Morbus Waldenström ist eine chronische Erkrankung des Immunsystems. Das Leben mit der Diagnose und die Therapie können herausfordernd sein. Hier finden Sie die wichtigsten Fragen und Anliegen rund zu diesem Thema aus dem Kurs “Therapie gut bewältigen bei Morbus Waldenström” übersichtlich zusammengefasst.
Inhaltsverzeichnis
Umgang mit der Diagnose Morbus Waldenström
Was kann mir helfen mit der Diagnose Morbus Waldenström besser umzugehen?
Wir sind von Natur aus gut ausgestattet, um unser Überleben zu kämpfen. Wir können angreifen, fliehen und uns tot stellen, aber wir haben kein Sensorium dafür, um mit chronischen Erkrankungen umzugehen. Ich habe mein Bauchgefühl, das mir sagt, was passiert, wenn ich auf einem Schneefeld ausrutsche. Ich aber jedoch keine genetische Ausstattung dafür, was ich tun soll, wenn ich mit der Diagnose Morbus Waldenström, einer chronischen Erkrankung konfrontiert werde.
Dazu kommt noch unsere Schwierigkeit, das sprachlich auszudrücken. Als Ärzte sind wir dafür berühmt, dass wir unaussprechliche Namen verwenden und der Patient danach die Krankenschwester fragen muss, was der Arzt eigentlich gemeint hat. Wir reden von chronisch idiopathischer thrombozytopenischer Purpur, das heißt, in Wirklichkeit heißt das, dass Sie zu wenig Blutplättchen haben. Wir reden von Morbus Waldenström, dabei ist schwer greifbar, was es ist.
Immer dort, wo unser Wissen aufhört, beginnt unser Gehirn Geschichten zu erzählen. Die Geschichten, die wir über diese Erkrankungen erzählen, sind oft sehr bedrohlich. Wir reden von Krebs, einem umgangssprachlichen Wort, das wir sonst nie in der Medizin verwenden. Es bedeutet so viel wie eine Erkrankung, aber in Wirklichkeit unterscheiden wir heute, wenn wir diese genetische, molekulare Klassifikation dazunehmen, über tausend verschiedene Krankheiten, die wir mit diesem einen Wort beschreiben. Allein bei Lymphdrüsenkrebs Erkrankungen, bei Lymphomen, unterscheiden wir hundert Untergruppen und eine davon ist der Morbus Waldenström. Das Wesen dieser Geschichten ist, dass sie gut sein müssen und nicht wahr. So erzählen wir die Geschichte von Krebs, von bösartigen Zellen, die den Körper zerstören.
Das trifft auf den Morbus Waldenström aber gar nicht zu. Die Geschichte, die wir erzählen könnten, ist eine von Zellen, die schwerhörig sind. Sie unterscheiden sich kaum von normalen B-Zellen und das einzige, was gestört ist, ist die Informationsübertragung von der Zelloberfläche zum Zellkern. Aufgrund dessen wird vermehrt ein bestimmtes Eiweiß produziert. Diesen Zellen können wir in der heutigen Behandlung einen Hörapparat zur Verfügung stellen und die Informationsübertragung wiederherstellen. Das nennt sich personalisierte Medizin, “Targeted Therapies”. Es ist also eine ganz andere Geschichte als die vom Kampf auf Leben und Tod, es geht nämlich darum, wie ich mit meinen schwerhörigen Zellen ein gutes Leben führen kann.
Wie gehe ich damit um, dass Morbus Waldenström nicht geheilt werden kann?
Wie ich bereits gesagt habe, sind wir entsprechend dem alles oder nichts Prinzip ausgestattet. Entweder ist etwas gut oder schlecht, es ist hell oder dunkel, ich kann leben oder ich sterbe. Das Konzept, das wir und dazu gehören auch die Ärztinnen und Ärzten in der Medizin, noch nicht integriert haben, ist das Konzept einer chronischen Erkrankung. Hier helfen uns salutogenetische Anteile.
Was bedeutet das? Wenn ich selbst schwach bin und jemand liegt am Boden und ich versuche ihm aufzuhelfen, dann kann ich das nicht gut. Wenn ich kräftig bin, kann ich dem anderen viel besser helfen und das ist es, was wir heute versuchen. Wenn Sie vom Morbus Waldenström betroffen sind, ist ein Teil Ihres Körpers krank, es gibt eine Schwerhörigkeit. Viele Teile sind jedoch gesund und wir versuchen, die gesunden Anteile zu unterstützen, damit sie den schwachen helfen können.
Wie kann ich mit Familie und FreundInnen über die Diagnose sprechen?
Wir lernen immer, dass wir hart sein und funktionieren müssen. Wenn etwas nicht funktioniert, ist jemand Schuld oder hat nicht gut genug gearbeitet. Wir versuchen, unsere Familien, Partner, Eltern und Kinder zu schonen. Aber können wir diese überhaupt schonen? Eine Krankheit betrifft immer das gesamte System der Familie. Wenn sich etwas an mir und meiner Befindlichkeit endet, dann spürt das jedes Familienmitglied und es beginnt eine Verschwörung des Schweigens.
Mir fällt dazu eine Geschichte ein, ich war auf der Station als Oberarzt und es kommt ein Mann zu mir, der gerade ausgenommen wurde. Er sagt: „Herr Doktor, ich weiß, was bei mir los ist. Ich sehe, was das für eine Station ist. Ich bekomme eine Therapie und mir geht es immer noch schlecht. Ich war immer das Starke in der Familie, konnte sie immer entlasten und ich möchte das so beibehalten. Bitte sagen Sie meine Frau nicht, was los ist”. Ich denke nach und sage ihm: „Kommen Sie erst mal bei uns an, ich komme in einer halben Stunde vorbei und dann reden wir darüber, wie wir das am besten machen und ob es überhaupt sinnvoll ist”.
Während er auf sein Zimmer geht, kommt seine Frauen, ebenso Mittsechzigerin auf mich zu und sagt: „Herr Doktor, ich weiß was los ist, ich habe gesehen was mit ihm passiert ist und ich sehe, was das für eine Station ist. Aber bitte sagen sie meinem Mann nichts, er war immer der Starke und hat immer alles gemanagt. Er wird nicht damit fertig, dass er jetzt so eine Krankheit hat”. Ich schlucke und denken mir: „Was mache ich jetzt?“ Dann sage ich zu seiner Frau: „Wissen Sie was, Ihr Mann war vor einer halben Stunde bei mir, was glauben Sie hat er wohl gesagt?” Sie wusste es nicht und ich habe geantwortet: „Ich glaube, es ist am besten, wenn wir uns nochmal zu dritt zusammensetzen und darüber reden”.
Dieses Gespräch hat an der Erkrankung und der Behandlung nichts geändert, aber unendlich viel an, diesen zwei Menschen, die über vierzig Jahre miteinander glücklich verheiratet sind und den Rest ihrer Lebenszeit gemeinsam verbringen konnten. Sie wussten schon nicht mehr, über was sie am Abend reden sollten, wenn das Fernsehprogramm vorbei war. Es ist schwierig, wenn ich versuche, etwas zu verheimlichen und meine Mitmenschen sehen, wie schlecht es mir geht. Von einer Krankheit ist immer das ganze System betroffen, Sie können auch kleine Kinder nicht schützen, sie spüren das genau.
Es ist so, dass die Funktion unseres Gehirns vom Rahmen der Verhandlungen abhängt. Wenn ich mich bedroht fühle und diffuse Informationen bekomme, dann werde ich diese noch bedrohlicher interpretieren. Stellen Sie sich vor, Sie gehen durch einen großen Wald, mitten in der Nacht. Es ist sehr kalt und Sie hören Geräusche, die lauter werden. Ein Knacken von Zweigen und Sie gehen schneller, aber die Geräusche kommen trotzdem näher. Was spüren Sie? Die meisten Menschen spüren Angst und Unruhe. Stellen Sie sich den gleichen Wald vor. Es ist 11:00 Uhr vormittags, die Sonne scheint. Sie gehen und hören ein Geräusch, drehen sich um und ein Maibock geht über den Forstweg. Sie hören ein klopfendes Geräusch, da sitzt ein Feldhase. Was empfinden Sie? Meistens Freude und Glück.
Die physikalischen Reize, die Sie wahrgenommen haben, waren die gleichen, aber der Rahmen der Wahrnehmung war ein anderer. So funktioniert die Informationsaufnehme, wenn ich Informationen habe, die ich kohärent, begreiflich in einer Geschichte zusammenfinden kann, dann kann ich meistens gut damit umgehen. Dasselbe gilt für meine Mitmenschen und ich empfehle, dass Sie Ihr Team miteinbinden.
Wenn Sie einen Spitzensportler betrachten und glauben Sie mir das, was Sie bei der Bewältigung einer Erkrankung leisten, dann ist Ihre Leistung vergleichbar mit der körperlichen Anstrengung eines Spitzensportlers. Diese haben jedoch ein ganzes Betreuungsteam, sind jung und haben sich das ausgesucht. Ich bewundere alle Sportler, doch die Regeln sind immer recht überschaubar und ich weiß, wann ich am Ziel bin und wann nicht oder wann ich raus bin und wann ich drinnen bleibe. Das wissen wir bei vielen Krankheiten, gerade bei chronischen Krankheiten, nicht so genau. Sie haben sich das nicht ausgesucht und konnten sich nicht vorbereiten.
Der Sportler steht am Podest und alle sagen: „Super, du bist ans Ziel kommen! Du warst besonders schnell”. Aber wer feiert Sie, wenn Sie ans Ziel kommen? Niemand, Sie bekommen noch mitleidige Blicke: „Du Armer” und das Feedback: „Was bedeutet die Erkrankung für dich?”. Vielleicht sinn Sie schlecht mit Stress umgegangen. Stellen Sie sich vor, ich würde einen Skirennläufer vor dem Start fragen: „Was bedeutet es für dich, dass du immer an deine Grenzen gehen musst? Bist du früher nicht schlecht mit Stresssituationen umgegangen? Ich glaube, wir sollten jetzt darüber sprechen“. Sie können sich vorstellen, welcher Ton kommt und was der Trainer mit mir machen wird, denn das machen wir sonst nicht.
Wir sehen Krankheiten, wie ein Immunozytom heute, wie eine Naturkatastrophe und nicht als Folge eines Lebensstils. Die Zellen sind nur schwerhörig. Sie sind nicht bösartig und zerstören den Körper nicht. Wir verwenden keine moralisierende Sprache in der Medizin. In der Natur gibt es in diesem Sinne keine Ethik. Biologische Systeme laufen nach anderen Gesetzmäßigkeiten ab, die Zellen funktionieren oder funktionieren nicht, aber sie sind weder gut noch böse.
Wie können mich meine Angehörige/r im Alltag unterstützen?
Wenn wir lernen, unsere Angehörigen von Anfang an miteinzubeziehen, sie als Ressource zu sehen und nicht als jemanden, den ich schonen muss, dann wird das Teamwork viel besser verlaufen. Stellen Sie sich vor, Ihr Partner möchte Sie immer schonen. Er sieht Sie nicht als wertvolle Stütze der Beziehungen, als gleichberechtigten Partner, sondern als armer Kranker.
Wie fühlen Sie sich dabei und was denken Sie auf Dauer? Wenn es mir ein paar Tage schlecht geht, ist das vielleicht passend, aber dann möchte ich wieder wahrgenommen werden. Ich möchte, dass meine gesunden Anteile, ich als Partner und Ehepartner, in meiner Funktion, in mit meinen Ausbildungen, meinen Rollen als Vater, Sohn oder Freund wieder wahrgenommen werde, nicht nur als armer Bedürftiger.
Ich arbeite seit fünfunddreißig Jahren mit Menschen, die von Krebserkrankungen betroffen sind und ich sehe das jeden Tag. Mir ist aufgefallen, dass Menschen, die von diesen Krankheiten betroffen sind, eigentlich besonders gesund sind. Überlegen Sie, was Sie alles leisten. Sie spüren eine Veränderung, oder es ist oft wie bei Immunozytomen ein Zufallsbefund. Man überwindet sich und macht weitere Untersuchungen, besorgte Blicke beim Hausarzt, eine Weiterüberweisung an eine Spezialambulanz und das Warten, bis ich endlich einen Termin bekomme. Wieder besorgte Blicke und ich sitze in einer Ambulanz, in der mir alles, wovor ich Angst habe, in Gestalt anderer Menschen gegenüber tritt. Zum Beispiel in Form von einem haarlosen Kopf durch die Chemotherapie oder der hektische Spitalsbetrieb. Spitäler sind großartige Orte, die uns helfen, gesund zu werden, aber sie machen auch Angst.
Wenn man bedenkt, was Sie alles durchmachen und jedes Mal, wenn ich durch unsere Wartezone gehe, denke ich mir das auch: Man muss schon ziemlich gesund sein, um das alles auszuhalten. Das ist ein wichtiger Punkt, sie müssen jeden Tag berücksichtigen, was Sie alles leisten. Wenn man die Angehörigen einbezieht und alles als Team macht, beispielsweise die Gespräche, dann ist das hilfreich, denn vier Ohren hören mehr als zwei. Wenn ich beispielsweise beim Zahnarzt bin, verschwindet oft auf wunderbare Weise mein Zahnschmerz. So vergessen wir oft wertvolle Informationen mit dem Betreuungsteam, mit den Pflegenden und den Ärzten zu teilen.
Wenn man als Team hinkommt, ist es viel leichter. Es werden viele Informationen überbracht, was mich schlicht und einfach überfordert. Zögern sie daher nicht davon, die Ressourcen, die Sie zur Verfügung haben, Menschen, die Ihnen vertraut sind und denen Sie vertrauen können, mitzunehmen. Erklären Sie auch den Kindern, in einer kindgerechten Weise, was an Ihnen gesund ist und was schwächer ist. Es ist wichtig, dass wir das, was uns mit chronischen Krankheiten begegnet, begreifen. Das Wort „begreifen“ kommt von „angreifen“, das Thema muss ein Gesicht bekommen und erklärbar werden. Wenn wir es nicht begreifen, beginnt unser Gehirn Geschichten zu erzählen und die sind in bedrohlichen Situationen immer noch bedrohlicher.
Wie können mich meine Angehörige/r während der Therapie unterstützen?
Während der Therapie können Angehörige ebenso wie jedes andere Betreuerteam funktionieren. Sie können mir einfach die Zeit vertreiben, mich in der Wartezeit ablenken oder schauen, dass sie mich an die Dinge, die ich benötige, erinnern, beispielsweise an einen PCR-Test für einen kommenden Termin. Das ist wichtig, denn vier Ohren hören mehr als zwei und vier Augen sehen mehr als zwei.
Sowohl in der Spitalsbetreuung als auch zu Hause ist das Fördern von gesunden Anteilen wichtig. Wir sprechen dann vom „Watch and Wait“, dem Beobachten und Abwarten. In Wirklichkeit, kommt bei Ihnen jedoch nur „Watch and Worry“ an, ich warte und mache mir Sorgen. Es kommen Fragen auf, wie: Es ist doch Krebs, wieso machen die Ärzte nichts? Wieso und worauf soll ich warten? Wird er noch größer und breitet sich noch weiter aus?
Es ist ein schwieriges Konzept. Wir ergänzen es heute, das hat der Kollege Alexander Hauswirth so gut formuliert, statt „Watch and Wait“ sollten wir „Watch and Train“ sagen. Wir wissen, dass Sport uns Kraft gibt und Muskelmasse aufbaut. Wenn ich untrainiert bin, kaum Muskelmasse habe, schwach bin und stürzen, dann stürze ich auf meinen Knochen und dieser bricht. Wenn ich trainiert bin, Muskelmasse habe und stürze, dann federt und schützt diese den Knochen und ich bekomme nur einen blauen Fleck. Der Sport unterstützt auch das Wesen und die Seele. Er unterstützt meine Energie, meine Stimmungslage und hilft mir die Wirkungen und Nebenwirkungen der Chemotherapie besser zu ertragen. Er unterstützt die Herz- und Lungenfunktion, welche wichtige Bestandteile und Voraussetzungen für einen erfolgreichen Therapiestart und ein erfolgreiches Durchlaufen der Therapie darstellen.
Es gibt Studien zu Brust- und Darmkrebs, die zeigen, dass Sport und Bewegung einen positiven Effekt auf das Überleben nach Tumorerkrankungen haben. Dieser Effekt ist stark messbar und vergleichbar mit einer Chemotherapie bei Darmkrebs. Wir wissen leider nicht, wie das bei Immunozytomen ist, da es eine seltene Erkrankungen ist. Wir wissen jedoch, dass wenn es Ihnen gut geht und Sie einen guten Allgemeinzustand haben, Sie meistens besser durch die Chemotherapie oder Immuntherapie gehen, als wenn Sie schwach sind und eine schlechte Herz- und Lungenfunktion haben.
Das sind Dinge, die Sie tun können. Nur sobald Sie darüber nachdenken, ob Sie nun laufen gehen sollen oder nicht, dann werden Sie nicht laufen gehen. Am besten ist es, die Laufschuhe neben der Tür zu haben, sie anziehen und loszulaufen. Dabei können Ihnen Ihr Betreuungsteam, Ihr Partner, Ihre Kinder und Ihre Eltern helfen. Sie können sagen: „Komm wir machen was!”. Nicht: „Du bist krank, bleib im Bett liegen”, sondern: „Du bist krank, jetzt unterstützen wir die gesunden Anteile”.
Hier geht es zum Video-Interview: „Umgang mit der Diagnose Morbus Waldenström”
Umgehen mit belastenden Gefühlen bei Morbus Waldenström
Wie gehe ich mit plötzlich auftretender Angst um?
Wenn ich eine chronische Erkrankung habe und sich Veränderungen einstellen, dann macht mir das Angst. Ich habe für mich selbst begonnen mit dem Schönreden aufzuhören. Schlechte Neuigkeiten sind schlecht. Ich kann sie nicht gut reden und ich kann sie auch nicht gut überbringen, nur präzise und rasch.
Positives Denken ist gut, aber manchmal geht es mir einfach schlecht, dann bin ich traurig, wütend oder frustriert. Lassen Sie diese Gefühle zu, denn sie gehören zu unserem Spektrum des Daseins, wie auch die guten Gefühle. Es muss nicht alles gut sein. Teilweise werden Sie sich schlecht fühlen und frustriert oder enttäuscht sein. „Warum kann ich nicht mit den Freunden wegfahren, warum muss ich jetzt im Spital sein?“. Das macht wütend.
Wir können versuchen, die positiven Gefühle zu unterstützen und ihnen Raum zu geben. Es gibt Dinge, die mir in Krisensituation helfen, beispielsweise Musik, Bilder meiner Familie oder Urlaubsbilder, die ich mit ins Spital mitnehmen kann, sodass ich mir einen kleinen Bereich von Privatsphäre aufbauen kann. Ich kann mich auch mit Kopfhörern vor allen Geräuschen und Eindrücken schützend, die auf mich einprasseln.
Wie kann mich Psychotherapie bei der Bewältigung von Morbus Waldenström unterstützen?
Als Psychotherapeut denke ich, dass es viele Möglichkeiten gibt, wie wir Sie als Therapeuten unterstützend begleiten können. Ein wesentlicher Punkt ist, dass Tumorerkrankungen, wie Morbus Waldenström keine Erkrankung der Seele sind. Es sind Naturkatastrophen, wie ein Vulkanausbruch, ein Unfall oder ein Tsunami. Daran ist niemand schuld.
Unser Gehirn beginnt immer, wenn wir etwas nicht wissen oder verstehen können, Geschichten zu erzählen. Es erzählt dann eine Geschichte von bösartig und gutartig, die Braven kommen in den Himmel und die Bösen kommen bestenfalls ins Fegefeuer. Das sind Geschichten, die uns weder helfen, noch stimmen. Sie sind nicht schuld an Ihrer Erkrankung. Sie ist keine Folge von Stress, Belastungsreaktionen, Traumatisierungen oder Schicksalsschlägen. Diese Erkrankungen ist, demnach was wir wissen, eine Verkettung von Zufällen, wie ein Unfall.
Sie haben im Gegenteil sehr viel richtig gemacht. Warum ich das weiß? Weil Sie sonst nicht hier wären. Wir glauben immer, dass wenn etwas nicht funktioniert, jemand schuld ist. Das ist eine seltsame Ideologie, die uns seit ungefähr sechzig Jahren begleitet. Jedes Jahr machen wir mehr, es muss uns noch besser gehen und alles muss noch besser werden. Wenn eine Person nicht erfolgreich ist, ist sie ein Versager und hat etwas falsch gemacht. Es ist jedoch meistens eine Verkettung von Zufälligkeiten, die mir widerfährt, die mich entweder auf die glückliche oder die unglückliche Seite bringt.
Über Jahrtausende war es ganz normal, dass die Parzen die Schicksalsfäden schmieden, wir ihnen ausgeliefert sind und das Glück kein reißender Fluss ist. Die Fortuna kann gute Fortuna sein, das Glück und sie kann schlechte Fortuna sein, das Unglück. Das vergessen wir heute gerne. Sie sind nicht schuld an Ihrer Krankheit, im Gegenteil Sie haben in schwierigen Situation Großartiges geleistet. Sie stehen vor großen Herausforderungen und sind oft rechtschaffen müde, ärgerlich, traurig oder frustriert. Das hat genauso seinen Platz, wie gute Gefühle.
Für mich bedeutet Gesundheit nicht die Abwesenheit von Krankheit, sondern das aushalten können von Spannungen. Das werden Sie, während der Diagnose und der Umstellung der Therapie spüren, wenn die Schwankungen der Spannung zunehmen. Zwischen himmelhoch jauchzen, „ich werden es schaffen“ und zu Tode betrübt. Das ist Zeichen der Spannung, unter der wir stehen. Es ist eine normalen, gesunde Reaktion auf eine außergewöhnliche Belastung.
Hier geht es zum Video-Interview: „Umgehen mit belastenden Gefühlen bei Morbus Waldenström”
Umgang mit Watch and Wait bei Morbus Waldenström
Was bedeutet Watch and Wait?
Wieso kann und muss ich etwas, das nicht in Ordnung ist, in mir zulassen? Das liegt daran, dass die Zellen bei einigen dieser lymphatischen Erkrankungen, wie bei Morbus Waldenström, den gesunden Zellen so ähnlich sind, dass wir sie zum Teil nur schwer behandeln können, weil wir sonst auch die gesunden Zellen schädigen würden. Daher warten wir, bis die Erkrankung so weit fortgeschritten ist, damit eine Behandlung tatsächlich mehr Vorteile bringt. Oft haben frühe Behandlungsbeginne keinen Nutzen für Sie, außer den bekannten Nebenwirkungen.
Das ändert sich aktuell durch ein zunehmendes Verständnis der Therapie, durch die Dekodierung des menschlichen Genoms und eine molekulare Klassifikation von Krankheiten, durch die wir genauer in die Zelle schauen können. Wir sehen, dass verschiedene Informationsübertragungswege gestört sind und dass diese Zellen schwerhörig und nicht bösartig sind. Wir können nun viel gezielter eingreifen, was die Behandlungskonzepte verändern wird.
Es bedeutet, wenn sie ein anderes Bild wollen, dass chronische Erkrankungen oder “Chronic Disease Management” ähnlich einer Herzschwäche, Bluthochdruck oder einer Blutzucker Erkrankung sind. Ich versuche, mit dem Mindestmaß an Therapie den bestmöglichen Effekt zu erreichen, um eine möglichst lange Lebenszeit mit einer guten Lebensqualität sicherzustellen.
Ein wesentlicher Faktor kommt hinzu, die Zeit. Diese verrinnt nicht, wie in einem Stundenglas, sondern arbeitet für Sie. Je langsamer die Entwicklung dieser Erkrankung ist, desto gutartiger ist der Verlauf Ihrer persönlichen Morbus Waldenström Erkrankung. Darüber hinaus arbeitet Zeit auch für Sie, weil wir einen enormen Fortschritt in der Behandlung dieser Erkrankungen, durch neue technische Möglichkeiten haben.
Früher haben wir zwei Wochen gebraucht, um ein Gen zu untersuchen. Heute können wir in drei Stunden die gesamte menschliche Erbinformation, über 30.000 Gene dekodieren. Wir können darüber hinaus auch sehen, welche Zielstrukturen für Ihre Erkrankung relevant sind. Wir können schneller Arzneimittel entwickeln. Fast jedes Jahr kommen neue Behandlungskonzepte und Behandlungsmöglichkeiten für Ihre Erkrankung dazu.
Es gibt noch einen dritten Aspekt, in dem die Zeit für Sie arbeitet und zwar durch Projekte und Studien, die beispielsweise Philipp Staber bei uns an der Klinik macht. Wir dekodieren das Gen der Erkrankung und behandeln nicht mehr die Erkrankung allein. Wir betrachten den genetischen Fingerabdruck und es zeigt sich, dass eine Substanz, die bei Magenkrebs wirkt, auch bei Lymphdrüsenkrebs wirken kann und eine Substanz, die bei Hautkrebs wirkt auf einmal sehr gut bei Lungenkrebs hilft. Das hat uns neue Türen geöffnet und ist eine zweite Schicht, wie wir Erkrankungen aufgrund der molaren Klassifikation verstehen können. Diese Fortschritte von anderen Erkrankung, werden auch Ihnen zugutekommen.
Wie kann ich mit dem Gefühl der Hilfslosigkeit während der Watch and Wait Phase umgehen?
Ich glaube, dass man sich sehr oft vorsagen muss, dass hilflos ist, denn Sie sind es nicht. Vom ersten Augenblick der Diagnose bis hin zur Behandlung haben Sie viel geleistet und waren in keinem Fall hilflos. Leider sind wir bestimmten Aspekten unseres Lebens jedoch ausgeliefert. Das kennen Sie, beispielsweise aus der Schulzeit, dass manche Lehrer schwieriger und mache netter sind oder dass man mit manchen Menschen klickt und mit anderen nicht.
Der Vergleich mag zwar schief sein und ich möchte nicht, dass Sie das irritiert. Der Sinn dieses Bildes ist, dass wir auf die gesunden Anteilen, die wir haben, zurückgreifen können. Sie haben bereits schwierige und herausfordernde Situationen gemeistert, ohne sich hilflos zu fühlen. Es ist eine großartige Eigenschaft, dass wir das Gefühl der Hilflosigkeit eine Zeit lang aushalten können und dann sehen, dass sich neue Möglichkeiten für uns eröffnen.
„Watch and Wait“ bedeutet nicht, dass Sie hilflos zuschauen müssen, wie die Krankheit fortschreitet. Alexander Hauswirth hat das schön ausgeführt, sagen wir statt „Watch and Wait“, lieber „Watch and Train“. Es gibt viel, was Sie tun können, beispielsweise Sport, mit Kraft-, Ausdauer- und sensomotorischem Training. Wenn Sie kräftiger sind, können Sie die Nebenwirkungen der Chemotherapie besser aushalten. Ihre Herz-Lungen-Funktion und Lebensqualität wird besser. Durch eine gesunde Ernährung können Sie Ihr Körpergewicht auf einen optimalen Bereich anpassen.
Das ist nicht leicht, es ist manchmal einfacher Tabletten zu schlucken, als drei Stunden in der Woche Sport zu machen. Das ist ein wichtiger Aspekt, der einem hilft, sich nicht hilflos zu fühlen und gezielt dazu beiträgt, die chronische Erkrankung möglichst gut zu bewältigen.
Darf ich eine zweite Meinung einholen, wenn ich unsicher bin?
Sie dürfen sich nicht nur eine zweite Meinung einholen, Sie sollten es tun. Wenn Sie sich beispielsweise eine Waschmaschine kaufen, holen Sie sich auch zwei Angebote ein. Bei etwas so Wichtigem, wie Ihrer Gesundheit, zögern Sie bitte nicht. Ich habe sechs Jahre in den USA gearbeitet und dort war es Teil des Standardvorgehens: „Hier sind Ihre Befunde, bitte holen Sie sich noch eine zweite Meinung”. Schauen Sie, dass Sie in ein Krebszentrum oder zu einem Spezialisten gehen, der sich mit Ihrer Krankheit auskennt.
Hier geht es zum Video-Interview: „Umgang mit Watch and Wait bei Morbus Waldenström”
Therapieentscheidung mittragen
Was kann ich zur Therapieentscheidung mittragen?
Sie tragen sehr viel zur Therapieentscheidung bei, da Sie entscheiden, dass Sie die Therapie überhaupt durchführen wollen. Sie sind ein freier Mensch in einem freien Land und Sie entscheiden, was mit Ihnen, Ihrem Körper und der Behandlung Ihrer Krankheit geschieht.
Meine Aufgabe ist es, Ihnen die Erkrankung näherzubringen, sodass das Konzept einer chronischen Erkrankung verständlich wird. Ich erkläre Ihnen was „Watch and Wait“ bedeutet und wie sich eine Erhaltungstherapie, eine Induktionstherapie und eine zielgerichtete Therapie unterscheiden. Danach entscheiden Sie, wobei ich Sie gerne berate. Es gibt dafür auch eine Kosten-Nutzen-Analyse. Manchmal ist es nicht leicht zu entscheiden, ob man jetzt oder erst in einem halbe Jahr eine Behandlung beginnt.
Am besten ist es das gemeinsam, in einer Beziehung zu tun, denn die Metaebene der Kommunikation ist die Beziehung. Ist diese gut und versteht man sich, sagt ein Blick oft mehr als tausend Worte. Ist die Beziehung schlecht, kann man eine Stunde reden und trotzdem entstehen nur Missverständnisse. Bei diesen wichtigen Gesprächen ist es wichtig, ausreichend Zeit und Ruhe zu haben, sie sollten nicht zwischen Türen erfolgen.
Wir Ärzte müssen uns an die eigene Nase fassen und ausreichend Zeit dafür schaffen. Die Beamten und Verwalter von Spitälern müssen schauen, dass wir den Raum und die Zeit zur Verfügung gestellt bekommen. Wir müssen klar kommunizieren, dass wir manchmal mehr Zeit benötigen. Sie sollten sich nicht scheuen, das auch einzufordern. Bei chronischen Erkrankungen haben Sie die Möglichkeit, sich weitere Meinungen einzuholen und in andere Kliniken zu gehen. Bitte nutzen Sie dieses Recht auch.
Warum ist es wichtig, dass ich mich an meinen Therapieplan halte?
Zum einen ist es so, dass Therapien, neue Arzneimittel und deren Kombinationen hinsichtlich ihrer Wirkung durch klinische Studien getestet werden. Es gibt ein Therapieprotokoll, eine bestimmte Dosierung eines oder der Kombination mehrerer Arzneimittel. Sie werden in einer genau definierten Gruppe von Menschen, über eine Beobachtungszeit getestet. So wird ihre Wirksamkeit belegt oder widerlegt.
Die Medikamente, die Ihnen empfohlen werden, handelt es sich um auf klinischen Studien basierende Therapieprotokolle, die wirksam sind. Im Falle von Immunozytomen sind diese in der Regel hoch wirksam. Das bedeutet ein langdauerndes Ansprechen und langandauernde Remissionen. Trotzdem handelt es sich um eine chronische Erkrankung. Wir können sie gut zurückdrängen, aber nicht heilen.
Das Therapieziel ist, dass wir die Krankheit zurückdrängen, Blutwerte möglichst normalisieren und die Lebensqualität aufrecht erhalten. Dafür sind diese Therapiekonzepte entwickelt und durch Studien belegt worden. Deswegen ist es sinnvoll, sich daran zu halten. Das zweite ist, dass in Krisensituationen Ressourcen, wie Rhythmus, Kontinuität und Wärme, mir helfen, Belastungen auszuhalten. Wenn ich jeden Tag die Therapie umstellen, wird es anstrengend für mich.
Mir persönlich hilft die Struktur oder ein Programm, dass ich über sechs Monate durchführe sehr, um Anstrengungen auszuhalten. Das machen wir in vielen anderen Bereichen auch, wenn etwas anstrengend ist, teilen wir es in kleine Portionen verdaubar auf. So sind auch Therapieprotokolle gestaltet, es gibt Vortherapien und Erhaltungstherapien, Kombinationen und Beobachtungszeiten.
Es ist hilfreich, denn es ist erstens durch Studien belegt und zweitens weil es Struktur gibt, die mir in Krisensituationen Boden unter den Füßen ermöglicht. Sie haben das Recht von Therapieempfehlungen abzuweichen, Sie sollten dies nur unbedingt mit Ihrem Arzt besprechen. Ich würde es nicht empfehlen, aber das ändert nichts, weil Sie das Recht dazu haben.
Wie kann ich meine Sorgen über die Therapie bei meiner Ärztin / Arzt ansprechen?
Sprechen Sie Ihre Sorgen bei Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin möglichst klar an. Was ich erlebt habe ist, dass meine Patienten sehr genau schauen, wie es mir geht und wie Sie mich schonen können. Es gibt Menschen, die schwer krank sind und sagen: „Herr Doktor, sie schauen heute schlecht aus und ich möchte nicht viel von Ihrer Zeit nehmen“. Dann fühle ich mich meistens schlecht und denke mir: „Diese Frau leistet so viel und ich sitze hier und kann am Abend nach Hause gehen. Sie muss vielleicht noch zwei Wochen im Spital bleiben und macht sich Sorgen“.
Machen Sie sich keine Sorgen um uns Ärzte, wir sind dafür zuständig und ausgebildet, Sie zu unterstützen. Das Beste ist, Klartext zu reden und keine Kompromisse in schwierigen Situationen zu machen. Schreiben Sie die Fragen, die Ihnen wichtig sind auf. Ich selbst vergesse auch in Stresssituationen Kleinigkeiten. Machen Sie sich einfach eine Liste und definieren Sie die drei wichtigsten Fragen. Wenn Sie dann sehen, dass Ihr Arzt im Stress ist und wenig Zeit für Sie hat, können Sie sagen: “Herr Doktor, das verstehe ich gut, aber hier sind meine drei wichtigsten Fragen, die ich Sie ersuchen möchte, heute zu beantworten. Die anderen Fragen würde ich Sie bitten, in einem zweiten Termin zu besprechen, damit wir genug Zeit haben”.
Hier geht es zum Video-Interview: „Therapieentscheidung mittragen”
Durchhaltevermögen stärken während der Therapie
Was versteht man unter „Adhärenz“ und welche Bedeutung hat sie bei Morbus Waldenström?
Adhärenz bedeutet, dass ich einem Therapiekonzept folgen kann, dass ich es begreife und entsprechenden nach Vorgaben und Richtlinien handle. Es gibt jedoch Menschen, dazu zähle ich mich auch, denen es grundsätzlich schwer fällt, solche Vorgaben zu erfüllen. Man kann sich jedoch darauf hintrainieren, vor allem, wenn es die eigene Entscheidung ist.
Um das zu können, muss ich zunächst Kohärenz haben. Das heißt, dass Dinge wieder vorhersagbar sind, dass es wieder selbstverständlich ist, dass am Morgen die Sonne aufgeht und am Abend untergeht und dass ich wenn ich aufstehe nicht unbedingt Schmerzen habe, sondern der Tag beginnt. Dieses Gefühl von Kohärenz, von Vorhersagbarkeit wird durch die Diagnose einer chronischen Erkrankung infrage gestellt. Auf einmal ist nichts mehr selbstverständlich und ich verliere Vertrauen in meinen Körper. Überall dort, wo unser Wissen aufhört, beginnt unser Gehirn Geschichten zu erzählen. In bedrohlichen Situationen sind es bedrohliche Geschichte. Man beginnt zu zweifeln, spürt, dass etwas neu ist und beginnt sich zu sorgen.
Es entsteht das Bild: Mein Körper hat mich betrogen, mein Körper hat mich im Stich gelassen. Das stimmt aber nicht. Wer hat die Symptome ausgestrahlt? Wer hat Sie zum Arzt gebracht? Wer hält die Therapie aus? Wer begleitet Sie die ganze Zeit? Ich habe einmal eine Geschichte über einen kleinen, katholisch gläubigen Menschen gelesen. Er sagt: „Jesus, die ganze Zeit warst du bei mir, ich hab immer diese vier Spuren am Strand, wo wir gegangen sind, gesehen. Dann ist es mir schlecht gegangen und ich habe nur noch zwei Spuren gesehen. Du hast mich verlassen“. Aber Jesus antwortet: „Nein, da hab ich dich getragen”. So können Sie das Bild von Ihrem Körper sehen. Er hat Sie nicht im Stich gelassen, sondern durch all die schweren Zeiten getragen.
Was ist eine Dauertherapie und was sind die Vorteile davon?
Wir unterscheiden heute verschiedene Therapiemöglichkeiten. Bei einer Dauertherapie handelt es sich meistens um Tablettenkuren. Das bedeutet, dass ich nicht so oft ins Spital muss und keine Infusionen benötige. Es ist eher vergleichbar mit der Therapie eines Blutzuckers Typ 2 oder einer medikamentösen Einstellung des Bluthochdrucks.
Es bedeutet aber nicht, dass ich keine Kontrollen benötige. Es ist wichtig, dass wir einige Laborwerte, Blutwerte und Gerinnungswerte überprüfen. Wir überwachen auch Nebenwirkungen, die durch eine Dauertherapie auftreten können, sodass wir sie kontrollieren können. Nur weil ich eine Tablette schlucken kann und keine Infusion erhalte, bedeutet das nicht, dass dies harmloser ist oder weniger Nebenwirkungen hat. Es ermöglicht mir aber, dass ich nicht für Infusionen ins Spital muss und mehr Autonomie bekomme.
Es hat jedoch die Herausforderungen, dass ich das Medikament möglichst nach Vorschrift einnehmen muss und das ist leichter gesagt als getan. Denn immer wenn ich diese Tablette schlucke, erinnert es mich daran, dass offenbar irgendetwas nicht in Ordnung ist. Das zweite, was ich spüre, sind die möglichen Nebenwirkungen der Therapie. Das Einzige, was ich nicht spüren kann, ist der Nutzen dieser Tablette, doch der ist sehr groß.
Welche konkreten Ziele kann oder soll ich mir für die Zeit der Therapie setzen?
Ich selbst habe für mich, wenn ich einen Krankheit habe, das Ziel gesetzt, der Krankheit möglichst wenig Raum zu geben. Ich versuche, meine gesunden Anteile, die Dinge, die mir Freude zu machen, weiter zu tun und mir Kraft zu holen von dem, was mir gut tut. So kann ich die Zeiten besser ertragen, in denen es mir schlecht geht.
Vergessen Sie deshalb aber nicht die gesunden Anteile, die auch da sind. Die Nase muss riechen, der Mund muss schmecken, die Zähne müssen kauen, der Magen muss verdauen, die Muskeln müssen sich bewegen, das Gehirn muss denken und etwas Neues ausprobieren. Unser Herz möchte manchmal tanzen und manchmal wütend sein. All das soll Platz haben. Geben Sie der Krankheit den Raum, der erforderlich ist, aber nicht mehr. Ein Teil ihres Körpers ist krank, viele Teile sind jedoch gesund und brauchen auch ihren Platz.
Was kann mein Durchhaltevermögen während der Therapie stärken?
Das ist leichter gesagt als getan, wenn ich plötzlich überraschend aus meinem Lebensalltag gerissen werden und sich sowohl körperliche als auch seelische und soziale Aspekte meines Daseins verändern. Ich bin dann erst einmal belastet und muss mich in einem völlig veränderten Lebensalltag zurechtfinden. Das ist bereits eine enorme Anstrengungen. In einem Team mit Ärzten, Pflegefachkräften, Psychologen, Psychotherapeutinnen und vor allem der Familie geht es leichter.
Wir sind keine Maschinen, daher wird es das Durchhaltevermögen betreffend, mal besser und mal schlechter gehen. Was sie tun können, ist regelmäßig Sport zu treiben, beispielsweise Kraft-, Ausdauer-, und Gleichgewichtstraining. Achten Sie auch auf eine gesunde, ausgewogene Ernährung und unterstützen Sie die gesunden Anteile.
Sportler machen das auch, man kann aus dem Stand keinen Marathon laufen. Aber irgendwo, und das ist das spannende, erwarten die Leute von Ihnen, Sie müssten das jetzt tun, denn Sie haben ein Immunozytom. Das ist Unsinn, weil wir es sonst nicht tun und auch nicht tun können. Wenn ich aus dem Stand einen Marathon laufen will, dann werde ich nach fünf oder zehn Kilometern ziemlich blöd dastehen. Normalerweise trainieren wir auf Ereignisse hin. Am Anfang geht es holprig, das ist bei der Bewältigung einer chronischen Erkrankung normal. Beispielsweise beim ersten Mal Fahrradfahren, bin ich gefallen und war stolz auf diese Wunden und nach einiger Zeit lernt man das Fahren.
Alles, was wir im Leben als selbstverständlich annehmen und akzeptieren, gilt bei einer Krankheit, bei der Sie gleich mehr in einer schwierigeren Situation bewältigen müssen, nicht mehr. Am Anfang wird es holprig sein, doch Sie werden beginnen sich zu trainieren, sowohl körperlich als auch seelisch und sozial. Da kommen wir zu dem Thema Adhärenz und dem Schlagwort Compliance. “You comply with my rules – Du befolgst meine Befehle”. Wenn mich jemand fragt: „Wieso nehmen Sie das Medikament nicht?”, dann merke ich innerlich, wie ich trotzig werde: „So sicher nicht mit dir”.
Es ist wichtig, dass Sie wissen, warum Sie etwas tun und dass es Ihre Entscheidung ist. Mein Job ist es, Ihnen dieses Medikament zu erklären, warum es eine Hilfe ist und wie es Sie unterstützt. Wir sollten es als “Team Approach” sehen, wie bei Sportereignissen, da kann man viele Parallelen ziehen.
Kann ich die Therapie pausieren?
Ja, Sie können die Therapie pausieren, denn Sie sind ein freier Mensch in einem freien Land. Meistens ist eine Pause aber nicht sinnvoll. Wir versuchen, die Therapie optimal an Ihre Situation anzupassen. Gerade wenn man bei Erhaltungstherapie das Medikament abwechselnd nimmt und nicht nimmt, können sie ihre Wirksamkeit verlieren. Das nennt man klonale Evolution, man gibt ein Medikament, dann lässt man es weg, sodass die Zellen sich wieder anpassen können und dann gibt man das Medikament wieder. Das ist nicht gut.
Wenn Sie ein Medikament nicht nehmen wollen, reden Sie einfach mit dem Behandlungsteam darüber. Es gibt natürlich gute Gründe, wie Nebenwirkungen oder dass es mir auf die Nerven geht, das Medikament jeden Tag einzunehmen und es mich daran erinnert, dass etwas nicht in Ordnung ist. Trotzdem ist es hilfreich, wenn Sie es machen, denn in diesem Trotz, den wir haben liegt sehr viel Kraft und Lebenskraft.
Hier geht es zum Video-Interview: „Duchhaltevermögen stärken während der Therapie”
Medikamente und Kontrolltermine
Was kann ich tun damit ich meine Medikamente nicht verwechsle?
Wenn ich viele Medikamente einnehme, ist es leicht sie zu verwechseln und sie zu vergessen. Manche Menschen nehmen drei, andere zehn verschiedene Medikamente. Wie soll das funktionieren und welche Nebenwirkungen gibt es? Da machen wir Ärzte es uns zu leicht, mit dem Aufschreiben von Medikamenten. Ich habe schon Schwierigkeiten, wenn ich zwei Medikamente regelmäßig einnehmen muss.
Wenn ich mir nach einem Unfall Lovenox spritzen muss, dann tut es nach drei Wochen auf magische Weise immer mehr weh. Nach vier Wochen möchte ich es dann nicht mehr einnehmen. Es ist nicht leicht und das ist auch diese Leistung, die Sie erbringen. Sie haben nicht nur eine Erkrankung, mit der Sie sich auseinandersetzen müssen, dies bereitet auch Stimmungsschwankungen und Sie müssen zusätzlich noch Medikamente einnehmen.
Es ist immer ein „muss”. Verwenden Sie statt dem „muss” aber mal ein ich „will“. Es ist eine andere Aussage, denn es ist Ihr Leben, Ihre Entscheidung, Ihr Körper, Ihre Erkrankung und Ihre Medikation. Mein Job ist es, Sie zu beraten, zu informieren und zu erklären, was dabei hilfreich ist. Es ist am besten auch Ihre Gefühle zu kommunizieren, um dann eine vernünftige Entscheidung zu treffen.
Sie können sich die Medikamente einschachteln, dafür es gibt verschiedene Hilfen. Wichtig ist, dass man ein Konzept hat, bei dem man bleibt. Alles, was ich regelmäßig tue, ist einfacher. Daher ist es hilfreich, feste Einnahmezeiten, beispielsweise traditionell mit den Mahlzeiten zu haben. Darüber hinaus hilft eine Schachtel, in der die Medikamente vorgefertigt bereit liegen. Das sind einfache Tricks, die sich seit Jahrzehnten bewährt haben. Es gibt auch modernere Hilfsmittel, über Apps und Computersysteme, machen Sie es gerne so, wenn Sie technikaffin sind.
Warum ist es wichtig, dass ich Kontrolltermine regelmäßig wahrnehme?
Kontrolltermine sind hilfreich, weil sie ermöglichen, einen Effekt der Behandlung zu überprüfen und zu dokumentieren, damit Sie sehen, was Sie da eigentlich leisten und welchen Erfolg und Nutzen Sie haben. Darüber hinaus hat leider jede Wirkung auch eine Nebenwirkung. Wir kontrollieren bei diesen Kontrolluntersuchung, ob Sie das Medikament gut vertragen und was Ihre persönliche Erfahrung bei der Einnahme ist.
Es gibt Nebenwirkungen, die man selbst nicht unbedingt spürt, die wir aber durch Laboruntersuchungen oder klinische Inspektion feststellen können. Manche Medikamente führen zu einer Blutverdünnung, dann wollen wir einfach schauen, ob Veränderungen auftreten. Es ist oft einfacher, wenn dies eine außenstehende Person übernimmt, wie ein Arzt oder eine Pflegekraft, als wenn ich es selbst mache. Denn ich gewöhne mich an alle möglichen Dinge und nehme sie als nicht mehr als bedrohlich war, obwohl es unter Umständen ein Warnzeichen ist.
Das Wichtigste ist, dass wir etwas gegen die Nebenwirkungen tun können und Sie ihnen nicht hilflos ausgeliefert sind. Wir können die Dosis reduzieren, das Medikament pausieren oder fallweise durch ein anderes Medikament ersetzen. Es ist das gleiche mit der Überprüfung der Therapiewirkung, wir wollen, dass Sie ein Medikament einnehmen, das einen nachweisbaren Nutzen für Sie hat.
Das Ganze sollte auch eine Struktur haben, denn das erleichtert mir das Aushalten von Anstrengungen. Wir sollten uns sehen und austauschen können, wie es Ihnen allgemein mit der Erkrankung und der Behandlung geht, um zu sehen, was ich sonst an Unterstützungsmaßnahmen für Sie tun kann.
Was passiert wenn ich einen Kontrolltermin nicht wahrnehmen kann?
Manchmal kommt etwas Wichtiges dazwischen, sodass ich einen Kontrolltermine nicht wahrnehmen kann. Es kann auch sein, dass ich den Termin vergessen habe oder einen Test nicht rechtzeitig bekomme, den ich benötige, um in das Spital zu kommen. Rufen Sie uns einfach an und machen Sie einen neuen Termin aus.
Was kann ich tun, wenn ich nervös vor einem Kontrolltermin bin?
Manchmal versucht man Nervosität zu verschweigen oder zu verheimlichen, aber der andere spürt meinen Stress, man ist ja nicht umsonst so viele Jahre zusammen. Ich denke, dass das Teilen dieser Belastung hilft, wenn man sich einfach zugesteht, dass man vor einer Untersuchung nervös ist. Gerade in der ersten Phase der Diagnose und der Therapie ist diese Angst sehr stark.
Diese wird mit der Zeit aber immer weiter abnehmen, da ich durch unauffällig oder positive Untersuchungsergebnisse wieder vertrauen schaffe. Es ändert nichts daran, dass es eine gerichtete und eigentlich eine sinnvolle Angst ist. Sie bereitet mich auf mögliche schlechte Neuigkeiten vor, sodass ich nicht ganz ungewappnet bin, wenn diese eintreten.
Hier geht es zum Video-Interview: „Medikamente und Kontrolltermine”
Sich selbst motivieren
In welchen Phasen ist es wichtig, sich selbst motivieren zu können?
Ich glaube, die größten Anstrengungen in der Bewältigung von chronischen Krankheiten bestehen nach der Diagnosestellung und bei einer Änderung der Befundkonstellation, bei Hinweisen, dass die Krankheit fortschreitet. Diese Momente werden mich stressen und ich muss mich motivieren. Auch ein Behandlungsbeginn, eine Änderung der Dosierung oder des Behandlungskonzeptes stresst mich und ich muss mich motivieren. Das alles sind jedoch Situationen, auf die ich mich hin trainieren kann.
Es hilft oft nicht, diese Entscheidungen aufzuschieben, im Gegenteil, denn die Anstrengung bleibt. Wenn ich etwas nicht erledigt habe, dann besteht es kontinuierlich im Hintergrund und raubt mir viel Energie. Ich persönlich liebe die Verdrängung auch. Es ist ein Abwehrmechanismus, der mir hilft durch den sozialen Alltag zu kommen und unangenehme Dinge wegzuschieben. Das Problem ist, dass diese Dinge leider trotzdem noch da sind.
Ich brauche viel Energie, um diese Dinge zu verdrängen, denn es ist ein aktiver Prozess, in diesem Fall von meinem seelischen Apparat, meinem Gehirn. Man kann es bei ein bis drei Themen machen, aber je mehr Themen es werden, desto mehr beeinträchtigt es meine Bewegungsfreiheit körperlich, seelisch und sozial. Man kann es sich wie Bälle, dich ich jongliere vorstellen. Vorübergehend ist es hilfreich, Dinge zu verdrängen, auf lange Sicht ist es enorm anstrengend. Daher ist es wichtig, eine gewisse Vielfalt an Abwehrmechanismen zu kultivieren.
Wie finde ich heraus was mich motiviert?
Ich denke, dass wenn wir von Krankheit betroffen sind, wir nicht wieder bei null beginnen müssen, sondern auf unsere bisherige Lebenserfahrung zurückgreifen können. Wo habe ich bisher die Kraft vor schwierigen Aufgaben hergenommen? Wie habe ich mich bisher mit schwierigen Situationen auseinandergesetzt? Was waren bisher meine Mechanismen, um mit Schwierigkeiten umzugehen? Greifen sie darauf zurück.
Wenn ich mitten im Nordatlantik in das kalte Wasser stürzen, dann werde ich nicht denken: „Juhu, ich wollte schon immer etwas Neues ausprobieren, beispielsweise das Schwimmen mit Delfinen“. Ich werde stattdessen schauen, dass ich über Wasser bleibe und rasch ein Rettungsboot kommt. Greifen Sie in schwierigen Situationen am besten auf bewährte Strategien zurück.
Nehmen Sie Unterstützung an und stellen Sie ein Team zusammen. Wählen Sie aus, was Ihnen gut tut, horchen Sie in sich hinein, was Ihnen hilft und Freude macht. Es sind meistens Dinge, die uns auch im Krankheitsfall Unterstützung und Kraft geben können.
Wie kann ich mich motivieren mich mehr zu bewegen?
Einer der stärksten Faktoren für ein langes und gesundes Leben ist Sport. Von bisherigen Daten wissen wir, dass bei einigen Tumorerkrankungen, wie Brustkrebs und Darmkrebs, Sport nicht nur die Lebensqualität verbessert, sondern auch einen Überlebenseffekt hat. Wir wissen noch nicht genau, was der Wirkmechanismus ist, jedoch hilft ein regelmäßiges Training, ungefähr drei Stunden Sport in der Woche. Unter Sport fällt jedoch kein spazieren gehen, es heißt, dass ich in einem Trainingsbereich pulskontrolliert oder nach der Borg-Skala gemäß trainiere, mit einer Pulsfrequenz von 130 bis 160 Pulsfrequenz liegt. Bitte übernehmen Sie diesen Wert nicht gleich, sondern besprechen Sie mit Ihrem Betreuungsteam, was Ihr idealer Trainingsbereich ist.
Spazieren gehen ist gut, 10.000 Schritte am Tag sind wunderbar, wenn man es kann und keine Gehbeeinträchtigung hat. Ergänzend dazu, hilft Fahrradfahren, Schwimmen, Stiegen steigen, schnelles Gehen und Krafttraining. Die Mischung von Kraft-, Ausdauer- und sensomotorischem Training macht es aus. Wenn Sie das drei Stunden pro Woche machen, zeigen Studien zu Darmkrebs, dass Ihr Rückfallrisiko deutlich reduziert wird. Auch bei Brustkrebs und Prostatakrebs haben wir dazu erste Daten.
Sport ist ein wesentlicher Bestandteil jedes onkologischen Therapiekonzeptes, wir versuchen heute ein onkologisches Gesamtkonzept aufzubauen. Dieses geht von der Diagnose, über die Therapie, die Rehabilitation und eine begleitende Ernährung. Es gibt jedoch keine Krebsdiät, keine zuckerfreie Diät oder andere abstruse, oft sehr schädlichen Maßnahmen. Wichtig ist eine ausgewogenen Ernährung, viel Fisch, Obst und Gemüse. Je nachdem, welche Tumorerkrankung es ist, wird von blähendem Gemüse eher abgeraten. Eine Säule ist die Ernährung, eine weitere der Lebensstil. Sie sollten das Rauchen und den Alkoholkonsum reduzieren oder grundsätzlich weglassen und versuchen die drei Stunden pro Woche Sport zu machen.
Darauf müssen wir uns hintrainieren, am besten ist es gar nicht drüber nachzudenken: „Soll ich jetzt laufen gehen oder nicht?“. Machen Sie einfach den Selbsttest: „Wie oft gehen Sie laufen?“. Nachdem Sie sich diese Frage gestellt haben, wahrscheinlich häufiger nicht, denken Sie also nicht darüber nach. Die Laufschuhe stehen neben der Wohnungstür, Sie nehmen sie und gehen los. Das Gleiche gilt alle anderen sportlichen Aktivitäten.
Diese Dinge machen uns Freude und werden uns nur abgewöhnt, weil wir kaum einen Nutzen von ihnen haben. Das erste, was bei mir in der Schule gestrichen wurde, war die Turnstunde, wenn wir nicht brav waren. Bei meinem Sohn, der sogar in einem Sportzweig ist, war es genauso. Alle sportlichen Aktivitäten betreiben wir in unserer Freizeit und darin müssen wir besser werden. Im Osten Österreichs ist es traurig, wie es um den Sport gestellt ist und man muss sich nicht wundern, dass die Leute, wenn sie krank werden, nicht auf diese Ressourcen zurückgreifen, wenn wir sie nie kultivieren.
Das wäre auch ein Appell an die Politik und die Selbsthilfegruppen, einen gewissen Druck aufzubauen, dass Sport ein gleichberechtigtes Unterrichtsfach, wie Mathematik, Deutsch, Englisch und Lateinisch ist.
Kann ich während einer Morbus Waldenström Therapie verreisen?
Sie können nicht nur, Sie sollen verreisen. Wichtig ist nur der Krankheit den Raum zu geben, der notwendig ist, aber auch nicht mehr, als unbedingt erforderlich ist. Denn auch die gesunden Anteile brauchen Platz, unsere Füße wollen gehen, unsere Muskeln wollen sich betätigen, der Mund will etwas essen, der Magen will verdauen, unser Gehirn will tüfteln, Spaß haben und lachen.
In der aktuellen Pandemie Zeit ist es hilfreich, sich Antigen-Test-Kits mitzunehmen und schauen Sie, dass Ihr Impfstatus aktuell ist. Falls es eine Beeinträchtigung Ihres Immunsystems gibt, was bei der Therapie jedoch nicht der Fall sein muss, besprechen Sie das mit dem behandelnden Arzt. Sie brauchen aber keine Einwilligung, Sie sind ein freier Menschen in einem freien Land und wenn Sie verreisen wollen, verreisen Sie.
Ich selbst überlege mir: Ist das Reiseland sicher? Was sind die möglichen Gefahren? Wie schnell bin ich im Notfall zuhause? Wenn ich eine große Reise mache, dann plane ich grundsätzlich, was die Risiken und Nutzen bezüglich meiner medizinischen Situation sind. Gerade Kurzurlaube, verlängerte Wochenenden oder ein Urlaub in Österreich ist kein Problem. Ich würde je nach Situation, in der Sie sich gerade medizinisch befinden, dies mit dem Arzt besprechen.
Wie kann ich damit umgehen, wenn ich Angst vor der Zukunft habe?
Die Schwierigkeit bei der Angst ist, dass sie sich vermischt und diffus ist. Eine klare Angst ist: Was bedeutet ein Immunozytom für mich? Was bedeutet die Therapie für mich? Es bedeutet in der Regel, dass ich über viele Jahre eine chronische Erkrankung habe, die man sehr gut behandeln kann und dass ich darauf zählen kann, dass es Therapiefortschritte gibt. Diese sehen wir auch in den klinischen Studien, wodurch wir die Krankheiten immer besser behandeln können. Das Konzept der Waldenström Therapie ähnelt daher beispielsweise immer mehr der Therapie einer Blutzuckererkrankung oder einer Bluthochdruckerkrankung.
Ich denke, dass Ihre Angst, was die Zukunft in Bezug auf Morbus Waldenström bringt, am besten in Zusammenarbeit mit den Betreuungsteam, den Ärzten, die in klinischen Studien mitarbeiten und dem Tumorzentrum aufgeklärt werden kann. Wie ist der Fortschritt, was tut sich bei dieser Erkrankung gerade? Das ist wirklich viel.
Die Angst ist auch ein Motivator, sie triggert und löst Dinge in mir aus. Wie kann ich meine Angst kanalisieren? Zum Beispiel in Sport oder der Beschaffung von Informationen. Es hilft auch die Angst auszusprechen und sie nicht in sich hineinzufressen, beispielsweise mit dem Partner, den Eltern oder Kindern. Bei der Angst ist es schwierig, dass sie sich oft vermengt. Sie ist diffus und es kommen andere Ängste, wie die Pandemie, die Ukraine Krise, die Wirtschaft und tagesaktuelle Ereignisse hinzu.
Das alles kann zusammenkommen, sodass man sich in einer Abwärtsspirale bewegt. Es ist dann hilfreich, sich Ankerpunkte zu suchen. Was kann ich hier und jetzt tun? Wie kann ich Menschen, die bedroht sind helfen, auch wenn ich krank bin? Wie kann ich mir selbst, bei meinem Morbus Waldenström helfen? Wie kann ich der Krankheit den Raum geben, den sie bedarf, aber auch nicht mehr als notwendig? Wie kann ich den gesunden Anteilen von mir, den Platz und die Aufmerksamkeit geben, den sie brauchen? Wenn ich darin eine Balance finde, wenn auch nicht immer, dann wird mir das helfen die Angst zu bewältigen.
Hier geht es zum Video-Interview: „Sich selbst motivieren”