Physiotherapeut Stefan Herrmann von der Kepler Universitätsklinikum Linz klärt auf, welche Art von Bewegung sinnvoll ist und auch ausgeübt werden kann, wenn man wegen der Corona-Maßnahmen auf die eigenen vier Wände beschränkt ist.
Trainingsgegenstände aus dem Alltag
Hallo, mein Name ist Stefan Hermann, ich bin Physiotherapeut und ich werde heute mit euch gemeinsam ein paar Übungen machen mit alltäglichen Gegenständen, die höchstwahrscheinlich jeder von euch zu Hause hat.
- Sehr zu empfehlen ist immer eine Trainingsmatte, oder im Zweifelsfall, wenn keine Trainingsmatte vorhanden ist, ein Teppich.
- Dann kann man verwenden einfache Trinkflaschen, da kann man Tritanflaschen nehmen oder solche PET-Flaschen. Wenn man gut aufpasst, kann man auch Glasflaschen nehmen.
- Und als drittes Objekt zum Trainieren haben wir einen Sessel.
Und wir werden heute ein gemeinsames Trainingsprogramm absolvieren, bei dem man diese Utensilien verwenden werden.
Erste Übung: Ankommen im Körper
Wir kommen für die erste Übung in einen hüftbreiten Stand, schauen, dass wir gut auf dem Boden stehen. Wir schauen, dass die Knie locker sind, dass das Becken gut aufgerichtet ist, es in der Mittelstellung ist. Wir denken an eine Schnur, die uns großzieht, lassen die Schultern locker, die Kiefer locker. Und wir bringen die Hände auf den Bauch bis hier unterhalb des Bauchnabels, und schauen, dass wir in unserem Körper ankommen, indem wir die Atmung beobachten. Wir machen gezielt eine Bauchatmung, wo wir beim Einatmen versuchen, dass der Bauch nach außen geht, und beim Ausatmen geht der Bauch nach innen.
Die Übung dient zum Ankommen im Körper, den Körper bereit machen für die Bewegung.
Da genügen zwei, drei Atemzüge. Und dann beginnen wir mit den Aufwärmübungen.
Aufwärmübung 1: Zehengang
Die erste Aufwärmübungen ist ein Zehengehen. Wir belasten das linke Bein und schieben mit den Zehen das rechte Bein nach vorn. Dann machen wir Belastungswechsel aufs rechte Bein und schieben das linke vor.
Und so hangeln wir uns immer vor, schieben praktisch das nicht belastete Bein mit den Zehen nach vorn. Das stimuliert die Fußreflexzonen, das kräftigt die Muskulatur im Fuß und es aktiviert die Fußmuskulatur und den Körper, dass er bereit ist für die Bewegung.
Ich gehe nochmal ein bisschen zurück und mache nochmal einen Durchgang. Also: Rechtes Bein vor, linkes vor, und im Wechsel.
Wenn das noch nicht so schnell klappt, dann einfach weiter üben. Kommt mit der Zeit.
Und Pause.
Und wir gehen wieder zurück an den Ausgangsort.
Aufwärmübung 2: Einbeinstand mit Fußkreisen
Die nächste Übung, die ist auf einer Seite ein Einbeinstand: Wir belasten das linke Bein, heben das rechte Bein und kreisen mit dem Fuß – mal nach rechts, und nach links.
Und wir denken uns wieder groß, kippen das Becken aufrecht und versuchen, die Position zu stabilisieren.
Wenn das zu schwer ist, kann man sich schon am Sessel festhalten oder bei der Wand ein bisschen festhalten. Und es ist, wie gesagt, gleichzeitig Koordinationstraining.
Dann wechseln wir das Bein, kreisen in die eine Richtung und in die andere Richtung.
Aufwärmübung 3: Flow
Und jetzt wird’s gleich beim Aufwärmen ein bisschen anspruchsvoller.
Die nächste Übung ist ein Flow, bei dem wir eine bestimmte Reihenfolge an Übungen hintereinander machen. Aber es ist trotzdem vom Schwierigkeitsgrad einfach.
Wir bringen die Hände vors Brustbein und starten: Mit der Einatmung bringen wir die Hände hoch, mit dem Ausatmen seitlich auf Schulterhöhe, Einatmen – Drehbewegung, Ausatmen bitte, Einatmen mit einer Drehbewegung, Ausatmen, Einatmen – hoch, Ausatmen – Seitenneigung, wie an eine Wand angelehnt, Ausatmen – wieder hoch, und Einatmen – Hoch, Ausatmen und vorwärtsbeugen, und beim Vorwärtsbeugen schauen, dass wir einen geraden Rücken haben und Spannung in der Lendenwirbelsäule, die Kniee dürfen leicht gebeugt sein, und wie wenn wir Wasser aus einem See schöpfen würden, und dann das Wasser über unseren Rücken leeren in einer Kniebeuge mit gestreckten Rücken, also von der Seite schaut das dann so aus, Kniebeuge mit gestrecktem Rücken stehen wir wieder auf. Ausatmen. Zurück in die Ausgangsstellung.
Jetzt machen wir noch zwei Durchgänge von dieser Übung. Mit dem Einatmen hoch, Ausatmen, Einatmen, Ausatmen, Einatmen, Ausatmen, Einatmen hoch, Ausatmen Seitenneigung, Einatmen hoch, Ausatmen Becken zur rechten Seite schieben, jetzt richtig Einatmen hoch, wir steigen auf die Zehenspitzen, mit dem Ausatmen wie ein Wasserfall nach unten bewegen, das Wasser aus dem See schöpfen, über den Rücken gießen und mit dem nächsten Einatmen wieder hoch. Ausatmen, Ausgangsstellung.
Der dritte Durchgang: Einatmen hoch, Ausatmen, Einatmen, Ausatmen, Einatmen, Ausatmen, Einatmen hoch, Ausatmen Seitenneigung, deutlich das Becken zur Seite schieben, nicht nur den Oberkörper neigen, sondern das Becken auf eine Seite schieben und Einatmen hoch, Ausatmen Wasserfall, Einatmen, und Ausatmen, zurück in die Ausgangsstellung.
Aufwärmübung 4: Mobilisierung der Brustwirbelsäule, kombiniert mit der Atmung
Die vierte Aufwärmübungen ist eine Übung, bei der wir die Brustwirbelsäule mobilisieren, kombiniert mit der Atmung. Wir schauen, dass wir wieder konstant durch die Nase atmen. Wenn wir durch die Nase atmen, hat das einen sehr positiven Einfluss auf erstens die Spannung im Zwerchfell und zweitens auf unser Nervensystem. Es wird der Parasympathikus aktiviert, der für die Entspannung und für das Lockersein verantwortlich ist und für die Regeneration verantwortlich ist. Und darum ist es immer wichtig, durch die Nase zu atmen, gleichmäßig ein- und auszuatmen. Und wenn der Bewegungsablauf automatisiert ist, dann sollte sich die Bewegung an die Atmung koppeln und nicht umgekehrt.
Also die vierte Übung schaut so aus, dass wir die Hände vor das Brustbein oder vor den Brustkorb bringen und uns rund machen und dann mit dem Einatmen den Brustkorb öffnen, die Hände seitlich öffnen, Schultern nach hinten unten ziehen, den Nacken lang machen, aktiv die Wirbelsäule strecken und mit dem Ausatmen klein machen, die ganze Luft aus der Lunge pressen, Einatmen, wieder hoch, Ausatmen, Einatmen, Ausatmen, Einatmen, und Ausatmen, Einatmen, Ausatmen, Einatmen, Ausatmen. Und Pause.
Kräftigungsübung 1: Wadenheber
Als nächstes folgt der Teil der Kräftigung. Wir machen ein paar sanfte Kräftigungsübungen.
Und das erste, was wir machen, ist für die Wadenmuskulatur. Wir wechseln immer erst die Beine, die Arme, und der Rumpf ist auch immer mit dabei.
Wir nehmen zu Hilfe, wenn es nötig ist, einen Sessel. Da kann man sich ein bisschen dran festhalten. Ansonsten kann man die Wand nehmen, oder man kann es auch ohne Hilfsmittel probieren. Das ist ein bisschen anspruchsvoller.
Also wir kräftigen die Waden, indem wir uns gerade herstellen und aus der Position die Zehenspitzen belasten und die Fersen hochbringen. Und langsam nach unten sinken und wieder hoch, 2, und 3, und 4, und 5, und 6, und 7, und 8, und 9, und 10, und 11, und 12, und 13 und 14, und 15.
Das wäre eine Übung, die sehr gut auch funktioniert auf einer Stufe: Einfach im Stiegenhaus hinstellen, Handlauf festhalten und die Wadenheber üben. Nicht empfehlenswert sind Stöcke und dergleichen, weil die oft instabil sein und dann kippen, und dann ist das Sturzrisiko einfach zu hoch.
Aber es funktioniert auch ohne genauso gut.
Kräftigungsübung 2: Military Press (Arme und Schultern)
Die zweite Übung: Da nehmen wir unsere ersten Hilfsmittel zur Hand. Das sind die Hanteln. Die zeige ich jetzt im Sitzen vor, geht genauso gut im Stehen.
Wir nehmen diese Wasserflaschen, und in dem Fall sind es bei mir 0,75 Liter, d.h. dreiviertel Kilo an Gewicht, und man kann dann mit der Wassermenge bestimmen, wie schwer das ist. Also man kann zwischen 10 Deka bis zu eineinhalb Kilo mit großen PET-Flaschen diese Hanteln ganz locker simulieren. Und wenn es zu schwer ist, dann trinkt man einen Schluck und übt wieder weiter.
Also die nächste Übung sind Military Press, da sind Übungen für die Arme und für die Schultern. Und die Arme bewegen sich, und der Rumpf stabilisiert. Das ist das Wichtige bei der Übung: Die Rücken- und Bauchmuskulatur wird mit trainiert, indem wir uns gerade hersetzen, und es kommt keine Mitbewegung im Rumpf zustande.
Wir bringen die Arme seitlich, ungefähr Ellbögen auf Schulterhöhe, dann bewegen wir die Arme nach oben und wieder seitlich nach unten. Die Schulterblätter ziehen hinten unten zusammen. Bauchnabel zieht leicht nach innen. Und mit dem Einatmen auf, und Ausatmen runternehmen.
4, und 5, und 6, und 7, und 8.
Die Schulterblätter ziehen vom Kopf weg. Achtung, dass wir kein Hohlkreuz machen, dass vor allem die Bauchmuskulatur gut den Rumpf stabilisiert,
und 13, und 14, und 15. Pause.
Das war die erste Übung für die Arme. Ich empfehle immer 2 oder 3 Serien mit jeweils 15 Wiederholungen.
Kräftigungsübung 3: Beine
Dann wechseln wir wieder zu den Beinen. In dem Fall kommt der Sessel zum Einsatz. Wir nehmen den Sessel als Hilfsmittel.
Wir stehen jetzt in dem Fall auf dem linken Bein und bewegen das rechte Bein auf den Sessel, tippen hier kurz an, gehen nach unten und wechseln das Bein. Und zack, und zack, und zack. Können wir die Hände ein bisschen mitnehmen, zack, zack, zack. Und wir trainieren das Gleichgewicht und ganz sanft ein bisschen die Kraft, ein bisschen die Ausdauer, hopp, hopp, hopp, Bauchnabel gut nach innen spannen. Hopp, hopp, hopp, hopp, hopp, hopp und 10, 9, 8, 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1. Und der letzte Durchgang. Pause.
Kräftigungsübung 4: Oberkörper
Die nächste Übung ist für den Oberkörper, für die Arme.
Wir kommen in die Standstellung und schauen, dass wir wieder hüftbreit stehen. Wir nehmen unsere Hanteln zu Hilfe und bewegen die Hanteln oder positionieren die Hanteln in diese Position und machen wieder eine Oberkörperdrehung, eine Drehung der Hanteln nach außen. Der Bauchnabel zieht nach innen. Wir machen uns groß. Und dann bringen wir die Hanteln nach unten, die schauen wieder zusammen, und auf die Gegenseite. Einatmen. Ausatmen, nach unten, Einatmen. Kopf zusammen, Einatmen, Boden zusammen, zusammen, Ausatmen, Einatmen, Ausatmen, Einatmen, Ausatmen, Aus und Ein, Aus, Ein, Aus, Ein, Aus, Ein, Aus, Ein, Aus, Ein. Und 5 Wiederholungen noch: 5 und 4, und 3, und 2, und 1, und Pause.
Kräftigungsübung 5: Klassische Kniebeuge (Beine)
Die nächste Übung ist wieder für die Beine, genauso wie Rücken und Bauchmuskulatur, und zwar die klassische Kniebeuge.
Wir nehmen zur Hilfe unseren Sessel, positionieren den Sessel so, dass wir die Zehenspitzen unter den Sesselrand bringen. Wir schauen, dass der Rücken gerade ist. Und aus der Position bewegen wird das Gesäß nach hinten und den Oberkörper nach vorne, sodass die Knie den Sessel nicht ganz berühren. Und wenn das mit geradem Rücken passiert, dann haben wir eine perfekte Kniebeuge. Und die Hände können wir in der Position halten oder nach vorne strecken.
Und 2, und 3, und 4, und 5, und 6, und 7, und 8, und 9, und 10, und 11, und 12. Und über die Höhe können Sie selbst entscheiden, wie anstrengend die Kniebeuge. Wichtig ist, dass die Knie den Sessel nicht berühren. Und der letzte Durchgang, und Zack, und Pause.
Kurz auslockern.
Kräftigungsübung 6: Wandliegestütz (Arme und Oberkörper)
Und dann noch eine Übung für die Arme, für den Oberkörper, und zwar:
Den Sessel stellen wir gehen neben den Kastel oder gegen die Wand, so dass der Sessel nicht verrutschen kann. Und dann machen wir einen Wandliegestütz.
Die leichteste Version ist gegen die Wand, und je weiter man nach unten geht beim Kastel, beim Sessel, bei der Sitzfläche vom Sessel, umso anspruchsvoller.
Ganz wichtig ist, dass der Rücken gerade ist und dass die Ellbögen so nahe wie möglich beim Körper sind, und die Schulterblätter hinten zusammenziehen.
Also wir kommen aus der Position und begeben uns auf die Zehenspitzen. Und 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, und 15.
Und Pause.
Kräftigungsübung 7: Diagonal beugen zu Zehen
Und dann machen wir als letzte Übung zum Abschluss noch eine Übung mit den Hanteln, mit den Wasserflaschen. Und zwar begeben wir uns in eine schulterbreite Position, oder ein bisschen mehr als schulterbreit, und schauen, dass wir rundherum Platz haben. Wir strecken die Arme aus, und mit geradem Rücken und leicht gebeugten Knien bewegen wir uns diagonal einmal mit der rechten Hand zur linken Zehe, und dann mit der linken Hand zur rechten Zehe.
Und zack, und zack, und 4, und 5, und 6, und 7, und 8, und 9, und 10, und 11, 12, 13, 14, 15. Und Pause.
Abschluss: Entspannung der Atemmuskulatur
Und dann suchen wir uns noch eine entspannte Position im Stehen oder im Sitzen, bringen die Hände auf den Bauch. Und jetzt könnte man noch Dehnungsübungen machen, oder weitere Kraftübungen, zweite Serie, dritte Serie, das Programm nochmal durchgehen. Aus zeitlichen Gründen müssen wir jetzt die Übungsserie beenden.
Aber es ist so ein bisschen ausgeglichenes Programm zwischen Oberkörper, Rumpf und Beintraining.
Und ganz wichtig ist der Aspekt der Atmung, dass man immer wieder auf die Atmung schaut und in dem Fall jetzt die Atemmuskulatur entspannt, indem wir die Hand auf den Bauch legen. Wer mag, kann die Augen schließen und zwei, drei Atemzüge in den Bauch genießen.
Ihre Fragen
Gut. Ich werde jetzt noch ein paar Fragen beantworten, so ein paar Publikumsfragen. Und zwar waren einige Fragen, die man zusammenfassen kann.
Frage 1: Welche Übungen zu Hause als Ersatz für Fitnessstudio/Physiotherapie
Die erste Frage war sozusagen die großen Bedenken, dass Sie vielleicht irgendwo im Fitnessstudio trainieren, bei Physiotherapeuten unter Anleitung trainieren und jetzt aufgrund des Lockdowns oder der Maßnahmen einfach die Möglichkeit nicht mehr haben. Und da war die Frage: Was kann man als Ersatz machen?
Ich empfehle es ja, solche Übungen, wie wir es jetzt durchgeführt haben. Am liebsten mache ich Übungen mit dem eigenen Körpergewicht, sprich Qigong-Übungen, also die alten traditionellen Bewegungsformen, Qigong-Übungen, Tai Chi-Übungen, Yoga, die einfacheren Asanas im Yoga. Dann Pilates wäre eine Möglichkeit, oder Bodyweight-Training. Und da muss man nur ein bisschen auf die Intensität achten. Aber das wären empfehlenswerte Bewegungsformen.
Als Hilfsmittel braucht man im Prinzip eine Trainingsmatte. Man kann verwenden einen Pilatesball, wenn einem das sympathisch ist, man kann verwenden Therabänder, man kann verwenden eben so einen Sessel oder die Stufen, man kann verwenden Schlingentrainer, die gibt’s mittlerweile relativ günstig, wenn man die Möglichkeit hat, dass man sich irgendwo oben positioniert. Da gibt’s viele Übungen, wo man mit dem eigenen Körpergewicht trainieren kann. Das wären solche Sachen, die man zu Hause machen kann.
Grundsätzlich ist so: Wer den Kraftausdauerbereich trainieren möchte, sollte immer zwei bis drei Durchgänge mit ungefähr 15 bis 20 Wiederholungen empfehlenswert, und dazwischen 30 Sekunden Pause, oder, so wie wir es gemacht haben, der Wechsel zu einer anderen Muskelgruppe, das heißt: 15 Wiederholungen die Beine trainieren, 15 Wiederholungen die Arme trainieren.
Und das wichtigste dabei ist: Immer schauen, dass der Rumpf stabil ist, sprich: den Bauchnabel noch innen ziehen bei allen Bewegungen, die in die Streckung gehen, und den Rücken gerade halten, dass man nicht ins Hohlkreuz kommt bei allen Übungen eben in der Streckung. Und wenn wir in die Vorwärtsbeuge kommen oder uns nach vorne bücken, schauen, dass der Rücken gerade bleibt. Also da eher tendenziell Richtung Hohlkreuz bewegen. Das war die erste Frage.
Frage 2: Verletzungsgefahr bei Übungen zu Hause
Worauf ist zu achten, wenn man die Übungen zu Hause macht, dass man sich nicht verletzt?
Das Wichtigste ist sowieso das oberste Trainingsprinzip,
dass man langsam bewegt, die Übungen kontrolliert ausführt, dass man versucht, genau so langsam, wie man in die Bewegung reingeht, aus der Bewegung heraus auch wieder rausgehen, dass man nicht am Ende einfach die Beine fallen lässt vor Erschöpfung, sondern besser dann ein bisschen weniger Wiederholungen zu machen und diese dafür sehr gut stabilisiert, sehr gut geführt, langsam und kraftvoll. Dann sollte eigentlich nichts passieren.
Wichtig ist auch, wenn man Bewegungsanfänger ist oder Neuling ist bei Körpergewichtsübungen, dass man zuerst die Hebel kurz hält, sprich: nicht gleich in Rückenlage ausgestreckte Beine am Boden bewegen und wieder heben, sondern den Hebel kurz halten, die Knie beugen. Alles, was nahe beim Körper ist, ist leichter. Und dann erst langsam Schritt für Schritt über eine lange Dauer von mehreren Wochen, mehreren Monaten die Hebel langsam steigern, wenn der Körper dazu bereit ist.
Wichtig dabei ist immer, dass man im Rumpf stabil ist, also dass z.B. beim Senken der Beine die Wirbelsäule keine Bewegung macht. Sondern die Wirbelsäule muss stabil bleiben. Dann kann man davon ausgehen, dass auch keine Schmerzen entstehen durch die Übung.
Frage 3: Aufwärmen auch bei Übungen zu Hause
Die nächste Frage war, ob zu Hause auch ein Aufwärmen nötig ist.
Aufwärmen, so wie wir es heute gemacht haben, ist aus meiner Sicht immer nötig. Manchmal sind die Übungen so vermeintlich banal wie zum Beispiel beim Qigong, dass oft die Übung schon ausschaut wie eine Aufwärmübung. Aber das Aufwärmen hat mehrere Sinnhaftigkeiten.
- Und zwar das erste ist, dass der Körper gut besser durchblutet wird, dass die Extremitäten, die Muskeln besser durchblutet werden. und dadurch sinkt das Verletzungsrisiko.
- Und das zweite ist, dass man durch das Aufhören auch mit dem Geist und mit dem Fokus bei der Übung ankommt. Also wenn wir jetzt nach einen gestressten Arbeitstag nach Hause kommt und man fängt gleich an mit Krafttraining, dann geht der Stress wahrscheinlich weiter im Körper. Und wenn man aber sich hinsetzt und gut durchschnauft und sagt: Okay, ich möchte jetzt Training machen und beginnt mit Aufwärmübungen, dann hat man die Gelegenheit, dass das Stresslevel sinkt, dass der Stresspegel sinkt und der Körper bereit wird für die Bewegung. Und dann kann man diese Bewegungsreize viel besser verarbeiten.
Aus dem Grund ist Aufwärmen auch bei leichten Übungen, bei ein paar Sit-Ups oder bei ein paar Liegestützen und so weiter immer unbedingt empfehlenswert.
Frage 4: Yoga
Die nächste Frage richtet sich ans Yoga, ob Yoga empfehlenswert ist.
Und Yoga ist aus meiner Sicht sehr empfehlenswert. Ich bin auch Yogalehrer. Und zwar aus dem Grund, dass das oberste Ziel des Yoga ist, durch die Asanas, durch den Pranayamas, das sind die Bewegungsübungen und die Energieübungen über die Atmung, das zur Stille bringen des Geistes. Und die ganzen Bewegungsübungen wurden eigentlich entwickelt mit dem Ziel, dass man die Meditationshaltung länger aushält. Und unter diesem Aspekt ist Yoga absolut empfehlenswert.
Ich würde empfehlen, dass Sie vielleicht, wenn Sie noch keine Erfahrung mit Yoga haben, dass Sie vielleicht mit einem Anfängerkurs anfangen. Es gibt im Internet einige Plattformen, unter anderem auf YouTube, viele Videos zum Thema Yoga, wo man Yoga-Kurse machen kann. Und wenn Sie sich da was suchen, dann würde ich nach Anfänger-Yogakurs suchen und da die einfachen Sachen mitmachen.
Und ganz, ganz wichtig ist die zentrale Botschaft des Yoga: Die Intensität der Übung oder der Position ist nicht gesteuert vom Ego, sprich: Ich muss so weit wie möglich noch vor, ich muss das so lange wie möglich halten. Sondern wir bringen den Körper sanft in eine Position, wo wir über die Atmung den Geist zur Stille bringen können. Und das geht nur dann, wenn wir die Position wirklich in korrekter Ausführung einige Zeit halten können. Das ist am Anfang ein bisschen schwierig, dass man da reinkommt. Aber dies wäre der Sinn des Yoga. Und wenn das funktioniert, dann haben wir den großen Vorteil, dass sich bei allen Yogaübungen das Nervensystem beruhigt und der Körper sanft gekräftigt wird, gestärkt wird, das Immunsystem gestärkt wird, und der Körper einfach sehr gut regenerieren kann. Also in dem Fall: Yoga absolut empfehlenswert.
Frage 5: Wann und wie bewegen im Home-Office
Dann war noch eine Frage: Sehr geehrter Herr Hermann, ich bewege mich im Moment durch das Home-Office deutlich weniger als sonst und will das durch Bewegung daheim ausgleichen, finde aber leider trotz Lockdown nicht immer die Zeit oder auch die Muße dafür. Jetzt frage ich mich, wie bzw. eigentlich wann ich am Besten Bewegung machen sollte? Gleich nach dem Aufstehen oder lieber am Abend nach der Arbeit? Oder ist es sowieso besser, mehrere kurze Übungseinheiten über den Tag zu verteilen? Vielen Dank für Ihre Unterstützung.
Da ist es so: Zeit hat man nicht, Zeit muss man sich nehmen. Da würde ich absolut empfehlen, einfach mit sich selbst einen Termin ausmachen, wenn es notwendig ist, im Handy eine Terminerinnerung speichern. Und ich persönlich mag lieber die Bewegung in der Frühe oder am Morgen, und da würde ich mir 20 Minuten, eine halbe Stunde reservieren einfach für ein gesundes Bewegungsprogramm. Ob das Yoga oder Pilates oder Qigong oder Bodyweights-Training ist, ist nebensächlich. Wichtig ist, dass man sich praktisch bewegt. Und dann geht man schon gestärkt durch den Tag.
Und dann würde ich den Arbeitsalltag mit kleinen kurzen Pausen immer wieder unterbrechen, z.B. einfach Schulter kreisen oder nach hinten strecken.
Und dann wäre empfehlenswert, in der Mittagspause vielleicht 10 Minuten oder 15 Minuten draußen einen Spaziergang machen, Frischluft, Sonnenlicht, die Energie von draußen aufnehmen.
Und wer möchte, kann am Abend noch eine Entspannungseinheit, Meditationseinheit oder sanfte Bewegungseinheit machen, je nachdem, was die Zeit zulässt.
Aber diese zwei Komponenten, einmal am Tag aktiv bewegen und einmal am Tag draußen spazieren gehen, die würde ich immer mitmachen.
Und wenn man diese Meditationskomponente mit ins Boot holt, dann hat man einfach dieses Beruhigen des Geistes und die Stärkung des Nervensystems auch noch erledigt.
Frage 6: Sich bewegen in der Natur
Und dann war noch die letzte Frage: Lieber Herr Hermann, ich leite eine Selbsthilfegruppe für Menschen, die an Krebs erkrankt waren bzw. sind. Normalerweise haben wir einmal pro Woche Bewegungstherapie mit ausgebildeten Physiotherapeuten. Seit März leider nicht mehr. Meine Frage: Wie mache ich anderen Mitgliedern klar, dass sie Eigenverantwortung übernehmen sollen, dass die Bewegung in der Natur trotz Corona nicht verboten ist? Ich bin überzeugt, dass das Immunsystem bei mir trotz Krebs vor 16 Jahren, trotz meines Alters von 66 Jahren sicher weit besser ist als bei einem jungen Menschen, der aus Panik zu Hause sitzt und nicht hinausgeht. Die Natur gibt so viel Kraft.
Und genau das kann ich nur unterschreiben: Bitte die Übungen, so gut es geht, auch draußen machen. Einfach im Zwiebellook anziehen wie zum Langlaufen oder zum Skifahren, und die Körpergewichtsübungen kann man überall draußen machen, bei einer Parkbank. Man geht ein bisschen spazieren, macht die Übungen bei einer Parkbank, die wir jetzt gemacht haben zum Beispiel. Man kann die Hanteln/Flaschen ersetzen durch Steine oder Stöcke, die man findet, oder einfach ohne Hilfsmittel das machen. Und man genießt die Vorteile der frischen Luft, des Tageslichts, des Duftes der Natur, vor allem im Wald. Das sind alles Sachen, die das Immunsystem sehr stark fördern und stärken.
Abschluss
Also in diesem Sinne hoffe ich, mit dem Bewegungsprogramm ein bissel bewusster gemacht zu haben auf Bewegung.
Ich wünsche Ihnen alles Gute, und unbedingt nach draußen gehen. Das ist gut fürs Immunsystem.
Alles Gute. Tschau.
Fr. Dr. Herscovici
Viele Tipps – jetzt gibt es keine Ausreden mehr, sich zu Hause nicht zu bewegen.
Unser nächstes Thema ist etwas ernster: Es ist die psychische Belastung, unter der viele im Moment leiden. Schlafstörungen, Ängste, Depressionen haben zugenommen. Und unser nächster Experte ist Prof. Dr. Ernst Lalouschek. Er ist Vorstand für Psychosomatik an der Siegmund Freud Universität und wird Ihnen erklären, wie Sie mit der Situation umgehen können, wie Sie auf sich aufpassen können, entspannen können und wie Sie auch andere unterstützen können, die in der momentanen Situation belastet sind.
Am Ende gibt es Antworten auf Fragen, die wir von Ihnen bekommen haben.
Bleiben Sie dran. Es wird spannend.
Gesunde Bewegung während der häuslichen Isolation
21.11.2020 | 15.00 – 15.30 Uhr
Vortragender
Physiotherapeut
Stefan Herrmann