„Empowerment“ ist ein Schlagwort, das immer wieder mal in den Medien aufpoppt. Auch im Zusammenhang mit Krebserkrankungen. Doch was ist denn eigentlich damit gemeint?
Eine Steckdose zum Auftanken der Seele
Für mich persönlich bedeutet „Empowerment“ Kapitänin meines eigenen Schiffchens zu sein. Ein klares Ziel vor Augen zu haben und das Ruder nicht aus der Hand zu geben. Ich meine damit, meine Krankheit anzunehmen, für mich und meine – zugegebenermaßen schwierige – Situation Verantwortung zu übernehmen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Es geht um das Wahrnehmen der eigenen Ressourcen, ein Nutzen der Gestaltungsspielräume und somit auf den Punkt gebracht: Resilienz. Das zur trockenen Theorie.
In der Praxis ist das natürlich bei Weitem nicht so einfach umzusetzen, wie es sich anhört. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Nach der Schockdiagnose „Krebs“ gilt es, diese erst mal zu verdauen und Trauerarbeit zu leisten. Danach beginnt der steinige, medizinische Weg, den viele wie ein dunkles Vakuum, in dem sie einfach funktionieren, wahrnehmen. Währenddessen bleibt kaum Zeit zum Durchatmen. Doch irgendwann kommt der Punkt, an dem einem die Puste ausgeht und man das Gefühl hat: „Nichts geht mehr“.
Dann, ja – genau dann, braucht man einen Energiekick; eine virtuelle Steckdose, welche es vermag, die Seele wieder aufzuladen.
Ich bin unheilbar an metastasiertem Brustkrebs erkrankt. D. h. ich habe keine Chance mehr auf Heilung, bekomme Dauertherapie und muss mit dieser belastenden Situation Tag für Tag klarkommen. Ich habe aufgehört, mit meinem Schicksal zu hadern und mich mit „Warum ausgerechnet ich?“-Fragen zu quälen. Stattdessen blicke ich nach vorne, versuche meine Zeit sinnvoll zu nützen und gönne mir immer wieder powervolle Me-Zeiten.
Doch was mache ich konkret, um Kraft zu tanken? Was ist Inhalt meiner Steckdose?
Ich tue. Die Krankheit hat mich zu einem generellen Umdenken veranlasst. Ich bediene mich meiner Stärken, stelle die Schwächen hintan und habe meinen Fokus gänzlich verändert. Ich sehe mich nun als Brustkrebsaktivistin, will anderen helfen, meine Erfahrungen weitergeben und zur Vorsorge aufrufen. In dieser Arbeit gehe ich voll und ganz auf und habe eine neue, äußerst erfüllende Berufung gefunden. Das positive Feedback, das ich dadurch erhalte, ist Antrieb, weiterzumachen.
Ich schreibe. Entweder an meinem Blog Claudia’s Cancer Challenge, an meinem Buch oder an diversen Fachartikeln (Pink Ribbon-Broschüre der Krebshilfe, Mamma Mia! – das Brustkrebsmagazin, Selpers, Krebsmagazin usw.) Schreiben ist für mich ein wichtiger Teil des Verarbeitungsprozesses. Meine Erkenntnisse und Tipps möchte ich an Betroffene und Angehörige weitergeben, aber auch eine Stimme für metastasierte Brustkrebspatientinnen sein.
Ich rede. Ich bin generell ein unruhiger, quirliger und kommunikativer Geist und umgebe mich gerne mit Herzensmenschen. Bei ihnen kann ich meinen Frust ablassen und bekomme im Gegenzug eine Außensicht. Ein soziales Netz, in das man sich bei Bedarf getrost fallen lassen kann, hat große Bedeutung. Das gilt gerade für eine chronische Krebserkrankung, die viele Menschen in die Einsamkeit abdriften lässt. Deshalb nicht vergessen: Ein richtiger Satz zur richtigen Zeit kann Wunderbares bewirken!
Ich reise. Mein großes Hobby. Früher haben wir viele Fernreisen unternommen. Doch nun bin ich durch meinen Untersuchungsrhythmus doch ein wenig eingeschränkt. Dennoch haben wir es vor einigen Wochen an die Westküste der USA geschafft – ein fantastischer Trip. Zudem geht’s oft nach England – in meine zweite Heimat. Die Krankheit bleibt allerdings stets zu Hause und steigt nicht mit in den Flieger ein. Reisen verschafft mir eine Auszeit vom Krankheitsalltag und gibt mir Freiheit.
Ich höre. Musik hat einen zentralen Stellenwert in meinem Leben. Sie half mir während der Chemo, mich „wegzubeamen“ und ist auch heute stets präsent. So habe ich beispielsweise bei jedem MRT eine CD in der Tasche. Mit Klangteppich funktioniert alles gleich viel beschwingter; schwarze Gedanken verziehen sich. Die Pet Shop Boys haben den Soundtrack zu meinem Leben geschrieben. Ihre Musik berührt mich, macht mich ruhig oder pusht mich vorwärts – je nachdem.
Das war nur ein kleiner Auszug an Dingen, die mir Kraft spenden, die mir Lebensfreude bescheren, die Balsam auf meiner Seele sind. So kann jede/r für sich bestimmt etwas finden, das ihm/ihr bekommt und ein Gefühl von „Empowerment“ hinterlässt.
An meiner Wand zu Hause hängt eine kleine Fahne mit der Aufschrift: „Every day is an adventure“. Wie wahr, wie wahr. Stürzen wir uns doch – trotz Krankheit – ins Abenteuer Leben …