Transkript

Was genau sollten KrebspatientInnen im Alltag mit Corona berücksichtigen? Wann sollten KrebspatientInnen unbedingt ins Krankenhaus bzw. zur Ärztin/zum Arzt? Diese und andere Fragen beantwortet Frau Dr. Willenbacher in ihrem Vortrag.

Einstieg

Einen wunderschönen guten Tag, liebe Patientinnen und Patienten. Mein Name ist Ella Willenbacher. Ich bin Hämato-Onkologin und bin an der Universitätsklinik Innsbruck tätig.

Das Thema meines Vortrages heute ist „Coronavirus-Infektion (COVID-19) bei Patienten mit Blut- und Krebserkrankungen.

Wie Sie alle wissen, steigen die COVID-19-Fälle letzte Zeit rasant an. Krebspatienten und Patienten mit Erkrankungen des Blutes wird geraten, besonders achtsam zu sein und den Empfehlungen der Gesundheitsbehörden, vor allem zur freiwilligen Isolation zu folgen.

Das Risiko an COVID-19, zu erkranken, ist abhängig

  • von jeweiligen Grunderkrankung,
  • vom Krankheitsstatus,
  • von der erforderlichen Therapie,
  • von den Nebendiagnosen
  • und natürlich von lokaler Ansteckungsgefahr.

Gleichzeitig darf die Angst vor einer Infektion mit Coronavirus die Bekämpfung einer bereits existierenden lebensbedrohlichen Erkrankung nicht beeinträchtigen.

Grundlagen

Nun einmal zu Grundlagen, wie Sie auch aus der Presse vielleicht oder aus den Medien wissen.

SARS-CoV-2-Virus gehört zu den respiratorischen Viren, die obere und untere Atemwegsinfektionen auslösen können. COVID-19 ist ein 2019 neu beschriebenes sogenannte RNA-Betacoronavirus, das Ähnlichkeit mit SARS-Erreger von 2003 besitzt und seit Ende 2019 in China als Auslöser der Infektion COVID-90 entdeckt wurde. Die große Mehrzahl der infizierten Personen ist a- oder oligosymptomatisch, d.h. es gibt Patienten, die gar keine Symptome haben oder nur ein führendes Symptom.

Jedoch: Wir wissen auch, dass 10 bis 15 Prozent der Patienten, die an COVID-19 erkranken, eine schwere Infektion durchmachen, und viele auch von diesen Patienten, von 15 Prozent, auch diese Infektion nicht überstehen können.

Die typischen Symptome für diese Erkrankung sind:

  • Fieber,
  • trockener Husten.
  • Es können aber auch Muskelschmerzen sein
  • und Geschmacksstörungen.

Risikofaktoren

Wir wissen bereits, dass bei Krebspatienten das Ansteckungsrisiko vom Risiko eines schweren Erkrankungsverlaufs zu trennen ist. Das ist für uns essenziell.

Generell ist das Risiko für Krebspatienten durch eine Infektion mit respiratorischen Viren, die eine Lungenentzündung auslösen, zu erleiden, deutlich höher als für die Gesunden. Das haben wir schon bereits vor den COVID-19-Patienten gewusst, und da waren wir immer schon achtsam bei unseren Patienten.

Bisher gibt es aber keine belastbaren Zahlen für ein erhöhtes Infektionsrisiko von Krebspatienten in Deutschland für SARS-CoV-2. Die publizierten Daten werden auch durch die regionale und nationale Zahl der durchgeführten Tests beeinflusst. Dass kann ich auch jetzt für Österreich sagen.

Möglicherweise wird ein erhöhtes Ansteckungsrisiko von Krebspatienten aufgrund vermehrter Kontakte innerhalb des Medizinbetriebs auch sein.

Aber dazu haben wir noch keine validen Daten. Es ist nur eine Vermutung.

Risikofaktoren

Auf diesem Slide sehen Sie alle Risikofaktoren, die eine große Rolle spielen, an COVID-19 zu erkranken und dann einen schweren Verlauf zu bekommen.

Die ersten 5 Faktoren wie höheres Alter, männliches Geschlecht, schlechter Performance-Status, sprich, je gebrechlicher derjenige Mensch ist, desto mehr Ansteckungsgefahr oder -risiko. Dann natürlich die Nebenerkrankungen oder Nebendiagnosen wie z.B. Diabetes mellitus und das Rauchen. Das gilt für die gesamte Menschheit und nicht nur für unsere Patienten.

Für unsere Patienten zusätzlich zu diesen Faktoren gehören dann:

  • die überhaupt Krebserkrankungen, die Patienten in Vergangenheit gehabt haben, selbst wenn sie jetzt bereits geheilt sind,
  • sind auch die hämatologischen, also Blutkrebserkrankungen,
  • Lungenkarzinom scheint auch ein Risikofaktor zu sein,
  • aktive Tumorerkrankungen,
  • metastasierende Krebserkrankungen im Stadium 4,
  • Therapie in den Wochen unmittelbar vor der COVID-Erkrankung,
  • dann die niedrige Zahl von Lymphozyten
  • und die Neutrophilie. Neutrophile sind die Zellen, die für die Immunität eine große Rolle spielen. Und wenn die zu wenig sind im Körper, dann ist natürlich die Immunität sehr abgeschwächt.

Vorbeugung allgemein

Nun noch kurz zur Vorbeugung. Was empfehlen wir? Wir empfehlen mehrere wichtigste Maßnahmen, die wir jedem Patienten und nicht nur Patienten, sondern insgesamt, die auch das Robert-Koch-Institut aktuell empfehlen.

  • Das ist ja zum ersten immer hygienische Händedesinfektion,
  • Einhalten von Abstand (mindestens 1,50 m) zu anderen Personen,
  • Eingrenzung der sozialen Kontakte
  • und das Tragen von Mund- und Nasenmasken.

Das sind die wichtigsten Maßnahmen, die zurzeit auf dem gesamten Planeten von der WHO empfohlen werden. Und mehr Informationen dazu können Sie auf der Seite des Robert-Koch-Instituts nachlesen (http://www.rki.de/).

Vorbeugung immunsuppressive Patienten und medizinisches Personal

Patienten, die aktuell eine immunsuppressive Therapie erhalten bzw. aktuell unter einer unkontrollierten Krebserkrankung leiden, sollten ganz besonders vorsichtig sein.

Bei uns in der Abteilung werden alle Mitarbeiter, die Symptome vorweisen wie Fieber, Husten, Schnupfen, Geruchsverlust, Kopfschmerzen, sofort bei uns getestet und werden dann in Quarantäne geschickt. Wir haben dann keinen Kontakt zu Patienten. Wir dürfen dann auch keine Patienten mehr sehen, was auch ziemlich wichtig ist.

Und ich werde dann später nochmal dazu kommen, wie wir bei uns in der Abteilung mit solchen Situationen umgehen, was bei uns wichtig ist, und nochmal dazu ein paar Worte verlieren.

Begleiterkrankungen

Begleiterkrankungen spielen auch eine sehr große Rolle an den Verläufen von COVID-19-Infektionen.

Deswegen sollte unbedingt auf einen ausreichenden Ernährungsstatus (Behandlung einer Tumorkachexie, Ausgleich potenzieller Mangelzustände wie Vitamin D und Eisen-Mangel) und auf eine ausreichende Mobilität, u.a. als Pneumonieprophylaxe (Physiotherapie, Atemtherapie) geachtet werden.

Impfungen gegen Influenza und Pneumokokken reduzieren das Risiko von weiteren, potenziell kritischen Infektionen.

Und: Nichtrauchen ist dringend empfohlen.

Sekundäre Immundefizienz

Auch die sekundäre Immundefizienz spielt eine große Rolle an der Situation mit der COVID-19-Pandemie.

Wir empfehlen alle unseren Patienten, die einen Immunglobulinwert unter 400 Milligramm pro Deziliter oder vier Gramm pro Liter haben, eine Immunglobulinsubstitutionstherapie, gerade in diesen Zeiten. Vorausgesetzt natürlich, dass die Patienten das gut vertragen.

Intravenöse Immunglobuline wirken zum aktuellen Zeitpunkt aus Mangel an spezifischen Antikörpern nicht spezifisch neutralisierend gegen SARS-CoV-2, aber sie können bei Patienten mit ausgeprägter Hypogammaglobulinämie die Defizienz abmildern, das wissen wir bereits, und andere virale oder bakterielle Infektionen vermindern.

Verschieben und Aussetzen einer Krebstherapie

Viele Patienten rufen an und fragen: Muss ich hier jetzt oder darf ich jetzt oder kann ich jetzt die Therapie aussetzen oder verschieben?

Ich sage immer oder beantworte immer gleich: Das muss immer individuell abgewogen werden. Das darf man nicht pauschal sagen. Es muss immer jeder Patient mit dem behandelnden Kollegen besprechen: Ist das jetzt sinnvoll oder nicht?

Und die Situation kann immer verschieden sein. Es ist ja nicht nur vom Krankheitstatus oder Krankheitsverlauf abhängig. Da muss man alles berücksichtigen. Auch die Ziele der Therapie, auch die Komorbidität auch die Nebendiagnosen, den Performe-Status des Patienten. Es sind viele, viele, viele Faktoren, die eine Rolle spielen bei der Entscheidung in dieser schweren Zeit mit der COVID-19-Pandemie, ob die Therapie bei Krebserkrankungen verschoben wird und ausgesetzt.

Also deswegen Appell an alle: Bitte besprechen Sie das alle mit Ihren behandelnden Ärzten und entscheiden Sie das bitte immer individuell. Es ist keine pauschale Antwort auf diese Frage oder auf diese Situation möglich: „Ja, wir verschieben jetzt alle Patienten“ oder „Wir behandeln jetzt hier alle Patienten“. Das ist ja immer, immer individuell.

Wir besprechen auch bei uns in der Abteilung jeden Patient individuell. Wir entscheiden das auch bei uns im Tumorboard und besprechen dann mit dem Patienten. Wir hören an, was der Patient selber möchte. Wie ist die Situation? Natürlich, wenn es eine kuratives Ziel ist, sprich Ziel ist Heilung der Erkrankung, insbesondere wie z.B. akute melodische Leukämie oder aggressive Lymphome, dann würde ich dem Patienten nicht raten, Therapie auszusetzen oder zu verschieben. Da gibt’s ja genug Daten schon, dass wenn man das tut, der Erkrankungsverlauf schlechter ist als wenn man das nicht tut z.B..

Und deswegen sage ich noch einmal: Bitte besprechen Sie das mit Ihrem behandelnden Arzt. Das ist sehr, sehr wichtig. Die nehmen sich Zeit. Wir sind immer erreichbar. Ich telefoniere mittlerweile auch viel mit meinem Patienten und berate auch telefonisch, wenn jemand z.B. kommen kann. Aber das muss immer individuell entschieden werden. Ich betone das nochmal. Bitte tun Sie nicht von sich alleine. Therapie verschieben oder aussetzen, das muss der behandelnde Arzt oder das behandelnde Team entscheiden mit Ihnen zusammen, in Diskussionen mit Ihnen.

Das ist das, was ich Ihnen mit dieser Videobotschaft auf jeden Fall mitgeben will. Also nicht einfach die Therapie aussetzen einfach, nicht einfach sagen: „Ok, das ist jetzt COVID-19, ich fahre jetzt nicht raus oder ich gehe jetzt nicht zum Hämatologen.“ Nein – bitte rufen Sie an. Sie sind jederzeit willkommen. Wir telefonieren mit jedem Patienten. Oder wenn Sie Termin haben und wenn das nicht telefonisch abgesagt oder schriftlich versetzt wurde, dann bitte immer Termine wahrzunehmen. Weil wir müssen dann immer individuell schauen bei jedem Patienten, um spätere Folgen zu vermeiden.

Ko-Infektionen

Die Ko-Infektionen, dazu möchte ich auch noch ein paar Worte verlieren. Also wir wissen auch, dass unsere Patienten aufgrund der Immunitätsschwäche auch andere Infektionen haben können, wie z.B. Influenza oder bakterielle Infekte.

Da gibt’s ja auch viele Möglichkeiten, prophylaktische Maßnahmen durchzuführen, z.B. rechtzeitig Impfungen zu machen. Es ist auch bei manchen Patienten, die einen niedrigen Immunstatus haben oder schwachen Immunstatus haben wichtig, auch prophylaktische Medikamente einzunehmen.

Deswegen sage ich nochmal: Bitte besprechen Sie immer individuell mit Ihren Hämatologen. Das ist so unterschiedlich von Patient zu Patient. Es ist ja, wenn man mehrere Kinder hat, die Kinder gleichen den Eltern, sind aber durch ihr Aussehen und ihren Charakter unterschiedlich. Genauso unsere Patienten: Es sind gleiche Erkrankungen, gleiche Stadium, gleiche Nebenerkrankung, gleiches Alter, Geschlecht und so weiter und so fort, aber Verläufe sind trotzdem unterschiedlich. Und deswegen: Bitte besprechen Sie das individuell. Fragen Sie Ihrem Hämato-Onkologen oder behandelnden Arzt, was in Ihrer Situation wichtig wäre. Brauchen Sie Prophylaxe? Brauchen Sie nicht? Brauchen Sie Impfungen? Pneumokokkenimpfung z.B., oder z. B. die Prophylaxen gegen spezielle bakterielle Infekte oder Viren. Das ist heutzutage alles möglich. Das kann man alles mit der Kollegin in jeweiligen Abteilungen besprechen.

Venöse Thrombembolien

Auch ein wichtiger Aspekt ist die venöse Thromboembolie. Wir wissen auch, dass viele schwere Verläufe, auch letale Verläufe mit der venösen Thromboembolie assoziiert waren.

Auch hier ist extrem wichtig: Wenn z.B. parallel eine COVID-Infektion entsteht und Sie trotzdem zu Hause sitzen und eine Erkrankung haben, die ein erhöhtes Risiko für Thromboembolie macht, dann nicht vielleicht, sondern auf jeden Fall mit dem behandelnden Kollegen besprechen, ob für diese Zeit auch eine prophylaktische Tiefenvenenthrombose-Maßnahme ergriffen wird. Denn wie gesagt: Krebspatienten haben sowieso schon ein erhöhtes Risiko für die Tiefenvenenthrombose. Aber parallel mit dem Infekt ist es nochmal erhöht, ich meine jetzt COVID-19-Infekt. Deswegen ist es auch ein sehr, sehr wichtiger Aspekt, um eben diese Komplikationen zu vermeiden.

Abschließende Fragen

Nun, zum Schluss möchte ich mit Ihnen ein paar Punkte durchgehen und ich finde, das sind extrem wichtige Punkte, um manche Dinge noch zu erläutern in dem Bereich.

Herausforderungen für KrebspatientInnen im Frühjahr

Der erste Punkt ist z.B.: Welche Herausforderungen gab es für Krebspatientinnen und -patienten im Frühjahr, und was haben wir daraus gelernt?

Es gab viele Herausforderungen. Es gab viele Unsicherheiten im Frühjahr dieses Jahres, nicht nur für die Patienten, aber auch für uns, für das medizinische Personal. Auch für uns war die Situation komplett neu und einerseits Angst um unsere Patienten, wo sowieso schon Hochrisiko auf alle Infekte besteht und gerade jetzt mit der Pandemie CODVID-19 noch mehr. Aber andererseits ist natürlich auch die Unsicherheit oder berechtigte Angst der Patienten selbst.

Wir haben aus dieser Zeit gelernt, dass nach wie vor, wenn der Patient eine aktive Therapie braucht oder in einen aktiven Tumorstadium sich befindet, dass wir das auf gar keinen Fall versetzen oder aussetzen oder verschieben müssen.

Natürlich spielen viele, viele Aspekte eine große Rolle, und das ist immer eine individuelle Entscheidung. Das habe ich schon mal davor gesagt. Da muss man viele Dinge berücksichtigen: Das Alter des Patienten, die Komorbidität, das Stadium der Erkrankung und so weiter und so fort.

Aber es gibt keinen Grund, trotz dieser Pandemie, wenn ein Patient eine Therapie braucht und von der Therapie profitieren wird, diese zu versetzen.

Wir sind nach wie vor für unsere Patienten Tag für Tag da. Wir haben hier z.B. nur restriktiv, was das Nachsorgeprogramm angeht, das heißt, wenn der Patient vor ein paar Jahren geheilt wurde und jetzt zu regelmäßiger jährlicher Kontrolle zu uns kommt. Das verschieben wir jetzt natürlich. Wir rufen den Patienten an. Wir sagen, dass wir es in so einer Situation nicht empfehlen, ins Krankenhaus zu gehen, fragen aber immer, wie es dem Patienten geht, ob er irgendwelche Fragen hat, ob er irgendwelche neue Beschwerden hat. Wir diskutieren und wir erklären ihm das. Und wenn die Patienten sagen: „Nein, uns geht’s gut“ oder „Mir geht’s gut, ich habe ja keine Beschwerden“, dann bitte ich den Patienten, den Termin, der bereits vor einem Jahr vereinbart wurde, nicht wahrzunehmen. Und dann bekommt er von uns eine schriftliche Benachrichtigung, wann er im nächsten Quartal zu uns kommen darf.

Alle anderen Patienten, die eine Abklärung z.B. bei Beschwerden haben oder aktive Tumorerkrankungen, die verschieben wir nicht, die lassen wir nach wie vor zu uns kommen. Wir testen Patienten im stationären Bereich immer jedes Mal, bevor wir mit der Therapie beginnen oder überhaupt mit irgendeinem Prozedere, auf COVID. Und wenn der Patient negativ ist, dann ist das absolut kein Hindernis, irgendwas in dem Bereich zu machen. Wenn der Patient positiv ist, dann schauen wir mal natürlich, ob er Beschwerden hat oder nicht. Wenn er beschwerdefrei ist, dann schicken wir den Patienten erstmal nach Hause in so eine Isolation und warnen ihn und bitten, falls er Beschwerden bekommen soll, soll er bitte sich in die Notaufnahme begeben. Und wenn die Patienten dann Beschwerden haben, dann werden sie an eine entsprechende COVID-Station bei uns in der Universitätsklinik Innsbruck verlegt. Wir haben mittlerweile mehrere COVID-Stationen auf dem Campus, und da werden sie auch entsprechend behandelt.

Veränderungen in der Behandlung

Die nächste Frage: Wie hat sich die Behandlung der PatientInnen verändert?

Also es hat sich nichts verändert jetzt zurzeit. Wie gesagt, wir arbeiten nach wie vor, wir sind für alle Patienten nach wie vor da. Ärzte, Pflegepersonal, alle Abteilungen arbeiten nach wie vor.

Veränderungen in der Diagnose

Auch der nächste Punkt: Wie hat sich die Diagnose von Neuerkrankungen verändert?

Im Frühjahr war das so, dass da aus der Angst vor COVID viele Erkrankungen wie z.B. Brustkrebs, da gibt’s ja schon Daten von der Abteilung für Gynäkologie, viel weniger diagnostiziert waren.

Aber ich sage nach wie vor: Alle Abteilungen arbeiten. Bitte, wenn Sie irgendwelche Beschwerden haben, wenn Sie zu uns überwiesen werden und einen Termin bekommen haben, bitte nehmen Sie diesen Termin wahr. Sie sollen sich bitte nur so verhalten, wie das allgemein verlangt wird. Also Mundschutz-Maske tragen. Sie werden, bevor Sie zu uns ins Krankenhaus reinkommen, schriftlich abgefragt, ob Sie Kontakt zu Personen haben, ob Sie Fieber haben. Das wird alles bei uns jetzt an der Uniklinik sozusagen durchgeführt. Und es gibt absolut kein Hindernis, wenn Sie wirklich eine Diagnostik brauchen, nicht zu uns zu kommen. Da appelliere ich wirklich, weil bei mancher Erkrankung könnte es dann auch zu spät sein.

Situation für Krebs-PatientInnen im Augenblick

Wie ist die Situation für Krebs-PatientInnen im Augenblick?

Also natürlich ist das Risiko an COVID zu erkranken aufgrund der Immunschwäche, ich wiederhole mich vielleicht nochmal, hoch. Aber wie gesagt: Wir sind, und ich weiß, dass auch in anderen Bundesländern Österreich alle Abteilungen nach wie vor für die Bevölkerung da sind. Also es dürfte sich jetzt auch nichts wesentlich ändern.

Nur die Nachsorgeprogramme bei Patienten, die seit Jahren in Remission sind, sprich gesund sind, da verschieben wir das nur. Alle anderen Patienten, die Therapie brauchen und aktive Turmorerkrankungen haben, da verschiebt sich momentan bei uns zumindest nichts oder nach individueller Entscheidung. Aber wie gesagt, das muss dann individuell erfolgen, je nachdem wie der Status quo ist bei dem Patienten.

Wann ins Krankenhaus oder zur Ärztin/zum Arzt

Wann sollten KrebspatientInnen unbedingt ins Krankenhaus, zur Ärztin, zum Arzt?

Das ist auch eine Frage, wo wir unabhängig von COVID-19 jedem Patienten in unserer Abteilung immer sagen: Wenn Sie irgendwelche neue Beschwerden haben, die Sie nicht kennen unter der Therapie, die Sie bekommen, dann bitte sollen Sie uns immer kontaktieren. Wenn Sie Blutungen akut haben, wenn Sie Fieber über 38,5° Celsius haben, wenn Sie sonstige gesundheitliche Beschwerden haben, dann bitte zum Arzt, weil, COVID-19 hin oder COVID-19 her: Da sind die Beschwerden unserer Patienten oder die Komplikationen aufgrund der Erkrankung, aufgrund der Therapie, die können auch lebensbedrohlich sein. Und deswegen bitte seien Sie achtsam. Aber wenn Sie irgendwelche Probleme haben, neue aufgetretene Blutungen, Fieber, starke Schmerzen und so weiter und so fort: Dann bitte kontaktieren Sie immer einen Arzt.

Es kann auch telefonisch abgeklärt werden, es kann auch durch den Hausarzt abgeklärt werden. Aber es muss ein Kontakt zum Arzt erfolgen, auf jeden Fall. Es muss nicht unbedingt COVID 19 sein. Es können ganz einfache Sachen auf Grund der Therapie oder bekannte Komplikationen sein, wie wir sie Tag für Tag seit Jahrzehnten sehen bei unseren Patienten. Und deswegen ist es extrem wichtig: Wenn Sie Beschwerden haben: Bitte kontaktieren Sie Ihren behandelnden Arzt oder kontaktieren Sie bitte den Hausarzt oder gehen Sie bitte in die Notfallaufnahme.

Empfehlungen an KrebspatientInnen

Was empfehlen Sie den KrebspatientInnen?

Ich empfehle allen Krebspatienten, einfach viel Geduld und viel, viel Kraft natürlich in diesen schweren Zeiten. Was ich auf jeden Fall empfehle: Denken Sie positiv. Auch diese Zeit wird vorbeigehen. Wir werden das alle überstehen. Wir sind nach wie vor für Sie da, alle Hämato-Onkologen, Radiologen, Internisten, alle, alle Facheinrichtungen, Pflegepersonal. Wir denken auch an die Situation. Wir wissen, wie gefährlich die Situation ist.

Und wir führen auch viele Präventionsmaßnahmen durch. Wir schützen auch uns. Und wir haben z.B. auch bei uns in der Abteilung alle Besprechungen abgesagt. Wir führen das ja nur noch online durch, und selbst die Oberarztbesprechung wird mittlerweile nur online durchgeführt. Das heißt: Wir sind auch mit unserem Beispiel dabei, um das Ganze nochmal zu reduzieren, diese ganze Fallanstiege von COVID-19.

Glauben Sie bitte auch an Ihre innere Kraft. Spazieren ist sehr gut, für jeden Patienten, also Bewegung ist extrem gut. Wenn Sie aber unter Therapie stehen, tragen Sie bitte immer Maske. Das empfehle ich einfach. Bitte desinfizieren Sie regelmäßig Ihre Hände und ernähren Sie sich bitte gut. Versuchen Sie mal viel Gemüse, Obst zu essen. Je nachdem, wie der Therapie ist. Da muss man sich auch berücksichtigen, ob das Gemüse doch eher gekocht als Rohgemüse sein soll, je nachdem, welche Therapie durchgeführt wird. Aber das erklären wir dann unseren Patienten. Denken Sie positiv. Telefonieren Sie viel mit Ihren Freunden, wenn Sie sie nicht sehen dürfen. Bleiben Sie im Kontakt per E-Mail, per WhatsApp, per Telefon.

Aber wie gesagt: Tun Sie auch etwas für Ihre Psyche. Es ist auch extrem wichtig in dieser Zeit. Das ist ja nicht nur der Körper, der Hilfe braucht, auch die Psyche und der Geist. Lesen Sie viel. Ja, und denken Sie an schöne Zeiten, die in Zukunft uns noch erwarten, vielleicht eine schöne Reiseplanung und einfach ein schönes Fest, wenn das alles vorbei ist.

Und ja, das kann ich nur empfehlen. Das ist halt einfach vom menschlichen Aspekt her. Und streng genommen: Besprechen Sie einfach mit Ihrem behandelnden Arzt: Was wäre das Beste für Sie? Ob Sie Impfungen brauchen, ob Sie Immunglobuline brauchen über Winter, ob Sie irgendwelche Prophylaxe brauchen, ob Sie vielleicht mal das eine oder andere Medikament ersparen können. Und ja, einfach individuell mit den Kollegen entscheiden und hoffen, dass das alles bald vorbei ist.

So. Somit bin ich mit meinem ersten Teil fertig. Ich gehe gleich zum nächsten zweiten Teil über. Das sind die Fragen von Patienten.

Ihre Fragen

Nun gehe ich zum zweiten Teil über und beantworte die Fragen, die mir zugesendet wurden.

Frage 1: Corona-Infektion nach Stammzellentherapie

Die erste Frage lautet: Ich hatte eine Stammzelltherapie vor sechs Monaten. Ich habe noch nicht alle wichtigen Impfungen bekommen. Was passiert, wenn ich mit dem Coronavirus infiziert bin?

Ich muss ja sagen, Stammzellentransplantation ist eine starke Therapie und Immunität kann von mindestens 6 Monaten bis auf weiteres vermindert sein und sagt aber nichts aus, wie der Coronavirus, wenn Sie sich infiziert haben, was ich Ihnen nicht wünsche, wünsche ich niemandem, wie der Verlauf ist. Ich habe hier z.B. einen Patienten gesehen in meiner Praxis, der wurde in der Notfallaufnahme mit COVID-19-Positivität aufgenommen, weil er Atembeschwerden gehabt hatte, hat aber keine intensive Therapie gebraucht und man hat ja bei ihm auch festgestellt, dass er an einer akuten myeloischen Anämie erkrankt ist. Und soweit ich weiß, hat der Patient das COVID gut überstanden ohne intensive Therapie bei so einer schweren hämatologischen Erkrankung.

Und ja, die Verläufe sind extrem unterschiedlich. Man sieht die Patienten, die an Krebs erkrankt sind und parallel an COVID, haben einen milderen Verlauf, sogar stehend unter der Therapie, und es gibt natürlich viele, viele Leute, die gar keine Krebstherapie oder keine Krebserkrankung haben und versterben trotzdem an COVID.

Ich kann Ihnen nichts sagen, wie der Verlauf fährt. Ich hoffe das nur, dass Sie nicht krank werden. Und es kann aber einfach sein, dass es, wenn Sie krankt werden, dass es auch mild verlaufen kann. Wobei das Risiko aufgrund der Immunitätsschwäche natürlich da ist. Aber ich wünsche Ihnen trotzdem man diese Stelle alles, alles Gute.

Frage 2: Schwitzattacken bei Lymphom in Remission

Dann die nächste Frage: Sehr geehrte Frau Dr. Willenbacher, ich bin Lymphompatientin in Remission, habe plötzlich seit vierzehn Tage wieder die typischen nächtlichen Schwitzattacken. Sollte ich das in der jetzigen Situation abklären lassen oder noch etwas warten und schauen, ob es mir wieder besser geht? Herzliche Grüße und vielen Dank.

Ich würde das abklären lassen. Ich würde nicht abwarten. Wenn Sie nach wie vor an den Schwitzattacken leiden, einfach einen Termin beim behandelnden Arzt ausmachen, dann kann man anhand des Blutes, Sonographie, klinischer Untersuchung schon vieles rauslesen. Also bitte nicht abwarten. Also ich würde mit meinem Patienten auf jeden Fall einen Termin vereinbaren und den Patienten kontrollieren.

Auch Ihnen wünsche ich alles, alles Gute, und vielleicht ist es ja nur ein vorübergehender Infekt oder Stresssituation, was das ausgelöst hat bei Ihnen. Alles Gute.

Frage 3: Corona-Risiko bei lungengeschädigten Kindern

Die nächste Frage: Meine Tochter ist 6 Jahre alt, Ewing Sarkom an der siebten Rippe in die Wirbelsäule verwachsen seit 2017. Erste Therapie Juli 2018 abgeschlossen. Juni 2019 Lokal-Rezidiv, Protonenbestrahlung, Chemotherapie. Am Anfang war ihre Lunge kollabiert durch den Tumor und innere Blutungen, und durch die Bestrahlung ist ihre Lunge zusätzlich geschädigt. Meine Frage daher Wie schwer sind die Kinder mit Lungenschädigung von Corona betroffen bzw. mit bestrahlter Lunge und Chemotherapie? Gibt es schon irgendwelche vergleichbare Fälle?

Ich muss Ihnen ganz von vorne sagen, ich bin ja keine pädiatrische Onkologin. Also ich behandele keine Kinder. Ich habe in meiner gesamten Karriere noch keine Kinder behandelt.

Ich habe mich aber vorbereitet und ich habe mit unserer Pädiatrie und mit Onkologen besprochen. Sie sagen: Es gibt schon solche Fälle, und Gott sei Dank sind das milde Verläufe. Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen und würde raten, dann mit den behandelnden Ärzten das direkt zu besprechen.

Aber wie gesagt, unsere Kollegen sagen: Fälle sind beschrieben und da sind die milde Verläufe auch bekannt.

Ich wünsche an dieser Stelle alles, alles Gute für Sie und Ihre Familie und insbesondere Ihr Kind. Alles Gute.

Frage 4: Trotz Krebserkrankung Impfung gegen Grippe und Pneumokokken

Die nächste Frage lautet: Kann ich mich trotz meiner Krebserkrankung gegen Grippe und Pneumokokken impfen lassen? Ich mache gerade eine Chemo und ich fühle mich unsicher und möchte mich nicht zusätzlich gefährden, aber würde mich durch eine Impfung sicherer vor dem Virus fühlen.

Ja, wir empfehlen auf jeden Fall allen unseren Patienten, sich ich gegen Influenza zu impfen. Bei Pneumokokken gibt’s das bei gesunder Population ab 50. Lebensjahr.

Wenn Sie z.B. einen Lungenkrebs haben oder da bestrahlt sind, da würde ich auf jeden Fall auch die Pneumokokken impfen lassen.

Ja, also von mir ganz klares Ja, also Impfungen sind schon wichtig.

Danke. Auch Ihnen wünsche ich alles Gute.

Frage 5: Zulassungsverzögerung von Krebsmedikamenten durch Corona

Nächste Frage: Guten Tag, Frau Dr. Willenbacher. Verzögert sich die Zulassung von Medikamenten zur Krebsbehandlung durch die aktuelle Pandemie. Ich habe gelesen, dass einige Medikamente in den USA schon zugelassen worden sind, in Europa aber noch nicht. Danke für die Antwort und sehr herzliche Grüße!

Ja, also durch die Pandemie verzögert sich nichts. Bitte seien Sie versichert. Also die Pharmaindustrie will auch Geld verdienen, auch in Pandemiezeiten also. Abgesehen davon, dass aus dem ethischen Aspekt, dass wir alle auf die Medikamente warten sozusagen. Nein, da verzögert sich nichts. Dass das in Amerika vorher zugelassen ist und in Europa später, das liegt einfach an den europäischen Bestimmungen. Wir haben auch unsere Sicherheitsbehörden, die auch erst einmal dieses Medikament prüfen müssen, und es hat mit der Pandemie absolut nichts zu tun. Das ist auch ein ganz normales Vorgehen, dass manche Medikamente also zuerst in Amerika zugelassen werden. Und dann kommen sie zu uns. Und Sie brauchen keine Angst zu haben. Wir werden also ordnungsgemäß alle Medikamente bekommen, die zugelassen sind. Also die Pandemie verzögert jetzt wirklich nichts. Also wenn es irgendwo was verzögert, dann liegt es dem Medikament selbst, an der Sicherheitsbehörde, die für Europa eigene Gesetze haben. Also da brauchen Sie keine Angst zu haben.

Auch Ihnen alles, alles Gute.

Frage 6: Therapie unterbrechen

Ist es besser, die Therapie zu unterbrechen? Ich habe gehört, dass durch die immunschwächende Krebstherapie schwere Krankheitsverläufe bei COVID-19 auftreten. Ich bin im dritten Zyklus Chemotherapie bei Lungenkrebs.

Wie ich schon vorher gesagt habe: Das ist eine individuelle Entscheidung und hängt von vielen, vielen Faktoren ab. Deswegen rate ich Ihnen dringend, das mit Ihren behandelnden Ärzten zu besprechen und wünsche Ihnen auch alles, alles Gute.

Frage 7: Verlauf einer Corona-Infektion bei krebskranken PatientInnen

So die nächste Frage: Wie wird eine Corona-Infektion bei einer krebskranken Person ablaufen? Unterscheiden sich dann die Länge und die Symptomatik bei einer Corona-Infektion?

Die Infektion mit COVID-19 bei Krebspatienten verläuft extrem unterschiedlich, von asymptomatisch bis letalen Ausgang.

Sicher wissen wir, dass unsere Patienten aufgrund des Hochrisikos schwerere Verläufe als im Vergleich zu Gesamtpopulation haben, aber auch die Verläufe innerhalb von Krebspatienten sind extrem unterschiedlich. Wie gesagt, von asymptomatisch bis letalen Ausgang.

Und die zweite Frage: Ja, da unterscheidet sich natürlich die Länge und die Symptomatik innerhalb von einer Krebspatientengruppe. Das ist so unterschiedlich. Und dieses Virus ist für uns auch eine ziemlich rätselhafte Sache, warum es bei einem Patienten so verläuft und bei einem anderen so, obwohl beide z.B. die gleiche Erkrankung haben oder gleiche Nebenerkrankungen, gleiches Alter, Geschlecht und so weiter und so fort. Also da ist vieles noch unklar.

Aber ja, es werden sehr, sehr unterschiedliche Verläufe beschrieben. Und ja, es unterscheidet sich auch vom Ablauf des Ganzen.

Auch Ihnen wünsche ich Ihnen alles Gute.

Abschluss

So, ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesem Vortrag und diesen paar Punkten die Situation bei Patienten mit Tumorerkrankungen und COVID-Infektion etwas näherbringen konnte.

Ich wünsche Ihnen alles, alles Gute. Bitte bleiben Sie gesund. Schauen Sie bitte nach vorne. Seien Sie bitte positiv. Auch diese Pandemie wird irgendwann vorbei sein. Und ich wünsche Ihnen und Ihrer Familien, Angehörigen, Freunden alles, alles Gute. Wiederschauen.

Fr. Dr. Herscovici:

Danke für diesen wichtigen Vortrag.

Professor Alexander Gaiger ist Facharzt für Innere Medizin und Psycho-Onkologe. Er leitet ein telemedizinisches Projekt für onkologische Patienten. Und er wird jetzt darüber berichten und Ihnen erzählen, wie dadurch Krebspatienten und -patientinnen unterstützt werden können.

Auch er wird im Anschluss die Fragen beantworten, die Sie uns im Vorfeld geschickt haben.

Bleiben Sie dran.

Krebstherapien und Coronavirus (Chemo, Immun & Target-Therapie) - worauf ist zu achten

22.11.2020 | 10.35 – 11.05 Uhr

OÄ Dr. Ella Willenbacher wird in ihrem Vortrag auf wichtige Fragen rund um Coronavirus und Krebs eingehen. Dabei beantwortet sie häufig gestellte Frage, wie:

  • Kann es vorkommen, dass der Start oder die Fortsetzung meiner Krebstherapie (Chemo, Immun & Target-Therapie) verschoben wird?
  • Was genau sollten KrebspatientInnen im Alltag mit Corona berücksichtigen?
  • Wann sollten KrebspatientInnen unbedingt ins Krankenhaus bzw. zur Ärztin/zum Arzt?
  • u. v. m.

Vortragende

OÄ Dr. Ella Willenbacher

Fachärztin für Hämatologie und Onkologie
OÄ Dr. Ella Willenbacher

OÄ Dr. Ella Willenbacher ist Oberärztin für Innere Medizin an der Universitätsklinik Innsbruck. Ihr Schwerpunkt liegt auf
Hämatologie und klinische Onkologie sowie Allgemeine interne Medizin.

Mit freundlicher Unterstützung von:

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