Transkript

In seinem Vortrag spricht Prim. Univ.-Prof. Dr. Alexander Gaiger über die aktuellen Entwicklungen in der Telemedizin mit Schwerpunkt auf der Onkologie und dem Projekt E-Smart@Home.

Einstieg

Guten Tag, mein Name ist Alexander Gaiger. Ich bin seit über 32 Jahren als Onkologe und Psychotherapeut an der Medizinischen Universität Wien AKH Wien tätig und begleite seit über 30 Jahren jeden Tag Menschen, die von Tumorerkrankungen betroffen sind.

Ich freue mich, mit Ihnen in den nächsten 30 Minuten über die Möglichkeiten zu sprechen, die uns heute Telemedizin eröffnet, gerade in der Begleitung von Menschen mit chronischen Erkrankungen wie Krebserkrankungen und gerade in der Zeit der COVID-Pandemie.

Was ist Telemedizin

Zunächst einmal möchte ich gerne ausführen, was Telemedizin ist und wie sie sich entwickelt hat.

Telemedizin 1.0

Zunächst einmal scheinen wir zwischen Telemedizin 1.0, in der mittels technischer Hilfsmittel wie Telefon, Textbotschaften, SMS, Videokonferenzen, räumliche Distanz überwunden wird. Das ist seit vielen Jahrzehnten in vielen Ländern im Einsatz. Medizinische Leistungen werden ähnlich wie sonst im Alltag angeboten, nur eben mittels Telefon und Videokonferenz. Allerdings ist es nach wie vor notwendig, Symptomerhebungen, Dokumentation, Datenauswertungen, Überweisungen, vom Gesundheitspersonal durchzuführen.

Wie Sie auf dem Bild sehen können, sind die meisten Menschen damit nicht glücklich, weil es eigentlich mehr Arbeit ist.

Telemedizin 2.0

Telemedizin 2.0 war bereits ein großer Fortschritt. Hier waren wir in Österreich über viele Jahre weltweit führend durch die Einführung einer elektronischen Krankenakte. Dabei werden Patienten, Pflegefachkräfte, Ärzte, Spitäler über eine integrative Plattform Datenschutzgrundverordnungs-konform verbunden.

Aber auch hier ist das Problem, dass die gesamte Symptomerhebung, die Dokumentation, die Datenauswertungen, Überweisungen, Weiterüberweisungen nach wie vor vom Gesundheitspersonal überwunden werden müssen.

Neue Herausforderungen

Und eine der großen Herausforderung, vor der wir stehen, ist, dass wir immer mehr Leistungen in Spitälern bringen müssen. Warum?

  • Tumorerkrankungen sind Erkrankungen der zweiten Lebenshälfte.
  • Die Lebenserwartung steigt. Wir werden immer älter. Die Zahl der Menschen, die vom Krebserkrankungen betroffen sind, wird kontinuierlich zunehmen – von gegenwärtig 36.000 in den nächsten zehn Jahren auf über 50.000. Die Zahl der Menschen, die von Tumorerkrankungen betroffen sind, wird von gegenwärtig etwas über 350.000 in Richtung einer halben Million steigen.
  • Das sind zum einen die Fortschritte der wissenschaftlichen Forschung mit der Früherkennung und die neuen Therapiemöglichkeiten.
  • Ist das Überleben einmal gesichert, stellen sich natürlich andere Fragen, wie die Reintegration in den beruflichen und sozialen Alltag
  • und dass Umstände wie eine COVID-Pandemie unsere klinische Praxis deutlich ändern.

Die chronische Krebserkrankung – Chronic Cancer Care

Eine der Herausforderungen ist die chronische Erkrankung. Wir unterscheiden nicht mehr, so wie früher, „alles oder nichts“, „Entweder ist man gesund oder man verstirbt an der Erkrankung“, sondern wir können nunmehr Menschen heilen von Tumorerkrankungen. Wenn das nicht mehr möglich ist, können wir die Krankheit chronifizieren, dass wir die Menschen über viele Jahre mit einer guten Lebensqualität unterstützen können.

Komplexe Systeme – Die Situation der onkologischen Patientin

Das bedeutet aber, dass wir vor immer komplizierteren Herausforderungen stehen, und mit „wir“ meine ich jene Menschen, wie hier die KrebspatientInnen und ihre Angehörigen, aber auch die Gesundheitsberufe Ärzte und Pflegefachkräfte.

Wir haben die molekulare Grundlage der Erkrankung. Wir haben die komplizierten Wege, wie Information in Zellen von der Zelloberfläche zum Zellkern überführt werden. Wir haben die anatomischen Strukturen. Und auf der rechten Seite das Bild der Frau, gemalt von ihrem Mann zum Zeitpunkt der Diagnose ihres metastasierten Ovarialkarzinoms. Der Mensch, der uns gegenübersteht, der uns begegnet in der Ambulanz. Und dann das soziale Umfeld, die Familie, die Angehörigen, die ebenfalls viel mit uns auch tun.

Neurobiologische Grundlagen

Ein kurzer Ausflug in die neurobiologischen Grundlagen unseres Denkapparats: Wofür sind wir konzipiert von der  Evolution? Das Überleben zu sichern. Wir sind ausgezeichnet, ausgestattet

zu kämpfen,

zu fliehen,

sogar uns tot zu stellen.

Aber wir haben kein Sensorium für

  • komplexe Probleme,
  • chronische Prozesse,
  • Risikoabschätzung
  • oder auch nur für die Zeit.

Soziale/kulturelle Grundlagen: Das Eigene und das Fremde

Dann sind noch weitere Herausforderungen der Tumorerkrankung. Normalerweise grenzen wir Krankheiten als etwas Fremdes, von außen Kommendes ab, wie bakterielle Infekte, Viren, Unfälle, etwas, das von außen auf mich einwirkt. Aber hier bei Tumorerkrankten ist die Krankheit ein Teil von mir.

Soziale/kulturelle Grundlagen: Ausgeliefert-Sein

Dann führt uns Krankheit wieder vor Augen, wie sehr wir dem Leben ausgeliefert sind, das wahrscheinlich eines der größten Tabus der modernen Zeit ist, dass uns auch wieder die COVID-Pandemie verdeutlicht, dass man auch alles richtig machen kann und trotzdem von einer gefährlichen Erkrankung bedroht wird.

Was tun?

Was macht unser Gehirn, wenn es mit komplizierten Problemen konfrontiert wird?

Unser Gehirn ähnelt dieser Löwendame. Es vermeidet jede Art von Anstrengung, Und dann, wenn es etwas tun muss, wie diese Löwendame, wenn sie hungrig wird, dann steht sie auf und tut ihr Ding. Und das macht sie hocheffizient. Und so ist unser Gehirn. Es vermeidet jede Art von Anstrengung.

Wenn Sie mir nicht glauben, dann beobachten Sie mal Ihre Kinder am Wochenende. Es ist eine große Kunst, nichts zu tun.

Vorbereiten auf Herausforderungen

Normalerweise aber, wenn wir vor Herausforderungen stehen, bereiten wir uns vor. Wir trainieren. Wir verwenden Ausrüstung, wir machen Kurse. Wenn ich tauchen will, mache ich einen Tauchkurs. Wenn ich klettere, gehe ich zum Alpenverein, mache einen Kletterkurs.

Was ist unser Training, unsere Ausrüstung für chronische Krankheiten?

Aber genau das, was uns so weit gebracht hat als Menschen, das benützen wir nicht, wenn wir krank sind. Was ist unser Training, unsere Ausrüstung für chronische Erkrankungen? Wenn Sie auf dieses Bild schauen, dann sehen Sie hier unsere Pflegefachkraft, unsere technische Hilfskraft, die Ärzte ganz konzentriert die standard operating procedures einhalten und alles sehr gut machen. Aber der Mensch, der betroffen ist, der junge Mann auf dem Bild, der gerade eine Leukopharese für eine CAR-T-Zelltherapie unterzieht, der wäre sehr daran interessiert, mehr Informationen zu haben. Der möchte mittun. Und diese Ressourcen lassen wir ungenützt.

E-SMART

Und E-SMART, das Telemedizin-Werkzeug, das ich Ihnen vorstellen möchte, das verwendet Technologien, die wir benutzen, die uns vertraut sind, Smartphones, die auf der ganzen Welt unabhängig von der Kultur, der Bildung, dem Hintergrund verwendet werden.

„Let data travel not patients“

Es schützt und unterstützt Risikogruppen durch personalisierte telemedizinische Betreuung während und auch nach der COVID-Pandemie.

Telemedizin 3.0

Telemedizin 3.0, und das ist E-SMART, integriert die Möglichkeiten der Telemedizin 1.0 – Überwindung räumlicher Distanz durch technische Möglichkeiten, 2.0 – die sichere Übertragung von Daten, der Archivzugang zur ELGA, zur elektronischen Krankenakte, eine Plattform, die wieder Begegnung zwischen Patienten, Angehörigen, Selbsthilfegruppen, Pflegefachkräfte, Ärzten, Spitälern ermöglicht.

SMART@Home – Together & Safe

SMART@Home – together & safe. Durch diese Technologie können wir die Auswirkungen der COVID-Pandemie auf die klinische Praxis und die Patienten-Arztbeziehung reduzieren.

Begegnung ist die Grundlage der Kommunikation. Diese Technologie integriert in die bestehenden Systeme, was ich eine Hybridlösung bezeichnen würde, und überwindet die derzeit notwendige Distanz. Sie ermöglicht wieder Beziehungen, Begegnung und „out-of-hospital-care“.

1 Warum Telemedizin?

Also warum benötigen wir Telemedizin?

Die Zahl der vom Krebs betroffenen Menschen steigt kontinuierlich an. Das führt zu einer deutlichen Zunahme von medizinischen Leistungen.

Mit im Wesentlichen unveränderten menschlichen und finanziellen Ressourcen führt dies zu einer Überlastung unseres Gesundheitssystem. Diese Herausforderung lässt sich nur durch den Einsatz neuer Technologien bewältigen.

Zusätzlich für die COVID-19-Pandemie zu einer massiven Belastung von Mensch und Gesundheitssystem. Und eine der vulnerabelsten Gruppen sind Menschen, die von Krebserkrankung betroffen sind.

Das heißt, „out of hospital care“ wird eine Notwendigkeit.

2 Warum Telemedizin?

Die COVID-Pandemie zeigt aber auch medizinische und wirtschaftliche Auswirkungen:

  • Chronisch kranke Menschen werden fallweise unterversorgt, das heißt, diese Menschen benötigen in den nächsten Jahren mehr Unterstützung. Das bedeutet für das Gesundheitssystem mehr Herausforderung.
  • Vorsorge-Untersuchungen werden verschoben, Erkrankungen später, d.h. möglicherweise auch im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. Wiederum: mehr Herausforderung, mehr Probleme.
  • Die Arbeitslosigkeit steigt an, Steuer- und Sozialversicherungseinnahmen sinken. Das heißt: Wir haben weniger Geld zur Verfügung, um mehr Herausforderungen zu stemmen.

Social distancing – Den Abstand überwinden

Eine der interessantesten Wörter, die wir gegenwärtig eigentlich erleben, ist das Social Distancing.

Nun sind wir aber Säugetiere. Abstand zueinander ist uns nicht angeboren, ist nicht angelegt. Wir benötigen Nähe zum Überleben, zum erfolgreichen Arbeiten. Das heißt, ich würde im Social Distancing eigentlich lieber den Abstand überwinden, die notwendige physische Distanz aufrechterhalten, aber soziale Nähe wieder ermöglichen.

Und dafür verwenden wir SMART@HOME.

  • Es ist ein Advanced Symptom Management System.
  • Es ist eine CE zertifizierte medizinische Applikation,
  • die evidenzbasiert durch große klinische Studien ihre Wirksamkeit gezeigt hat.
  • Sie ist Datenschutz-konform.
  • Es ist eine hybride Lösung, das heißt, sie integriert sich in die bestehenden medizinischen Systeme.
  • Wir haben über 17 Jahre Erfahrung in der Routine.
  • Im National Health Service in England sind zahlreiche Preise an das System vergeben worden.
  • Zahlreiche Publikationen, auch EU-Consortium Grants.

Wie funktioniert SMART@Home?

Und wie funktioniert das? Patienten, Angehörige, Pflegefachkräfte laden Datenschutzgrundverordnungs-konform die Medical Device Applikation auf ihr Smartphone oder Tablet und sind so 7/24, also 7 Tage die Woche 24 Stunden mit dem Betreuungsteam verbunden.

Wir haben einen Ablauf, der sich zusammensetzt

  • einerseits aus der Symptomerhebung durch eine einfache Serie von Fragen, die man täglich oder einmal wöchentlich ausfüllt.
  • Teletriage, die sich automatisch der Symptomerhebung anschließt. Das heißt, je nachdem, welche Symptome Sie in welcher Schwere haben, wird entweder ein grüner Alarm, ein gelber oder ein roter Alarm ausgelöst.
  • In Abhängigkeit von dem Alarm wird Ihnen z. B. bei leichten Symptomen, einem grünen Alarm Selbsthilfe angeboten: Was kann ich selbst gegen die Entzündung meiner Schleimhaut tun? Was kann ich selbst gegen Schmerzen tun? Bei einem stärkeren Symptom und moderaten Symptomen erhalten Sie am gleichen Tag einen Anruf durch eine Cancer Nurse, und bei akuten Symptomen werden Sie innerhalb von 15 Minuten durch einen Arzt des Teams angerufen.
  • Das heißt, wir haben nicht nur Selbsthilfe-Alerte und in der Folge auch Videosprechstunden. Wir können Tele-Konsultationen vereinbaren bis hin zu einer Tele-Rehabilitation.

Das heißt, hier erfolgt eine Kommunikation entsprechenden den Datenschutzrichtlinien zwischen Patienten, Pflegefachkräfte, Ärztinnen durch Text, Smartphone oder Videotelefonie.

Patienten – Fragen und Antworten

Wie schaut das praktisch aus? Auf Ihrem Smartphone erscheint eine ganz einfache Serie von Fragen, durch die Sie durchgeführt werden. Das dauert, wenn Sie keine Probleme haben, vielleicht zwei Minuten, wenn Sie welche haben, drei bis vier Minuten. Immer dann, wenn Sie Beschwerden haben und auf „Ja“ klicken, gehen die entsprechenden Fragen auf. Wenn Sie z.B. Schmerzen haben, klicken Sie auf diesen Morph, das Männchen, das abgebildet ist, und zeigen auf die Stelle, wo Sie Schmerzen haben, und dann wird das markiert.

Sie können beschreiben, wie stark die Schmerzen sind, wie weit Sie in Ihren täglichen Aktivitäten dadurch beeinträchtigt werden.

Und am Ende erhalten Sie Nachrichten, was Sie selbst tun können gegen die Schmerzen.

Unterstützung – Information passend zu den Beschwerden

Das Schöne an dem System ist, dass Sie im Wesentlichen die Fragen in Ihrer Muttersprache angeboten bekommen, sei es Deutsch, Türkisch, eine slawische Sprache, Farsi, Norwegisch, Griechisch, das kann man alles einprogrammieren. Der Arzt sieht aber die Fragen und die Antworten in seiner Muttersprache, hier z.B. in Deutsch oder in Englisch. Und so ist eine Überwindung von sprachlichen Barrieren ohne zusätzlichen Aufwand, ohne zusätzliche Dolmetscher möglich.

Außerdem sehen Sie oben links in dem Bild, wie Ihnen Symptome grafisch dargestellt werden. Sie können auf einmal verstehen und begreifen, was so schwer verstehbar ist, nämlich wie sich Krankheit, wie sich die Nebenwirkungen der Therapie über die Zeit entwickeln. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Nicht nur eine einzelne Momentaufnahme, sondern zu sehen, dass ich z.B. immer 2, 3 Tage nach einer Chemotherapie Verstopfung habe, 5, 6 Tage später etwas weicheren Stuhl oder sogar Durchfall bekomme, weil das eine verursacht wird durch die Medikamente gegen die Übelkeit, und das andere, der Durchfall, z.B. durch die Wirkung der Chemotherapie. So wird das, was mich sonst beunruhigt, etwas begreifbar. Und ich sehe, dass das sogar einen an sich fast planbaren Ablauf nimmt.

Nurse Clinical Pagers

Die Alert Handler, die Ärzte und Pflegefachkräfte haben ebenfalls das System auf ihr Smartphone heruntergeladen und bekommen in einen Alarm, je nach den Symptomen, die Sie haben – Rot, Grün, und sie können diesen Alarm direkt von diesem Smartphone beantworten, haben Datenschutz-konform Zugang zu den relevanten Gesundheitsinformationen ihrer Patientin, ihres Patienten, und es wird der gesamte Ablauf, sowohl wann ich den Alarm bekomme, wie lange ich brauche ihn zu beantworten und was ich in der Antwort alles gesagt habe, dokumentiert, und das ohne dass ich extra Arbeit habe.

Wie funktioniert SMART@Home?

Das heißt: Menschen, die betroffen sind von Krebs, Patienten, können dort, wo sie wollen, wann sie wollen, definierte Daten, Kurzfragebögen, Temperatur, Blutdruck, Puls täglich oder bei Bedarf über ihr Smartphone oder Sensoren übertragen. Diese übertragenen Daten werden in Echtzeit ausgewertet nach etablierten bekannten Richtlinien und nach einem Ampelsystem weiter triagiert.

Noch einmal:

  • Grün: evidenzbasiert selfmanagement advice – Was kann ich selbst tun bei kleinen, geringen Symptomen?
  • moderate Symptome, Gelb: werde ich innerhalb des gleichen Tages innerhalb von 8 Stunden von einer Cancer Nurse angerufen
  • Rot: Bei potenziell lebensbedrohlichen Symptomen werde ich innerhalb von 15 Minuten angerufen.

Aus einer ganzen Gesundheitsbibliothek werden die entsprechenden Symptome und Unterstützungsmaßnahmen erklärt und Hilfe angeboten. Es erfolgt eine grafische Darstellung der Symptome, wodurch das, was so schwer begreifbar ist, angreifbar, begreifbar wird, sichtbar wird.

Das klinische Team wird in Echtzeit alarmiert. Die Kliniker sehen in die elektronischen Krankenakten und intervenieren, und weitere Konsultationen, Rehabilitation, Diätologie, Psychologie, Psycho-Onkologie können terminisiert werden.

Diese Überwindung von räumlicher Distanz ist bei solchen Spezialdisziplinen sehr wichtig, denn es ist nicht leicht, irgendwann im November, Dezember oder Jänner im nördlichen Waldviertel oder in Tirol einen Sexualtherapeuten, eine Sexualtherapeutin, eine Traumatherapeutin oder eine Diätologin, die viel Erfahrung in der Begleitung von Tumorpatienten hat, zu finden.

Hier spielt räumliche Distanz keine Rolle. Die Therapeutin, die Beraterin kann in Wien sitzen und Sie können in Zwettl oder in Waitra sitzen. So sparen sich zwei Stunden Anfahrzeit, wahrscheinlich ein bis zwei Stunden Wartezeit und zwei Stunden Rückreise, und Sie können in der sicheren Umgebung Ihres Zuhauses mit einer Fachexpertin Kontakt haben.

Wie funktioniert SMART@Home? – Vorteile

Das heißt, die Vorteile sind

  • eine benutzerfreundliche Handhabung,
  • die Patienten-Autonomie wird gestärkt,
  • Ärzte, Pfleger und Angehörige werden entlastet durch eine automatische Integration in die elektronische Krankenakte,
  • Risikogruppen werden geschützt und unterstützt.
  • Und wir haben dieses System entwickelt für verschiedene chronische Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Stoffwechselerkrankungen, rheumatologische Erkrankungen, Lungenerkrankungen.
  • Und es werden standardisierte Gesundheitsdaten erhoben, die eine genaue Zielsteuerung von Ressourcen ermöglicht.

SMART@Home ist ein medizinisches Gesamtkonzept mit vielfältigen Einsatzbereichen

Das heißt, insgesamt dient E-SMART als ein wichtiges Rädchen in diesem Gesundheitssystem. Es verbindet Patienten mit Hausärzten, mit Rehab-Zentren, Pflege-Wohnhäusern, mit Kliniken und mit niedergelassenen TherapeutInnen, PhysiotherapeutInnen, die DiätologInnen, Ergotherapeuten.

10 Gründe für E-SMART@Home

Insgesamt gibt’s also gute Gründe für die Einführung dieser Technologie, und ich hoffe, dass ich Ihnen hier ein wenig die Telemedizin näher konnte.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Ihre Fragen

Ich habe jetzt noch einige Fragen bekommen, die ich gerne beantworten möchte.

Frage 1: Medizinischer Notfall

Die erste Frage ist: Was passiert, wenn das Programm einen medizinischen Notfall erkennt? Wird dann der Krankenwagen gerufen?

Wenn ein medizinischer Notfall auftritt, entsteht ein roter Alarm, der zu einem sofortigen Anruf eines Arztes aus dem Behandlungsteam führt, der dann mit Ihnen gemeinsam das weitere Vorgehen bespricht. Das kann sein, dass der Notarzt gerufen wird oder ein Krankentransport gerufen wird oder dass sich das Problem auch im niedergelassenen Bereich lösen lässt.

Frage 2: Besondere Symptome und Werte

Die nächste Frage ist: Gibt es eine Möglichkeit, dem Programm mitzuteilen, dass es auf besondere Symptome und Werte achten muss? Ich hatte selbst Leukämie, und meine Thrombozytenzahl war oft noch im Normalbereich, in der aktuellen Situation in meinen Zustand jedoch zu niedrig, was meine Ärztin dann erkannt hat.

Nun, wir können und haben die Möglichkeit, zusätzliche Fragen und Eingabemöglichkeiten zu eröffnen. Das heißt: Wenn für Sie es wichtig ist, die Thrombozytenzahl kurzfristig zu kontrollieren, so kann das als Zusatzfrage in das System eingegeben werden, Sie führen eine Blutabnahme durch und transferieren oder geben dann den Thrombozytenwert in das System ein, und Ihr Arzt hat die Möglichkeit, im Verlauf die Thrombozytenwerte mit Ihnen gemeinsam zu kontrollieren zu besprechen. Also das ist möglich.

Frage 3: Bedienbarkeit

Wird E-SMART einfach zu bedienen sein? Meine 75-jährige Mutter hat Brustkrebs, und ich habe nicht immer Zeit, mit ihr zum Arzt zu gehen und will sie aktuell auch nicht der Gefahr aussetzen, dass ich sie anstecke. Wir haben ihr ein iPad geschenkt und sie weiß, wie man Dinge googelt. Sonderlich versiert ist sie aber nicht.

Dann geht’s Ihrer Mutter ähnlich wie mir. Ich bin auch nicht sonderlich versiert, und mir macht es hier schon einen ziemlichen Stress, über diese technischen Hilfsmittel Ihnen einen Vortrag zu präsentieren.

Es ist ein Teil dieser großen EU-Studie gewesen. Also E-SMART ist Teil einer großen prospektiven Studie, die wir im Rahmen eines EU-Forschungsprojektes umgesetzt haben. Es ist tatsächlich die weltweit größte randomisierte Studie, die je zu dem Thema Telemedizin in der Onkologie durchgeführt wurde. Und ein Endpunkt dieser Studie war herauszufinden und Patienten zu befragen, wie es ihnen mit diesen technischen Werkzeugen geht.

Tatsächlich ist es ganz einfach zu bedienen. Auch achtzigjährige Patientinnen konnten das ausgezeichnet bedienen. Der Erfolg und die Akzeptanz war so groß, dass in einigen Ländern, das ist in sechs Ländern in zwölf großen Tumorzentren über vier Jahre gelaufen, in einigen Ländern wollten die Patienten das Device nicht mehr zurückgeben. Wir haben deswegen auch eine Applikation und eine App entwickelt, die Sie auf Ihrem eigenem Device herunterladen können. Falls Sie keins haben, bekommen Sie eins zur Verfügung gestellt.

Also: Die Akzeptanz war sehr gut. Es ist kein Problem, dieses System zu bedienen. Es ist wirklich einfach. Sie werden durch Fragen durchgeführt, und der Rest geschieht automatisch.

Frage 4: Immer der/dieselbe Arzt/Ärztin?

Bekommt man bei E-SMART, wenn möglich, immer dieselbe Ärztin oder denselben Arzt zugeteilt, wenn man ein Gespräch braucht? Dann wüsste die- oder derjenige schon etwas über die Krankengeschichte.

Ja, das stimmt, da stimme ich Ihnen zu. Das ist eine gute Idee, immer vom gleichen Arzt/Ärztin behandelt zu werden oder von der gleichen Pflegefachkraft. Darum bemühen wir uns. Wir haben ein Team von Alert Handlern, die konstant bleiben. Das heißt, Sie werden im Laufe der Behandlungsdauer, das können ja drei oder sechs oder neun Monate sein, manchmal noch länger sein, werden Sie das Team kennenlernen. In der Regel, wenn Sie allerdings einen spezifischen Termin benötigen, dann werden Sie Ihrer Ärztin zugeteilt. Dieses System ist keine Parallelwelt. Sie wird unter der Führung, unter Leitung Ihres Behandlungsteams durchgeführt. Wir unterstützen mit Information, mit einer Telekommunikation Ihr Betreuungsteam. Das heißt, Ihre behandelnde Ärztin bleibt Ihre behandelnde Ärztin. Und wir haben nur zusätzlich ein Unterstützungsteam, das vermitteln kann.

Frage 5: Kosten

Nächste Frage: Muss ich als Patientin für E-SMART extra bezahlen oder kann das über jede Krankenkasse abgerechnet werden?

Nun, in einem ersten Schritt war E-SMART eine Studie. Das heißt: Für Studien, für die Teilnahme an Studien fallen keine Kosten an. Die Kosten wurden von der EU-Kommission bezahlt.

Für die nächste Phase, wo wir die Integration dieser Technologie in die Routine überprüfen und wissenschaftlich begleiten, fallen ebenfalls keine Kosten an. Das heißt: Sie können an diesem Projekt gratis teilnehmen. Es wird auch dieses Device nicht mehr getestet, sondern lediglich überprüft und getestet, wie es Ihnen während der telemedizinischen Betreuung geht im Vergleich zu Menschen, die konventionell im Spital, in Ambulanzen betreut werden.

Ziel ist die Integration in die Routine. Das heißt, dass diese Leistungen telemedizinisch abgerechnet werden über die e-card und Sie keinerlei Kosten haben.

Frage 6: Datenschutz

Nächste Frage: Ist es möglich, dass andere Menschen, die eigentlich nicht befugt sind, auf meine Daten zugreifen? Ich bin nicht so technikaffin und weiß nicht genau, wie Daten gespeichert und freigegeben werden.

Das ist eine extrem wichtige Frage. Es ist eine absolute Notwendigkeit, dass Gesundheitsdaten sicher sind und nur von autorisierten Personen, und das sind Menschen, die Sie letztlich autorisieren, eingesehen werden können.

Wir machen keinen Datenhandel. Es kommt nicht zu einer Verschickung von Daten, wie das z.B. der Fall ist, wenn Sie manche Smartwatches oder Smartphones verwenden. Diese Daten sind geschützt, sind speziell encrypted (verschlüsselt) und können nicht von Personen außerhalb des Behandlungsteam eingesehen werden.

Im Zweifelsfall können sie auch gesperrte, also eingeschränkt aktivierte Smartphones benutzen, die wir Ihnen zur Verfügung stellen. Sie können es aber auch bedenkenlos auf Ihrem Smartphone runterladen. Die Applikation ist in einer speziellen Software eingebettet, die es vor widerrechtlichen Zugriff schützt.

Frage 7: Warum Onkologie?

Nächste Frage: Guten Tag, Herr Professor Gaiger, welchen Hintergrund hat es, dass E-SMART für die Onkologie entwickelt wurde? Ich war selber an Krebs erkrankt und habe den nahen Kontakt mit meinen Ärztinnen sehr geschätzt. Ich finde E-SMART eine tolle Möglichkeit, könnte mir aber vorstellen, dass mir die enge Zusammenarbeit fehlen könnte. Vielen Dank.

Ich glaube, mir als Arzt geht’s genauso. Und wenn ich Patient bin, geht es mir auch so wie Ihnen.

Wir wollen persönlichen Kontakt nicht ersetzen. Telemedizin 3.0 hat nicht das Ziel, dass Sie mit Maschinen kommunizieren oder Computern oder nur mit Handys. Sie sollen mit ihrer Ärztin, mit Ihrem Arzt in Kontakt bleiben. Das, was wir ermöglichen, ist, dass auch in Zeiten der COVID-Pandemie oder am Wochenende ein Betreuungsteam dafür da ist. Der direkte Kontakt mit Ihrer betreuenden Onkologin wird dadurch nicht ersetzt, sondern erleichtert. Sie können mit ihr Sprechstunden ausmachen, oder mit Ihrem Onkologen. Sie finden sich Extratermine vereinbaren, wenn es nicht in die Routine integriert ist.

Im Augenblick halten wir das so, dass wir einzelne Sprechstunden schon vereinbaren und Sie sind zum Beispiel jeden Mittwoch um 12 Uhr dann Gelegenheit hätten, einen Termin mit Ihrer Onkologin wahrzunehmen.

Also Ziel ist nicht Ersatz des persönlichen Kontaktes, der Beziehung. Ich halte das für einen ganz wichtigen Bestandteil in der Begleitung von Patienten. Die Beziehung ist letztlich auch das, was Kommunikation erleichtert. Ohne Beziehung können wir stundenlang reden. Es kommen nur Missverständnisse heraus.

Also das wollen wir sicherstellen. Und das ist eigentlich der Grund, warum wir es eingeführt haben.

Im Augenblick ist es so, dass ich fast 90 Prozent meiner Zeit darauf verwenden muss, Symptomerhebungen durchzuführen, dann diese einzugeben in ein Computersystem, dann die Chemotherapie zu bestellen, dann ein Bett zu organisieren. Und dann habe ich kurz nur Zeit, Ihnen das zu erklären, was wichtig ist.

Das wollen wir ändern durch Telemedizin, dass wir wieder Zeit haben, miteinander in Kontakt zu treten, ein Gespräch zu führen und dass das, was Maschinen gut machen, die Maschinen tun, nämlich die Erhebung von Symptomen, die Eingaben von Symptomen, die Auswertung von großen Datenmengen, und wir Menschen das tun, was wir gut können, nämlich einen Schluss daraus zu ziehen aus diesen vielen Daten, gemeinsam zu einer Entscheidung zu kommen und ich Ihnen diese Entscheidungsgrundlage begreifbar machen kann und wir gemeinsam diesen Weg gehen. Das wollen wir erreichen.

Und durch die Zunahme an Leistungen, die in der Medizin erforderlich werden, durch die Zunahme der chronischen Erkrankungen, durch die verbesserten Behandlungsmöglichkeiten wird es notwendig sein, neue Techniken einzusetzen.

Deswegen: Weniger Zeit benötigen für die Symptomerhebung und mehr Zeit haben, wieder miteinander zu reden.

Danke für die gute Frage.

Frage 8: Algorithmus-Sicherheit

Die letzte Frage: Gibt es eine Möglichkeit sicherzustellen, dass der Algorithmus nichts übersieht? Ich denke daran, dass manchmal Symptome auftreten, die dringend behandlungsbedürftig sind.

Das ist ein sehr guter Punkt.

Nun, wir haben zum einen etablierte Algorithmen, das heißt wie erhebe ich Schmerzen, wie erhebe ich Durchfall, wie erhebe ich Schleimhautschädigen, wir erhebe ich diese peripheren Nervenschädigungen, wie erhebe ich die chronische Müdigkeit, Ängstlichkeit, Depressivität. Das sind etablierte Tools.

Aber Sie haben vollkommen Recht. Das bedeutet nicht, dass man etwas nicht übersehen könnte. Sie haben daher noch immer die Möglichkeit, direkt Ihren Hausarzt, Ihren Onkologen, Ihre Onkologin zu kontaktieren. Sie können nach wie vor selbstständig die Rettung rufen, wenn es ein Notfall ist, und Sie haben eine zusätzliche Möglichkeit jetzt, dass Sie mit einem onkologisch versierten Betreuungsteam 7/24 verbunden sind.

Das heißt: Es wird nichts von den bestehenden Sicherheitsmaßnahmen reduziert. Wir wollen damit nicht die Qualität der ausgezeichneten Betreuung von Menschen in Österreich senken, sondern wir geben ein neues Werkzeug hinzu.

Abschluss

Ich hoffe, dass ich zumindest einen Teil der Fragen beantwortet habe und habe mich sehr gefreut über diese für mich etwas ungewohnte Art, einen Vortrag zu präsentieren, zumal auch ein Experiment, und wünsche Ihnen einen schönen Tag. Vielen Dank, Wiederhören.

Fr. Dr. Herscovici

Danke für diese spannenden Ausführungen.

Oberärztin Dr. Sonja Heibl ist Fachärztin für innere Medizin, Hämatologie und Onkologie und wird uns jetzt erzählen, was sich im Moment tut im Bereich der Therapie in der Hämatoonkologie. Es wird ein spannender Vortrag, in dem am Ende auch Fragen beantwortet werden, die Sie uns im Vorfeld geschickt haben.

Bleiben Sie dran!

Telemedizin 3.0 in der Onkologie – E-SMART@HOME

22.11.2020 | 11.15 – 11.45 Uhr

In seinem Vortrag spricht Prim. Univ.-Prof. Dr. Alexander Gaiger über die aktuellen Entwicklungen in der Telemedizin mit Schwerpunkt auf der Onkologie und dem Projekt E-Smart@Home.

Vortragender

Prim. Univ.-Prof. Dr. Alexander Gaiger

Facharzt für Innere Medizin und Psychoonkologe
Prim. Univ.-Prof. Dr. Alexander Gaiger

Univ.-Prof. Dr. Alexander Gaiger ist Facharzt für Innere Medizin und Psychoonkologe. Er ist Programmdirektor am Comprehensive Cancer Center der Medizin Universität Wien und leitet als Primararzt eine Abteilung für onkologische Rehabilitation im Lebens.Med Zentrum Bad Erlach. Zuvor hat er lange am Fred Hutchinson Cancer Center im US-amerikanischen Seattle geforscht. Univ.-Prof. Dr. Alexander Gaiger ist unter anderem Mitglied in der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie sowie der American Association for Cancer Research (AACR).

Diesen Vortrag widmet Ihnen:

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