Transkript

Einleitung

Primäre Immundefekte können sich in verschiedenen Organen auf unterschiedliche Art äußern. Eine frühe Diagnostik und eine korrekte Therapie sind wichtig, um irreversible Organschäden zu verhindern. Unsere nächste Expertin setzt sich seit Jahren für die Verbesserung der medizinischen Betreuung von Patienten mit Immundefekten ein. Univ. Prof. Dr. Elisabeth Förster-Waldl ist Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde und klinische Immunologin. Außerdem leitet sie die Spezialambulanz für angeborene Erkrankungen des Immunsystems am AKH Wien. Sie wird uns erklären, wie heutzutage die Diagnostik und die Therapiemöglichkeiten von primären Immundefekten aussehen. Dazu hat sie Leitlinien entwickelt, auf die Sie auch eingehen wird.

Begrüßung (1:00)

Herzlich Willkommen zu diesem digitalen Vortrag anlässlich des Tages der seltenen Erkrankungen 2022. Mein Name ist Elisabeth Förster-Waldl und ich berichte Ihnen heute über die angeborenen Erkrankungen des Immunsystems, den Immundefekten, früher auch primäre Immundefekte genannt. Wir werden einen Bogen von der Früherkennung, durch das Neugeborenen Screening, bis zur Transitionsbetreuung der Erwachsenen spannen.

 

Ich habe Ihnen die Schlagworte “think-diagnose-treat” genannt, weil es Schlagworte sind, die im internationalen Kontext von der Jeffrey Modell Foundation geprägt worden sind, mit der wir eng kooperieren und welche unsere Arbeit fördert. Es ist wichtig diese Begriffe zu unseren Schlagworten zu ernennen, weil es essenziell ist, rechtzeitig an seltene Erkrankungen zu denken, um eine zielgerichtete, korrekte Diagnostik einzuleiten und eine personalisierte Therapie zu gewährleisten.

Inzidenz, Prävalenz und awareness (2:20)

Zuerst möchte ich mit Ihnen diskutieren, ob wir bei den primären Immundefekten, bei den angeborenen Erkrankungen des Immunsystems, von seltenen Erkrankungen sprechen dürfen. Prinzipiell ist es richtig, dass die Einzeldiagnosen selten sind, in der Definition bedeutet selten weniger häufig als 1:2000 in der Bevölkerung. Wenn wir aber alle immunologisch determinierten Erkrankungen, die angeboren sind zusammenfassen, sprechen wir von mehr als 450 verschieden definierten Diagnosen.

 

Wenn wir alle dieses seltenen Immundefekte zusammenfassen, bewegen wir uns nicht mehr bei den seltenen Erkrankungen. Das können wir auch durch Publikationen aus Amerika belegen, bei denen die Prävalenz für einen klinisch relevanten Immundefekt zwischen 1:1200 und 1:2000 geschätzt wurde. Es ist daher umso wichtiger, dass die awareness, das Wissen und die Aufmerksamkeit dieser Erkrankungsgruppe gegenüber gesteigert wird .

The International Union of Immunological Societies IUIS (3:35)

Alle zwei Jahre trifft sich ein Expertenkomitee im Namen der International Union of Immunological Societies und definiert, welche neuen Erkrankungen in die Gruppe der “Human Inbound Errors of Immunity” aufgenommen werden müssen. Es gibt inzwischen mehr als 450 unterschiedliche Einzeldiagnosen, welche in diesen Erkrankungsgruppen zusammengefasst sind. Wir sprechen von neun Gruppen, von den kombinierten Immundefekten bis zu den definierten Syndromen mit Immundefekten. Die häufigste und größte Gruppe ist jene mit den Antikörper Mangelerscheinungen. Diese geht von Immundysregulationen, Phagozyten Erkrankungen, Defekte der Innate Immunity Mechanisms, Autoinflammationserkrankungen, Komplement Defizite bis zu den Phänokopien von Immundefekten.

 

Diese neuen Gruppen zusammengefasst ergeben Erkrankungen, die häufiger sind als die Definition der Seltenheit. In der einzelnen molekularen Diagnose sind sie jedoch sicherlich zu den seltenen Erkrankungen zu zählen.

Think – Diagnose – Treat (5:10)

Es ist wichtig zu wissen, in welchem Alter die Manifestation erstmals auftreten kann, wo sie auftritt und wie. Folglich ist es wichtig, die korrekte Diagnose einzuleiten. Ich werde Sie davon überzeugen, dass es ausreichend Leitlinien für die Immundefekt Diagnostik gibt und es absolut Sinn macht, diesen zu folgen.

 

Wir müssen unbedingt rechtzeitig daran denken und korrekt diagnostizieren, da die Behandlungsoptionen breit sind und es für die Betroffenen einen großen Unterschied für die Lebensqualität und das gesunde Älterwerden bedeutet. Wir haben eine große Anzahl von Therapieoptionen, um Infektionen zu verhindern, aber auch, um die Erkrankung zu heilen, Beispielsweise mit einer Stammzelltransplantation oder Gentherapie.

Wann werden primäre Immundefekte auffällig? (6:20)

Primäre Immundefekte sind angeboren, jedoch kommt es nicht immer vor, dass diese Erkrankungen bereits bei Geburt oder im Säuglingsalter eine Manifestation zeigen und symptomatisch werden. Manche dieser Erkrankungen werden erst im Erwachsenenalter durch typische Symptome auffällig.

 

Das heißt, egal in welcher ärztlichen Tätigkeit Personen aktiv sind, von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter, in vielen unterschiedliche Organdisziplin. Es ist wichtig, über das Wesen von primären Immundefekten Bescheid zu wissen. Die verschiedenen Organdisziplin sind wichtig, weil Immundefekte nicht immer nur eine Verminderung der immunologischen Aktivität mit einer Infektionsanfälligkeit bedeuten, sondern weiö Immundefekte zu einer Immundysregulation und einer Inbalance des Immunsystems führen können.

 

So können verschiedenste autoimmunologische Phänomene im Rahmen eines Immundefekts auftreten, dazu zählen ausgeprägte allergische Symptom, sehr frühe oder ungewöhnliche Manifestationsformen von Krebserkrankungen oder zyklische Fieberepisoden.

Organsysteme (8:05)

Hier werden verschiedene Organsysteme gezeigt, da unser Immunsystem systemisch und damit überall im Körper wirksam ist. Unser größtes immunologisches Organ ist unseren Darm, der Gastrointestinaltrakt, mit einer Flächenausdehnung von der Größe eines Tennisplatzes.

 

Unser zweitgrößtes immunologisches Organ ist die Lunge mit einem Atemvolumen von fünf bis sechs Litern, abhängig vom Alter. Wenn wir die innere Oberfläche der Lunge ausbreiten würden, hat diese mehr als 70 Quadratmeter und entspricht der Größe eines Squashplatzes.

 

Essenziell ist das immunologische Organ Haut, hier exemplarisch dargestellt durch die Rotfärbung von aktivierten Lymphozyten in der Haut. Selbst wenn die Fläche kleiner ist, handelt es sich durch das hochaktive immunologische Organ Haut “Skin associated Immune System” um ein wesentliches Manifestationsorgan im Rahmen eines Immundefektes. Unser Blut- und Lymphsystem verbindet durch das Fließen der Antikörper und Zellen alle Organe miteinander.

Das Leitsymptom Infektionsanfälligkeit (9:40)

Eines der wichtigsten Leitsymptome und Warnhinweise für einen primären Immundefekt, für eine angeborene immunologische Erkrankung, ist die Infektionsanfälligkeit. Im Rahmen von Immundefekten wurden Leitlinien für die korrekte Diagnostik erstellt. Wir habe die wichtigsten Punkte in Kapiteln zusammengefasst und abgestimmt, wie viele Personen, welche Betonung für essenziell halten.

 

Ein Konsens von 100% ist in unserer Expertisegruppe dazu vorhanden gewesen, dass die pathologische Infektionsanfälligkeit in den meisten Fällen das führende Symptom eines primären Immundefektes ist. Diese ist nicht immer leicht von einer natürlichen Infektionsanfälligkeit, beispielsweise im Kleinkindalter abzugrenzen. Bei korrektem Fragen, unter Einbezug der Umgebungssituation ist dies jedoch absolut möglich.

Warnhinweise und Leitsymptome (11:00)

Zu den Warnhinweisen und Leitsymptomen, die für das Vorliegen einer Immundefekt Erkrankung verdächtig sind, hat sich auch die Jeffrey Modell Foundation Gedanken gemacht. Sie haben Plakate für Erwachsene und Kinder generiert. Hier lässt sich wieder erkennen, wie wichtig das Symptom der Infektionsanfälligkeit ist.

 

Zu den Warnhinweisen zählen eitrige Ohrenentzündungen, Sinusitiden und wiederholte Lungenentzündungen. Darüber hinaus wiederholte Durchfallerkrankungen, insbesondere wenn bei Erwachsenen ein Gewichtsverlust damit einhergeht, der nicht anders erklärbar ist und bei Kindern, wenn diese nicht ausreichend wachsen. Des Weiteren auch wiederholte Abszesse an der Haut oder an inneren Organen, Pilzinfektionen und Erkrankungen mit Krankheitserregern, die bei einem gesunden Immunsystem keine Infektionen auslösen können.

 

Bei Erwachsenen und Kindern ist die Familiengeschichte eines primären Immundefekts essenziell. Jedoch sollte nicht nur danach gefragt, sondern vorher auch erklärt werden, was ein Immundefekt überhaupt ist und welche Leitsymptome es gibt.

Warum wollen wir eine frühe Diagnosen haben? (13:05)

Wir brauchen eine frühe Diagnose, damit durch eine Prophylaxe oder rechtzeitige, breite Therapie, eine bessere Prognose und Lebensqualität für die Betroffenen erreicht werden kann.

Zielgerichtete Diagnostik (13:20)

Ich habe bereits erwähnt, dass es Leitlinien für die Immundefekt Diagnostik gibt. Es ist essenziell sich daran zu halten und daher zeige ich Sie Ihnen, da viele der Leitlinien noch online lizenziert sind. Man kann diese sowohl auf die Homepage des AWMF, der Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlich Medizinischer Fachgesellschaften oder im pädiatrischen Kinderheilkunde Bereich auf der Homepage der Österreichischen Gesellschaft für Kinder und Jugendheilkunde finden.

 

Es ist essenziell diesen Leitlinien zu folgen, denn plakativ ausgedrückt würden Sie auch nicht mit Vollgas in einem Formel 1 Wagen fahren, wenn sie beim Bäcker ums Eck eine Semmel holen wollen. Sie werden stattdessen, je nachdem, wo sie in welcher Geschwindigkeit hinkommen wollen, eine stufenweise Annäherung an das Ziel präferieren.

Kernaussagen zu Stufendiagnostik Immundefekte (14:30)

Kommen wir zu den Kernaussagen, welche die Expertisegruppe zur Stufendiagnostik der Immundefekte geprägt hat. Als Erstes haben wir festgelegt, dass bei Verdacht auf Immundefekte eine Stufendiagnostik erfolgen sollte. Es muss nicht gleich mit dem Formel 1 Wagen auf ein fragliches Ziel zugesteuert und das Füllhorn mit allen technischen Möglichkeiten ausschüttet werden.

 

Stattdessen sollte eine Basisdiagnostik mit den einfachen Methoden durchgeführt werden, wie das Messen der Anzahl der Immunglobuline IgG, IgM, IgE und IgA und ein Blutbild mit Differentialblutbild. Die altersentsprechenden Normwerte sollten immer beachtet werden, um eine korrekte Diagnose zu stellen.

 

Eine weitere Kernaussage ist, dass die Planung, Durchführung und Bewertung aller weiterführenden Diagnostik in enger Zusammenarbeit mit Ärzten erfolgen soll, die Erfahrung in der Diagnostik und Behandlung von Immundefekten haben.

Diagnostisches Vorgehen (15:55)

Neben den bisher genannten Untersuchungen sollten die Impfantikörper bestimmt werden, denn diese sagen uns nicht ausschließlich, ob eine Person geschützt ist, sondern auch, ob die Antwort auf die Impfungen altersadäquat vom Immunsystem gewährleistet werden konnte.

 

Wenn wir mehr über die Zellen wissen wollen, als das Differentialblutbild aussagt, können wir die Zusammensetzung der Lymphozyten, der Subsets mit einer durchflusszytometrischen Methode quantifizieren. Wir können auch die Qualität der Lymphozyten durch Wachstum in einer Zellkultur definieren. Dies ist ein Parameter dafür, ob diese Zellen im Körper ihrer Funktion zielgerichtet nachkommen können. Auch Komplement Analysen stehen uns zahlreich zur Verfügung, diese werden jedoch nur bei einem konkreten Verdacht durchgeführt.

Prophylaktische, zielgerichtete Diagnostik (17:50)

Heutzutage ist es möglich, die zielgerichtete Diagnostik auch prophylaktisch einzusetzen. Seit Juni 2021 wird diese in Österreich durchgeführt. Es gibt inzwischen ein Neugeborenen Screening für das Auffinden von schweren, kombinierten Immundefekten. Bereits 1968 haben Wilson und Jungner zehn Kriterien verfasst, die beschreiben, wann es Sinn macht, im Neugeborenenalter vorbeugende, diagnostische Maßnahmen zu ergreifen.

 

Sie haben definiert, dass eine Erkrankung im Neugeborenenalter erkannt werden sollte, wenn sie in späteren Jahren ein bedeutsames Gesundheitsproblem darstellen. Es soll außerdem eine Behandlung geben, die im Frühstadium wirksamer ist als im Spätstadium. Beides trifft auf schwere Immundefekte zu. Es soll Einrichtungen geben, die für die Diagnose und Behandlung im Umfeld des Neugeborenen verfügbar sind, diese sind in Österreich vorhanden.

 

Der Zustand sollte eine identifizierbare latente Phase oder Frühphase haben, bei angeborenen Immundefekten kann über Jahre eine unerkannte Phase existieren, bevor schwere Symptome auftreten. Es muss einen geeigneten Test für die Entdeckung der Frühphase geben, welcher für die Bevölkerung annehmbar ist. Die Biologie der Erkrankungen muss weitgehend verstanden sein, das trifft auf die schweren Immundefekte zu. Es muss Richtlinien geben, wer in welcher Situation behandelt werden soll, auch das gibt es. Die Kosten sollen ökonomisch vertretbar und das Auffinden der Fälle ein kontinuierlicher Prozess und kein einmaliges Projekt sein.

 

Wir arbeiten in diesem Zusammenhang eng mit dem österreichischen Neugeborenen Screening Programm, das von Zeyda und Konstantopoulou geleitet wird. Im ersten Halbjahr der Durchführung gab es bereits klare Erfolge und wir konnten wichtige Diagnosen stellen.

Wie screenen wir? (20:50)

Alle die Kinder haben und jetzt zuhören, können sich möglicherweise erinnern, dass am dritten Lebenstag Filterkärtchen mit Blut aus einem Fersenstich befüllt werden. Diese Filterkärtchen werden in das österreichische Neugeborenen Screening Labor geschickt, das bei uns an der Klinik beheimatet ist.

 

Wenn diese Kreise ausgestanzt sind, kann man, um schwere Immundefekte zu entdecken, die hier aufgelisteten Parameter quantifizieren. Wichtig ist, dass es die Möglichkeit der Quantifizierung von zwei Parametern gibt, die uns eine Aussage darüber treffen lassen, ob ein Neugeborenes einen schweren oder schweren, kombinierten Immundefekt hat.

 

Wir mussten das Rad in Österreich diesbezüglich nicht neu erfinden, wir konnten auf den Erfahrungen des angloamerikanischen Raumes und des europäischen Auslandes aufbauen. Unser Algorithmus ist daher ident mit dem Schweizer Algorithmus, welche zwei Jahre vor uns begonnen hat auf schwere Immundefekte zu screenen. Es ist tatsächlich in allen Ländern, in denen es durchgeführt wird, ein Erfolgsprogramm.

Therapie immunologischer Krankheiten (22:50)

Die symptomatische Therapie immunologischer Erkrankungen ist heutzutage um vieles besser geworden. Wir sind auch besser darin geworden Infektionen zu verhindern, indem wir zielgerichtet impfen, wir können einzelnen Patienten individualisierte Impfprogramme empfehlen. Im Fall des Falles müssen wir auch eine prophylaktische Antibiose empfehlen. Darüber hinaus haben wir uns auch bezüglich der Immundysregulation verbessert. Ein Immundefekt kann mit einer Autoimmunität einhergehen und eine Immundysregulation sollte immer behandelt werden, dies ist auch prophylaktisch möglich.

 

Wir sind darüber hinaus besser darin geworden, kausale Therapie und Immunsubstitutionen durchzuführen. Des Weiteren auch darin humorale Faktoren, also Immunglobuline zu verabreichen und zelluläre Komponenten auszutauschen, wenn der Immundefekt ein schwerer, kombinierter Immundefekt ist und eine Stammzelltransplantation sinnvoll erscheint. Erwähnenswert ist, dass im Bereich der Immundefekte die Gentherapie bereits für einzelne Immundefekte als therapeutische Option existiert.

Studie: Substitutionen von Immunglobulinen (24:45)

Da die Antikörpermangelerkrankungen die größte Gruppe der Immundefekte darstellt, möchte ich Ihnen erklären, was für unterschiedliche Formen von Immunglobulin Substitutionstherapien es gibt.

 

Es können Immunglobulin Infusionen einmal im Monat intravenös gegeben werden, so wird am Anfang einen sehr hoher Wert erreicht. Dieser sinkt über vier Wochen in jenem Bereich ab, der grade noch akzeptablen ist. Es gibt andererseits die subkutane Immunglobulin Substitutionstherapie, die einmal die Woche verabreicht wird, bei der man etwas stabilere Werte im mittleren Niveau erreichen kann. Es hat sich herausgestellt, dass die subkutane Verabreichungsform mit stabileren, kontinuierlichen Daten effizienter ist, um Infektionen zu verhindern, als die monatliche IV Therapie.

 

Es gibt noch eine weitere Verabreichungsform, die für manche Patienten nicht nur hocheffizient, sondern auch sehr bequem ist. Die subkutanen Gabe erfolgt einmal im Monat. Dabei wird sich eine Methode zu Nutzen gemacht, bei der das Gewebe vorübergehend so aufgeweicht wird, dass Mengen von 400 bis 500 Milliliter unter die Haut verabreicht werden können. Man erreicht zu Beginn, wie bei der IV Therapie, sehr hohe Werte. Darauf folgt ein langsames Absinken über die Zeit, bis die nächste Infusion gegeben werden muss.

 

Dieses Bild soll Ihnen demonstrieren, dass die subkutane Infusion eines Immunglobulin Präparates auch für Kinder ausgezeichnet verträglich und durchführbar ist. Säuglinge können ohne eine Einschränkung der Lebensqualität damit behandelt werden.

Studie: Wirksamkeit der Immunglobulin Infusionen (27:20)

Diese Grafik zeigt, dass die Gabe von Immunglobulin Infusionen bei Immundefekt Patienten hocheffizient ist, um die Häufigkeit und den Schweregrad von Infektionen bei Patienten mit primären Immundefekten zu verhindern.

 

Akute Infektionen werden um 72%, schwere Infektionen um 86% und bakterielle Pneumonien um 78% reduziert. Sie können diesen Reduktionen der Infektionsfrequenz und des Schweregrades sehen, dass die Immunglobulin Infusionstherapie sinnvoll, notwendig und hocheffizient ist.

Kinder und Jugendliche werden erwachsen (28:20)

Kommen wir nun zur Transition. Unsere therapeutischen Optionen sind heutzutage so gut, dass die Kinder, die wir diagnostizieren und die Jugendlichen, die wir betreuen, erwachsen werden und ab einem gewissen Zeitpunkt in die erwachsenen, medizinischen Ambulanzen wechseln müssen. Sie führen hoffentlich mit vielen gesunden Lebensjahren ein gutes Erwachsenenleben.

 

Damit sie ein gutes Erwachsenenleben führen können, ist es essenziell, dass wir die Früherkennung weiterhin fördern. Es ist wichtig, dass wir eine gute Abstimmung zwischen eigenen medizinischen, fachärztlichen Bereichen und den uns zur Verfügung stehenden spezialisierten Zentren generieren. Denn all das erhöht die Zahl der gesunden Lebensjahre und verbessert so die Lebensqualität von Patienten mit Immundefekten.

Take Home Message (29:30)

Als Take Home Message möchte ich einige wichtige Punkte weiderholt zusammenfassen. Wir werden weiterhin die awareness steigern müssen. Wir werden weiterhin die interdisziplinären Kooperationen kontinuierlich verbessern müssen. Wir müssen genau schauen, auch im Sinne der Gesundheitsökonomie, dass wir uns an die Leitlinien der strukturierten Diagnostik halten. Es macht keinen Sinn, das Füllhorn aller technischen Möglichkeiten über jeden Patienten einzeln auszuschütten. In Österreich haben wir die glückliche Situation, dass wir modernste Labor und genetische Methoden zur Verfügung haben, wenn es zielgerichtet Sinn macht.

 

Das Anhalten an den Leitlinien hilft den Betroffenen für eine optimierte und individualisierte Therapieentscheidung. Es ist klar, dass Komorbiditäten oder Organmanifestationen die interdisziplinäre Betreuung beeinflussen und bestimmen, abhängig davon muss bei Organmanifestationen die Transition ins Erwachsenenalter gut gemanagt werden. Das bestimmt die Qualität der Interdisziplinarität und die Langzeitprognose.

Gesundheitspolitische Aspekte (31:00)

All das hat natürlich gesundheitspolitische Aspekte, die wir insbesondere im Rahmen des Tages der seltenen Erkrankungen auch 2022 wieder betonen sollen und müssen. Laut epidemiologischen Daten, aus dem angloamerikanischen Raum, sprechen wir in der Gesamtzahl von Immundefekten, nicht mehr von einer Seltenheit, selbst wenn die Einzeldiagnosen seltene Erkrankungen sind.

 

Wir wissen, dass die Dunkelziffer in Österreich noch immer hoch sein muss, da wir Vergleiche aus umgebenden Ländern haben. “Best Point of Service”, wie in der Gesundheitspolitik gefordert bedeutet, dass wir die Früherkennung weiter fördern und die Abstimmung zwischen den medizinischen Bereichen optimieren müssen. Wir wollen die gesunden Lebensjahre erhöhen. Zusätzlich hat der “Best Point of Service” Sparpotential, da unnötige, zu tiefgreifende oder Wiederholungen von Labordiagnostik bei einzelnen Patienten verhindert werden können.

Teilnehmerfragen

1.    Ich bin fast alle zwei Monate krank (Erkältung, Magen-Darm, usw.). Sollte ich mich auf einen Immundefekt untersuchen lassen? Soll ich meinen Hausarzt darauf ansprechen oder gleich zu einem Facharzt? Liebe Grüße aus Salzburg. (32:35)

Egal wer Ihr betreuender Arzt oder betreuende Ärztin ist, ich würde Ihnen empfehlen, dass Sie sich mit den Leitlinien für das Erkennen von Immundefekten auseinandersetzen. Denn alle zwei Monate krank sein, muss nicht heißen, dass ein Immundefekt dahinter steckt. Das hängt vom Schweregrad und der Behandlungsmöglichkeit dieser Erkrankungen ab. Ein Schnupfen alle zwei Monate deutet beispielsweise nicht auf einen Immundefekt hin, eine bakterielle Infektion mit der Notwendigkeit zu einer antibiotischen Therapie jedoch schon.

 

Die Basis Labordiagnostik kann aus dem hausärztlichen Bereich initiiert werden. Es gibt viele Labors, welche die Bestimmung von Immunglobulinen anbieten. Wenn die Hausärztin der Meinung ist, dass Sie dies gleich in den fachärztlichen Bereich delegieren möchte, gibt es auch in Salzburg eine Anzahl von ausgewiesenen Experten und Expertinnen.

2.    Meine neue Partnerin hat einen Immundefekt. Sie selbst will sich nicht damit beschäftigen oder informieren. Dabei ist es doch wichtig, dass man als Patientin die eigene Krankheit kennt, oder? Haben sie Tipps, wie ich sie motivieren kann? Ich selbst habe vor kurzem begonnen, mich für sie zu informieren, aber auch davon möchte sie nichts wissen. (34:15)

Ich denke, es ist sehr wichtig unter den vielen unterschiedlichen Immundefekten zu unterscheiden. Da ich jedoch nicht weiß, um welche Art von Immundefekt es sich handelt, fällt es mir schwer Tipps zur Motivation zu geben.

 

Ich möchte in diesem Zusammenhang gerne darauf hinweisen, dass es zahlreiche Leitlinien gibt, an denen man sich orientieren kann. Ich werde zum Schluss auch noch auf Webseiten hinweisen, auf denen Ihnen viele zielführende Informationen zur Verfügung stehen.

3.    Meine Tochter (8) hat das Bruton-Syndrom. Vor jeder neuen Therapiesitzung weigert sie sich ins Auto zu steigen. Wie überzeuge ich sie davon, dass die Therapie wichtig ist? (35: 20)

Das finde ich sehr interessant, daher möchte ich nachfragen, wer diese Diagnose gesichert hat? Denn das Bruton-Syndrom ist eine X-Chromosomal gebundene, angeborene, immunologische Erkrankung, die zur Agammaglobulinämie führt. Die Tatsache, dass es eine X-Chromosomal gebundene Erkrankung ist, sollte eigentlich beinhalten, dass ein Mädchen, welches zwei X-Chromosomen hat, nicht an dieser Erkrankung leiden kann.

 

Daher wäre für mich wichtig zu wissen, ob diese Erkrankung tatsächlich genetisch gefestigt wurde, ob die Diagnose stimmt und wo das Kind für der Therapie angebunden ist. Denn wenn die Diagnose gesichert ist und laufend gute Aufklärungsgespräche stattfinden, würde ich meinen, dass eine Achtjährige, durchaus Verständnis dafür zu aufbauen kann, dass die Therapie wichtig ist.

 

Falls die Diagnose gesichert ist, möchte ich noch erwähnen, dass eine Umstellung auf die subkutane Heiltherapie Ihrer Tochter das Leben mit der Therapie vereinfachen könnte. Wenn Sie mir hierzu Rückfragen stellen wollen, können Sie das gerne über unsere Spezialambulanz für Immundefekte an der Klinik für Kinderheilkunde am AKH tun.

4.    Ich leide unter einem primären Immundefekt. Mein Enkelkind hatte dieses Jahr schon zwei Lungenentzündungen. Ist sie auch höher gefährdet, weil ich die Krankheit habe? Kann sie etwas tun, um ihre Gefährdung zu verringern? (37:20)

Diese Frage spielt in Richtung Familienanamnese hinein. Da kann ich nur bestätigen, dass es Sinn macht, eine Immundefekt Diagnostik zu beginnen. Über das Gefährdungsausmaß kann ich, ohne die konkrete Diagnose zu kennen, keine Aussage treffen. Prinzipiell ist es so, dass bei manchen Immundefekten tatsächlich eine familiäre Häufung gegeben sein kann.

 

Wenn eine Großmutter einen primären Immundefekt hat, muss es aber nicht sein, dass die Enkelkinder diese ebenfalls entwickeln. Bei Einzeldiagnosen ist es jedoch nicht auszuschließen. Beachten Sie, dass Lungenentzündungen zu den Warnhinweisen gezählt werden. Eine Überprüfung ist im Rahmen der Basis Labordiagnostik einfach möglich.

5.    Ich habe drei Autoimmunerkrankungen, darunter die Autoimmungastritis. Ich bekomme B12 Infektionen und gehe jährlich zur Gastroskopie. Was passiert, wenn ein Loch in der Magenschleimhaut ist? Wie geht es dann weiter? Ist bei der Ernährung auf etwas zu achten? Wie ist der Verlauf? (38:45)

Ich habe bei den Warnhinweisen bereits erwähnt, dass Immundefekte auch Kombinationen aus unterschiedlichen Autoimmunerkrankungen sein können. Konkret auf die Magenschleimhaut möchte ich als nicht Magen-Darm Spezialistin jedoch nicht eingehen. Ich empfehle Ihnen, sich an eine Magen-Darm Spezialistin oder einen Spezialistin zu wenden. Bei dem Auftreten von drei unterschiedlichen Autoimmunerkrankungen macht es Sinn, eine Immundefekt Diagnostik initiieren zu lassen.

Verabschiedung (39:35)

Ich hoffe, ich habe Ihre Fragen ausreichend beantwortet. Ich bin über die Klinik erreichbar, falls Sie einzelne Fragen noch näher diskutieren wollen.

 

Nun komme ich zu den nützlichen Internetadressen. Über all diese Homepages können Sie sich auch als Laie sehr gut informieren, wie Symptome erkannt werden können und wie eine zielgerichtete Diagnostik stattfinden sollte. Ich bedanke mich für Ihr Interesse und Ihre Aufmerksamkeit und verabschiede mich damit von Ihnen.

Angeborene Erkrankungen des Immunsystems - Früherkennung und Behandlung

27.02.2021 | 10.35 – 11.05 Uhr

Primäre Immundefekte sind genetisch bedingt. Eine genetische Veränderung kann entweder durch ein Elternteil an das Kind übertragen werden, oder durch spontane Mutationen der zuständigen Gene entstehen. Die daraus resultierenden Immundefekte können sich direkt nach der Geburt äußern, oder erst im Laufe des Lebens auftreten.
Frau Univ. Prof. Dr.med. Förster-Waldl erklärt in ihrem Vortrag wie sich diese Erkrankungen äußern und was man selbst für eine frühzeitige Diagnose beitragen kann.
Sie erklärt außerdem die Grundlagen der korrekten frühzeitigen Diagnotsik, und spricht über gut etablierte Therapieformen.

Vortragende

Dr.in Susan Halimeh

Univ. Prof. Dr.
Elisabeth Förster-Waldl
Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde

und klinische Immunologie

Univ. Prof. Dr.med. Elisabeth Förster-Waldl hat fachärztliche Ausbildungen in Kinder- und Jugendheilkunde und in Klinischer Immunologie absolviert. Sie leitet das Zentrum für Angeborene Erkrankungen des Immunsystems an der MedUni-/AKH-Wien.
Sie hat im DACH-Raum gemeinsam mit anderen Klinisch-Immunologischen ExpertInnen, Leitlinien für die frühzeitige Diagnostik und korrekte Therapie von Immundefekten publiziert.

Kostenlos und ohne Anmeldung

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