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Was chronisch Kranke von ihren Mitmenschen NICHT hören wollen

Zeit um dankbar zu sein

Tanita-Christina Wilhelmer ist Vorstandsmitglied der Österreichischen Rheumaliga und Vorsitzende der europaweiten Young PARE Arbeitsgruppe. Für den selpers Blog hat sie einen Gastbeitrag verfasst, in dem sie Angehörigen und FreundInnen Tipps für die Kommunikation mit  jungen chronisch kranken Menschen gibt.

Ein Problem, das alle jungen, chronisch kranken Menschen gemeinsam haben sind die Aussagen von Personen im sozialen Umfeld, die oftmals unangebracht sind. Einige davon sind sicher nett gemeint, aber leider schlecht formuliert. Andere sind wahrscheinlich einfach nur unüberlegt.

Über die Jahre in denen ich selbst Betroffene bin, habe ich eine kleine Sammlung solch unerwünschter Aussagen gesammelt. In diesem Beitrag werde ich auf 3 „Kategorien“ davon eingehen und erklären, was daran unangebracht ist. Gleichzeitig liefere ich ein paar Alternativen.

1. Kategorie: Das Aussehen

Was man nicht sagen sollte:

„Du siehst aber gar nicht krank aus!“

„Man sieht dir aber gar nicht an, dass es dir so schlecht geht.“

„Also, wenn ich nicht wüsste, dass du krank bist, dann hätte ich nichts bemerkt.“

Warum diese Aussagen unangebracht sind:

Wie sieht “krank” denn überhaupt aus? Nur weil man etwas nicht sehen kann, ist es nicht weniger wahr. Viele Menschen, vor allem unbekannte, nehmen uns junge kranke Personen nicht ernst, eben weil man es nicht sieht. Je nachdem wer diese Aussage tätigt, kann man sich auch angezweifelt fühlen, denn „wenn man es der Person nicht ansieht, dann kann es ja nicht so schlimm sein“.

Oftmals ist diese Aussage aber auch als Kompliment gemeint, dass man „trotz“ der Krankheit „gut aussieht“. In diesem Fall wäre es angebracht die Komponente der Krankheit einfach weg zu lassen. Wir sind unser Leben lang krank und wollen wie jeder andere Mensch auch, einfach gut aussehen, egal ob krank oder gesund. Nur weil wir chronisch krank sind wollen wir bis an unser Lebensende weder „krank“ aussehen, noch „trotzdem gut“.

Was man stattdessen sagen kann:

„Schön, dich zu sehen!“

„Tolles Make-up/Outfit/Frisur.”

„Ich weiß, man sieht dir deine Krankheit nicht an. Bitte sag Bescheid, wenn du dich nicht gut fühlst, damit ich Rücksicht nehmen kann.“

2. Kategorie: Das Alter

Was man nicht sagen sollte:

„Du bist viel zu jung um so krank zu sein.“

„Ach du bist noch jung, das wird schon wieder.“

„In deinem Alter war ich aber fitter als du!“

„Na warte nur mal bis du so alt bist wie ich!“

Warum diese Aussagen unangebracht sind:

Junges Alter schützt nicht automatisch vor Krankheiten und nein, es wird nicht „eh bald wieder“. Chronisch krank zu sein, bedeutet, dass man lernen muss damit zu leben. Junge Betroffene wollen gar nicht daran denken wie es ihnen wohl als alte Person ergehen wird, wenn sie doch jetzt schon solche Probleme haben. Dementsprechend wollen sie auch nicht mit älteren Personen verglichen werden.

Was man stattdessen sagen kann:

„Es tut mir leid, dass du schon so früh in deinem Leben so krank bist. Kann ich dir was Gutes tun?“
„Wow, ich wusste nicht, dass diese Krankheit schon in deinem Alter ausbrechen kann. Kann ich mich irgendwo mehr dazu informieren?“

3.Kategorie: Das Vergleichen mit Anderen

Was man nicht sagen sollte:

„Die Freundin meines Bruders hatte das auch, aber der geht es mittlerweile wieder gut. Warum geht es dir noch nicht besser?“

„Ich kenne andere, die haben was ähnliches und die stellen sich nicht so an!“

„Andere Menschen haben es viel schlechter als du.“

Warum diese Aussagen unangebracht sind:

Jeder Mensch ist einzigartig. Jede Krankheit wirkt sich auf jede Person anders aus. Manche sind auf einen Rollstuhl angewiesen, manche haben zwischendurch Jahre lang keine Beschwerden und wieder andere können kaum aus dem Bett aufstehen. Mit anderen Kranken verglichen zu werden fühlt sich echt nicht gut an. Durch diese Vergleiche wird mein Leidensdruck als Betroffene einfach „wegrelativiert“. Es gibt immer irgendjemanden dem/der es schlechter geht, aber ich habe als chronisch kranke Frau trotzdem mein Sorgenpaket und das lässt sich nicht einfach ignorieren.

Was man stattdessen sagen kann:

„Möchtest du mir erzählen wie es dir mit der Krankheit geht, oder sollen wir über etwas ganz anderes quatschen?“

„Es tut mir leid zu sehen, dass es dir nicht gut geht. Was könnten wir denn unternehmen, um dich auf andere Gedanken zu bringen?“

„Kann ich dich bei irgendetwas unterstützen, damit du eine Sorge weniger hast?“

„Ich bin da für dich.“

Es gäbe noch einiges mehr an Aussagen, die einfach total unangebracht sind, wenn man sich mit chronisch Kranken unterhält. Dazu habe ich vor 4 Jahren schon einmal ein Video auf Youtube gestellt. Auf diese auch noch einzugehen würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Zusammenfassend möchte ich sagen: Eine der größten Hürden in unserem jungen Leben ist es, dass wir uns sehr oft verteidigen müssen und beweisen, dass es uns schlecht geht, weil uns viele einfach nicht ernst nehmen. Daher ist, meiner Meinung nach, der schönste Satz, den man zu uns sagen kann: „Ich glaube dir.“

 

Tipp: So kontern Sie unangebrachten Kommentaren

In Zusammenarbeit mit der Brustkrebsaktivistin Mag.a Claudia Altmann-Pospischek hat selpers eine Patientenschulung zum Thema Schlagfertigkeit entwickelt. Darin lernen Sie als BetroffeneR, wie Sie auf unpassende Kommentare oder Fragen rund um Ihre Erkrankung reagieren können. Hier geht es zur ersten Lektion

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Tanita-Christina Wilhelmer

Tanita-Christina Wilhelmer ist Grafikdesignerin (Bachelor of Arts in Mediadesign) aus Vorarlberg und seit 2012 von Morbus Still betroffen. Die 31 jährige Tanita-Christina ist seit 2014 aktiv im Vorstand der Österreichischen Rheumaliga tätig und seit 2019 Vorsitzende der Young PARE Arbeitsgruppe. In ihrer Freizeit ist sie sehr gerne kreativ, schreibt ab und zu Blogeinträge, dreht Videos und ist viel auf Instagram unterwegs.

Autorin: Tanita-Christina Wilhelmer 

Bildnachweis: Krakenimages.com