Wie entstehen Schmerzen?
Die Wahrnehmung von Schmerzen ist ein komplexer Prozess. Bis wir nach einem Schmerzreiz auch tatsächlich eine Schmerzempfindung wahrnehmen, laufen eine Vielzahl an Vorgängen in unserem Körper ab.
Arten von Schmerzreizen
Schmerzreize können von außen auf den Körper wirken oder durch körpereigene Vorgänge produziert werden.
Äußere Reize:
- thermisch (z.B. durch Hitze/Kälte)
- chemisch (z.B. durch Vergiftungen)
- mechanisch (z.B. durch Verletzungen)
Innere Reize:
- Stoffwechselvorgänge (z.B. bei Entzündungen)
Wie erkennt der Körper, um welchen Reiz es sich handelt?
Schmerzreize werden von Sinneszellen, den sogenannten Nozizeptoren registriert und weitergeleitet. Nozizeptoren sind freie Nervenendigungen, die in der Haut und fast allen inneren Organen vorhanden sind. An der Oberfläche des Nozizeptors befinden sich verschiedene Signalempfänger (sog. Rezeptoren) für die unterschiedlichen Reizarten. Wird einer dieser Rezeptoren durch einen passenden Reiz aktiviert, leitet er Signale mittels elektrischer Ströme ans Rückenmark weiter.
Wann wird aus dem Schmerzsignal der tatsächlich empfundene Schmerz?
Im Rückenmark befinden sich Nervenschaltstellen, die sogenannten Synapsen, die mittels Botenstoffen (sog. Neurotransmittern) das Schmerzsignal von einer Nervenzelle auf die nächste weiterleiten. So gelangt das Signal am Ende bis zum Gehirn, wo es weiterverarbeitet wird. Erst im Gehirn entsteht die eigentliche Schmerzempfindung und nicht direkt an dem Ort, an dem der Schmerz verursacht wurde. Das passiert in unterschiedlichen Hirn-Arealen:
- in der Großhirnrinde, der äußeren Schicht des Großhirns, findet eine Bewusstmachung und Beurteilung des Schmerzes statt, d.h. dort wird das Signal wahrgenommen
- im limbischen System, angesiedelt im inneren Hirnbereich, wird der Schmerz emotional verarbeitet, d.h. erst dort wird der Schmerz als unangenehm eingestuft
Stärke des Schmerzes
Die Stärke Ihres Schmerzes ist einerseits etwas sehr Subjektives. Nur Sie können Ihn empfinden und beschreiben. Andererseits liegt es auch an Ihnen, diese Schmerzintensität zu beeinflussen.
Die Nervenfasern
Der Schmerzreiz wird von Nervenfasern über das Rückenmark ins Gehirn weitergeleitet. Es gibt „dicke“ und „dünne“ Nervenfasern, die Schmerzen in unserem Körper leiten können:
- Dicke Nervenfasern
(z.B. A-Delta-Fasern) leiten Reize schnell und führen zu einem ersten, sofort auftretenden, hellen Schmerz. - Dünne Nervenfasern
(z.B. C-Fasern) leiten Reize langsamer und bewirken einen dumpfen, anhaltenden zweiten Schmerz. Das Schmerzsignal kann stärker oder schwächer sein. Das hängt vor allem von der Gewebeschädigung und dem Grad der Sensibilisierung ab.
Welchen Einfluss können Schmerzen unterschiedlicher Stärke auf den gesamten Körper haben?
Der Schmerz führt auch unbewusst zu verschiedenen körperlichen Reaktionen wie einer Erhöhung des Blutdrucks oder einer Beschleunigung der Atmung. Leichte Schmerzen können so die Aufmerksamkeit erhöhen, wohingegen extrem starke Schmerzen sogar bis zur Bewusstlosigkeit führen können. Der Schmerz hat also, unabhängig davon, ob Sie es ihm zugestehen wollen, einen Einfluss auf Ihren Körper. Daher ist es wichtig, Ihren Arzt bei dauerhaften Schmerzen rechtzeitig aufzusuchen.
Was sie im ersten Moment selbst tun können
Da Schmerzen sehr subjektiv wahrgenommen werden, gibt es keine objektiven Empfehlungen, wie Sie sich bei Schmerzen zu verhalten haben und wann Sie Medikamente einnehmen oder eine Ärztin/einen Arzt konsultieren sollten. Sie kennen Ihren Körper am besten und können daher den Schmerz auch am verlässlichsten einschätzen.
Medikamente
Sie können zunächst versuchen, Ihre Schmerzen mit handelsüblichen rezeptfreien Medikamenten zu bekämpfen. Diese Schmerzmittel sollten Sie jedoch nicht länger als ein paar Tage anwenden und bei Weiterbestehen oder Verstärkung der Beschwerden eine Ärztin/ einen Arzt aufsuchen.
Ruhe
Außerdem kann es sinnvoll sein, dem schmerzenden Körperteil eine Auszeit zu gönnen (z.B. schmerzenden Körperteil ruhig stellen, intensivere körperliche Betätigung meiden usw.). Verschwinden Schmerzen wieder von alleine, so ist es meist nicht notwendig, medizinische Hilfe zu suchen.
Medizinische Hilfe aufsuchen
Hinweise darauf, dass Sie eine Ärztin/einen Arzt aufsuchen sollten, könnten zum Beispiel sein:
- Sind die Schmerzen viel stärker als sonst?
- Tritt der Schmerz sehr plötzlich und besonders stark auf?
- Lässt er sich mit einfachen Schmerzmitteln aus der Apotheke nicht in den Griff bekommen?
- Dauert die Schmerzempfindung längere Zeit an (mehrere Tage/Wochen)?
Den Schmerz beeinflussen
Um Schmerzen zu verringern, ist nicht immer sofort die Einnahme eines Schmerzmedikamentes notwendig. Unser Körper hat, als ausgeklügeltes System, auch eine Möglichkeit parat, selbst gegen Schmerzen anzukämpfen.
Wie das Gehirn selbst Schmerzen reduzieren kann
Das Gehirn hat effiziente Wege entwickelt, Schmerzen zu reduzieren:
- Körpereigene Schmerzmittel
Der Körper kann, wenn nötig, selbst Stoffe herstellen, die Schmerzen reduzieren oder manchmal auch vollständig ausschalten können. Diese Stoffe werden Endorphine genannt und ähneln in ihrem Aufbau starken Schmerzmedikamenten („Morphine“ = sog. Opioide). Sie blockieren die Schmerzweiterleitung an den Synapsen des Rückenmarks.
In manchen Situationen führt das sogar dazu, dass Schmerzen erst wieder wahrgenommen werden, wenn die Situation sich entspannt und der Körper weniger Endorphine produziert.
- Schmerzhemmung durch das Nervensystem
Das Nervensystem sendet schmerzauslösende Signale an das Gehirn. Umgekehrt gibt es schmerzhemmende Impulse direkt zu den Synapsen im Rückenmark. Diese führen zur Ausschüttung von Substanzen wie zum Beispiel Noradrenalin. Dadurch wird die Weiterleitung von Schmerzsignalen an den Synapsen blockiert
Wie kann ich mit Bewegung die körpereigene Schmerzhemmung anregen?
Körperliche Bewegung bewirkt, dass verschiedenste Hormone (beispielsweise Noradrenalin und Serotonin) ausgeschüttet werden. Diese können das allgemeine Wohlbefinden steigern und auch die Schmerzhemmung im Körper anregen.
Versuchen Sie die für Sie passendste Art der Bewegung zu finden, die Ihnen gut tut und Freude bereitet. Das kann vielleicht ein erholsamer Spaziergang an der frischen Luft sein oder eine wohltuende Yoga-Einheit. Sie können aber genauso gemeinsam mit Freunden körperlichen Aktivitäten nachgehen und einander zur Bewegung motivieren. Vielleicht macht Ihnen ja beispielsweise gemeinsames Fahrradfahren oder Schwimmen Freude. Achten Sie dabei immer auf Ihre individuelle Schmerzgrenze und überlasten Sie Ihren Körper nicht.
Downloads
-
Glossar Hier finden Sie begleitend zur Online-Kursreihe "Schmerzen erfolgreich bewältigen" alle wichtigen Begriffe gesammelt.
Geprüft OA Dr. Wolfgang Jaksch: Stand Oktober 2020 | Quellen und Bildnachweis