Transkript

Im Expertengespräch mit Frau Dr. Heibl erfahren sie, wie man sich als PatientIn auch während Corona über die Hämatoonkologie informieren kann, welche neuen Therapiemöglichkeiten es gibt und welche Rolle das Behandlungsteam dabei spielt.

Einstieg

Sehr geehrte Damen und Herren, ich begrüße Sie sehr herzlich zum Patiententag und bedanke mich für Ihr Interesse. Mein Name ist Sonja Heibl und ich bin Oberärztin am Klinikum Wels-Grieskirchen an der Abteilung für Hämatologie und Onkologie.

AGES-Dashboard COVID-19

Das Coronavirus, genauer gesagt SARS-CoV2 beschäftigt uns seit Beginn des Jahres ungemein. In Österreich hat sich die Situation im Frühjahr als sehr überschaubar dargestellt. Mittlerweile machen uns die dramatisch ansteigenden Infektionen aber Probleme im Gesundheitssystem.

Ich habe Ihnen hier die erste Seite der AGES-Homepage aufgeführt. Und man sieht hier eben die Fälle sozusagen seit Februar 2020 bis November 2020 aufgezeichnet. Und man sieht hier, dass mittlerweile 198.000 laborbestätigte Fälle von COVID bzw. von SARS-CoV2-Infektionen nachgewiesen worden sind. Das sind 1.600 Patienten verstorben, und es gibt 106.000 aktive Fälle.

Epidemiologische Kurve Österreich

Wenn man sich hier den epidemiologischen Verlauf der neu identifizierten Fälle mit einer SARS-CoV-2-Infektion anschaut, und hier sind sozusagen immer die positiven Fälle am Tag nach der Labordiagnose aufgezeichnet worden, dann sieht man hier sehr schön den Unterschied zwischen der ersten Welle, die im März 2020 stattgefunden hat, und wie sich die Situation jetzt entwickelt mit massiv ansteigenden Fällen an Infektionen.

Das heißt: Im März war die Situation relativ überschaubar aufgrund der sehr rasch getroffenen Maßnahmen. Mit einem Lockdown ist die Ausbreitung sehr gut eingedämmt worden. Und jetzt im Herbst 2020 war dies also nicht so der Fall. Und hier sieht man, dass sich eben die Infektionen zum aktuellen Zeitpunkt dramatisch ausbreiten.

Hämatoonkologische PatientInnen

Hämatologische und onkologische Patienten und Patientinnen qualifizieren also für die Einordnung in eine Risikogruppe. Vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz ist die Risikogruppe folgendermaßen definiert: Das sind Patienten mit einer aktiven Krebserkrankung mit einer jeweils innerhalb der letzten sechs Monate erfolgten onkologischen Pharmakotherapie, das heißt also einer Chemotherapie oder auch einer Biologika-Therapie, und/oder einer erfolgten Strahlentherapie sowie metastasierende Tumorerkrankungen auch ohne laufende Therapie.

Das heißt also, Patienten mit einer metastasierten Tumorerkrankung, die sich in einer Therapiepause befinden, werden anhand der Definition des Bundesministeriums auch als Risikogruppe eingeschätzt.

Menschen, die als Risikogruppe eingeschätzt werden

Für Menschen, die als Risikogruppe eingeschätzt werden, muss man nun ganz genau und streng abwägen, welchen Nutzen und welches Risiko eine geplante Therapie für den einzelnen Patienten bedeutet.

Und man muss dies auch ganz genau gegenüberstellen. Das heißt, die Einschätzung, ob eine Tumortherapie zum jetzigen Zeitpunkt durchgeführt werden soll oder muss, hängt natürlich sehr stark auch von der Erkrankung ab.

Und hier gibt es von Erkrankung zu Erkrankungen natürlich auch große Unterschiede.

  • Beispielsweise habe ich Ihnen hier auf der einen Seite angeführt eine Chronisch-Lymphatische Leukämie. Wenn ein Patient eine Chronisch Lymphatische Leukämie hat und im Verlauf nun die Leukozyten langsam ansteigen, der Patient aber immer noch normale Hämoglobin-Werte hat, normale Thrombozyten-Werte hat und als einziges Problem möglicherweise eine gewisse Müdigkeit und einen langsamen Gewichtsverlust aufweist, dann wäre das grundsätzlich eine Indikation, eine tumorspezifische Therapie einzuleiten. Wenn das aber sozusagen die einzige Symptomatik ist, der Patient durch das Blutbild selbst nicht gefährdet ist, kann man in einer Situation, so wie wir sie jetzt vorfinden, auch die Therapie-Einleitung noch etwas verschieben. Der Patient hat dadurch keinen Nachteil, und durch die Chemotherapie oder durch die tumorspezifische Therapie, die hier erforderlich wird, keine zusätzliche Gefahr einer Immunsuppression.
  • Hat ein Patient beispielsweise ein metastasiertes Pankreaskarzinom und es zeigt sich in den Laborwerten bei Lebermetastasen auch bereits erhöhte Transaminasen, dann ist das eine Erkrankung, die das Leben des Patienten gefährdet. Wenn man hier mit einer Therapie-Einleitung länger zuwartet, dann kann es zu weiteren Problemen kommen. Die Transaminasen können weiter ansteigen, und es kann sein, dass die Durchführung einer Chemotherapie aufgrund dieser Laborbefunde nicht mehr möglich ist. Hier würde dem Patienten ganz klar ein Schaden entstehen. Und in dieser Situation kann also die Einleitung einer Chemotherapie nicht verschoben werden. Und das heißt also, dass sozusagen die Erkrankung das höhere Risiko darstellt im Vergleich zur Corona-Infektion. Deswegen wird dieser Patient auf jeden Fall eine Chemotherapie erhalten.

Welche Auswirkungen hat COVID-19 an unserer Abteilung?

Welche Auswirkungen hat COVID-19 an unserer Abteilung? Es ist so, dass sich natürlich der normale Tagesablauf schon etwas verändert hat, da wir eben sehr genau abwägen müssen: Welche Patienten müssen stationär kommen, welche müssen in die Ambulanz kommen?

  • Und es ist so, dass Patienten, die eine Abklärung und eine Therapie benötigen, diese auch bekommen, wie an den beiden vorhergehenden Beispielen dargestellt.
  • Dann Routineverlaufskontrollen werden eben teilweise verschoben. Das heißt also: Wenn Blutbildkontrollen sind, wenn eine Therapie sehr gut etabliert ist und die Blutwerte immer sehr schön stabil sind, dann können wir gewisse Routineverlaufskontrollen verschieben, um eben die Zahl der Patienten in der Ambulanz, in der Radiologie oder auch im Labor zu verringern. Vorausgesetzt natürlich, eine Verzögerung der Kontrolle birgt keine Gefahr für den Patienten.
  • Grundsätzlich ist es so, dass die Termine in der Ambulanz gestreckt wurden, das heißt: Es sind weniger Patienten zum selben Zeitpunkt in der Ambulanz oder auch in der Tagesklinik.
  • Es gibt auch bei den Untersuchungen Zeit-Slots wie z.B. im Labor, so dass auch hier möglichst wenige Menschen gleichzeitig im Warteraum sind.

Empfehlungen der D-A-CH-Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie I

Es gibt jetzt Empfehlungen der deutschen, österreichischen und schweizerischen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie, was Patienten mit einer hämatologischen oder onkologischen Erkrankung geraten wird.

Und hier wird eben an allgemeinen Maßnahmen, Krebspatienten und Patienten mit Erkrankungen des Blutes geraten, besonders achtsam zu sein und den Empfehlungen der Gesundheitsbehörden zu folgen, insbesondere den Empfehlungen zur freiwilligen Isolation.

Besondere Regeln gelten natürlich für Patienten mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf von COVID-19. Und dieses Risiko ist abhängig von der jeweiligen Grundkrankheit und dem Krankheitsstatus der erforderlichen Therapie, der Komorbidität und der lokalen Ansteckungsgefahr.

Das heißt: Man muss dieses Risiko auch immer in den jeweiligen Kontext des Patienten stellen. Das heißt: Wo lebt der Patient? Welche Grundkrankheit hat der Patient? Wie ist der Immunstatus des Patienten? Das spielt natürlich hier sehr hinein, und letztlich muss man sozusagen dieses Risiko immer gemeinsam mit dem betreuenden Onkologen oder Hämatologen besprechen.

Gleichzeitig darf die Angst vor einer Infektion mit dem Corona-Virus aber nicht die Bekämpfung einer existierenden lebensgefährlichen Erkrankung wie Krebs beeinträchtigen. Das heißt: Man soll sozusagen Dinge wie Abklärung und Behandlung aus Angst vor dem Corona-Virus nicht nicht durchführen lassen. Gemeinsam mit dem betreuenden Onkologen sollte diese Situation bewertet werden und dann eben entsprechend dieser Risiko-Einschätzung auch das Weitere, die weitere Therapie, die weitere Diagnostik gemeinsam geplant werden.

Empfehlungen der D-A-CH-Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie II

Bei Patienten mit fieberhaften Infekten unter einer Tumortherapie soll eben frühzeitig eine gezielte Diagnostik durchgeführt werden, einschließlich Testung auf SARS-CoV-2.

Und es wird ja allen Patienten, die unter einer Tumortherapie stehen, immer geraten, bei Auftreten von Fieber sofort das Krankenhaus aufzusuchen. In diesem Fall wird jedes Mal eine Blutbildanalyse durchgeführt, wie sozusagen die weißen Blutkörperchen auf die entsprechende Therapie reagiert haben.

In Zeiten wie diesen ist also auch eine Testung auf SARS-CoV-2 empfohlen.

Das wird, wenn die Patienten in das Krankenhaus kommen, bei uns routinemäßig durchgeführt. Die Patienten müssen über die Infektionsambulanz aufgenommen werden, und dort wird als erstes ein Abstrich gemacht, und nur bei negativem Abstrich wird der Patient auf die normale Station verlegt. Bei positivem Abstrich wird der Patient dann an der Infektionsstation behandelt.

Bei Symptomen einer Infektion der unteren Atemwege wird eben gleich auch eine bildgebende Diagnostik mittels CT eingeleitet, da eben diese SARS-CoV-2-Infektionen sehr häufig Lungenentzündungen machen.

Und bei Verdacht auf COVID-19 wird die Isolation durchgeführt, wie ich eben gesagt habe, also wird sozusagen auf der Infektionsambulanz auf das Ergebnis des Tests gewartet, und der Patient wird entweder dann auf der Infektionsstation isoliert, wenn der Test positiv ist, oder er wird auf die Normalstation verlegt.

Patientenbeispiel

Ein Beispiel: Wie wird heutzutage vorgegangen, wenn sich ein Patient oder eine Patientin mit der Neudiagnose eines Tumors präsentiert?

Es handelt sich hier um eine 43-jährige Frau, die vor zwei Wochen unsere Ambulanz aufgesucht hat. Sie hat beim Duschen einen Knoten in der rechten Brust getastet und war dann natürlich ängstlich. Und wenn so ein Knoten auftritt, dann ist eben immer die Verdachtsdiagnose eine bösartige oder differenzialdiagnostisch auch eine gutartige Veränderung.

Soll diese Veränderung aktuell zu Zeiten von COVID-10 abgeklärt werden?

Das ist ganz klar: Auf jeden Fall soll diese Veränderung, die neu aufgetreten ist, abgeklärt werden. Das heißt: Es wird ganz normal wie immer eine Mammographie, ein Ultraschall, gegebenenfalls eine Biopsie, eine Histologie und auch eine Operation durchgeführt.

Wenn sich eben das Vorliegen eines bösartigen Tumors bestätigt, eines Mammakarzinoms anhand der Histologie, wird eben dann entschieden, ob eine adjuvante Chemotherapie erforderlich ist.

Soll diese Chemotherapie zu aktuellen Zeiten verabreicht werden oder ist hier das Risiko zu groß?

Wenn eine Indikation gegeben ist, dann soll diese Chemotherapie auf jeden Fall durchgeführt werden, da es sich ja hier um eine kurative Zielsetzung handelt. Das heißt: Das Ziel ist ja, diese Frau von der Erkrankung zu heilen. Und wenn hier die Chemotherapie erforderlich ist, dann soll diese auf jeden Fall durchgeführt werden. Denn wenn die Diagnose und die Therapie in diesem Fall verzögert wird, sinkt eventuell auch die Chance auf Heilung. Und dieses Risiko wollen wir keinesfalls eingehen.

Situation für PatientInnen im Augenblick

Wie ist nun die Situation für Patienten im Augenblick? Es ist natürlich insgesamt keine leichte Situation.

Es besteht einerseits die Angst, dass die Erkrankung nicht richtig behandelt werden kann aufgrund der Coronavirus-Situation.

Andererseits haben die Patienten aber teilweise auch Angst, das Krankenhaus zu betreten, da sie sich vor einer Infektion fürchten.

Wenn Patienten eine Chemotherapie erhalten, müssen sie im Intervall besonders vorsichtig sein, da die Chemotherapie ja eine Neutropenie auslösen kann. Das heißt: Es können insbesondere in der ersten Woche nach Chemotherapie die weißen Blutkörperchen abfallen. Und dadurch ist eben die Infektionsgefahr erhöht. Das heißt: In dieser Phase zwischen den Chemotherapien sollen soziale Kontakte auf ein Minimum reduziert werden. Das ist natürlich eine zusätzliche Belastung für die Patienten, die mit der Diagnose einer malignen Erkrankung einerseits fertig werden müssen und andererseits auch mit Nebenwirkungen der Therapie fertig werden müssen. Hier würden natürlicher Weise soziale Kontakte oft sehr gut unterstützend sein. Das ist zum jetzigen Zeitpunkt keinesfalls zu empfehlen. Das heißt: Patienten müssen hier sehr ihre sozialen Kontakte einschränken und auf ein Minimum zurückdrehen.

COVID-19 Entscheidungskriterien bei Krebstherapie

Es gibt von den Gesellschaften noch weitere Empfehlungen, wie man sozusagen die Entscheidung treffen kann. Wird eine Therapie trotz der aktuellen Coronavirus-Situation durchgeführt?

  • Es spielt hier natürlich eine Rolle: Ist das Therapieziel die Heilung oder nicht?
  • Der wichtigste Punkt in dieser Situation ist aber hier eigentlich: Ist der Status der Erkrankung aktiv, lebensbedrohlich oder chronisch und gut beherrscht? Das heißt: Wenn eine Erkrankung kurativ behandelt werden kann, dann wird das ohne Verzögerung durchgeführt. Wenn eine Erkrankung nicht kurativ behandelt werden kann, sondern ein palliatives Setting besteht, dann ist es wichtig: Ist es gut beherrscht und kann ich mit der Therapie zuwarten, oder ist es aktiv lebensbedrohlich, dann spricht das für die Behandlung der Therapie.
  • Auch das Rezidiv-Risiko fließt hier ein.
  • Dann auch natürlich die Art der Therapie. Das heißt: Handelt sich um eine stark immunsuppressive Therapie oder um eine nicht-immunsuppressive Therapie?
  • Auch die allgemeine Situation bezüglich der Coronavirus-Situation muss einfließen. Das heißt: Besteht eine erhöhte Ansteckungsgefahr oder nicht? Sind weitere Risikofaktoren vorhanden, die einen Verlauf einer COVID-19-Erkrankung verschlechtern würden, oder sind solche Risikofaktoren wie z.B. Diabetes mellitus oder koronare Herzerkrankung vorhanden?
  • Und dann: Gibt es Daten über den Verlauf dieser SARS-CoV-2-Infektion bei Tumorpatienten? Wenn hier sozusagen Daten vorhanden sind, dass bei einer bestimmten Erkrankung das Risiko hoch ist für einen komplizierten Verlauf, dann muss das eben auch in diese Therapieentscheidung einfließen.

Wie finden Innovationen ihren Platz in der Pandemie?

Es ist so, dass für Patienten mit onkologischen Erkrankungen die Therapien im Wesentlichen relativ unverändert durchgeführt werden, da in vielen Fällen diese Erkrankungen eben aktiv sind. Und deswegen werden sozusagen auch neue Therapien, die gute Ergebnisse erzielt haben, in der Regel durchgeführt.

  • Es wird häufiger die Frage gestellt: Steht der Fortschritt in der onkologischen Therapie still? Das kann man, glaube ich, nicht so sagen. Es konzentriert sich natürlich aktuell sehr viel auf diese COVID-19-Situation. Aber die Forschung und auch der Fortschritt in der Onkologie steht nicht still.
  • Es sind neue Medikamente auch zur Verfügung, und es werden auch weiter die Studien durchgeführt. Nur ganz selten, eben auch unter Berücksichtigung der eben genannten Punkte, werden Studien gestoppt. In der Regel laufen alle Studien mit neuen Substanzen weiter.
  • Neue Substanzen werden auch weiter eingesetzt.
  • Und moderne Therapien sind auch weiter erhältlich und werden auch bei unseren Patienten eingesetzt.

Ihre Fragen

Und damit bin ich am Ende mit meinen Ausführungen und würde mich nun den Fragen zuwenden, die Sie mir gestellt haben.

Frage 1: Myeloproliferative Neoplasie (MPN)

Und zwar die erste Frage, die mir gestellt wurde, ist: Gibt es Erkenntnisse zu einem erhöhten Risiko bei einer MPN-Vorerkrankung.

Eine MPN ist also eine Myeloproliferative Neoplasie. Zu diesen Erkrankungen gehören Poly cythemia Vera, essenzielle Thrombozythämie und auch Myelofibrose.

Es sind die Daten, die dazu vorliegen, natürlich sehr gering. Aber es gibt keine eindeutigen Erkenntnisse, dass Patienten mit einer Myeloproliferativen Neoplasie ein erhöhtes Risiko haben.

Grundsätzlich ist es so, dass diese Patienten, das sind ja oft ältere Patienten, auch zusätzliche Risikofaktoren aufweisen. Aber eine schlecht eingestellte Erkrankung würde das Risiko, wenn eine Infektion auftritt, eher verschlechtern, sodass man grundsätzlich diese Frage mit „Nein“ beantworten würde.

Frage 2: Aplastische Anämie mit Bluttransfusion

Die zweite Frage, die mir von Ihnen gestellt wurde, ist: Ich habe eine Aplastische Anämie und bekomme Bluttransfusionen. Ist es weiterhin sicher, diese zu bekommen? Ich habe gelesen, dass Spenderblut nicht auf eine Infektion mit dem Coronavirus getestet wird.

Es ist so, dass Sie diese Bluttransfusionen natürlich weiter bekommen können. Sie brauchen diese Bluttransfusionen, und es gibt keinen Hinweis, dass Viruserkrankungen über Bluttransfusionen übertragen werden.

Es gibt auch eine Datensammlung von der FDA jetzt unter COVID-19-Zeiten, und es gibt keine einzige Meldung, dass eine Erkrankung auf dem Blutweg oder auch mit Stammzellprodukten übertragen wurde.

Also hier kann man eigentlich beruhigen. Also Bluttransfusionen können uneingeschränkt weiter verabreicht werden.

Frage 3: B-Zell-Lymphom und Methotrexat

Die nächste Frage ist: Ich habe ein diffus großzelliges B-Zell-Lymphom. Gegen zerebrale Manifestationen bekomme ich Methotrexat in die Vene. Soweit ich weiß, kann das belastend für die Lunge sein. Was bedeutet das für mich in der Pandemie? Herzliche Grüße und vielen Dank.

Grundsätzlich ist es so, dass ein diffus großzelliges B-Zell-Lymphom eine Erkrankung ist, die man mit einer entsprechenden Therapie zu einem hohen Prozentsatz heilen kann. Und es ist auch das Ziel, mit der ersten Therapie diese Erkrankung zu heilen.

Und aus diesem Grund würde man hier die Therapie nicht verändern oder nicht in der Standardversion sozusagen durchführen. Wenn zerebrale Manifestationen vorhanden sind, ist Methotrexat eine Standardtherapie. Und diese Therapie kann auch zur jetzigen Zeit auf jeden Fall verabreicht werden. Eine Lungentoxizität kann auftreten, ist aber selten. Und aus diesem Grund übersteigt mit jetzigen Erkenntnissen der Nutzen der Methotrexat-Therapie den Schaden, der dadurch erzielt werden kann.

Frage 4: B-Zell-Lymphom und Methotrexat

Die nächste Frage, die mir zugesendet wurde, ist: Ich bekomme aktuell Chemotherapie, nachdem der Krebs wiedergekommen ist. Beim ersten Mal hatte ich durch die Chemotherapie eine Immun-Thrombozytopenie bekommen. Was passiert, wenn diese wieder auftritt und ich dann an COVID-19 erkranke? Die aktuelle Therapie zu unterbrechen ist für mich keine Option.

Ich denke, es ist grundsätzlich so, dass bei Coronavirus-Infektionen Thrombozytopenien aufgetreten sind und beobachtet worden sind. Die Ursache dieser Thrombozytopenie ist aber unklar. Man weiß es also nicht, ob diese Thrombozytopenie durch ein Immunphänomen ausgelöst worden ist.

Wenn Sie eine Immun-Thrombozytopenie durch die Tumortherapie bekommen haben und jetzt diese wieder unter Kontrolle ist, würde ich keinen Grund sehen, die Tumortherapie, unter der Sie Ihre Tumorerkrankung unter Kontrolle bekommen, zu beenden.

Wenn eine Immun-Thrombopenie auftritt, dann ist eben diese zu behandeln und vorzugsweise mit Medikamenten, die nicht besonders stark immunsuppressiv sind, das heißt, mit Immunglobulinen oder auch mit TPO-Agonisten, dass diese dann vorzugsweise einzusetzen sind im Vergleich zu hochdosiertem Kortison.

Frage 5: Häamato-onkologische Studien

Die nächste Frage ist: Sehr geehrte Frau Dr. Heibl, werden aktuell weiter klinische Studien in der Hämato-Onkologie durchgeführt? Ich habe MRD-positive akute myeloische Leukämie und ich habe mich informiert, dass es eine Studie gibt, bei der die Wirksamkeit eines spezifischen Antikörpers bei genau solchen Patientinnen getestet wird. Ich würde sehr gerne daran teilnehmen, weiß aber nicht, ob es in der jetzigen Situation sinnvoll ist, meinen Arzt überhaupt darauf anzusprechen. Herzlichen Dank für die Beantwortung der Frage.

Also es ist grundsätzlich so, dass Studien weiter durchgeführt werden. Es werden auch Antikörper-Studien durchgeführt. Es gibt sehr selten einzelne Studien, die sozusagen von der Studienzentrale in der aktuellen Phase, insbesondere im März, wie die erste COVID-Welle war sozusagen, die unterbrochen worden sind. Zum jetzigen Zeitpunkt laufen aber die meisten Studien weiter. Und grundsätzlich ist eben das Risiko der Therapie immer entsprechend des jeweilig eingesetzten Produktes abzuwägen. Aber wenn die Studien weiterlaufen, dann ist eine Teilnahme auf jeden Fall möglich.

Frage 6: Hämato-onkologische Medikamente – Forschung

Die nächste Frage: Guten Tag. Aktuell scheint sich die Forschung sehr auf einen Impfstoff gegen das Coronavirus und ein Medikament zu fokussieren. Wie schaut es mit der Forschung bei hämatologisch-onkologischen Erkrankungen aus? Verlangsamt die sich dadurch?

Also grundsätzlich ist die Forschung, wie ich bereits erwähnt habe, weiter am Laufen. Aufgrund von Ressourcen kann es möglich sein, dass sich einzelne Untersuchungen eventuell etwas verzögern. Aber grundsätzlich wird versucht, die Studien fortzuführen. Auch die Basisforschung in den Labors läuft weiter, sodass es nicht zu erwarten ist, dass hier ein großer Einbruch in der Forschung, was etwa onkologische Medikamente betrifft, zu erwarten ist.

Frage 7: Hämato-onkologische Medikamente – Zulassung

Die nächste Frage ist: Kann es passieren, dass durch die Pandemie Medikamente zur Behandlung hämato-onkologischer Krankheiten verzögert zugelassen werden?

Auch das ist, glaube ich, nicht eine sehr große Gefahr. Es wird natürlich hart in den Zulassungsbehörden daran gearbeitet, die Daten der Impfstudien zu sichten. Und dies wird natürlich priorisiert behandelt. Aber es werden auch Bewertungen von onkologischen Medikamenten durchgeführt.

Eine große Verzögerung sollte aus meiner Sicht dadurch nicht entstehen.

Frage 8: Infektionsrisiko bei schwerer Neutropenie

Ein weiterer Zuhörer oder Zuschauer hat eine Frage und bekommt eine Strahlentherapie und er wurde dabei vom Arzt darauf hingewiesen, dass bei Auftreten einer schweren Neutropenie ein sehr hohes Infektionsrisiko besteht. Wie wahrscheinlich ist dies?

Das hängt natürlich bei einer Strahlentherapie immer davon ab, in welcher Region man bestrahlt wird. Wenn eine große Region von Knochenabschnitten bestrahlt wird, wo das Blutbild in dem Knochenmark sich befindet, also beispielsweise wenn die gesamte Wirbelsäule bestrahlt werden würde, dann kann als Nebenwirkung eine hämatopoetische Insuffizienz mit einer Neutropenie auftreten.

Grundsätzlich ist es aber so, dass Neutropenien bei einer Strahlentherapie eher selten auftreten und sehr schwere Neutropenien insgesamt sehr, sehr selten sind.

In diesen Fällen werden natürlich Blutbildkontrollen durchgeführt, und in der Regel hängt dies vom Ausmaß des Strahlungsfeldes ab. Und eine sehr schwere Neutropenie zu erhalten, würde ich als wenig wahrscheinlich einstufen.

Frage 9: Verzögerte Stammzellenbereitstellung

Eine nächste Frage ist noch: Ich habe Angst, dass aufgrund der Pandemie meine Stammzellbereitstellung sich verzögert. Ich habe eine akute myeloische Leukämie. Welche Therapie-Optionen werden dann eingesetzt?

Grundsätzlich ist es so: Wenn aufgrund einer akuten myeloischen Leukämie eine allogene Stammzelltransplantation indiziert ist, dann wird diese auch während der Coronavirus-Pandemie durchgeführt. Es geht ja hier letztlich um eine Kuration der Erkrankung, um eine Heilung der Erkrankung. Und wir wissen: Wenn ein Rezidiv der Erkrankung eintritt, sind die Behandlungsoptionen eingeschränkt, sodass versucht wird, diese Therapieformen unbeeinflusst auch durchzuführen, damit das Risiko der Patienten minimal wird, durch eine fehlende Therapie nicht ausreichend behandelt zu werden.

Frage 10: Chronisch-myeloische Leukämie und Ponatinib

Und die letzte Frage ist: Ich habe chronisch-myeloische Leukämie und bekomme aktuell Ponatinib. Muss ich dieses absetzen, falls ich mich mit COVID-19 infizieren sollte?

Das kann man mit „Nein“ beantworten. Es ist wahrscheinlich so, dass Sie Ponatinib bekommen, weil mit den vorangegangenen Medikamenten keine ausreichende Remission erzielt werden konnte. Das heißt: In dieser Situation ist ein Absetzen des Medikamentes nicht indiziert.

Grundsätzlich ist es so, dass Patienten mit einer chronisch-myeloischen Leukämie auch behandelt werden wie außerhalb der Pandemiezeit.

Natürlich ist es so, wenn man die Wahl hat: Bei der Initialdiagnose würde man eventuell vielleicht eher mit Imatinib beginnen, aber es sind auch je nach Risikofaktoren Second Generation Tyrosinkinasehemmer einzusetzen, und diese können auch eingesetzt werden. Wenn die chronisch-myeloische Leukämie unter Kontrolle ist und gut behandelt ist, sinkt sicherlich das Risiko für Infektionen.

Und eine schlecht eingestellte Erkrankung ist sicher eher ein höheres Risiko, als die Medikamente einzunehmen.

Abschluss

Und damit sind keine offenen Fragen mehr vorhanden.

Ich bedanke mich nochmal ganz herzlich fürs Zuhören, fürs Interesse und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.

Fr. Dr. Herscovici

Vielen Dank für diese interessanten Ausführungen.

Jetzt geht’s in die Mittagspause, und danach um 14:00 Uhr geht es weiter mit dem Thema Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Universitätsprofessor Dr. Robert Zweiker ist Facharzt für Innere Medizin und Kardiologe und wird uns erzählen, was sich im Bereich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen getan hat, was die neuesten Erkenntnisse sind und was Sie berücksichtigen sollten, wenn Sie eine Herz-Kreislauf-Erkrankung haben. Am Ende werden auch wieder Fragen beantwortet, die wir im Vorfeld von Ihnen erhalten haben, und es wird ein spannender und wichtiger Vortrag.

Bis später.

Hämatoonkologie in Zeiten von COVID 19 - wie Innovationen ihren Platz finden

22.11.2020 | 11.45 – 12.15 Uhr

Auch in Zeiten einer Krise wie der Covid-19-Pandemie finden Innovationen in der Hämatoonkologie statt. Doch wie kommen PatientInnen auch jetzt zu Informationen über neuen Therapiemöglichkeiten? Wie kann ich mich als BetroffeneR informieren und welche Rolle spielt mein Behandlungsteam dabei?

Vortragende

OÄ Dr Heibl

Spezialistin für innere Medizin, Hämatologie und Onkologie
OÄ Dr. Sonja Heibl

OÄ Dr. Heibl ist Spezialistin für innere Medizin, Hämatologie und Onkologie. Nach Ihrem Medizinstudium an der medizinischen Universität Innsbruck startete sie ihre medizinische Laufbahn im Klinikum Kreuzschwestern Wels in der inneren Medizin. Es folgte ein anderthalb-jähriger Aufenthalt im Leukemia Research Team an der University of Southampton, nach dem OÄ Dr. Heibl 2007 nach Österreich zurückkehrte. Seither ist sie am Klinikum Wels-Grieskirchen in den Bereichen Onkologie, Hämatologie, sowie innere Medizin tätig.

Mit freundlicher Unterstützung von:

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