.

Aber zum richtigen Zeitpunkt muss auch damit wieder aufgehört werden.

Hier geht es zum Video-Interview: „Schmerzen beschreiben“

Untersuchungen und Diagnose

Wann sollte ich mit Schmerzen zur Ärztin/zum Arzt gehen?

Wenn man Schmerz als Warnsignal hernimmt, dann sollte jeder Schmerzzustand, der durch einfache Methoden, durch Entspannung, durch eine Dusche, was auch immer, oder durch einfache Medikamente aus der Apotheke nicht innerhalb von Tagen behandelbar ist, dazu führen, dass man medizinische Hilfe in Anspruch nimmt.

An wen soll ich mich wenden, wenn ich chronische Schmerzen habe?

Wenn Schmerzen erstmals auftreten, ist der erste Ansprechpartner der Allgemeinmediziner, Ihr praktischer Arzt.

Zu dem sollten Sie primär gehen, und er wird dann entscheiden bzw. auch nach der Untersuchung entscheiden, ob eine weitere Diagnostik notwendig ist oder ob auch ein anderer Facharzt notwendig ist.

  • Es kann bei Nervenschmerzen sehr sinnvoll sein, dass Sie dann einen Neurologen aufsuchen,
  • wenn es den Bewegungsapparat betrifft, werden Orthopäden, Neurochirurgen vielleicht die Ansprechpartner sein
  • oder auch physikalische Mediziner.

Welche Gesundheitsberufe können in die Schmerztherapie eingebunden sein?

Je chronischer ein Schmerz ist, umso mehr Gesundheitsberufe sollten an der Therapie beteiligt sein.

  • Natürlich brauchen Sie einen Mediziner, der sich um die Schmerzlinderung kümmert.
  • Aber für die Bewegungstherapie ist dann notwendig ein Physiotherapeut oder ein physikalischer Mediziner.
  • Sie brauchen psychologische Betreuung, wenn die chronischen Schmerzen länger bestehen.
  • Und ein wichtiger Teil wäre zum Beispiel auch die Entspannungstherapie.

Also es bedarf der Zusammenarbeit eines ganzen Teams, um die richtige Schmerztherapie für Sie optimal zu gestalten.

Wie läuft die Diagnose bei Schmerzen ab?

Die Diagnose bei Schmerzen kann sehr aufwendig sein.

Wenn Sie zu einem Schmerzspezialisten kommen oder in eine Schmerzambulanz, wird der Schmerzverlauf genau erhoben. Sie werden wahrscheinlich einige Fragebögen ausfüllen müssen. Aber ganz wichtig ist, dass Sie genau beschreiben:

  • Wann ist dieser Schmerz entstanden?
  • Wodurch ist dieser Schmerz entstanden?
  • Welche Behandlungsmethoden wurden schon einmal verwendet?

Ganz, ganz wichtig ist, dass Sie Ihren Schmerz so genau wie möglich beschreiben können nach Ort, Zeit, was den Schmerz positiv, was den Schmerz negativ beeinflusst, wie der Schmerz ist, was den Schmerz auslöst, wie sie den Schmerz irgendwie vielleicht auch lindern können durch einfache Methoden.

Ganz wichtig ist dann die körperliche Untersuchung, das heißt, eine Untersuchung wie beim Neurologen, wie Sie gewisse Berührungen wahrnehmen, wie Ihre Reflexe sind, wie Ihre Beweglichkeit ist, was die Wirbelsäule betrifft, welche Bewegungen möglich sind, welche Bewegungen Schmerzen auslösen.

Und danach wird versucht, eine Diagnose zu stellen.

Und aufgrund dieser Diagnose werden dann die weiteren Maßnahmen beschlossen.

Welche Fragen stellt mir die Ärztin/der Arzt, um mehr über meinen Schmerz zu erfahren?

Der Arzt wird Sie ziemlich sicher danach fragen:

  • Wann hat das Ganze begonnen?
  • Wie lang leiden Sie schon unter diesen Schmerzen?
  • Was war das auslösende Ereignis?
  • Wodurch ist dieser Schmerz überhaupt entstanden?
  • Wie war der weitere Schmerzverlauf?

Dann, ganz wichtig:

  • Wie stark ist der Schmerz?
  • Wie stark ist er momentan?
  • Wie stark ist Ihr stärkster Schmerz?
  • Wie stark ist Ihr Schmerz im Durchschnitt?
  • Wo ist der Schmerz?
  • Was tut genau weh?
  • Welche Bewegung tut weh?
  • Was löst den Schmerz aus?
  • Oder eben: Was können Sie tun, um den Schmerz auch wieder etwas zu lindern?
  • Was haben Sie schon alles verwendet?
  • Welche Medikamente haben Sie schon genommen? Ganz, ganz wichtig, dass Sie das wissen, welche Medikamente Sie schon einmal genommen haben und ob das gewirkt hat, ob es nicht gewirkt hat, ob es Nebenwirkungen verursacht.

Welche Methoden Sie schon angewendet haben:

  • Haben Sie schon einmal Physikalische Medizin gemacht?
  • Physikalische Therapie?
  • Haben Sie Bewegungstherapie gemacht?
  • Haben Sie eher so passive Verfahren verwendet? Das heißt Massage oder Strom oder auch Packungen?
  • Auch das ist wichtig: Wie hat sich das ausgewirkt auf Ihren Schmerz?
  • Wichtig ist natürlich auch, welche Begleiterkrankungen Sie haben.
  • Welche Medikamente nehmen Sie sonst noch?

Das in Zusammenschau wird dann dazu führen, ob weitere Untersuchungen notwendig sind, ob man eine Bildgebung machen muss, zum Beispiel ein Röntgen oder eine Magnetresonanzuntersuchung oder auch noch ganz spezielle Untersuchungen.

Wie kann ich mich auf den Termin bei der Ärztin/dem Arzt vorbereiten?

Günstig ist, wenn Sie für den Arztbesuch einmal alles zusammensuchen, was Sie schon haben.

  • Vielleicht sind schon Röntgenuntersuchungen gemacht worden, damit man nicht alles noch einmal wiederholen muss.
  • Wichtig ist zusammenzustellen: Welche Medikamente nehmen Sie jetzt momentan? Man kann nicht alle Medikamente miteinander kombinieren.
  • Haben Sie vielleicht aktuelle Laborbefunde? Dann wäre das auch ganz, ganz wichtig, diese mitzunehmen.
  • Wenn es möglich ist, ein Schmerztagebuch schon vorher auszufüllen, damit man beurteilen kann, wie da Ihr Schmerzverlauf ist, wie Sie beeinträchtigt sind untertags, wie Ihr Schlaf zum Beispiel ist.

Das ist sehr hilfreich, um gleich mit einer vernünftigen Therapie beginnen zu können.

Wie läuft eine körperliche Untersuchung bei Schmerzen ab?

Die körperliche Untersuchung hängt natürlich davon ab, mit welchen Schmerzsymptomen Sie zum Arzt kommen.

Wenn Sie z.B. mit einer Gürtelrose kommen, dann wird der Arzt die Stelle, die betroffen ist, das ist ja meistens irgendwo am Oberkörper, Bauch, kann aber auch das Gesicht betreffen, ganz genau untersuchen. Da geht es darum: Wie wird Berührung wahrgenommen? Wie werden Nadelstiche wahrgenommen? Wie ist das im Vergleich zur anderen Seite, die nicht betroffen ist?

Das wird prinzipiell bei allen Arten von Nervenschmerzen in dem Bereich durchgeführt. Meistens ist ja eine Seite nicht betroffen, und dann kann man vergleichen: Welche Qualitäten sind bei der schmerzhaften Seite betroffen? Ist da irgendwo etwas überempfindlich oder auch weniger empfindlich? Und daraus kann man schließen: Was wird vielleicht die richtige Therapie dafür sein?

Wenn es sich um Kopfschmerzen handelt, dann wird natürlich die Nackenmuskulatur genau untersucht. Man muss schauen: Ist es mehr so eine Art Spannungskopfschmerzen, die durch Verspannungen im Bereich der Halswirbelsäule oder der Muskulatur in diesem Bereich hervorgerufen sind? Da wird genau untersucht: Wie ist zum Beispiel die Beweglichkeit der Halswirbelsäule.

Abhängig sonst von dem Bereich der Wirbelsäule gibt es spezielle Untersuchungen: Wie weit kommen Sie mit den Fingern bis zum Boden? Oder wenn der Verdacht besteht, dass auch eine Nervenwurzel betroffen ist, dann muss man schauen: Wie ist die Kraft in den Beinen zum Beispiel? Da gibt es Untersuchungen, ob Sie auf der Ferse stehen können, oder ob Sie auf der Zehe stehen können, wie Ihre Reflexe zum Beispiel sind. Oder es gibt dann natürlich auch Untersuchungen, wo der Körper so bewegt wird, wo man schaut, ob durch diese Bewegung Schmerzen ausgelöst werden. Dadurch kann man auch schließen, welche Strukturen im Körper betroffen sind.

Also so eine körperliche Untersuchung kann sehr aufwendig sein, hängt aber davon ab, das Ausmaß hängt davon ab, welche Symptome Sie dem behandelnden Arzt erzählen.

Wie läuft eine quantitative sensorische Testung (QST) ab?

In ganz speziellen Fällen und in ganz speziellen Zentren kann man die Funktion verschiedener Nervenfasern untersuchen. Dieses Verfahren heißt Quantitative Sensorische Testung (QST). Das heißt: Es wird durch verschiedene Methoden versucht herauszufinden, welche Nervenfasern…

Erstens einmal wird herausgefunden, ob es sich eher um einen nozizeptiven, also um einen Schmerz aus Gewebe handelt, oder ob es sich um einen Nervenschmerz handelt.

Und wenn es sich um einen Nervenschmerz handelt, kann man dann noch ganz gut differenzieren, welche der Nervenfasern geschädigt sind. Dazu werden verschiedene Tests durchgeführt.

  • Es werden Tests durchgeführt mit Berührung, ob Sie leichte Berührung überall gleich fühlen.
  • Es werden Tests gemacht mit Druck, wie stark der Druck bei Ihnen Schmerz auslöst.
  • Es werden Tests durchgeführt mit Vibrationen, ob Sie das wahrnehmen können oder nicht.
  • Und es werden Tests durchgeführt mit Temperatursonden oder Thermoden heißt das. Es wird Kälte oder Wärme appliziert. Bei gewissen Nervenfasern wird Wärme oder Hitze nicht richtig wahrgenommen. Bei der Schädigung anderer Nervenfasern ist die Kälte mehr betroffen. Das ist eine ziemlich aufwendige Untersuchung, die manchmal vielleicht leicht schmerzhaft ist. Es wird nämlich immer getestet bis zur Schmerzschwelle. Aber Sie entscheiden, ab wann es wehtut, und dann wird natürlich dieser Versuch immer abgebrochen, sobald die Schmerzschwelle erreicht wird. Es ist ein aufwendiges Verfahren, kann aber dazu beitragen, dass rasch die richtige Therapie gefunden wird.

Welche Diagnosemethoden können sonst noch eingesetzt werden?

Je nach den Ergebnissen der klinischen Untersuchung und was Sie dem Arzt erzählt haben, also die Anamnese nennt man das, wie Schmerzen entstanden sind, wie Schmerzen Sie beeinträchtigen oder was Schmerzen auslösen, wird dann der behandelnde Arzt entscheiden, ob in diesem Fall auch ein Röntgen oder eine Magnetresonanz notwendig ist. Es ist nicht immer notwendig, eben diese aufwendigen Untersuchungen wie Magnetresonanz durchzuführen. Vor allem, wenn es schon einen Befund von vor einem halben Jahr oder einem Jahr gibt, wenn sich die Symptome nicht sehr geändert haben, ist es nicht notwendig, sofort wieder eine neue Untersuchung zu machen.

In wenigen Fällen kann es auch notwendig sein, eine Blutabnahme zu machen für eine Labordiagnostik. Das kommt manchmal vorher bei Neuropathien, bei neuropathischen Schmerzen, bei sogenannten Polyneuropathien. Da gibt es ein paar Befunde, die man erheben muss, um Grunderkrankungen auszuschließen. Andererseits ist so ein Labor, wenn es nicht vorhanden ist, auch notwendig, um zu schauen, welche Medikamente einzusetzen sind. Nicht alle Medikamente können bei allen Patienten eingesetzt werden. Es hängt davon ab, ob die Leber und die Niere zum Beispiel normal funktionieren. Wenn die Funktion eingeschränkt ist, kommen einige Medikamente auch nicht in Frage. Und deswegen ist es notwendig, diese Befunde zu wissen.

Hier geht es zum Video-Interview: „Untersuchungen und Diagnose“

Geprüft OA Dr. Wolfgang Jaksch: Stand Oktober 2020 | Quellen und Bildnachweis

Die Kurse sind kein Ersatz für das persönliche Gespräch mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt, sondern ein Beitrag dazu, PatientInnen und Angehörige zu stärken und die Arzt-Patienten-Kommunikation zu erleichtern.