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Sexualität bei chronischer Krankheit

Zeit um dankbar zu sein

Haben Sie schon mal mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin über sexuelle Probleme gesprochen? Nein? Die meisten anderen Menschen auch nicht. Dabei wäre das gerade für PatientInnen mit chronischen Erkrankungen wichtig. Wer chronisch krank ist, kann je nach Erkrankung auch Einschränkungen im Sexualleben haben und daraus resultierend auch weniger Lebensqualität. Das besagt eine aktuelle Erhebung der FH Wiener Neustadt.

Wie chronische Erkrankungen das Sexualleben beeinflussen können

Nach der aktuellen Erhebung „SexHealth“ der Fachhochschule Wiener Neustadt ist das Thema Sex für viele chronisch kranke Menschen wichtig: 65 % der Befragten gaben an, dass Sex für sie ein wichtiges oder sehr wichtiges Thema sei. Über ein Drittel der Studienteilnehmer berichteten von sexuellen Problemen im letzten halben Jahr.

Chronische Krankheiten können sich auf ganz unterschiedliche Weise auf das Sexualleben auswirken. Die Probleme können körperlicher oder auch psychischer Natur sein:

  • Schmerzen, Atemnot, Erschöpfung oder andere Symptome können die sexuelle Lust deutlich beeinträchtigen. Je nach Erkrankung kann es sein, dass Sex als sehr anstrengend empfunden wird.
  • Sorgen, Stress und Ängste, die durch die Erkrankung entstehen könnten, können einen negativen Einfluss auf die Libido haben.
  • Manche Medikamente können als Nebenwirkung die Lust beeinträchtigen oder zu Erektionsstörungen führen.
  • Erkrankungen, die hormonelle Veränderungen verursachen, können ebenso zum veränderten Sexleben beitragen.
  • Viele Menschen verlieren bei einer chronischen Erkrankung zunächst ein Stück Vertrauen in ihren Körper und fühlen sich weniger wohl darin. Das Selbstwertgefühl ist möglicherweise beeinträchtigt. Auch das kann sich negativ auf die Sexualität auswirken.
  • Durch die Erkrankung ändert sich häufig auch die Rolle in der Partnerschaft. Dadurch kann es zu Konflikten kommen, die zunächst geklärt werden müssen.

Es gibt also viele mögliche Störfaktoren für die Sexualität bei chronischer Krankheit. In vielen Fällen gibt es gute Lösungsmöglichkeiten, um die Situation zu verbessern. Doch es ist nicht immer leicht, diese zu finden.

Nachholbedarf beim Arztgespräch: Sexualität als Tabuthema

Eine Herausforderung, die bei der SexHealth-Erhebung deutlich wurde, sind mangelnde Gespräche mit ÄrztInnen und anderen medizinischen Fachkräften. Viele PatientInnen sprechen das Thema nicht an, häufig aus Scham oder auch aus Zeitmangel im Arztgespräch. Auch von ÄrztInnenseite soll das Thema laut Befragten eher selten angesprochen werden. Hier spielt ebenfalls Scham eine Rolle, aber auch der Irrglaube, Sexualität sei für chronisch kranke Menschen nicht besonders wichtig. Die Studienautorinnen sehen einen Teil des Problems schon in der Ausbildung von Pflegekräften: Dort spiele das Thema Sex bei chronischen Krankheiten eine eher untergeordnete Rolle. Infolgedessen sind die Pflegekräfte (und auch ÄrztInnen) später unsicher und wissen nicht, ob und wie sie über mögliche Probleme sprechen sollen.

Angehörige brauchen ebenfalls Unterstützung

Bei einer chronischen Erkrankung sind immer auch die Angehörigen mitbetroffen. Beim Thema Sex wird das offensichtlich, denn es hat natürlich direkte Auswirkungen auf den Partner oder die Partnerin. Die Angehörigen haben jedoch häufig noch größere Schwierigkeiten, passende AnsprechpartnerInnen zu finden.

Das können Sie bei Problemen mit Ihrer Sexualität tun:

Es gibt viele Möglichkeiten, sexuelle Probleme zu lösen. Was Ihnen hilft, ist individuell unterschiedlich. Probieren Sie zum Beispiel diese Tipps aus:

  • Sprechen Sie das Problem offen mit Ihrer Partnerin/Ihrem Partner an und versuchen Sie, gemeinsam Lösungen zu finden. Eine gute Kommunikation ist unverzichtbar.
  • Auch wenn es Ihnen vielleicht schwerfällt: Bitten Sie Ihre Ärztin/Ihren Arzt um ein Gespräch. Manchmal lassen sich sexuelle Probleme beispielsweise durch einen Wechsel der Medikamente verbessern.
  • Werden Sie kreativ, wenn Ihre bisherige Sexualität nicht mehr gut funktioniert! Finden Sie neue Möglichkeiten, sich gegenseitig Freude zu bereiten und nahe zu sein! Kathrin Gärtner, eine der Autorinnen der SexHealth-Studie, sagt zu diesem Thema: „Wir haben uns deswegen angeschaut, welche Faktoren bei Personen mit Funktionsstörungen besonders wichtig sind für ein befriedigendes Sexualleben und haben zwei wichtige Punkte entdeckt: sexuelle Aufgeschlossenheit sowie ein nicht zu enges Bild davon, wie Sex sein soll, damit er gut ist.“
  • Wenn Sie selbst nicht weiterkommen, sprechen Sie mit einer Sexualtherapeutin/einem Sexualtherapeuten. Dort bekommen Sie viele Tipps, die Sie ausprobieren können, um Ihr Liebesleben trotz Ihrer chronischen Erkrankung zu verbessern.

Mehr zum Thema:

Hier finden Sie weitere Tipps von Expertin Dr. Irene Kührer zum Thema „Krebs und Sexualität“ im Interview mit selpers: https://selpers.com/blog/krebs-sexualitaet-intimitaet-erkrankung/

Hier finden Sie unsere Patientenschulung zum Thema „Partnerschaft und Sexualität bei Angina pectoris“: https://selpers.com/lektion/tipps-fuer-angehoerige-bei-angina-pectoris-partnerschaft-und-sexualitaet/

Außerdem informieren viele Patientenorganisationen und Selbsthilfegruppen  über dieses Thema. Mehr Informationen finden Sie zum Beispiel bei der Österreichischen Krebshilfe, die eine Borschüre zum Thema „Sexualität bei Krebs“ veröffentlicht hat.

Autorin: Dr. med. Iris Herscovici

Bildnachweis: : Lashkhitzetim