Bei einigen Covid-19-PatientInnen können Spätfolgen auftreten. Dr. Martin Altersberger spricht darüber, welche Corona-Langzeitfolgen auftreten können.
Covid-19 Rehabilitation in der Pandemie?
Einen schönen guten Tag. Mein Name ist Martin Altersberger. Ich bin Assistenzarzt für Innere Medizin und Kardiologie im Pyhrn-Eisenwurzen Klinikum in Steyer und arbeite unter meinem Chef, dem Primarius Dr. Genger, der selbst eine tragende Rolle jetzt in dieser Covid-Situation als medizinischer Einsatzleiter in Oberösterreich einnimmt, auf einer Covid-19-Station. Das heißt: Momentan behandele ich kranke, schwerkranke Covid-19-Patienten und bringe auch viele kritisch Kranke auf die Intensivstation.
Heute ist mein Thema aber nicht die akute Erkrankung, sondern: Was kommt nach der akuten Erkrankung? Was passiert in einer Rehabilitation von Covid-19.
Wieso wurde ich eingeladen, über dieses Thema zu sprechen? Ich war zu Beginn dieser ganzen Corona-Epidemie, also letztes Jahr im Landesklinikum in Neunkirchen als Konsiliararzt angestellt und habe aus dieser Konsiliartätigkeit Lungenultraschall den Kollegen gezeigt und wie man das bei Covid-19-Patienten auf einer Intensivstation einsetzt. Und auch zu dieser Zeit war meine Hauptanstellung bei der Pensionsversicherungsanstalt im Rehabilitationszentrum Hocheck. Und als ich die Leute auf der Intensivstation gesehen habe, war sehr schnell klar, dass die danach eine Betreuung in einer Rehabilitation dringend notwendig werden haben. Und da bin ich dann zu meinem Chef gegangen, das war damals der Primarius Dr. Winkler, und auch dem Chefarzt der PVA, dem Doktor Skoumal. Und gemeinsam mit dem Primarius Winkler haben wir dann sozusagen eine Leitlinie erstellt und sehr früh begonnen, Covid-19-Patienten vom Akutspital in die Rehabilitation zu übernehmen und Rehabilitation durchzuführen.
Das heißt: Ja, Rehabilitation von Covid-19 ist durchaus möglich.
Und jetzt schauen uns an, was wir oder wie wir Rehabilitation machen können und wie das überhaupt in dieser Pandemie möglich ist.
Covid-19
Als ersten Punkt müssen wir uns aber im Klaren sein: Covid-19 ist eine Infektionskrankheit, und es ist eine grausige Infektionskrankheit, die aber sehr viele Menschen betrifft. Und bei vielen Infektionskrankheiten können Menschen krank werden. Und es gibt verschiedene Schweregrade auch dieser Covid-19-Erkrankungen.
Schweregrade Covid-19
Und der Terminus, also dieses Wort „asymptomatisch Erkrankte“, ist immer wieder gefallen, fällt auch in den Medien. Das ist ein bisschen verwirrend, denn normalerweise ist es so: Wenn man krank ist, hat man Symptome.
- Das heißt: Jemand, der asymptomatisch ist, ist eigentlich nicht krank, kann aber das Virus auch übertragen. Das muss man ein bisschen unterscheiden.
- Dann gibt es milde Erkrankungen. Das sind Patientinnen und Patienten, die zu Hause bleiben können, also die nicht ins Spital müssen.
- Die können aber teilweise auch stärkere Symptome entwickeln. Da würde ich dann von einer mittelgradigen Erkrankung sprechen. Das ist dann eine wirkliche Lungenentzündung.
- Schwerkranke Patienten sind Patienten, die Sauerstoff brauchen. Die müssen ins Krankenhaus. Die haben sehr starke Atemnot.
- Und kritisch kranke Patienten brauchen eine Beatmung auf der Intensivstation und eine intensivmedizinische Versorgung.
Covid-19 und die Lunge
Und ein Organ, das sehr schwer betroffen sein kann oder sehr oft auch betroffen ist, ist in Covid-19 die Lunge. Und eine betroffene Lunge zeigt sich in einer schweren Lungenentzündung.
Johann
Und ich möchte einen ganz speziellen Patienten Ihnen vorstellen. Und das ist der Johann.
- Der Johann war 76 Jahre alt, als ich ihn kennengelernt habe. Das war bei seiner Aufnahme ins Krankenhaus. Und er wurde aufgrund seiner sehr, sehr großen Atemnot und dieser schlechten Sauerstoffsättigung ziemlich bald nach Aufnahme auf eine Normalstation in die Intensivstation verlegt.
- Und der Johann war Polizist, also war immer sehr, sehr fit,
- und bringt eigentlich kaum Vorerkrankungen mit, nur einen Bluthochdruck und ein Vorhofflimmern. Er hat zwar einen Schrittmacher gebraucht, weil das Vorhofflimmern, seine Rhythmusstörungen des Herzens, die sehr, sehr häufig ist, auch der Bluthochdruck ist sehr häufig, und er hat für dieses Vorhofflimmern einen Schrittmacher gebraucht. Ansonsten bringt er aber keine Vorerkrankungen mit. Trotzdem ist der Johann ein sehr, sehr gutes Beispiel für einen älteren Patienten, wo aber auch eine Rehabilitation und ein Zurückkommen ins normale Leben möglich waren.
- Und der Johann hat insgesamt 5 Wochen auf der Intensivstation verbracht und war dann noch zwei weitere Wochen im Krankenhaus.
Auf der Intensivstation
Und ich möchte dieses Bild herzeigen. Bilder sagen oft mehr als tausend Worte.
- Und weil niemand das interpretieren können muss, zeige ich auf der linken Seite den Johann her, und man sieht diese vielen weißen Areale in der Lunge, also das ist die Lunge, und man sieht viele weiße Areale.
- Auf der anderen Seite sieht man eine gesunde Lunge. Das schaut ganz anders aus.
Also Covid-19-Patienten können diese Lungenentzündung auf beiden Seiten haben.
Und der Johann war zur Rehabilitation gekommen. Insgesamt nach 7 Wochen, also 5 Wochen Intensivstation plus 2 Wochen im Krankenhaus, hat der Johan gefragt: „Herr Doktor, werde wieder gehen können, und werde ich das tun können, ohne Sauerstoff zu brauchen?“
Es ist so, dass Johann nach der Intensivstation im Krankenhaus eigentlich gar nicht aufstehen konnte. Also so ein Intensivaufenthalt schwächt ungemein. Und wir haben gesagt am Anfang der Rehabilitation: „Man braucht immer ein Ziel, wo man hinarbeitet.“ Und dem Johann sein Ziel war ganz klar: Er möchte wieder gehen und auch wandern. Und zwar möchte er das mit seiner Frau tun. Und er ist mit seiner Frau sechsundvierzig Jahre lang verheiratet, und sie waren eigentlich nie, hat er mir erzählt, in dem ganzen Leben wirklich länger voneinander getrennt.
Das heißt, die Situation auch von der emotionalen Seite für den Johann war schwer. Also er war von seiner Frau, von seiner Familie getrennt, aber er hat gesagt: „Ich möchte wieder zurück, und ich möchte gehen. Und ich möchte wieder mit meiner Frau spazieren gehen und wandern.“
Und die Rehabilitation insgesamt, dieses Ziel haben wir erarbeiten können, hat noch einmal 6 Wochen gedauert.
Das ist eine sehr, sehr lange Zeit, wo der Johann auch im Rehabilitationszentrum Hocheck war. Und zu Beginn der Reha, und ich muss ganz ehrlich sagen, zu Beginn wusste ich nicht, ob wir dorthin kommen und das wirklich schaffen können.
- Denn der Johann hat acht Liter Sauerstoff in einer Ruhesituation gebraucht. Das ist irrsinnig viel.
- Und wenn er sich belastet hat, hat er sogar 10 Liter gebraucht, hat aber immer noch eine Atemnot verspürt.
Also einen extrem hohen Sauerstoffbedarf hat der Johann gebraucht.
Lungenultraschall
Und ich möchte auch diese Bilder herzeigen. Es ist eine schematische Darstellung von einer Lunge, und im Lungenultraschall teilen wir die Lungen in mehrere Zonen ein. Und ich möchte nur darauf hinweisen, dass diese Zone 6, also hinten und unten vorn zu Beginn betroffen ist, aber das auch vorne und auf der Seite die Lunge betroffen sein kann. Vor allem wenn die Lunge schwer betroffen ist.
Johann – Gesund I (Ultraschall)
Und hier ist ein Bild vom Johann, wo wir ihn vorne geschallt haben. Und man sieht auf der rechten Seite ein gesundes Bild, und auf der linken Seite den Johann. Das ist wie ein herausgerissener Teil von der Lunge. Also hier ist diese Linie der Pleura, also der Lungenhaut. Und beim Johann kann man das gar nicht schön sehen.
Also ich möchte, dass Sie nur sehen: Dem Johann seine Lunge schaut nicht gesund aus. Die schaut schlecht aus, krank. So schaut eine Covid-19-19 Lungenentzündung aus.
Johann – Gesund II (CT)
Ich möchte noch ein Bild herzeigen, weil es wirklich sehr imposante Bilder sind. Das ist eine Computertomographie der Lunge.
- Wir sehen wieder den Johann mit diesen vielen weißen Arealen in der Lunge. Hier hat er auch eine Flüssigkeit.
- Und auf der rechten Seite sieht man eine ganz gesunde Lunge.
Das heißt: Der Johann war von seiner Lungensituation, und diese Computertomographie und dieser Ultraschall waren kurz bevor er zur Rehabilitation gekommen ist bzw. in den ersten Tagen der Rehabilitation, und die Lunge war wirklich schwer bedient, muss man, muss man zugeben.
Johann
Das heißt zusammenfassend: Vom Johann kann man sagen,
- er war kritisch krank,
- ist aber zu Beginn der Reha immer noch schwer krank.
- Er kann gar nicht aufstehen, kann nicht gehen
- und er braucht dringend eine Rehabilitation,
- und in der Rehabilitation ist der Johann dann 77 geworden.
Offene Fragen
Und wir haben aber offene Fragen. Und eine dieser Fragen ist, und das ist eine wichtige:
- Bleiben Langzeitschäden von der Lunge über, eine sogenannte Lungenfibrose?
- Können wir über die Zeit in der Rehabilitation, nach der Rehabilitation auch im Akut-Krankenhaus eine Besserung sehen der Befunde, oder sehen wir, dass sie dann aber schlecht sind und schlecht bleiben?
- Und gibt es Medikamente dagegen, die wir dazugeben können, um die Lunge zu behandeln und besser zu machen?
Davor – Danach (Ultraschall)
Und ich möchte gleich einen wunderschönen Hoffnungsschimmer geben.
Wir sehen hier den Lungenultraschall, wieder den Johann
- davor, also vor der Rehabilitation auf der linken Seite
- und den Johann nach der Rehabilitation.
Und wir sehen die Lunge auf der rechten Seite des Danach, das ist die gleiche Stelle, wo ich es aufgenommen habe: Also über eine gewissen Zeitraum wird die Lunge wesentlich besser. Also wir sehen eine Rückbildung dieser Entzündung von Covid-19, die wir vorher gesehen haben.
Davor – Danach (CT)
Auch die Computertomographie:
Diese Computertomographie auf der rechten Seite, das weiß ich ganz genau, die ist am 25.8.2020. Da hat der Johann nämlich die Computertomographie bekommen und ist mich dann direkt in dem Rehabilitationszentrum, natürlich vorm Reha-Zentrum besuchen gekommen, weil er unbedingt sagen wollte, dass es ihm viel besser geht.
Wenn man sich die Computertomographie anschaut, sehen wir wieder
- auf der linken Seite die Lunge vom Johann kurz nach der akuten Erkrankung
- und die Lunge insgesamt dreieinhalb, vier Monate nach dieser akuten Erkrankung.
Und man sieht: es hat sich fast zurückgebildet. Also das Bild ist viel, viel schöner geworden.
Was können wir tun?
Insgesamt: Was können wir von ärztlicher, von medizinischer, von pflegerischer Seite tun?
- Das erste ist: Wir müssen die Diagnose stellen. Dafür brauchen wir Bilder — Lungenröntgen, Volumenultraschall, Computertomographie.
- Wir müssen den Sauerstoffgehalt im Blut messen und auch eine Sättigung messen.
- Wenn nötig, müssen wir den Patienten im Krankenhaus behandeln und Sauerstoff geben oder sogar auf die Intensivstation bringen.
Und hier ist ein Bild, wo ich mit einer Kollegin in Neunkirchen, mit der Dr. Martina Schiller auf der Intensivstation gearbeitet habe. Wir waren teilweise sechs, sieben, acht, neun Stunden voll angezogen, konnten nicht hinaus, weil wir Patienten geschallt und versorgt haben. Das heißt: kein Trinken, keine Pause, kein Essen, kein aufs Klo gehen. Also die Situation ist sowohl für Patienten, Angehörige, Familie als auch für das medizinische Personal sehr belastend. Aber wenn Patienten brauchen, müssen sie behandelt werden.
Und wichtig ist auch, eine Zeit für die Heilung einzuplanen und sich selbst eine Zeit der Heilung zu geben.
Wenn man kritisch krank war, dauert es lange.
Und wichtig ist: Wenn Probleme überbleiben, sehr lange Atemnot z.B., dann muss man zu einem Arzt gehen und sich wieder von einem Arzt untersuchen lassen und bei Atemnot zum Beispiel eine Lungenfunktion machen.
Und, wenn man es wieder braucht, Bilder machen.
Und in Zusammenschau mit dem können wir dann sagen: Wird ein Medikament notwendig sein oder können wir ein Medikament geben, was uns hilft? Das ist im Verlauf dann das Kortison. Das vermeidet diese Umbauprozesse von der akuten Entzündung zur Fibrose, also zu diesen bleibenden Veränderungen in und stoppt diese Umbauprozesse.
Wichtig ist auch noch die richtige Atmung, also nicht in den Oberkörper einatmen, sondern in den Bauch einatmen. Und es ist auch durch die Nase ein- und mit zusammengepressten Lippen ausatmen auch ein gutes Training für das Zwerchfell und löst auch den Schleim, der sich in der Lunge bildet. Das lernt man in der Rehabilitation oder auch bei der Physiotherapie.
Und so möchte ich noch einmal den Hinweis geben: Für Covid-19 brauche ich eine spezialisierte Rehabilitation. Und so möchte ich jedem, der in dieser Situation ist, das Rehabilitationszentrum in Hocheck in Niederösterreich empfehlen. Da wird qualitativ medizinisch sehr hochwertige Rehabilitation für Covid-19 angeboten.
Jetzt ist aber noch wichtig: Wie geht es dem Johann nach der Rehabilitation?
- Der Johann braucht keinen Sauerstoff mehr.
- Er hat drei Monate, nachdem er mich besuchen gekommen ist am 25.8., hat er keine Atemnot mehr gehabt.
- Und er spaziert auch wieder gerne. Und ich bin mit ihm auch ein Stückchen gegangen und mit seiner Frau.
Johann und seine Frau
Und das ist ein Bild von Johann mit seiner Frau, eben ein paar Monate später. Und der Johann ist so schnell gegangen fast wie ich, und ich habe einen sehr, sehr schnellen Schritt drauf. Also das hat sich bei ihm Gott sei Dank wieder zu einem sehr guten Allgemeinzustand entwickelt.
Langzeitfolgen
Die Frage ist aber jetzt noch: die Langzeitfolgen — bleibt was über?
- Naja, natürlich, wenn man schwer krank ist, kritisch krank ist, kann man Langzeitschäden auch von der Lunge haben.
- Viele Patienten sprechen von einem Geruchs- und Geschmacksverlust, sehr oft wird er bitter, salzig, metallisch erlebt. Das kann Monate bis nach der Erkrankung vorliegen. Bei den meisten Patienten, die ich kennengelernt habe, bildet sich das aber über Wochen, über Monate wieder zurück bzw. verschwindet ganz.
- Je schwerer die Erkrankung ist, desto wahrscheinlicher können auch Folgeerscheinungen auftreten, z.B. eben diese Schäden von der Lunge.
- Und man ist nach einer schweren Erkrankung, egal ob man jung oder alt ist, man ist geschwächt. Das heißt, man braucht einfach Zeit. Wenn man chronisch krank ist, COPD, Rheuma, was auch immer, muss man sich diese Zeit ganz speziell geben. Das kann dauern.
Therapie
Welche Therapie können wir machen?
- Es ist ganz wichtig, die Grunderkrankung zu therapieren, also z.B. den hohen Blutdruck, den Zucker, auch die COPD, also die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung, ein Asthma, auch rheumatologische Erkrankungen, neurologische Erkrankungen. Die Grunderkrankungen muss gut zu behandeln sein.
- Rauchen sollte man sowieso nicht, das ist schlecht. Auch natürlich im Covid-19-Setting steigen Raucher schlechter aus bzw. schädigt das Rauchen natürlich die Lunge.
- Die Rehabilitation ist sehr, sehr wichtig und sehr, sehr gut. Es sollte aber vom geschulten Personal durchgeführt werden, also im Rehabilitationszentrum Hocheck z.B.
- Und Cortison kann helfen. Aber Cortison ist mit Rücksprache des behandelnden Arztes, und das sollte ein Lungenfacharzt sein, das sich auch mit Covid-19 ein bisschen auskennt, oder ein Internist z.B., der das dann richtig zur richtigen Zeit für den richtigen Patienten verordnen kann. Also auch Cortison ist kein Wunderheilmittel, aber wir können therapieren und wir können etwas tun.
Eine Frage, die sehr oft gestellt wurde in meiner Tätigkeit in der Rehabilitation, war: „Herr Doktor, mir ist es nicht mehr gegangen, aber ich habe überhaupt nicht gewusst wohin. Was hätte ich denn tun sollen?“ Und eine ganz klare Antwort ist: Der erste Ansprechpartner in dieser Situation ist der Hausarzt. Zum Hausarzt gehen und sagen: „Mir geht’s nicht gut.“ Mit dem Hausarzt klären, warum es mir nicht gut geht.
Und dann kann der entscheiden oder einen Vorschlag machen:
- Braucht es einen weiteren Facharzt, um etwas abzuklären, z.B. einen Lungenfacharzt oder einen Internisten, einen Kardiologen, einen Herzfacharzt?
- Brauchen wir eine Physiotherapie, um einfach die Muskulatur wieder zu stärken?
- Müssen wir eine Grunderkrankung behandeln?
- Brauchen wir vielleicht eine psychologische Betreuung auch dazu? Auch die psychologische Betreuung ist etwas sehr, sehr Wichtiges nach einer schweren Erkrankung, nicht nur noch Covid-19. Eine jegliche schwere Erkrankung tut der Seele auch nicht gut. Das heißt, wenn der Bedarf besteht, auch bitte das unbedingt wahrnehmen.
- Auch psychiatrische Hilfe in Anspruch nehmen, wenn es notwendig sein sollte. Dafür ist es in dieser Zeit auch da, dass man darüber reden kann, was man durchgemacht hat.
Im Johann seinem Fall: Der hat seine Frau wochenlang, monatelang nicht gesehen. Das ist eine belastende Situation. Und wenn dann jemand eine Rehabilitation braucht, natürlich eine Rehabilitation in Anspruch nehmen und wieder zu Kräften kommen und auch die Lungen und die Muskulatur um die Lunge herum trainieren.
Wann soll ich etwas tun?
Es ist auch die Frage: Wann soll ich denn etwas tun? Wann soll ich denn zu einem Doktor gehen?
- Wenn ich immer noch Probleme mit der Luft habe, also auch wenn ich „nur“ zu Hause war, nie im Krankenhaus war, aber lange Monate, wochenlang nach der Erkrankung noch Probleme mit der Luft, mit der Atmung habe, einen sehr, sehr schnellen Herzschlag habe,
- Kraftlosigkeit habe.
- Nach einem langen Intensiv oder Krankenhausaufenthalt ist es auf alle Fälle wichtig, dass man zu einem Arzt geht und zumindest einmal nachfragt, z.B. beim Hausarzt: In welche Richtung können wir denn gehen? Kommt denn Rehabilitation für mich in Frage? Oder soll ich einen Facharzt für weitere Diagnostik, also Diagnosen aufsuchen.
In Zusammenschau mit den behandelnden Ärzten kann man dann sehr, sehr gut entscheiden: In welche Richtung wird es weitergehen, und wovon kann ich als Patient mit auch meinen Begleiterkrankungen am besten profitieren?
Ihre Fragen
Jetzt, am Ende dieses Vortrages kommen wir mitunter zum, wie ich finde, wichtigsten Teil, nämlich: Sie haben viele Fragen gestellt, und ich möchte diese Fragen beantworten.
Warum ist es so wichtig? Es sind Fragen dabei gewesen, die viele von Ihnen betreffen, die chronische Erkrankungen betreffen. Und deshalb möchte ich wirklich auf jede Frage, die gestellt wurde, eingehen. Ich habe ein paar Fragen zusammengefasst, um wirklich alles beantworten zu können. Und ich hoffe, Ihre Frage ist dabei.
Frage 1: Spätfolgen
Und die erste Frage, die gestellt wurde, ist:
Sind das typische Spätfolgen
- Niedriger Blutdruck,
- Druck auf der Brust,
- Kribbeln und
- eiskalte Hände und Füße,
- Schwindel,
- schnelle Erschöpfung
- und Herzrasen.
Und die Antwort, die ich Ihnen geben möchte, ist: Alle Symptome, die jetzt aufgezählt wurden, alle Symptome, die Sie erwähnt haben, können natürlich nach einer durchgemachten Covid-19-Erkrankung auch auftreten.
Es ist aber wichtig, dass diese Symptome auch Ausdruck von zugrunde liegenden Grunderkrankungen sein können.
Hier ist es angebracht, den Hausarzt aufzusuchen, um mit dem Hausarzt diese Symptome zu besprechen, ob eine Grunderkrankung vorliegt, die man zuerst behandeln muss. Und dann schauen, was kommt: Sind das Symptome, sind das Zustände von dieser Grunderkrankung, oder ist es jetzt nach dieser durchgemachten Covid-19-Infektion?
Der Schwindel, die Atemnot oder die Atemanstrengung, auch dieser schnelle Puls kann ein Ausdruck von körperlicher Erschöpfung auch sein. Aber wie gesagt, man darf nicht eine womöglich zugrunde liegende Erkrankung außer acht lassen. Da ist es wichtig, den Hausarzt aufzusuchen und dann gegebenenfalls eine Überweisung zum Facharzt oder zur Rehabilitation vom Hausarzt zu bekommen.
Auch der Facharzt in Österreich kann zu einer Rehabilitation überweisen.
Frage 2: Welcher Arzt bei Spätfolgen
Die nächste Frage, die gestellt wurde, und das ist auch eine sehr, sehr wichtige. Welchen Arzt soll ich denn aufsuchen, wenn ich Spätfolgen habe? Und macht eine Kur denn überhaupt einen Sinn?
Ganz klar ist: Der erste Ansprechpartner, zumindest im österreichischen Gesundheitssystem, ist der Hausarzt. Wenn der Hausarzt feststellt, es ist eine weitere Versorgung notwendig und sinnvoll, dann wird der Hausarzt zum Facharzt überweisen. Es kann aber sein, dass der Hausarzt, z.B. wenn man schwach ist, Kräftigung braucht oder Beschwerden hat mit dem Bewegungsapparat, kann der Hausarzt auch eine Physiotherapie verordnen. Also es gibt verschiedene Möglichkeiten. Aber der erste Ansprechpartner ist der Hausarzt, und dann geht es eben weiter zum Facharzt.
Eine Rehabilitation macht Sinn, wenn man deutlich geschwächt ist und wieder in ein Arbeitsfeld oder ins persönliche Leben zurückkehren möchte und wenn man viel Kraft verloren hat, zum Beispiel im Rahmen eines langen Krankenhausaufenthaltes oder auf einer Intensivstation.
Eine Kur kann natürlich auch sinnvoll sein.
Aber ordentlich auch Kraft aufzubauen und Sport zu machen, Diagnostik zu haben, ist eine Rehabilitation oder ein Rehabilitationszentrum, das speziell mit Covid-19-Patienten arbeitet, durchaus sinnvoll. Und da möchte ich wieder das Rehabilitationszentrum auf Hocheck Ihnen ans Herz legen, weil ich weiß, wie dort gearbeitet wird. Und ich weiß, dass die Kolleginnen und Kollegen und das gesamte Team dort wirklich sehr motiviert ist und eine gute Rehabilitation, eine sehr gute Rehabilitation für Covid-19-Patienten anbieten kann.
Frage 3: Langzeitfolgen bei chronischen Vorerkrankungen, z.B. bei Rheuma
Die nächste Frage war etwas enorm, enorm Wichtiges. Die Frage war: Ich habe Angst, dass ich auf Grund von den Langzeitfolgen, die ich womöglich erleide, mein Leben, das ich jetzt schon nicht mehr so gut meistern kann, weil ich eine Erkrankung habe, nämlich Rheuma, mir ist einfach noch schwerer fällt. Wie wahrscheinlich ist denn das?
Und es ist so: Angst, haben wir gesagt, ist ein wichtiger Punkt. Die psychologische oder die emotionale Komponente dieser Erkrankung, dieser ganzen pandemischen Situationen ist enorm wichtig und schwerwiegend. Und natürlich macht so eine Situation Angst.
Aber, das ist ganz wichtig: Es gab vor Covid-19 auch schon Infektionskrankheiten. Und auch diese Infektionskrankheiten, eine Grippe kann enorm schlimm verlaufen, da können auch Patienten auf die Intensivstation kommen.
Und hier ist ganz klar mal Prävention gefragt. Das heißt Hände waschen, Hände desinfizieren. Vor allem Hände desinfizieren, wenn ich im Gesundheitsbereich arbeite. Lang genug die Hände waschen, mit Seife waschen, lang genug die Hände desinfizieren, Maske tragen, Abstand halten. Das sind alles Maßnahmen, die vor Infektionskrankheiten, auch der Grippe, der echten Grippe schützen.
Und natürlich Prävention. Auch eine Impfung, eine Grippe-Impfung, macht natürlich auch Sinn.
Und Hygienemaßnahmen ist das Erste, was man ergreifen sollte, um gar nicht in die Situation dieser Langzeitfolgen zu kommen.
Und es ist wichtig: Wenn ich diese Art Erkrankung hatte, und wenn ich einen schweren Verlauf habe, dann kann es notwendig sein, dass ich mitunter diese Überbleibsel, eine Atemnot oder eine Kraftlosigkeit habe. Und wenn ich das habe, dann muss ich zum Arzt gehen und muss gegebenenfalls eine Rehabilitation machen, wo ich wieder Sport mache, Kraftaufbau mache, vor allem Atemtraining mache und eine gute Therapie meiner Grunderkrankung, zum Beispiel rheumatischen Erkrankung, habe.
Und, was sehr positiv ist: Ich habe sehr viele Patienten gesehen mit Covid-19, mit durchgemachter Covid-19-Erkrankung, die Begleiterkrankungen hatten, chronische Erkrankungen hatten. Im Rehabilitationszentrum Hocheck haben wir mit sehr vielen Patienten sehr, sehr gute Erfolge gehabt, dass die Patientinnen und Patienten wieder zurück ins Arbeitsleben konnten, zurück auch in eine schöne Pension konnten und mit ihrem Lebenspartner oder mit der Familie eine schöne Zeit verbringen können.
Also ein Weg zurück ist möglich, aber braucht Zeit und wird, und das ist etwas Wichtiges, sehr viel Kraft kosten.
Das heißt: Wenn jemand auch schon chronisch krank ist, ist er es gewohnt, hart zu arbeiten, hart mit sich zu arbeiten, mit der Erkrankung zu leben. Und dann ist aber ein Weg zurück in das normale Leben auch denkbar.
Und wie gesagt, in der Rehabilitation, wie ich das kennengelernt habe, waren das wirklich schöne, und wir haben sehr viele Erfolge Gott sei Dank mit den Patienten zusammen gehabt.
Frage 4: Sport im Rahmen einer Reha
Dann ist eine Frage: Welchen Sport kann ich zur Rehabilitation nach Covid-19 überhauptmachen? Ich habe Rheuma, und die Wassergymnastik tut mir gut.
Und die Frage haben Sie sich damit eigentlich auch selbst beantwortet: Was Ihnen gut tut, können Sie nach der Infektion machen. Es ist nur wichtig, dass Covid-19 z.B. eine Mitbeteiligung des Herzens machen kann, eine sogenannte Herzmuskelentzündung, eine Myocarditis. Und wenn man das hat, sollte man keinen zu intensiven Sport machen. Also da bitte ein bisschen aufpassen, beim Arzt erkundigen. Prinzipiell, wenn man aber diese Erkrankung überstanden hat, ist jegliche Form von Sport oder Bewegung möglich. Und wenn Ihnen die Wassergymnastik guttut, ist das natürlich super.
Aufgrund der Grunderkrankung muss man dann aber differenzieren: Ist jetzt das Problem die Atemnot, also die Luft, die Lunge, das Herz vielleicht, oder ist Ihr Problem die Grunderkrankung, die rheumatische Erkrankung? Und wenn die Grunderkrankung das Problem ist, sollte man in ein Setting gehen, also in ein Rehabilitationszentrum gehen, wo diese Grunderkrankung besser bekannt ist als beispielsweise in einer Herz-Kreislauf-Lungen-Rehabilitation. Also es gibt spezielle Einrichtungen für spezielle Organe oder Krankheiten, und je nachdem, wo der Sorgenbereich liegt, wo das Problem liegt, sollte man dann auch hingehen.
Frage 5: Spätfolge Embolie
Man hört auch immer wieder was von der Spätfolge Embolie, ist die nächste Frage. Was ist das und wann sollte ich den Notarzt rufen?
Einen Notarzt, die Rettung rufe ich generell bei einem Notfall: bei akuter Atemnot, starken Brustschmerzen, wenn ich um mein Leben Angst habe. Ich setze den Notruf ab, und dann wird entschieden von geschultem Personal: Ist der Notarzt notwendig? Dann kommt die Rettung. Die Rettung kann auch den Notarzt nachfordern.
Was ist jetzt eine Embolie? Eine Embolie ist ein Lungeninfarkt. Ein Lungeninfarkt ist ein Blutgerinnsel. Das kann aus den Venen kommen, aus den Oberschenkelvenen zum Beispiel. Und dieses Blutgerinnsel bleibt in einer Arterie in der Lunge drinnen und verstopft es. Und das kann dann sehr, sehr starke Atemnot z.B. auslösen, Brustschmerzen auslösen, sehr schnellen Puls auslösen. Und je größer das Gerinnsel, je größer diese verstopfte Arterie normalerweise ist, desto schwerer ist dieser Lungeninfarkt, diese Lungenembolie. Und wie gesagt, was man spüren kann, sind Brustschmerzen, Atemnot, sehr, sehr schnelle Atmung, auch Bluthusten kann da auftreten, blaue Lippen, auf das achten. Und wenn das akut auftritt, also wirklich von einer Sekunde auf die andere, dann ist es Zeit, einfach zu wissen, es ist etwas faul und da sollte man medizinischen Beirat zuziehen, z.B. eben die Rettung anzurufen.
Wichtig ist aber auch: Diese Symptome sind sehr unspezifisch, das kann viele sein, viele Erkrankungen können das sein, und wir wissen nicht: Ist das jetzt eine Lungenembolie oder nicht? Wir wissen nur, es ist etwas faul, und wendet etwas faul ist und Sie sehr krank sind, kritisch krank zu drohen werden, müssen Sie ins Krankenhaus und müssen wir Diagnostik machen und schauen, wo das Problem liegt und dieses Problem dann behandeln?
Frage 6: Spätfolgen erkennen
Eine letzte Frage, die sehr speziell ist, möchte ich noch beantworten. Und zwar: Wie erkenne ich, ob ich Spätfolgen von Covid-19 habe? Ich habe eine Hashimoto-Thyreoditis, und könnte eine falsche Einstellung meiner Medikamente dafür verantwortlich machen? Stichwort: Müdigkeit.
Also wir haben jetzt eine chronische Erkrankung, eine Unterfunktion der Schilddrüse. Das ist ein Morbus Hashimoto. Das kann man aber auslegen auf jede weitere Erkrankung, wo man einfach Müdigkeit spüren kann. Und in diesem Setting ist es z.B. sinnvoll: Wenn Sie müde sind, mit Ihrer bekannten Grunderkrankung, gehen Sie zum Arzt und bestimmen die Schilddrüsenwerte. Wenn die nicht in der Norm liegen oder wenn die nicht passen, kann eine Anpassung des Medikaments von der Schilddrüse her notwendig sein, und es kann natürlich die Beschwerden dort schon lindern.
Das heißt, einfach schauen, ob die aktuelle Grunderkrankung eingestellt ist.
Also wenn diese anhaltende Müdigkeit von Covid-19 bleiben sollte, dann haben Sie wahrscheinlich eine schwere Lungenentzündung gehabt, und diese schwere Lungenentzündung war über Wochen, über Monate anhaltend bzw. Sie waren sehr lange im Krankenhaus oder auf der Intensivstation. Und wenn Sie das haben und dann sehr lange sehr schwach sind, und das haben wir ja vorab besprochen schon ein paarmal, sollten Sie generell einen Arzt aufsuchen und schauen, was für ein weiteres Vorgehen oder welches weitere Vorgehen für Sie persönlich Sinn macht.
Verabschiedung
Damit bin ich jetzt mit dem Vortrag fertig, mit dem Beantworten Ihrer Fragen fertig. Ich hoffe, Sie haben einen Mehrwert aus diesem Vortrag gezogen. Und wie schon gesagt: Die Situation ist eine schwierige, sowohl für Sie als Patienten, für Angehörige, für die Familien, für uns alle, aber eben auch die Mitarbeiter im Gesundheitsbereich, nicht nur von ärztlicher Seite, auch von pflegerischer Seite, auch von der Reinigung her. Es wird sehr viel geleistet. Aber das ist die Situation, und das ist, ganz wichtig, auf keinen Fall hoffnungslos.
Rehabilitation ist sinnvoll, und man kann auch nach einer schweren und kritischen Covid-19-Erkrankung, und ich habe viele Patienten gesehen, zurück in ein normales Leben kommen.
Ich danke Ihnen vielmals für die Einladung.
Coronavirus: Langzeitfolgen und Reha
21.11.2020 | 10.35 – 11.05 Uhr
Genesen, aber noch lange nicht gesund: Bei einigen Covid-19-PatientInnen treten Spätfolgen auf. Dr. Martin Altersberger wird in seinem Vortrag darüber sprechen, welche Corona-Langzeitfolgen auftreten können. Außerdem erklärt er, an wen sich Betroffene wenden können, wenn sie selbst davon betroffen sind und wie diese schließlich behandelt werden.
Vortragender
Assistenzarzt für Innere Medizin/Kardiologie
Dr. Martin Altersberger
Dr. Martin Altersberger ist Assistenzarzt für Innere Medizin/Kardiologie im Pyhrn-Eisenwurzen Klinikum Steyr. Dr. Altersberger war zur Zeit der COVID-19 Pandemie als Assistenzarzt im Rehabilitationszentrum Hochegg stationiert und Konsiliararzt für Lungenultraschall und Echokardiografie im Landesklinikum Neunkirchen und konnte Patienten von der Intensivstation, zur Rehabilitation im Rehabilitationsklinikum Hochegg begleiten und zur Genesung der Patient/Innen beitragen. Seine Forschungsschwerpunkte sind der Lungenultraschall & die Echokardiografie, sowie medizinische Lehre.