Blog | Erfahrungsberichte

Studieren nach einer Krebserkrankung

Zeit um dankbar zu sein

Der Weg ins Studium stellt junge Menschen vor besondere Herausforderungen und ist nicht immer einfach. Hannah Frensch erhielt 2013 die Diagnose Leukämie. Heute ist sie 21 Jahre alt, studiert im dritten Semester Humanmedizin und engagiert sich nebenbei als Krebsbloggerin. In ihrem Gastbeitrag für selpers erzählt sie, welche Hürden sie im Unialltag erlebt hat und wie sie diese trotz ihrer Krankheitsvorgeschichte erfolgreich meistern kann.

„Hannah, du hast Leukämie !“

Diese Worte schlugen in meine kleine heile Welt ein wie eine Bombe. Mir wurde schlagartig der Boden unter den Füßen weggerissen, meine Träume zerplatzten wie Seifenblasen und meine Zukunft…ja was war mit der eigentlich ? Gibt es für mich überhaupt noch eine Zukunft?

Jetzt, knappe 7 Jahre nach meiner Diagnose, sitze ich hier in meiner eigenen 1-Zimmer Wohnung eingemummelt in einer Decke und schreibe diese Zeilen. Wenn du mich jetzt sehen würdest mit meiner Leggins, dem messy bun, den dunklen Augenringen und dem Stapel Bücher vor mir auf dem Schreibtisch, würdest du dir denken ich sei „Eine Studentin, wie jede andere auch.“ Doch das bin ich nicht. Ich bin weniger belastbar, sowohl physisch als auch psychisch. Auf der einen Seite bin ich zwar um einige Erfahrungen reicher als Gleichaltrige aber auf der anderen Seite fehlen mir doch die meisten typischen „Teenager-Erfahrungen“.

Der erste Unitag rückte näher und ich wurde immer nervöser. Diese Art von Nervosität, Unbehagen oder sogar schon Angst hatte ich länger nicht mehr verspürt. Außerdem dämmerte es mir langsam, dass ein neues Kapitel in meinem Leben begann. Ein neues Kapitel mit der Überschrift „Hannah die Studentin“, anstelle von „Hannah die Krebspatientin + Nebenwirkung 1 + Nebenwirkung 2 usw.“.  Zugegeben  ich habe irgendwann aufgehört alle meine Nebenwirkungen zu zählen. Aber darum soll es hier nicht gehen. Die Nacht vor dem ersten Tag war einfach nur schrecklich, denn das Gedankenkarussel in meinem Kopf lief auf Hochtouren. „Was ist, wenn ich keinen Anschluss finde?“ „Was ist, wenn ich nicht gut genug bin?“ „Was ist wenn mich die Kraft verlässt?“ „Was ist, wenn jemand nach meiner Vergangenheit fragt?“

Ich habe lange darüber nachgedacht, was ich sagen würde, wenn das Gespräch auf meine Krankheit hinausläuft. Insbesondere im Medizinstudium will anfangs immer jeder deinen Abischnitt wissen. Bei einem vergleichsweise schlechtem Schnitt, wie meinem, kommt dann schnell die Frage auf, wie ich es denn überhaupt geschafft habe angenommen zu werden. Dann muss ich antworten : „Mit dem Härtefallantrag und einem Nachteilsausgleich“. Dann muss ich diesen wiederum erklären, indem ich sage, dass ich lange Zeit in der Schule ausgefallen bin und dann muss ich dies ebenfalls erklären. Egal was ich sage, letztendlich führt es immer in eine Richtung.

Doch wäre es die Wahrheit zu verschweigen und somit zu lügen eine bessere Variante? Für mich definitiv nicht. Ich bin stolz darauf was ich bereits geschafft habe und sehe keinen Grund meine vergangenen Jahre zu beschönigen. Es mag dir anfangs vielleicht etwas befremdlich vorkommen, so offen mit noch fremden Leuten über einen so schweren Abschnitt deines Lebens zu reden, doch was bringt es dies zu verschweigen. Dadurch, dass ich meine Schwächen gezeigt habe, habe ich sogar eine Leidensgenossin getroffen und jetzt können wir uns beide gegenseitig daran erinnern uns unsere Pausen zu nehmen, auch wenn die anderen vielleicht noch immer Vollgas geben.

Dies führt mich zu einem anderen wichtigen Aspekt während des Studiums. Von allen  Seiten bekommt man den Eindruck vermittelt möglichst schnell seinen Abschluss machen zu müssen. Doch was, wenn ich auf dem Weg dorthin auf halber Strecke liegen bleibe, weil ich z.B. nicht auf meinen Körper gehört habe ? Das Studium ist kein Wettrennen. Es ist wichtig in deinem Tempo dieses neue Kapitel zu beschreiten. Denn egal wie schnell oder langsam, du kommst immer an dein Ziel. Wichtig ist nicht Wann sondern Wie.

Nicht eines meiner Lieblingswörter aber definitiv dein Freund: der Nachteilsausgleich. Jede Universität besitzt einen Schwerbehindertenbeauftragten und du solltest keine Scheu haben, dich an diese zu wenden. Mein Tipp ist es, dies bereits VOR dem eigentlichen Studienbeginn zu tun. Dieses Amt wurde bewusst von den Unis eingeführt um dir deinen Weg zu erleichtern und unter die Arme zu greifen. Also nimm diese Hilfe auch an. Manchmal stößt man zwar auch dort auf Unverständnis, oder etwas entspricht nicht den genauen Richtlinien um einen Nachteilsausgleich zu erhalten, dennoch kann ich nur empfehlen dran zu bleiben. Du solltest auch keine Scheu vor dem Telefon haben. Man landet zwar manchmal in Sackgassen, aber wie ein Detektiv kannst du deine benötigten Hilfen ausfindig machen. Manchmal braucht man einfach nur etwas Glück und eben auch den Ehrgeiz. Denn es macht keinen Sinn, zu studieren mit dem Ziel „Hauptsache irgendwie durchschlagen“. Du darfst und sollst auch Spaß daran haben. Ich hatte in der Schule sowie auch jetzt in der Uni zwar oft das Gefühl durch Nachteilsausgleiche unberechtigt ‚bevorzugt‘ zu werden. Doch eigentlich sind diese ja genau wie der Name bereits impliziert nur ein Ausgleich.

Damit möchte ich dir sagen und dich bestärken: „Rede offen über deine Krankheit und schäme dich nicht, denn du hast bereits einen langen und steinigen Weg hinter dir. Das was du erreicht hast ist dein Verdienst und nur deiner allein.“

Was ich vorhin bereits angesprochen habe ist der Punkt, offen mit seinen Kommilitonen zu reden. Damit meine ich jetzt nicht als erstes Thema über deine Krankheit zu sprechen, ganz im Gegenteil du hast die Chance einfach mal wieder du selbst zu sein. Ich hatte die letzten Jahre oft das Gefühl über den Krebs definiert zu werden und dies konnte ich endlich mal ablegen. Meine Kommilitonen sind inzwischen zu meinen Freunden geworden und ich kann ihnen gegenüber meine Schwächen zeigen. Auch, wenn eine neue Umgebung viele Chancen bietet ist es wichtig sich nicht stärker zu geben als man ist und Hilfen anzunehmen.

Hier noch einmal die wichtigsten 3 Dinge, welche ich innerhalb der letzten 2 Semester gelernt habe:

  1. Pausen sind der Schlüssel zum Erfolg
  2. Habe keine Scheu nach Hilfe zu fragen
  3. Sei mutig und vertraue dir selbst

 

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Hannah Frensch
Hannah Frensch ist 21 Jahre alt und studiert im dritten Semester Humanmedizin. Nach ihrer Leukämiediagnose hat sie begonnen sich als Krebsbloggerin für andere Betroffene und Angehörige zu engagieren.

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Autorin: Hannah Frensch

Bildnachweis: Hannah Frensch