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Leben mit Glioblastom: Ein Gespräch mit Andrea Stroß über Mut, Therapie und Lebensfreude

Als Andrea Stroß im Februar 2019 die Diagnose Glioblastom erhielt, stellte sich ihr Leben von einem Moment auf den anderen auf den Kopf. Doch anstatt sich von der Krankheit bestimmen zu lassen, fand sie ihren eigenen Weg, mit der Herausforderung umzugehen – mit Entschlossenheit, Optimismus und einem starken Netzwerk aus Familie, Freund:innen und medizinischer Unterstützung. In diesem Interview spricht sie offen über ihren Diagnoseweg, ihre Behandlung, den veränderten Alltag und die Strategien, die ihr helfen, das Leben weiterhin in vollen Zügen zu genießen.

selpers: Wie und wann haben Sie erfahren, dass Sie ein Glioblastom haben, und wie haben Sie diese Diagnose verarbeitet?

Andrea Stroß: An einem Montag im Februar 2019 wurde bei einer Untersuchung in der Ambulanz Bregenz ein CT gemacht. Direkt danach wurde ich mit dem Notarzt ins LKH Feldkirch gebracht und bereits am darauffolgenden Freitag operiert. Das Gespräch zur Diagnose war sehr ausführlich und gleichzeitig befremdend. Niemals hätte ich mit so einer Diagnose gerechnet. Bis zu diesem Zeitpunkt war ich geistig und körperlich fit und arbeitete täglich. Ich bin diplomierte Pädagogin und seit 1988 an einer Volksschule in Bregenz tätig. Meine erste Operation fand also im Februar 2019 statt, gefolgt von einer Bestrahlung und Chemotherapie. Seit Mai 2019 nutze ich zusätzlich die TTFields- (Tumor Treating Fields-) Therapie. Im Juni 2023 kam es zu einem Rezidiv, weshalb eine weitere Operation und erneute Chemotherapie notwendig waren. Derzeit ist mein Zustand stabil, und ich führe die TTFields-Therapie fort.

Welche Behandlungsmöglichkeiten wurden Ihnen angeboten, und wie entscheiden Sie, welche Optionen für Sie geeignet sind?

Andrea Stroß: Mir wurden Operation, eine sechswöchige Bestrahlung und eine Chemotherapie angeboten. Zusätzlich begann ich im Mai 2019 mit der TTFields-Therapie. Ich entscheide aus meinem Bauchgefühl heraus und bislang waren von meiner Seite aus nicht wirklich viele Optionen gegeben– es gab 2019 die Möglichkeit einer Operation, Bestrahlung und der TTFields-Therapie. Für alles habe ich mich aufgrund der niederschmetternden Erstdiagnose ohne Umschweife entschieden.

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selpers: Wie hat sich Ihr Alltag seit der Diagnose verändert, und welche Strategien nutzen Sie, um damit umzugehen?

Andrea Stroß: Seit meiner Diagnose hat sich mein Alltag natürlich verändert, aber die Krankheit bestimmt ihn mittlerweile nicht mehr. Ich habe mich gut an die Therapieform angepasst und arrangiert und lebe einen sehr lebenswerten, erfüllenden Alltag. Ich bin demütig und dankbar – sowohl für die Zeit, die ich habe, als auch für die Menschen, die mir beistehen. Ein wichtiger Bestandteil meines Alltags ist unser Hund, den wir im Sommer nach meiner ersten Operation und den Bestrahlungen zu uns geholt haben. Er gibt mir eine Aufgabe, spendet Trost und ist neben der Natur meine persönliche Therapie. Spaziergänge am See, in den Bergen oder im Wald helfen mir, den Kopf freizubekommen und Kraft zu tanken.

Als ich die Diagnose erhielt, war meine Tochter erst 13 Jahre alt, mein Sohn studierte in Wien. Trotz meiner eigenen Herausforderungen war ich als Mutter stark gefordert, was mir aber auch Abwechslung und Freude im Alltag brachte. Inzwischen hat meine Tochter ihr Abitur gemacht, lebt weiterhin teils zu Hause, teils bei ihrem Freund, und absolviert ein Fernstudium. Dadurch ergeben sich immer wieder neue, abwechslungsreiche Aufgaben, die mich beschäftigen und bereichern. Neben meiner Familie und meinen Freunden steht mir auch die Krebshilfe zur Seite – insbesondere Frau Maria Stadler in Dornbirn. Zudem habe ich eine großartige Psychiaterin, mit der ich ein „Winning Team“ bilde. Ich bin sehr froh, dass ich keine Medikamente zur mentalen Unterstützung benötige und gut schlafen kann. Auch soziale Aktivitäten sind mir wichtig: Ich treffe mich regelmäßig mit Freunden, gehe gern ins Kaffeehaus oder ins Fitnessstudio. Besonders wertvoll ist für mich die Tatsache, dass ich direkt am schönen Bodensee wohne – das Wasser und die Natur um mich herum tragen viel zu meinem Wohlbefinden und meiner Heilung bei.

selpers: Woher beziehen Sie Ihre Informationen über die Krankheit und wie viel Unterstützung erhielten Sie dabei von Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt?

Andrea Stroß: Das Erstdiagnose-Gespräch im Februar 2019 mit Dr. Maier im LKH Feldkirch – im Beisein meines Mannes – war für mich prägend und ausreichend, um zu erahnen, in welcher Liga ich ab nun mitspiele. Als ich die Frage stellte: „Habe ich noch ein halbes Jahr?“, konnte der Arzt mir keine klare Antwort geben. In diesem Moment war mir persönlich alles klar. Mein Mann hat sich viel intensiver mit der Krankheit auseinandergesetzt als ich. Ich selbst bin ein Mensch, der intuitiv handelt – ich entscheide aus dem Bauch heraus, was in welchen Situationen gut und angebracht ist. Mit dieser Herangehensweise bin ich bisher sehr gut gefahren. Im Laufe der Jahre habe ich mich bereit erklärt, anderen TTFields-Träger:innen meine Unterstützung anzubieten – sei es durch Informationen, Hilfe oder den Austausch von Erfahrungen. Bis heute haben sich vier Patient:innen an mich gewandt, und es ist mir eine Herzensangelegenheit, ihnen in dieser herausfordernden Zeit beizustehen.

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selpers: Welche Rolle spielen Ihre Familie und Freund:innen im Umgang mit der Erkrankung, und wie unterstützen sie Sie?

Andrea Stroß: Meine Familie und Freunde unterstützen mich tatkräftig. Mein Mann, meine Tochter, meine Mama helfen beim Kleben der TTFields-Therapie. Ansonsten kann ich alles noch allein bewerkstelligen. Wenn ich Hilfe brauche, stehen aber alle meine Lieben umgehend zur Verfügung. Auch der enge Kontakt zu Freunden und sozialen Netzwerken hilft mir sehr.

selpers: Haben Sie psychoonkologische oder andere emotionale Unterstützung in Anspruch genommen, und wenn ja, wie hat das geholfen?

Andrea Stroß: Ja, ich bin regelmäßig bei einer Psychiaterin und einem Neurologen und erhalte zudem therapeutische Unterstützung durch die Krebshilfe. Mein Mann und ich nehmen seit Anbeginn der Krankheit regelmäßig Gespräche bei der Krebshilfe – bei einer tollen Psychotherapeutin – wahr. Ich bin bestens vernetzt und betreut. Ansonsten helfen mir die Spaziergänge mit meinem Hund und vor allem das Streunen in der Natur. Bewegung tut mir zur Verarbeitung verschiedener Prozesse immer gut.

selpers: Was möchten Sie anderen Betroffenen oder deren Angehörigen mit auf den Weg geben?

Andrea Stroß: Es ist wichtig, sich klare Ziele zu setzen und aktiv zu bleiben. Bewegung und Zeit in der Natur, ob im Wald, in den Bergen oder am See, können sehr wohltuend sein. Soziale Kontakte spielen eine große Rolle, daher sollte man diese pflegen und sich nicht isolieren. Zudem hilft es, den Humor nicht zu verlieren und eine positive Grundhaltung zu bewahren. Vertrauen in die medizinische Behandlung ist essenziell, um den Weg mit Zuversicht weiterzugehen.

Herzlichen Dank für das Interview.

Andrea Stroß wurde am 7. August 1966 in Graz geboren und hat dort studiert. Sie ist diplomierte Pädagogin und seit vielen Jahren als Volksschullehrerin tätig, derzeit jedoch im Krankenstand. Sie ist verheiratet, hat zwei Kinder (25 und 18 Jahre) und lebt in Bregenz/Lochau.

Interview wurde geführt von:  selpers Redaktion

Bildnachweis: Andrea Stroß