Oberarzt PD Dr. Dominique Laurent Braun informiert in seinem Vortrag über die aktuellen Möglichkeiten in der COVID-19-Behandlung.
Begrüßung
Guten Tag, mein Name ist Dominique Braun und ich arbeite als Oberarzt miterweiterter Verantwortung am Universitätsspital Zürich auf der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene.
Heute werde ich mit Ihnen das Thema besprechen: „Wie wird eine COVID-19-Infektion behandelt?“
Ich werde dies für die nächsten 20 Minuten tun und anschließend für 10 Minuten Fragen beantworten, die mir im Voraus gestellt wurden.
Wie wird eine COVID-19-Infektion behandelt?
Nun, hier sehen Sie nochmals den Titel meiner Präsentation,
Themengebiete
und ich möchte mit Ihnen in den folgenden 20 Minuten folgende Themengebiete durchgehen
Erstens werde ich Ihnen ganz kurz den Lebenszyklus von SARS-CoV-2, dem Erreger von COVID-19 erläutern und dann auf die einzelnen Medikamente eingehen, die wir in den letzten Monaten getestet haben und die wir teilweise auch einsetzen.
Lebenszyklus SARS-CoV-2
Hier sehen Sie den Lebenszyklus von SARS-CoV-2. Und ich möchte hier nicht allzu sehr in die Details gehen.
- Aber Sie sehen hier, dass das Virus, hier in Rot dargestellt wird.
- Sie sehen hier eine Zelle beispielsweise des oberen Respirationstraktes,
- und Sie sehen hier, dass diese Zelle an gewisse Rezeptoren andockt, die heißen ACE-Rezeptoren, damit sie in diese Zelle reinkommen können und dann in der Zelle die Infektion verursachen können.
Wir haben hier verschiedene Medikamente getestet, die an verschiedenen Orten hier im Lebenszyklus von SARS-CoV-2 eine Rolle spielen und darauf abzielen, die Virusvermehrung zu unterbrechen oder das Immunsystem abzubremsen, welches auf die Infektion reagiert und eben auch einen Schaden setzen kann.
Wir haben hier diese verschiedenen Medikamente, auf die ich jetzt noch näher eingehen werde, markiert:
- Das ist einerseits das Hydroxychloroqine,
- dann das Lopinavir, welches wir von HIV-Patientenn, von der Behandlung von HIV-Patienten kennen,
- dann Remdesivir, ein Medikament, welches sehr viele Schlagzeilen generiert hat und für das eine Wirksamkeit nachgewiesen wurde,
- dann eben auch gewisse Medikamente, die darauf abzielen, das Immunsystem abzubremsen, die auf das Virus reagieren, um dann eben den Schaden über diese Immunreaktion zu setzen.
Kaletra/Lopinavir/Ritonavir I: Vorstellung
Kommen wir nun zuerst zum Kaletra, Lopinavir, Ritonavir. Das ist ein Medikament, welches wir 2008 ungefähr relativ oft zur Behandlung einer HIV-Infektion eingesetzt haben. Es gehört zu den sogenannten Proteasehemmern. Und bei SARS, bei der SARS Epidemie gab es Hinweise, dass die Gabe dieses Medikamentes, welches wir eben eigentlich wirklich nur für die HIV-Infektionen eingesetzt haben, einen möglichen Nutzen bringt und den Krankheitsverlauf von SARS abschwächen kann. Und die Hoffnung war natürlich groß, dass Kaletra auch bei SARS-CoV-2 eine Rolle spielen könnte, indem es uns hilft, die Patienten mit einer COVID-Infektion zu heilen.
Das hat dazu geführt, dass die Nachfrage nach Kaletra zu Beginn der COVID-Pandemie im Februar/März sehr hoch war und verschiedene Patienten, nicht einmal HIV-infizierte Patienten versucht haben, dieses Medikament zu kaufen.
Ebenfalls wurden Anstrengungen unternommen, dass die Lager an Kaletra, die in den Apotheken noch vorhanden waren, um eben HIV-infizierte Personen zu behandeln, zurückgelagert wurden, damit wir dieses gegen SARS-CoV-2 bei Patienten mit einer COVID-Infektion im Spital einsetzen konnten.
Und man muss dazu sagen, wir haben das zu Beginn auch getan. Ich mag mich erinnern: Im März, als die erste Welle in der Schweiz angefangen hat, haben wir bei den meisten Patienten, die mit einer schweren COVID-19-Lungenentzündung ins Spital gekommen sind, dieses Kaletra eingesetzt
Ein Nachteil von Kaletra war, dass es relativ viele Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten gemacht hat, und dies natürlich, indem es ihnen Schwierigkeiten bereitet hat. Denken wir zum Beispiel an eine Person, die auf der Intensivstation liegt, wo andere Medikamente verabreicht werden. Und dann gibt man eben noch ein zusätzliches Medikament, welches Wechselwirkungen erzeugen kann.
Kaletra/Lopinavir/Ritonavir II: Studien
Es kamen dann auch Studien heraus, die versucht haben, die Wirksamkeit von Kaletra in einer standardisierten Art zu untersuchen. Das ist eben der Vorteil von Studien, dass man ein Medikament gegen Placebo untersuchen kann, um dann herauszufinden, ob das Medikament wirklich eine Wirksamkeit hat.
Kaletra/Lopinavir/Ritonavir III: Studie
Und das wurde hier in einer Studie gemacht. Und das müssen Sie jetzt nicht im Detail studieren. Aber Sie sehen:
- Hier ist die Sterblichkeit, Mortality aufgezeichnet in Prozent.
- Und Sie sehen hier, dass die Tage seit Einschluss in die Studie aufgezeichnet sind. Meistens schaut man in einer Studie beispielsweise an, wie viele Personen mit COVID-19 bei Tag 28 gestorben sind.
- Und Sie sehen hier einerseits in Rot die Gabe von Kaletra, das sind eben die Wirkstoffe Lopinavir, Ritonavir, oder in Blau das Placebo oder einfach, was man zu dem Zeitpunkt hatte, um die Leute zu behandeln. Es war nicht viel, das war Sauerstoff und Antibiotika.
- Und Sie sehen, dass diese beiden Linien exakt aufeinander liegen. Das heißt: Es gab keinen Unterschied in dieser Studie, ob man Kaletra eingesetzt hat, oder ob man die Leute einfach nach den besten Standards im Spital behandelt hat.
Und so muss man eigentlich sagen, dass die Wirksamkeit von Kaletra und Lopinavir und Ritonavir nicht gegeben ist und sich diese ersten Hoffnungen, die man sich gemacht hatte, nicht bewahrheitet haben.
Also zusammengefasst: Kein Effekt von Kaletra bei Patienten im Spital mit einer COVID-19-Infektion.
Und entsprechend wenden wir das auch nicht mehr an und würden es sicherlich keinem Patienten oder Patientin empfehlen, dies zu tun.
Hydroxychloroquine I: Vorstellung
Nun auch dieses Medikament hat man dann in einer Studie untersucht bei Patienten, die im Spital waren, wurde in einer sehr guten wissenschaftlichen Zeitschrift publiziert.
Hydroxychloroquine II: Studien
Und Sie kennen jetzt diese Grafik schon:
- Hydroxychloroquine in Rot gezeichnet, dann die Standardbehandlung in Blau.
- Sie sehen auch hier: Man hat die 28-Tage-Sterblichkeit angeschaut, um zu schauen, ob Hydroxychloroquine einen Einfluss hat auf die Wirksamkeit.
- Und Sie sehen, dass diese Linien ein bisschen auseinander gehen, also nicht wie vorher ganz parallel aufeinanderliegen, aber gehen eben nur ganz, ganz wenig auseinander.
- Und die gehen so wenig auseinander, dass man am Ende, statistisch gesehen, sagen musste, dass auch mit Hydroxychloroquine keinen Einfluss hat auf die Sterblichkeit bei der Behandlung von COVID-Patienten.
Hydroxychloroquine III: Subgruppen
Dann hat man noch geschaut, ob es in gewissen Subgruppen, zum Beispiel in Frauen oder in älteren Leuten oder bei Leuten mit einer kürzeren Symptomdauer einen Benefit zeigt. Und das ist hier so dargestellt:
- Sie sehen hier diese Linie. Das ist die Linie bei 1,
- und alles, was links davon ist, da würde man sagen: Hydroxychloroquine hilft besser,
- und alles, was rechts von dieser Linie ist, da würde man sagen, dass die Standardbehandlung, also zu diesem Zeitpunkt Sauerstoff und Antibiotika besser hilft.
Und Sie sehen, dass all diese Untergruppen, die man hier angeschaut hat, eben Alter, Geschlecht und so weiter, das liegt alles hier auf der rechten Seite.
Also man sieht überhaupt keinen Benefit von Hydroxychloroquine in diesen verschiedenen Patientengruppen, sodass man auch hier sagen muss: Kein Effekt von Hydroxychloroquine bei Patienten mit einer mittelschweren oder schweren COVID-19-Infektion.
Remdesivir I: Einstieg
Nun kommen wir zu einem Medikament, welches sehr viele Schlagzeilen gemacht hat, und zwar das Remdesivir.
Remdesivir II: Vorstellung
Das Remdesivir wurde ursprünglich für die Behandlung von Ebola entwickelt. Man muss dazu sagen:
- Das Remdesivir sehr schwierig ist herzustellen. Das dauert viele Monate.
- Es ist hochexplosiv.
- Und es liegt nur eine intravenöse Verabreichungsform vor. D.h. es gibt das nicht als Pille zum Schlucken, sondern muss das über die Vene geben.
- Und man gibt das für 5 Tage.
- Man wählt eine hohe Anfangsdosis von 200 Milligramm am Tag 1 und dann am Tag 2, 3, 4 und 5 gibt man 100 Milligramm jeweils über die Vene.
- Und das Medikament kostet für diese 5 Tage in der Schweiz ca. 2.500 Schweizer Franken.
- Es ist mittlerweile auch zugelassen und trägt bei uns den Handelsnamen Veclury.
Remdesivir III: Studien Punkteskala
Nun, all diese Studien, die mit Remdesivir durchgeführt wurden, da hat man immer geschaut, in welcher Gruppe von Patienten ein möglicher Nutzen ist, und deshalb gehe ich jetzt auf diese Punkteskala ein.
Sie sehen hier, dass man diese Patienten versucht hat, zu klassifizieren nach dem Schweregrad ihrer Erkrankung.
- Im ersten Fall, bei 1, geht man davon aus, dass der Patient völlig gesund ist und zu Hause ist und keine Einschränkung der Aktivität hat,
- bei dem Punkt 2 hat der Patient leichte Einschränkung der Alltagsaktivitäten, liegt aber nicht im Krankenhaus,
- bei Punkt 3 liegt er im Krankenhaus, benötigt aber keinen Sauerstoff,
- bei Punkt 4 liegt er im Krankenhaus ohne Sauerstoff, benötigt aber weiterhin medizinische Versorgung
- im Punkt 5, da liegt er eben im Krankenhaus und benötigt schon Sauerstoff,
- und in Punkt 6 braucht er noch mehr Sauerstoff mit hohem Durchfluss,
- und bei Punkt 7, da muss er künstlich beatmet werden,
- und bei Punkt 8 ist er verstorben.
Und die Studien, die man mit Remdesivir gemacht hat, haben angeschaut, um wie viele Punkte sich der Patient verbessert hat. Also beispielsweise dass er bei Eintritt ins Spital mit Sauerstoff über die Nasenbrille auf der Normalstation lag, hier Punkt 5 entsprechend. Und dann hat man z.B. angeschaut, ob bei Tag 14 nach 2 Wochen und fünftägiger Behandlung mit Remdesivir der Patient. nicht mehr im Krankenhaus war und keine Einschränkung der Aktivität mehr hatte, dann hätte er quasi sich von 5 auf 1 gebessert.
Remdesivir IV: Studien Settings
Und das müssen Sie jetzt nicht im Detail lesen. Was man hier angeschaut hat, war eben in verschiedenen Settings
- Einerseits hat man geguckt, ob es bei diesen Patienten der Studie überhaupt etwas gebracht hat,
- dann bei Patienten, die kein Sauerstoff gebraucht haben,
- bei Patienten, die Sauerstoff gebraucht haben,
- und bei Patienten die intubiert, also künstlich beatmet waren.
Remdesivir V: Studien Outcome
Und um es hier zu zeigen: Insgesamt hat man gesehen, dass diese mediane Zeit, bis die Patienten gesund wurden mit Remdesivir 5 Tage kürzer war, 10 Tage gegenüber 15 Tage.
Also sprich: Die Gabe von Remdesivir hat dazu geführt, dass die Leute im Median nach 5 Tagen 5 Tage schneller gesund wurden, als wenn sie kein Remdesivir gekriegt haben. Das ist immerhin ein gewisser Effekt, wenn es darum auch geht, die Leute möglichst bald aus dem Spital zu entlassen.
Und Sie sehen hier die Mortality, also die Sterblichkeit. Das ist ja das, was uns fast am meisten interessiert. Da gab es keinen Unterschied.
Wenn man sich nun anschaut in dieser Gruppe 5, das waren eben die Patienten, die auf Normalstation waren mit Sauerstoff: Hier hingegen hat man bei der Sterblichkeit einen dramatischen Effekt gesehen von 70 Prozent.
Das heißt: Das Remdesivir führt in den Studien dazu, dass die Leute im Schnitt 5 Tage schneller wieder gesund werden und bei Patienten, die Sauerstoff brauchen, wenn sie ins Spital eingeliefert werden und auf der Normalstation liegen, kann es die Sterblichkeit um bis zu 70 Prozent reduzieren.
Also hier sehen wir eigentlich einen Effekt, sodass wir das Remdesivir mittlerweile bei allen Patienten einsetzen.
Remdesivir VI: Solidarity WHO-Studie
Dann gab es eine andere große Studie, die sogenannte Solidarity Studie, die von der Weltgesundheitsbehörde durchgeführt wurde.
- Und Sie kennen diese Kurve schon in Blau und in Rot dargestellt. In Rot die Leute, die Remdesivir gekriegt haben, und in Blau die Leute, die die beste Standardtherapie zu diesem Zeitpunkt erhalten haben.
- Und Sie sehen, dass diese beiden Kurven hier wieder aufeinanderliegen, und auch für andere Medikamente, die man in dieser Studie getestet hat, das Hydroxychloroquine, das kennen Sie schon, da liegen sie praktisch aufeinander, dann das Kaletra, da liegen sie auch praktisch aufeinander. Und dann hat man hier auch noch Interferon angeguckt, da gehen die Kurven ein bisschen auseinander, aber auch nicht signifikant.
- Aber eben in dieser Studie jetzt hat man keinen Effekt von Remdesivir gesehen.
Das heißt zusammengefasst: Es bleibt ein bisschen unsicher, wie viel das Remdesivir wirklich bringt. Wobei man sagen muss, dass diese Weltgesundheitsbehörde-Studie gewisse methodologische Mängel hatte. Die andere Studie, die ich Ihnen vorgestellt habe, die wurde, in dem Sinne, nach höheren Standards durchgeführt.
Meine Konklusion ist, dass fremde Remdesivir, wenn man es früh gibt bei Patienten auf der Normalstation, die Sauerstoff brauchen, einen Effekt hat und eben die Sterblichkeit senken kann.
Lungen-CT eines COVID-Patienten
Solche Bilder sehen wir leider immer wieder.
Das ist die Lunge eines Patienten in einer Computertomographie. Schwarz wäre normal mit Sauerstoff gefüllt, Weiß ist dort, wo das Virus wütete, zu einer Entzündung führt, wo sich dann Wasser ansammelt. Sie können sich sehr gut vorstellen, dass dieser Patient große Schwierigkeiten hat zu atmen und Sauerstoff braucht oder sogar künstlich beatmet werden muss.
Dexamethason I: Vorstellung
Und bei diesen schwerkranken Patienten haben wir eben auch ein Medikament, welches wir einsetzen können. Das ist das Dexamethason, das Cortisol oder auch Steroide genannt.
Dexamethason II: Studie England
Und hier haben wir eine Studie, die in England durchgeführt wurde, wo man auch einen dramatischen Effekt gesehen hat von Dexamethason auf die Sterblichkeit.
Der Vorteil nun von Dexamethason ist:
- Man kann es auch schlucken.
- Das sind sechs Milligramm pro Tag,
- oder man gibt es über die Vene für insgesamt 7 bis 10 Tage.
- Die Kosten der Therapie sind 20 Euro, also sehr billig, sehr viel billiger als das Remdesevir.
- Und das Cortisol, das Dexamethason ist eigentlich überall verfügbar.
Also sicher hier große Vorteile bei der Gabe dieses Medikamentes.
Dexamethason III: Studie England Outcome
And auch hier, diese Kurven kennen Sie nun: In dieser Studie in England hat man
- sich die Patienten insgesamt angeschaut,
- dann die Patienten, die beatmet wurden,
- die Patienten, die Sauerstoff gebraucht haben auf der Normalstation
- und die Patienten, die kein Sauerstoff gebraucht haben.
Und Sie sehen,
- dass insgesamt diese Studie die Sterblichkeit um 17 Prozent reduziert werden konnte.
- Bei Patienten, die intubiert werden mussten, also künstlich beatmet auf der Intensivstation, hat man mit dem Dexamethason eine 36-prozentige Reduktion der Sterblichkeit gesehen,
- bei Leuten, die nur Sauerstoff gebraucht haben, eine 18-prozentige Sterblichkeitsreduktion
- und bei Patienten, die überhaupt kein Sauerstoff gebraucht haben, die nur milde krank waren, hat man eigentlich keinen Effekt gesehen.
Dexamethason Metastudie I
Man hat dann, weil diese Studie nur in England durchgeführt wurde, noch eine Metaanalyse gemacht. Da nimmt man alle Studien zusammen, die mit Dexamethason oder mit anderen Steroiden durchgeführt wurden.
Dexamethason Metastudie II Outcome
- Und Sie sehen hier auf der linken Seite, Sie kennen diese Linie bei 1, alles was links ist, hat einen Vorteil für Dexamethason, alles was rechts ist für die Standardbehandlung.
- Und hier hat man verschiedene Dosierungen angeschaut von verschiedenen Steroiden. Und Sie sehen das insgesamt praktisch alles hier auf der linken Seite ist.
- Und wenn man hier das Gesamtergebnis anschaut, sieht man hier eben eine 34-prozentige Reduktion der Sterblichkeit auch in den anderen Studien, die außerhalb von England durchgeführt wurden.
Das ist hier nochmals bildlich dargestellt, dass eben sich alles auf der linken Seite befindet und somit eben einen positiven Effekt darstellt von Dexamethason.
Somit eine deutliche Reduktion der Sterblichkeit mit Dexamethason bei schwerkranken, künstlich beatmeten Patienten und bei Patienten mit Sauerstoffbedarf auf der Normalstation.
Rekonvaleszentes Plasma
Noch ein letztes Wort zum rekonvaleszenten Plasma. Da nimmt man von Leuten, die SARS-CoV-2-infiziert waren, wenn sie wieder genesen sind, Blut ab und nimmt von denen die Antikörper, die sie gebildet haben aus SARS-CoV heraus und infundiert dann diese gewonnenen Antikörper bei den kranken Patienten, die im Spital liegen.
Auch hier haben wir eine Studie gemacht am Uni-Spital Zürich.
Und zusammenfassend muss man sagen, dass die Effekte von diesem rekonvaleszenten Plasma nicht riesig sind.
- In gewissen Studien hat das etwas gezeigt, vor allem bei den mild erkranken Leuten, die sich noch im frühen Stadium der Infektion befunden haben.
- Und man hat auch gesehen, dass in einigen Studien die Viruslast, die man ja messen kann, indem man Abstriche nimmt aus dem Nasen-Rachenraum schneller negativ war bei Leuten, die eben rekonvaleszentes Plasma bekommen haben.
Zusammenfassung
Nun also zusammenfassend: Wir haben einige Medikamente wie Dexamethason und Remdesivir, welche wir zur Behandlung von SARS-CoV-2-Infektionen, sprich Lungenentzündungen einsetzen können. Wir haben hier Patienten auf der Normalstation mit einer Lungenentzündung. Wir haben hier Patienten mit einer Lungenentzündung, die auf der Intensivstation liegen, und die kriegen Remdesivir hier auf der Normalstation, und zwar nach festgelegten Kriterien, und zwar wenn der Sauerstoffgebrauch erhöht ist und die Sauerstoffsättigung im Blut unter 92 Prozent ist oder eben wenn sie schon Sauerstoff brauchen. Der einzige Grund, dass wir Remdesivir nicht geben ist, wenn die Leute eine schwere Nierenfunktionseinschränkung haben.
Und falls sie sich dann unter Remdesivir weiter verschlechtern, geben wir zusätzlich das Dexamethason bei Patienten auf der Intensivstation. Da hat das Remdesivir keinen Effekt gezeigt. Und hier haben wir in erster Linie das Dexamethason, das wir geben in der Dosierung von 6 Milligramm für 7 bis 10 Tage.
Ihre Fragen
Nun komme ich zuletzt noch zu den Fragen, die mir gestellt wurden im Voraus.
Frage 1: Zulassungsverfahren für Corona-Medikamente
Die eine Frage war: Es wird immer wieder von verschiedenen möglichen Corona-Medikamenten berichtet, die gerade getestet werden. Wie läuft so ein Zulassungsverfahren ab? Wie wird sichergestellt, dass auch die schnellen Verfahren im Moment wirklich sicher sind?
Nun, für jedes Medikament, das getestet wird, müssen verschiedene Phasen durchlaufen werden.
- Das fängt mit einer Phase 1 an bei gesunden Personen,
- mit eine Phase 2, wo man vor allem die Sicherheit der Medikamente testet,
- dann mit einer Phase 3, wo man dann, wenn die Sicherheit gewährleistet ist, bei hunderten oder tausenden Patienten vor allem die Wirksamkeit anschaut
- und dann die Phase 4, wo man, wenn ein Medikament bereits auf dem Markt zugelassen ist, weitere Daten gewinnt.
Und diese Phasen müssen auch für alle Corona-wirksamen oder potenziell wirksamen Medikamente eingehalten werden.
Bei Remdesivir war es so, dass man eben dieses Medikament für Ebola entwickelt hat. Da hat man die Phase 2 in dem Sinn schon für eine andere Erkrankung durchgeführt gehabt und konnte somit gerade in die Phase-3-Studie gehen.
Beim Dexamethason ist es eben ein Medikament, das ja bereits zugelassen ist für andere Indikationen. Und hier konnte man auch gleich eine Phase 3 machen.
Aber wenn ein Medikament wirklich frisch auf den Markt kommt und noch überhaupt nie getestet wurde, dann müssen diese Phasen eingehalten werden.
Natürlich kann man versuchen, diese Phasen relativ rasch zu machen, indem man verschiedene Länder zusammenschließt und an verschiedenen Spitälern, auf verschiedenen Kontinenten oder Ländern diese Wirksamkeit prüft und so relativ rasch Daten generieren kann. Das wird ja z.B. auch mit den Impfungen so gemacht. Und so kann man sicher mit vielen Anstrengungen versuchen, diese Phasen, die sonst viel länger dauern, jetzt abzukürzen. Aber das Verfahren bleibt an und für sich gleich.
Frage 2: Faktoren für leichten oder schweren Verlauf
Wovon hängt es ab, ob man einen leichten oder einen schweren Verlauf hat?
Eine gute Frage. Es gibt Risikofaktoren:
- Alter ist eines davon.
- Männliches Geschlecht ist auch eines davon.
- Dann gibt es Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
- oder hoher Blutdruck
- oder Diabetes.
Letztendlich vor allem Erkrankungen, die einen Schaden an den kleinen Blutgefäßen machen, dem sogenannten Endothel. Man redet dann von einer Endothelitis, einer Entzündung der kleinen Blutgefäße. Und Diabetes ist ein klassisches Beispiel. Das macht eben eine Veränderung dieser kleinen Blutgefäße.
- Und wir wissen mittlerweile, dass SARS-CoV-2 diese kleinen Blutgefäße befällt und auch in diesen Blutgefäßen sich vermehrt und dann eben einerseits einen Schaden setzt, indem diese kleinen Blutgefäße verstopfen und beispielsweise dann auch einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt auslösen können.
- Und andererseits wissen wir, dass das Immunsystem auf das Virus reagiert und bei gewissen Leuten zu fest reagiert und dann mit einer Immunreaktion, die eben zu stark ausfällt, den Schaden setzt.
Und eben hier gibt es vor allem diese Risikofaktoren, die ich erwähnt habe.
Und es gibt sicherlich auch andere Faktoren wie das Immunsystem des einzelnen Individuums, wo man aber momentan noch zu wenig weiß, ob z.B. gewisse genetische Veränderungen einen schweren Verlauf zur Folge haben.
Es gibt auch Hinweise, dass zum Beispiel eine HIV-Infektion zu einem schweren Verlauf führt, oder Krebserkrankungen. Das ist zum Teil noch Gegenstand der Forschung.
Frage 3: Wechselwirkungen von COVID-Medikamenten
Haben die Medikamente zur Behandlung bei einer COVID-Infektion viele Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten? Welche Medikamente sind da betroffen?, möchte jemand wissen, weil diese Person hatte offensichtlich eine Nierentransplantation und braucht das Medikament Betalacept.
Hier kann man sagen, dass Remdesivir, welches wir ja standardmäßig einsetzen, praktisch keine Wechselwirkung mit anderen Medikamenten macht.
Das Einzige, wo wir es zurückhaltend einsetzen, sind bei Patienten mit schweren Nierenfunktionsstörungen. Aber selbst hier haben wir beispielsweise am Universitätsspital Zürich einen Algorithmus entwickelt, wo wir das Medikament nur jeden zweiten Tag geben und die Spiegel von Remdesivir bestimmen und so versuchen, auch Leute mit einer eingeschränkten Nierenfunktion, die wirklich das Medikament brauchen, zu behandeln.
Und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten wie z.B. Antibiotika gibt es da nicht.
Beim Dextamethason ist es sehr ähnlich: Ein Medikament, das wenig Wechselwirkungen macht, da gibt es eigentlich praktisch keine Medikamente, die wir sonst nicht einsetzen können.
Und von dem her sind das sicher zwei Medikamente, Dexamethason und Remdesivir, die wir sehr großzügig einsetzen können, auch bei Leuten mit verschiedenen anderen Medikamenten.
Anders war es beim Kaletra. Das habe ich ja anfangs erwähnt gehabt, dieses Medikament, das wir eigentlich für die Behandlung von HIV-Infektionen entwickelt haben, wo man zuerst eben gedacht hat, dass es etwas wirken würde. Das hat sehr viele Wechselwirkungen gemacht.
Und ja, eben, ich habe Ihnen gezeigt, es hat keinen Effekt gehabt auf SARS-CoV-2, deshalb setzen wir es nicht mehr ein.
Und andere Medikamente wie Hydroxychloriquine setzen wir auch nicht mehr ein.
Und die Plasma-Antikörper von rekonvaleszenten Patienten, die haben eigentlich auch keine Wechselwirkungen.
Also Remdesivir, Dexamethason können wir einsetzen problemlos, und das rekonvaleszente Plasma, das können wir auch einsetzen, sofern es verfügbar ist oder entsprechende Studien laufen.
Frage 4: COVID-19-Medikamente bei Einnahme von Immunsuppressiva
Dann die Frage 4: Kann es sein, dass ein Medikament gegen COVID-19 bei mir nicht angewendet werden kann, weil ich Immunsuppressiva nehme?
Für Remdesivir trifft das nicht zu, für Dexamethason trifft das auch nicht zu, weil das ist ja ein Medikament, welches eben auch immunsuppressiv wirkt. Das ist eines unserer potentesten Immunsuppressiva, das Dexamethason. Und es gibt jetzt auch schon Hinweise, dass andere Medikamente, die man klassischerweise zur Immunsuppression einsetzt, z.B. Ciclosporin, möglicherweise einen Effekt haben. Aber das ist noch nicht hart belegt, da braucht es ganz sicher weitere Studien.
Also hier kann ich beruhigen: Auch wenn jemand Immunsuppressiva nimmt, kann man diese Medikamente einsetzen.
Frage 5:
Und dann noch die letzte Frage: Stimmt es, dass das Medikament Fluoxetin, welches eigentlich zur Behandlung von Depressionen eingesetzt wird, gegen Corona wirkt und haben dadurch Patienten, die es einnehmen, auch ein geringes Risiko und COVID-19 zu erkranken?
Hier muss ich sagen sind mir keine Daten bekannt, dass Fluoxetin einen günstigen Einfluss hat auf das Outcome von SARS-CoV-2-Infektionen.
Das Problem ist, dass ganz viele Medikamente zum Teil in den Internet-Foren diskutiert werden. Und hier wäre ich sehr vorsichtig. Ich habe versucht, mit meinem Vortrag Ihnen wirklich die Medikamente aufzuzeigen, die eine Wirksamkeit haben: Remdesivir, Dexamethason, möglicherweise Antikörper von rekonvaleszenten Personen. Es wird neue Medikamente geben am Horizont. Wir werden auch am Unispital versuchen, bei weiteren Studien mitzumachen, beispielsweise hier eben noch die Frage, dass der amerikanische Präsident ja einen Mix von verschiedenen Antikörpern gekriegt hat. Und auch hier werden wir versuchen, weiter Forschung zu machen am Unispital oder auf anderen Ländern und Kontinenten innerhalb von anderen Studien, und von dem her werden wir sicher versuchen, neue Medikamente zu entwickeln. Aber seien Sie bitte vorsichtig mit dem, was Sie im Internet lesen und besprechen Sie es mit einem Spezialisten auf diesem Gebiet, wenn Sie dazu eine Frage haben.
Abschluss
Damit wäre ich jetzt am Ende meiner Präsentation. Ich hoffe, dass ich Ihnen die entsprechenden Fragen beantworten konnte und wünsche Ihnen auf diesem Weg alles Gute. Bleiben Sie gesund, und herzliche Grüße aus Zürich. Auf Wiederhören!
Fr. Dr. Herscovici
Das war ein spannender Vortrag.
Und in unserem nächsten Vortrag geht es wieder um die Behandlung, allerdings auf der Intensivstation.
Frau Prof. Dr. Eva Schaden ist Fachärztin für Anästhesie und Intensivmedizin und leitet eine Intensivstation am Universitätsklinikum AKH. Sie wird uns erzählen,
- was bei einem schweren Verlauf einer COVID-Infektion im Körper passiert,
- wie die Patienten auf der Intensivstation versorgt werden
- und auch, wovon die Prognose abhängt.
Bleiben Sie dran, es wird wieder sehr interessant.
Wie wird eine COVID-19-Infektion behandelt?
21.11.2020 | 09.35 – 10.05 Uhr
Oberarzt PD Dr. Dominique Laurent Braun vom Universitätsspital Zürich informiert in seinem Vortrag über die aktuellen Möglichkeiten in der COVID-19-Behandlung. Er geht auf allgemeintherapeutische sowie auf medikamentöse Maßnahmen ein, die zurzeit in der COVID-19-Therapie zur Verfügung stehen. Und er gibt sowohl einen Rückblick als auch einen Ausblick, welche Fortschritte in der Therapie von COVID-19 gemacht wurden und in Zukunft zu erwarten sind.
Vortragender
Privatdozent für Infektiologie
OA PD Dr. Dominique Laurent Braun
OA PD Dr. Dominique Laurent Braun arbeitet als Oberarzt mit erweiterter Verantwortung an der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene am
Universitätsspital Zürich und ist Privatdozent für Infektiologie an der Universität Zürich. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf der Therapie von COVID-19 sowie HIV und andere sexuell übertragbare Infektionskrankheiten