7. Schizophrenie verstehen – alle Fragen

Schizophrenie ist eine psychiatrische Erkrankung und tritt am häufigsten im frühen Erwachsenenalter auf. Sie hat viele Gesichter und zahlreiche Symptome. Dr.in Daniela Petrin-SchrempfFachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, beantwortet die wichtigsten Fragen rund um die Krankheit Schizophrenie.

Schizophrenie verstehen

Was ist Schizophrenie?

Schizophrenie ist eine sehr breite Diagnose. Es gibt alle möglichen Ausprägungen, von schizophrenen Menschen, die völlig unerkannt unter uns leben, die völlig integriert in den Alltag und die Arbeitswelt sind, die Familie und Kinder haben. Bis hin zu massiveren Ausprägungen mit schwersten Verläufen, die oft nicht mehr arbeitsfähig sind und zeitweise auch in verschiedenen Einrichtungen versorgt werden müssen.

Was heißt Schizophrenie grob gesagt? Schizophrenie ist eine Verkennung der Realität. Das heißt die Realität, auf die wir uns geeinigt haben, welche wir gemeinsam wahrnehmen wollen, ist völlig anders. Die Realität die für schizophrene Patienten eindeutig,  unkorrigierbar und oft durch viele unterschiedliche Symptome geprägt ist, unterscheidet sich deutlich von der gemeinsamen, von „unserer“ Realität.

Wie wahrscheinlich ist es an Schizophrenie zu erkranken?

Dass man einmal im Leben an einer Schizophrenie erkrankt ist gar nicht so selten. Der Prozentsatz in seinem Leben zumindest an einer Episode einer Schizophrenie zu erkranken, unterscheidet sich in verschiedenen Kriterien. Wenn man sehr eng diagnostiziert liegt er zwischen 0,3 und 0,6%. Wenn man das Spektrum etwas weiter setzt, liegt er bei 1%, teilweise auch etwas höher.

Wer ist am häufigsten davon betroffen?

Die Häufigkeit der Erkrankungen bei Schizophrenie ist unterschiedlich. Die Geschlechterverteilung ist 2:1, das heißt es sind zwei Mal so viel männliche  wie weibliche Personen betroffen. Jedoch ist es bei Frauen so, dass es einen zweiten Gipfel gibt, besonders dann, wenn Frauen in die Menopause kommen. Dieser entsteht aufgrund der Veränderung der weiblichen Geschlechtshormone in der Menopause.

Ist die Schizophrenie eine psychische Erkrankung?

Schizophrenie ist eine psychische Erkrankung, eine F20 Diagnose, das heißt sie gehört zu den psychiatrischen Erkrankungen, zum psychotischen Formenkreis. Das heißt aber nicht, dass jede Schizophrenie immer behandelt wird. Ganz viele sind unerkannt, viele Leben unter uns mit manchmal mehr oder weniger Einschränkungen.

Wenn es jedoch eine Schizophrenie ist, die zu einer deutlichen Einschränkung der eigenen Lebensqualität, der Umweltbedingungen oder der Lebensqualität von Menschen, mit denen man gemeinsam lebt oder arbeitet, wie Familie oder Freunde führt, dann ist sie auf jeden Fall behandlungsbedürftig.

Was passiert bei Schizophrenie im Gehirn?

Das ist eine spannende Geschichte. Wir können das Ganze aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten.

Eine mögliche Untersuchung wäre das MRT, die Magnetresonanztomographie. Dies ist eine Untersuchung, die mit magnetischen Wellen arbeitet und keine Strahlenbelastung hat. Man fährt in eine Röhre hinein, in der es ein lautes Geräusch macht. Es gibt auch einen Notfallknopf, sodass der Vorgang bei Ängsten sofort gestoppt werden kann. Das Ganze dauert ungefähr 15 bis 20 Minuten. Bei dieser Untersuchung werden Schnittbilder, sozusagen Fotos vom Gehirn in unterschiedlichen Schichten gemacht. Wir sehen dadurch deutliche Veränderungen, besonders die Ventrikel betreffend.

In der erweiterten Diagnostik kann man feststellen, wie der Hirnstoffwechsel abläuft. Das Gehirn besteht aus einer grauen und einer weißen Substanz und wir besitzen viele Nervenzellen. Diese sind für unterschiedliche Dinge verantwortlich und produzieren Botenstoffe. Diese werden auch Neurotransmitter genannt und sind für viele notwendige  Funktionen zuständig. Beispielsweise, dass wir aufmerksam sind, dass wir uns konzentrieren können, dass wir geordnet denken können und dass wir Emotionen haben, nicht haben oder auch im Griff haben. Es gibt daher viele unterschiedliche Botenstoffe im Gehirn. Befinden sich manche Botenstoffe jedoch nicht im Gleichgewicht, wie es „normal“ ist, dann kommt es zu Auswirkungen. Im Rahmen der Schizophrenie handelt es sich um ein Ungleichgewicht des Botenstoffs Dopamin. Es kommt jedoch nicht immer eine Unterfunktion vor, je nach Stadium der Schizophrenie kann sowohl eine Unter- als auch eine Überfunktion auftreten.

Dies kann man mit der erweiterten Diagnostik, der Positronenemissionstomographie, auch PET genannt, darstellen. Dort kann man den Hirnstoffwechsel genau betrachten. Es wird in einer Radiologie durchgeführt. Spezifische Botenstoffe werden markiert, so kann man feststellen, welches Areal im Gehirn gerade arbeitet und es wird sichtbar, wo mehr oder weniger produziert wird.

Das sind alles Hinweise, jedoch wird die Diagnose einer Schizophrenie klinisch gestellt. Zur Absicherung der Diagnose kann ich auch weitere Verfahren in Anspruch nehmen. Das können unterschiedliche Diagnosekriterien oder Instrumente sein. Besonders psychologische Testbatterien können hilfreich sein, um den Verlauf oder die Sicherung einer Diagnose der Schizophrenie festzustellen.

Was ist Dopamin und was macht es im Gehirn?

Gerade Dopamin ist im Rahmen der Schizophrenie ein wichtiger Botenstoff. Das heißt die Medikamente, die im Rahmen einer Schizophrenie eingesetzt werden, beziehen sich meistens auf den Dopaminstoffwechsel.

Unter der Positivsymptomatik versteht man Halluzinationen, produktive Symptomatik und Wahn. Alles was „zu viel“ ist und für einen „normalen“ Menschen nicht vorhanden ist. Die Negativsymptomatik ist fast eine depressive Komponente. Personen sind im Affekt, das heißt in der Schwingungsfähigkeit herabgesetzt. Besonders bei schizophrenen Patienten ist oft von Beginn an die Konzentration schlechter. Je nachdem ob zu viel oder zu wenig Dopamin produziert wird, entsteht entweder die Positiv- oder die Negativsymptomatik. Dies ist abhängig davon, in welchem Stadium ich mich gerade befinde. Es gibt auch zwischenzeitlich freie Intervalle mit Medikation, welche sowohl an der Positiv- als auch an der Negativsymptomatik im Dopaminstoffwechsel ansetzen.

Welche unterschiedlichen Arten von Schizophrenie gibt es und wie finde ich heraus, welche ich habe?

Die paranoide Schizophrenie ist die häufigste Form. Es gibt auch die hebephrene Schizophrenie, die katatone Schizophrenie und die Schizophrenia simplex. Die katatone Schizophrenie ist die wichtigste Form und ein psychiatrischer Notfall. Darüber hinaus gibt es noch undifferenzierte Schizophrenien, eine Diagnose, bei der man nicht genau weiß, was es genau ist. Als schizophrenes Residuum beschreibt man die groben und häufigsten Formen der Schizophrenie.

Wie unterscheiden sich die unterschiedlichen Arten?

Die paranoide Schizophrenie ist die häufigste Form der Schizophrenie. Sie ist geprägt von Wahninhalten und Halluzinationen. Charakteristisch sind zum Beispiel Verfolgungswahn: „Die Leute reden über mich, sie sind alle gegen mich. Das Gefühl man wird überwacht, kontrolliert oder beeinflusst durch äußere Faktoren, wie beispielsweise durch Außerirdische, die meine Gedanken leiten, die ich nicht im Griff habe.“  Es handelt sich um paranoide Symptome, die sich jedoch außerhalb „normaler“ Verkennung befinden. Im Rahmen der paranoiden Schizophrenie ist die Person aber davon überzeugt dies sei die völlige Realität, der Betroffene ist davon überzeugt, dass es genauso ist.

Die hebephrene Schizophrenie ist eine Form, die oft sehr früh auftritt. Meist im Jugend- oder frühen Erwachsenenalter mit einem bereits schwerwiegendem Verlauf. Häufig durchgehend, manchmal auch schubhaft auftretend. Wie bemerke ich das? Oft ist es zu Beginn auffallend eine inadäquate, läppische Art, beispielsweise mit Lachen in einer traurigen Situation. Oft sind es chronische, lange Verläufe, die manchmal auch dazu führen, dass die Betroffenen eine gewisse Begleitung brauchen. Beispielsweise in Form von betreutem Wohnen, einer guten Familienstruktur oder einer externen Betreuung in Form von mobilen Diensten. Einfach eine Begleitung fürs weitere Leben, da der Verlauf meistens relativ schnell geht.

Die katatone Schizophrenie ist ein psychiatrischer Notfall. Von der Beschreibung her gibt es  unterschiedliche Arten. Es ist jedoch nicht leicht zu unterscheiden. Beispielsweise kann der Betroffene mutistisch stuporös sein. Eine katatone Person ist überhaupt nicht mehr erreichbar, sie ist nicht ansprechbar, reagiert nicht auf Ansprache oder Schmerzreize. Manche dieser Menschen können auch kataton im Sinne von einer Muskelanspannung sein. Diese Personen stehen oder liegen einfach, jede Muskelzelle ist in einer massiv hohen Anspannung oder sie liegen im Bett und rühren sich nicht. Sie stehen nicht auf, Essen und Trinken nicht. Selbst wenn ich probiere eine Hand zu bewegen, ist diese seltsam biegsam und ohne Reaktion. Warum psychiatrischer Notfall? Denn durch die Muskelanspannung im Körper kann es zum Abbau von Muskelfasern kommen. Diese Muskelfasern verstopfen folglich die tubuline Niere, welche ein Ausscheidungsorgan ist. Ohne Eingreifen kommt es zu Nierenversagen. Der Betroffene gehört daher akut behandelt und aus dieser lebensbedrohlichen Situation so schnell wie möglich befreit. Das geht auch gut und schnell, nur muss man da Hilfe geben.

Zum schizophrenen Residuum ist zu sagen, dass es oft lang bestehende Schizophrenie sind, die oft wenig Wahn oder halluzinatorische Phänomene haben. Sie sind eher geprägt von depressiven Komponenten, also einer Dysthymie, der Antriebslosigkeit, Freudlosigkeit und deutlichen Konzentrationsstörungen. Das sind oft Patienten, die schon jahrelang an einer Schizophrenie leiden und auch oft viel Medikation bekommen haben. Auch die Gehirnsubstanz ist häufig schon von einem Abbau betroffen.  Die Minussymptomatik steht im Vordergrund.

Ist die Behandlung je nach Art unterschiedlich?

Grundsätzlich ist die Behandlung nicht unterschiedlich. Es gibt jedoch unterschiedliche Ansätze. Man kann medikamentös behandeln, begleitend dazu psychotherapeutisch, psychoedukativ und soziotherapeutisch.

Außer bei der katatonen Schizophrenie, einem psychiatrischen Notfall muss ebenso darauf geachtet werden, dass der Körper wieder gut arbeitet. Dafür sind hochdosiert Benzodiazepine nötig, um diesen Zustand zu unterbrechen Antipsychotika, um die Realität wieder herzustellen und angehängte Flüssigkeit, beispielsweise Elo-Mel Isoton, um die körperlichen Funktionen aufrechterhalten zu können.

Hier geht es zum Video-Interview: „Schizophrenie verstehen“

Ursachen und Risikofaktoren der Schizophrenie

Welche Ursachen hat Schizophrenie?

Grundsätzlich sucht sich niemand die Diagnose Schizophrenie aus. Die Ursachen sind multifaktoriell, man kann nicht sagen man holt sich die Schizophrenie oder macht irgendwas falsch und wird daher schizophren.

Es gibt unterschiedliche Komponenten, eine davon ist die genetische Komponente. Das bedeutet wenn in der Familie jemand betroffen ist, beide oder ein Elternteil, dann ist die Wahrscheinlichkeit prozentuell höher, dass man eventuell an einer Schizophrenie erkranken kann. Das Risiko ist auch bei zweieiigen oder eineiigen Zwillingen erhöht.

Jedoch gibt es zahlreiche andere Faktoren, die zusätzlich eine wesentliche Rolle spielen, auf die man auch ein bisschen achten kann. Es ist aber unabhängig von der sozialen Schicht, Schizophrenie ist in allen vertreten. Vernachlässigung und Überbehütung können Faktor für eine Schizophrenie sein. Es ist daher wichtig auf die ersten Hinweise zu achten, wenn sich etwas verändert, auch als Angehöriger.

Negativ unterstützend wirkt der Drogenkonsum, besonders zwischen dem dreizehnten und neunzehnten Lebensjahr. Dazu zählt auch Cannabis. Denn in dieser Phase findet die Reifung des Gehirns statt und unsere Persönlichkeit entwickelt sich. Wir sind daher sehr vulnerabel, also anfällig auf jegliche toxische Substanzen. Weitere Ursachen können immer wieder auftretende extreme Belastungen, Traumatisierungen und Liveevents sein.

Jedoch bedeutet das Vorhandensein einer dieser Faktoren nicht, dass man eine Schizophrenie entwickeln muss. Schuld hat keiner daran, aber darauf achten und die Risikofaktoren so gering wie möglich zu halten macht absolut Sinn.

Ist Schizophrenie vererbbar?

Eine Schizophrenie ist vererbbar, besonders wenn beide Elternteile betroffen sind. Das heißt aber nicht, dass wenn beide Eltern betroffen sind man zu 100% als Kind auch eine Schizophrenie entwickelt.

Welche Risikofaktoren kann ich selbst beeinflussen?

Das Gute ist, dass man viele Risikofaktoren im Verlauf oder auch direkt zu Beginn einer Schizophrenie beeinflussen kann. Ich kann jegliche Art von Drogen vermeiden. Ich kann meinen Tag strukturieren und eine Routine oder Rituale zur Orientierung einhalten.

Ich kann meine Umgebung sensibilisieren und sagen: „wenn dir was auffällt, dann ruf wen an, hilf mir dabei.“ Ich kann schauen, dass ich meine Konzentration fördern, beispielsweise durch Gedächtnistraining oder auf Dinge, die mich begeistern. Sport ist auch sehr hilfreich, da er in unseren hormonellen und Botenstoff Rhythmus eingreift.

Ich kann schauen, dass ich ausreichend schlafe, denn ein guter Schlafrhythmus ist sehr wichtig. Ich kann mich bemühen meine sozialen Kontakte zu halten, dass ich rausgehe und gute Freunde habe, mit denen ich etwas unternehmen kann.

Die Diagnose Schizophrenie ist natürlich erschreckend, da man nicht weiß, was man jetzt damit machen soll und auch die Angst eine Rolle spielt. Es ist jedoch wichtig sich damit zu beschäftigen und es zu akzeptieren. Denn die Diagnose bin nicht ich, aber wenn ich es akzeptiere hat es eine Relevanz. Denn dann bin ich einsichtig und kann etwas dagegen tun. Ich bin handlungsfähig und kann selbstständig meine Medikamente nehmen, welche mich stabilisieren. Ich kann beispielsweise begleitend eine Psychotherapie besuchen.

Hier geht es zum Video-Interview: „Ursachen und Risikofaktoren der Schizophrenie“

Symptome und Verlauf der Schizophrenie

Wie erkenne ich eine Schizophrenie?

Eine Schizophrenie beginnt oft erst retrospektiv, sodass man sagen kann okay sie hat zu diesem Zeitpunkt begonnen. Es gibt rückblickend Schizophrenien, die bereits im Kindesalter begonnen haben.

Im Kindesalter werden keine Schizophrenie diagnostiziert, sondern erst ab dem achtzehnten Lebensjahr. Jedoch sieht man retrospektiv, dass sich bereits Schizophrenien im Alter von dreizehn bis vierzehn, manchmal sogar früher entwickeln können.

Meistens fällt es zu Beginn der soziale Rückzug und ein Leistungsknick auf. Das heißt oft gibt es in der Anamnese Schulabbrüche, die Freunde verändern sich oder man hat keine mehr. Die Stimmungslage ändert sich, man erreicht sich im Gesprächen nicht mehr so gut, sie flachen affektiv ab.

Auf welche Warnzeichen kann ich achten, um frühzeitig auf eine Schizophrenie aufmerksam werden?

Bei Kindern ist es oft so, dass sie in imaginären Welten leben. Dass sie das Gefühl haben sie stehen ein bisschen neben sich, ich schaue manchmal zu, als wäre ich in einem Film. Dann spricht man von Derealisation und Depersonalisationsphänomenen. Wenn sie dann älter werden, zwischen achtzehn und fünfundzwanzig, kommen noch andere Phänomene dazu. Das sind insbesondere die Halluzinationen. Diese können alle Qualitäten und Modalitäten haben. Dazu gehören die akustischen Halluzinationen in Form von Stimmen hören und die optischen Halluzinationen, dass man etwas sieht, was ein anderer nicht wahrnimmt.

Wie kann ich zwischen pubertärem Verhalten und einer Schizophrenie unterscheiden?

Das ist oft gar nicht so einfach, da gerade die Pubertät eine eigene Entwicklungsphase ist. Gerade im Alter zwischen siebzehn und achtzehn kommt es zur Organisation der Persönlichkeit. Junge Erwachsene oder Jugendliche müssen sich erst finden und die pubertierende adoleszenten Krise ist schwierig von den erstens Symptomen einer vielleicht entstehenden Schizophrenie zu unterscheiden.

Manches ist nämlich ähnlich, auch pubertierende Kinder können sich mal zurückziehen, in der Schule schlechter werden oder Drogen konsumieren. Im Rahmen der Schizophrenie ist der wesentliche Faktor die Ich-Störung. Zu Beginn ist es nicht zu unterscheiden, aber wenn man etwas bemerkt, hilft es einfach mitzudenken und zu unterstützen, ohne zu überbehüten.  Dass man ein Auge darauf hat, ohne alles für das Kind zu regeln und auch das Kind aufmerksam macht. Beispielsweise in Form von Nachhilfe oder zu schauen, dass keine Drogen konsumiert werden. Auch liebevolle Zuwendung und Struktur können halt geben.

Wie es wirklich ausgeht, ob es eine pubertäre Krise ist, was ja häufig und normal ist oder ob sich wirklich eine Schizophrenie entwickelt, wird man erst retrospektiv, im Verlauf der nächsten Jahren erkennen können.

Was versteht man unter Positiv-/Plus- und Negativ-/ Minussymptomen?

Die Symptome der Schizophrenie können mannigfaltig sein. Grob unterscheidet man zwischen Positivsymptomatik und Negativsymptomatik.

Die Positivsymptomatik ist jegliche Art von Halluzinationen oder Wahngebilden. Halluzinant ist jemand, der die Realität verkennt. Dazu gehören akustische Halluzinationen oder auch das Stimmenhören. Die betroffene Person hört Stimmen, die wir nicht hören und diese Stimmen können unterschiedliche Qualitäten haben. Sie sind auch nicht durch die Person an sich beeinflussbar.

Es kann eine kommentierende Stimme sein, die sagt mir den ganzen Tag was ich tue. Es können dialogisieren stimmen sein, das heißt Menschen, die über mich sprechen, beispielweise auch Fabelwesen oder Gott. Es können viele unterschiedlichste Stimmen sein, die untereinander kommunizieren die teilweise auch nicht verständlich sind. Es können allerdings auch imperative Stimmen sein, die mir Befehle geben. Die harmlosesten Befehle sind „Geh dahin trink einen Schluck Wasser!“, im schlimmsten Fall können Sie auch sagen „Bring dich um“ oder „Tue jemanden anderem etwas“. Für die betroffene Person ist es unglaublich schwierig, manchmal unmöglich sich dagegen zu wehren. Unterscheiden davon muss man die innere, eigene lautwerdende Stimme.

Des Weiteren gibt es optische Halluzinationen, das heißt betroffene Menschen sehen Dinge, die wir nicht sehen. Das kann alles sein und sie wirken abgelenkt. Es gibt aber auch gustatorische Halluzinationen, Geschmackssensationen oder taktile Sensation. Beispielsweise fühlt es sich so an als befände sich ein Wurm am Körper oder als wäre ein Chip implantiert worden. Es gibt Geruchssensationen, die das Gefühl vermitteln es ist überall Gas in den Geschmackssensation und eine Vergiftung sei im Gange.

Der Wahn gehört auch dazu, möglich sind Verfolgungswahn, Beziehungswahn und Liebeswahn. Sie sind alle schwierig in den Griff zu bekommen. Die positive Symptomatik kann mit Antipsychotika behandelt werden.

Die Negativsymptomatik bewirkt, dass die Menschen sich zurückziehen, wo die Konzentration deutlich herabgesetzt ist und die Stimmung eher schlecht wird. Betroffene sind affektiv nicht erreichbar, das heißt man spürt den Menschen oft nicht, wenn man ihm gegenübersitzt. Diese Symptome können mit Antidepressiva behandeln werden.

Wie wirkt sich die Schizophrenie auf die Konzentration und das Denken aus?

Das sind die Symptome, die jeder um uns herum wahrnehmen kann. Die Konzentration ist im Rahmen der Schizophrenie deutlich gestört und das zeigt sich auf unterschiedlichen Ebenen. Wenn man im Gespräch ist mit dem schizophrenen Patienten und er dir einen Gedanken mitteilen möchte, bemerkt man oft dass er einen Satz anfängt und plötzlich abbricht. Das nennt man  Gedankenabreißen. Er springt in Gedanken und spricht von irgendetwas anderem weiter.  Er selbst bemerkt das jedoch nicht.

Es kann auch eine Gedankenausbreitung sein, Menschen, die es betrifft haben das Gefühl die Gedanken bereiten sich auf sein ganzes Umfeld aus. Ja weiß was er jetzt gerade denkt. Es kann aber auch ein Gedankeneingebung sein, als würde von außen jemand meine Gedanken lenken.

Es gibt auch das Auftreten von Neologismen, also Wortneuschöpfungen.  Betroffene verwenden neu erfundene Worte, die es eigentlich gar nicht gibt. Wenn man sie fragt können sie genau erklären, was sie bedeuten.

Wie unterscheiden sich die Symptome bei Kindern und Erwachsenen?

Wenn man bei Kindern den Verdacht hat, dass sich eine Schizophrenie entwickeln könnte, haben sie oft magische Welten, was für dieses Alter teilweise auch ganz normal ist. Sie sehen Fabelwesen und es können Derealisations- und Depersonalisations-Phänomene auftreten. Dies könnte ein Hinweis sein, denn prozentuell erkranken 0,3 – 0,68 im Kindesalter.

Im Erwachsenenalter sind eher die Symptome Halluzinationen und Wahn ausgeprägt. Auch Denkstörungen und Konzentrationsstörungen werden auffällig.

Verändern sich die Symptome im Laufe der Zeit?

Die Symptome können sich im Laufe der Zeit verändern. Grundsätzlich laufen die häufigsten Formen schubhaft ab. Es kommt zu einem psychotischen Übertritt, zur Exazerbation einer Schizophrenie oder eines psychotischen Schubs. Daraufhin gibt es eine Phase, in der es sich wieder bessern kann. Diese Phasen können wechseln.

Ein Fehlen von Symptomen beruht jedoch auf der Einnahme von Medikamenten. Das Ziel muss jedoch keine komplette Symptomfreiheit sein, diese kann in Fällen schwer zu erreichen sein. Das Ziel ist die persönliche Lebensqualität, die ich dem Patienten geben möchte, dass er für sich ein gutes Leben führen kann, egal wie das ausschaut. Einige Patienten wollen beispielsweise alle Symptome loswerden, andere möchten bestimmte behalten.

Was man zusätzlich in den Griff bekommen muss ist, wenn es zu einer Beeinträchtigung oder Gefährdung der eigenen Person oder der Umwelt kommt. Diese Betroffenen müssen unbedingt behandelt werden, um sie und andere zu beschützen.

Wie ist der typische Verlauf der Schizophrenie?

Der typische Verlauf ist phasenförmig und schleichend beginnend. Oft ist sie über Jahre nicht erkenntlich. Sie entwickelt sich oft mit einem psychotischen Schub, Realitätsverkennung und einer Progression. Das heißt es kann auch zu einem stabilen Verlauf kommen.

Es gibt auch Schizophrenien, die nur einen Schub im Leben haben. Viele haben jedoch mehrere Schübe im Laufe des Lebens, die mit Hilfe von einer Behandlung auch gut in den Griff bekommen werden können. Wichtig ist, dass der Patient diesbezüglich einsichtig ist, das heißt krankheits- und therapieeinsichtig.

Wie oft treten Schübe auf und wie gehe ich am besten damit um?

Die Schübe können unterschiedlich oft und auch unterschiedlich lang auftretend anhalten. Es ist individuell. Je länger ein psychotischer Zustand anhält, desto schlimmer sind die Auswirkungen. Je länger es unbehandelt bleibt desto mehr Nervenzellen gehen unter. Das hat Auswirkungen auf die Konzentration und die  Wahrnehmung haben. Je schneller man die  Schizophrenie behandelt, desto gesünder ist der Mensch auf Dauer.

Wenn ein einmaliger psychotischer Schub im Rahmen einer Schizophrenie auftritt, was es gibt, sollte man mindestens ein Jahr behandeln. Ab dem zweiten psychotischen Schub im Rahmen einer Schizophrenie sollte die Behandlung fünf Jahre andauern. Wenn es mehrfach ist, auch teilweise lebenslang.

Das Intervall zwischen den Schüben ist unterschiedlich. Es kann bereits eine Kleinigkeit dafür ausschlaggebend sein, egal ob positive oder negative Symptomatik. Wenn jemand an einer Schizophrenie erkrankt ist, ist die betroffene Person so sensibel, dass vieles einen Schub auslösen kann. Deshalb ist es wichtig nachzufragen und zu kommunizieren.

Hier geht es zum Video-Interview: „Symptome und Verlauf der Schizophrenie“

Der Weg zur Diagnose

Hat man nach einem Schub eine Schizophrenie?

Die Diagnose einer Schizophrenie könnte ich nach ICD-10, dem Katalog nach dem Diagnosen zustande kommen, bereits mit dem ersten Schub stellen. Dies kann theoretisch nach den dort vorgegebenen Kriterien gemacht werden.

Ich mache es jedoch nicht so. Denn wenn die Diagnose Schizophrenie erstmals gestellt wird, macht es etwas mit den Betroffenen und den Angehörigen. Es wird online recherchiert, wo nur die schlimmsten Informationen stehen. Die Diagnose einer Schizophrenie oder jegliche psychiatrische Erkrankungen tragen immernoch eine gewisse Stigmatisierung. Gerade weil die Schizophrenie so ein breites Krankheitsbild ist, von den Symptomen her und wie unterschiedlich die Menschen mit der Erkrankung leben.

Manchmal ist auch nicht wirklich gleich zu differenzieren, es ist eine akute vorübergehende psychotische Störung. Wenn ich anhand der Kriterien bemerke, dass Symptome einer Schizophrenie vorhanden sind, dann stelle ich die Diagnose einer akut vorübergehenden psychotischen Störung mit Symptomen einer Schizophrenie. Die Behandlung ist dieselbe. Schlussendlich brauchen wir die Diagnosen, damit wir untereinander miteinander reden können. Aber grundsätzlich muss ich das nicht tun. Das ist der Grund, warum ich es auch nicht tue, denn zeigen tut es erst der Verlauf.

Wann sollte ich unbedingt eine Ärztin/einen Arzt aufsuchen?

Oft bemerken die Betroffenen selbst, dass irgendwas komisch ist. Sie können es nicht benennen, sie fühlen sich daneben stehend, die Konzentration wird weniger oder sie bringen ihre Leistung nicht mehr zustande, sie fühlen sich irgendwie anders als die anderen und das wären die ersten Symptome.

Sobald es zu einer Einschränkung der persönlichen Freiheit und Lebensqualität kommt, sodass ich nicht mehr das tun kann, was ich gerne möchte und das Gefühl habe, ich kann mein Leben nicht mehr so gestalten wie ich es gerne möchte oder wie ich es früher gemacht habe, dann sollte man sich Hilfe suchen. Das heißt nicht, dass das jetzt gleich Schizophrenie als Diagnose sein muss, es kann auch etwas ganz was anderes sein. Vor allem es sich um eine länger andauernde Zeit handelt.

Es gibt unterschiedliche Institutionen, Ärzte oder Beratungszentren. Aber wenn ich das Gefühl habe, es könnte etwas psychiatrisches sein, dann würde ich einen Psychiater aufsuchen. Mit dem kann ich einfach mal reden, selektieren und mich orientieren, was es überhaupt sein könnte. Danach weiß ich ob etwas behandelt werden muss, was der richtige Umgang ist und wie ich mich selbst unterstützen kann.

Zu welcher Ärztin/zu welchem Arzt sollte ich bei Verdacht auf Schizophrenie gehen?

Wenn ich den Verdacht habe, dass ich an einer schizophrenen Erkrankung erkrankt bin, dann würde ich auf jeden Fall einen Facharzt für Psychiatrie aufsuchen. Das ist jemand der Medizin studiert und dann die Fachausbildung für Psychiatrie gemacht hat. Dies umfasst alle psychiatrischen Erkrankungen.

Ich kann auch zuerst zum Hausarzt gehen, wenn ich diesem wirklich vertraue und es ihm genau erkläre, wird er mich vielleicht weiter verweisen. Grundsätzlich ist der Facharzt für Psychiatrie der Spezialist, der kann nämlich wenn notwendig die richtige Medikation verschreiben.

Welche Frage wird mir die Ärztin/der Arzt stellen?

Der Arzt wird Sie begrüßen oder fragen, weshalb Sie zu ihm kommen. Dann wird er Sie fragen was Ihnen auffällt und was für Veränderung Sie bemerkt haben, was Sie beschäftigt. Egal wo Sie hingehen, am wichtigsten ist, dass sie ehrlich sind. Mit der Schweigepflicht bleibt alles in dem Raum, in dem Sie sich befinden, es darf nicht weitergegeben werden, außer mit ihrer Zustimmung. Wenn es eine gewisse Vertrauensbasis zu dem Menschen gibt dann erzählen Sie ihm wie es Ihnen geht, denn niemand kann in Sie hinein sehen. Wenn Sie sich unwohl fühlen, können Sie auch den Arzt wechseln.

Nur auf das was Sie dem Arzt ehrlich sagen, kann er dann mit Ihnen gemeinsam individuell besprechen. Denn egal bei welcher psychiatrischen Erkrankung, sie sind immer unterschiedlich, denn es gibt immer einen individuellen Mensch dazu. Besprechen sie wie es Ihnen geht, was Sie belastet, was Sie weg haben möchten, was Sie wieder haben möchten, denn dann kann man das gut gemeinsam lösen.

Wie kann ich mich auf das Arztgespräch vorbereiten?

Wenn ich zum ersten Mal zum Psychiater gehe, habe ich wahrscheinlich gar nicht viel. Wichtig sind Ihre Vorbefunde oder Medikamente. Ich kann mich durchaus vorbereiten, indem ich mir überlege, warum gehe ich überhaupt dort hin. Das kann ich mir zuhause aufschreiben. Beispielsweise wie es mir geht oder was mich belastet. Wenn Sie das erste Mal beim Arzt nervös sind vergessen Sie nichts. Hängen Sie sich den Zettel ins Haus und jedes Mal wenn Ihnen was einfällt, schreiben Sie es dazu.

Eine andere Möglichkeit ist, wenn ich eine Vertrauensperson habe, Freunde oder Familie, kann ich diese durchaus mitnehmen, wenn ich nicht alleine zum Arzt möchte. Diese kann entweder ein paar Sachen für mich sagen oder einfach unterstützend wirken. Zusätzlich gibr es den Vorteil, dass es vielleicht noch eine Außenperspektive gibt. Man kann vorab Bescheid sagen, dass man jemanden mitbringt oder auch unangemeldet mitbringen.

Wenn es bereits Behandlung gegeben hat macht es Sinn die Medikation, die man derzeit nimmt oder genommen hat mitzubringen. So kann man schauen, ob alles passt oder ob etwas verändert werden muss.  Was verträgt man nicht gut oder welche Allergien hat man. Als Frau ist es wichtig zu schauen ob man schwanger ist oder nicht schwanger ist. Geben Sie auch Bescheid, wenn Sie Medikamente selbst abgesetzt haben unregelmäßig eingenommen haben. Es passiert nichts, niemand schimpft mit Ihnen. So kann man genau schauen wo weiter angesetzt werden muss.

Wieso kann es manchmal notwendig sein, in eine Klinik zu gehen?

Manchmal ist es notwendig, dass man eine psychiatrische Klinik aufsucht. Da gibt es zwei Möglichkeiten, wie das passieren kann. Im besten Fall geht man freiwillig wenn man merkt es geht nicht mehr. Am besten ruft man die Rettung oder bittet eine Freundin oder einen Angehörigen mich in die Klinik zu fahren. Bitte nicht selber mit dem Auto fahren.

Wenn ich das nicht mehr kann, weil ich so in meiner eigenen gefangenen Realität bin, die aber eine fremde Realität ist, dass ich nicht mehr selbstständig reagieren kann, gibt es andere Möglichkeiten in ein Krankenhaus zu kommen. Oft reagieren dann Angehörige und rufen die Rettung oder die Polizei an. Es ist eine Hilfeleistung, wenn es Diese nicht geben würde, wäre das für den betroffenen Menschen fatal. Das heißt es gibt auch Menschen, die gegen ihren Willen in eine Klinik kommen. Das nennt man eine Zwangseinweisung, sie bekommen dort gegen ihren Willen eine Behandlung, weil es zu dem Zeitpunkt notwendig ist und sie diesbezüglich gar nicht selbst entscheiden können. Das ist einfach die Hilflosigkeit wenn man so in seiner Psychose ist, dass man selbst nicht mehr handlungsfähig ist.

Eine Zwangseinweisung oder eine kurzzeitige Unterbringung in einem geschützten Bereich ist notwendig, wenn man die Gefahr für Leib und Leben von sich selbst oder jemanden anderen abwehren. Es handelt sich um einen lebensbedrohenden Zustand für sich selbst oder jemanden anderen. Aber auch um überhaupt drauf zu kommen ob es eine Schizophrenie ist oder wenn es schwierig ist die richtige Medikation zu finden, kann es manchmal notwendig sein in eine Klinik aufgenommen zu werden. Oder wenn die Beeinträchtigung gerade so schwerwiegend ist dass ich rund um die Uhr jemanden um mich brauche.

Welche Untersuchungen sind notwendig?

Zu Beginn einer Schizophrenie ist es ganz wichtig, dass zahlreiche Untersuchungen gemacht werden. Ich brauche immer ein Gesamtlabor mit Blutbild, Leber, Elektrolyte und Schilddrüse. Einen psychotischen Übertritt kann aber auch eine Lues oder HIV Infektion verursachen. Das heißt folglich untersuche ich den Patienten auf Antikörper dieser Erkrankungen.

Zusätzlich  brauche ich immer ein EKG, um zu schauen, ob das Herz gut arbeitet, falls ich danach eine Medikation brauche. Ich brauche ein MRT, um auszuschließen dass eine Veränderung im Hirn vorliegt, die auch einen psychotischen Schub auslösen könnte. Ich mache ein EEG, um die Hirnströme zu messen und um eine Epilepsie auszuschließen. Im Rahmen des stationären Aufenthaltes könnte ich auch externe psychologische Testung durch einen Psychologen durchführen lassen, um Hinweise, wie eine erhöhte Vulnerabilität, auf eine schizophrene Entwicklung zu erhalten.

Wie lange dauert es im Durchschnitt, bis die Diagnose Schizophrenie gestellt wird?

Es dauert meist sehr lange, oft Jahre, bis die Diagnose gestellt wird. Schneller wird sie gestellt werden, bei Patienten, die oft in ein klinisches Setting müssen, weil dann der Verlauf der Erkrankung dokumentiert wurde. In der Normalbevölkerung sind viele Menschen, denen man die Diagnose der Schizophrenie geben könnte undiagnostiziert, die oft mit einer schlechten Lebensqualität ohne Behandlung leben. Erst im Verlauf kommt es bei einer deutlichen Beeinträchtigung zur Diagnose oder sie kommen gar nicht und erhalten so auch keine Behandlung.

Wieso ist es wichtig andere Erkrankungen abzuklären?

Es ist ganz wichtig andere Erkrankungen abzuklären, weil Psychosen unterschiedliche Ursachen haben. Es gibt viele psychiatrische Erkrankungen und nicht psychiatrische Erkrankungen, die zu einem psychotischen Schub führen können. Deshalb sind die Differentialdiagnose extrem wichtig. Ich muss ausschließen dass ich im Hirn etwas habe, ich muss jegliche andere hirnorganische Schädigung ausschließen. Drogen können ebenfalls zu psychotischen Schüben führen. Dann spricht man von einer drogeninduzierten Psychose. Dafür muss ich mir den Harn anschauen.

Ich muss andere Erkrankungen, wie HIV und Syphilis ausschließen. Ich muss differentialdiagnostisch andere psychiatrische Erkrankungen in Erwägung ziehen, bei denen es zu psychotischen Übertritten kommen kann. Beispielsweise im Rahmen einer schizoaffektiven Störung, akut polymorph psychotische Störung, bipolar affektive Störungen im Rahmen einer Manie mit psychotischen Symptomen oder einer Depression mit psychotischen Symptomen oder einer reinen schweren depressiven Episode mit psychotischen Symptomen die manchmal ähnlich ausschauen können. Aber im Verlauf sieht man ganz genau die Unterschiede. Deshalb braucht es einen Facharzt damit eine gute Diagnosefindung stattfindet und um andere Erkrankungen auszuschließen.

Hier geht es zum Video-Interview: „Der Weg zur Diagnose“

Leben mit Schizophrenie

Wie wirkt sich Schizophrenie auf meinen Alltag aus?

Der Alltag kann abhängig davon, welcher Schweregrad der Schizophrenie vorliegt unterschiedlich gut bewältigt werden. Wenn ich gut eingestellt bin, eine gewisse Struktur, Freunde und ein gutes familiäres System habe, kann man seinen Alltag sehr gut bewältigen. Das heißt die betroffenen Menschen sind oft auch arbeitsfähig, haben eine Beziehung und Kinder.

Wenn ein schwerwiegender Verlauf vorliegt, sind Strukturen ganz wichtig. Struktur in Form von Tagesablauf, Hobbys und Fixpunkten. Wenig Veränderung und Klarheit sind sehr zu unterstützen. Dies kann nur eine Halbtagstätigkeit sein, wenn man nicht arbeitsfähig ist, beispielsweise in eine Tagesstruktur zu gehen oder ein Arbeits- oder Berufstraining zu besuchen. Auch wenn Sie nur in einer Sportmannschaft integriert sind oder etwas machen, das Sie interessiert, ist förderlich. Gute soziale Kontakte und konzentrationsfördernde Beschäftigungen sind wesentlich. Denn in dem Moment, in dem ich mich konzentriere, haben keine anderen Gedanken Platz.

Bei schwerstwiegenden Verläufen kann es sich so auf den Alltag auswirken, dass ich allein manchmal gar nicht lebensfähig bin. Trotzdem habe ich Recht auf meine Lebensqualität. Das heißt ich lasse mich unterstützen, sei es zu Hause durch einen mobilen Dienst, der mir bei den Alltagstätigkeiten hilft, etwas mit mir unternimmt oder mich zu den Behörden oder dem Einkaufen begleitet. Wenn ich selbst gar nicht mehr kann und einen strukturierten Arbeitsablauf und eine Ansprechpersonen benötige, gibt es auch betreute Wohnformen. Es gibt Teilzeit betreutes Wohnen, wo man gemeinsame Aktivitäten macht und Vollzeit betreutes Wohnen, wo jemand rund um die Uhr da ist.

Was kann ich selbst tun, um die Schizophrenie zu beeinflussen?

Selbst kann man am allermeisten tun. Wenn man die Diagnose der Schizophrenie liest, dann glaub man immer es wäre nichts machbar. Das ist jedoch überhaupt nicht wahr.

Der wesentliche Punkt ist, dass ich meine Erkrankung akzeptiere. Wenn ich die Diagnose Schizophrenie habe, dann habe ich sie, denn bin ich krank. Eine psychiatrische Erkrankung hat immer einen bitteren Beigeschmack und weniger Akzeptanz. Aber wie ein Diabetiker regelmäßig seine Medikament nehmen muss, so müssen Schizophrenie Patienten dies auch tun.

Wenn ich für mich selbst akzeptiert habe, dass ich Schizophrenie habe und mich damit ein bisschen anfreunden kann, dann habe ich den größten Schritt meines Lebens getan. Denn dann habe ich mein Leben wieder in der Hand und bin fähig mein Leben selbst zu gestalten. Ich kann selbst entscheiden meine Medikamente regelmäßig zu nehmen, ich kann selbst entscheiden aufgrund der Stabilisierung meiner Schizophrenie mein Leben so zu lenken, wie ich es für mich möchte. Ich kann meine eigene Lebensqualität gestalten. Das bedeutet nicht, dass ich unbedingt arbeiten muss, aber ich führe mindestens ein Leben indem ich mit der Diagnose Schizophrenie zufrieden bin.

Über welche Rechte und Ansprüche sollte ich Bescheid wissen?

Wir sind alle eigenverantwortliche Menschen, mit oder ohne Erkrankung. Wenn ich mich behandeln lasse, das heißt ich bin im offenen Bereich einer Station oder ich bin im niedergelassenen Bereich, habe ich immer die Entscheidungsfähigkeit, ob ich das mache oder nicht mache. Denn ich mach es ja für mich.

Ausnahme dazu ist, wenn ich mich im geschützten Bereich einer psychiatrischen Anstalt befindet, das heißt ich bin in einem Bereich, wo jemand auf mich aufpassen muss. Denn im Unterbringungsbereich habe ich eine psychische Erkrankung und es besteht im Moment eine Gefährdung für mich selbst oder für einen anderen. Da kann ich nicht entscheiden, ob ich das Krankenhaus verlasse oder nicht. Das wird im Unterbringungsbereich immer durch einen Richter überprüft.

Im offenen Bereich, in der psychiatrischen Klinik, kann ich theoretisch immer gehen. Ob das Sinn macht oder nicht ist zu hinterfragen. Mein Recht ist es dort zu gehen. Im niedergelassenen Bereich kontrolliert niemand, ob ich die Medikamente nehmen oder nicht. Die Ausnahme ist eine rechtliche Auflage im Sinne eines forensischen Patienten. Ansonsten  habe ich immer selbst die Wahlmöglichkeit.

Wenn ich bemerke sie tut mir gut oder sie tut mir manchmal nicht gut, dann muss ich über die Nebenwirkungen reden. Man muss die richtige Medikation individuell für jeden finden, aber das Recht sie zu nehmen oder nicht zu nehmen hat jeder Mensch selbst.

Welche Auswirkungen hat die Schizophrenie auf meine Berufsfähigkeit?

Es gibt viele Menschen, die ganz normal einem Beruf nachgehen, auch Vollzeit in den unterschiedlichsten Positionen. Das sind auch Menschen, die studiert haben, in der Lehre tätig sind, Doktoren und Künstler mit der Diagnose Schizophrenie. Das ist quer aufgeteilt.

Es gibt auch Betroffene, die geringer belastbar sind mit mehr Konzentrationsschwächen und mehr Schüben, wo die Kognition deutlicher beeinträchtigt ist. Dann ist es nicht möglich einer Vollzeitbeschäftigung nachzugehen. Andere Formen der Schizophrenie sind nicht arbeitsfähig.  Bei Ihnen geht es darum, für sich selbst eine gute Lebensqualität zu kreieren. Ihnen steht auch eine Pension zu, nicht weil sie nicht wollen sondern weil es einfach nicht möglich ist bei schwersten Formen einer täglichen Arbeit nachzugehen.

Es ist daher wichtig beim ersten psychotischen Schub zu schauen, was ist das für ein psychotischer Schub. Wenn es eine Schizophrenie ist bitte dringend medikamentös behandeln. Je früher man damit anfängt, desto besser ist der Verlauf, desto weniger Schübe habe ich, desto besser kann man die Arbeitsfähigkeit erhalten.

Insgesamt gibt es unterschiedliche Methoden. Gerade bei den neueren Antipsychotika, gibt es auch eine Depot Medikation. Diese macht oft Sinn, da sie nur einmal im Monat, vierzehntägig oder alle drei Monate verabreicht werden müssen. So kann die Einnahme nicht vergessen werden und der Spiegel bleibt konstanten.

Empfohlen sind dauerhafte Behandlungen während der Schübe, Kontrollen beim Facharzt um eine Arbeitsfähigkeit und eine Integration in die Gesellschaft so schnell und dauerhaft wie möglich aufrechtzuerhalten.

Was muss ich bei der Berufswahl beachten?

Wesentlich ist, dass man die Berufswahl trifft, für die ich mich wirklich interessiere. Wenn ich das finde ist das sehr heilend und für die Zukunft sehr unterstützend. Es muss mir Spaß machen. Wenn ich eine Schizophrenie habe und bemerke: Ich brauche gewisse Stabilisatoren, ich brauche ein gutes Team, ich brauch wenig Menschen um mich herum, denen ich vertrauen kann, keine Riesenfirma. Dann würde ich schauen dass ich irgendwo einen Job bekomme, wo das vielleicht eher möglich ist.

Was eher nicht er förderlich ist, ist ein Schichtbetrieb. Beispielsweise zwei oder drei Schichten am Fließband mit hohem Leistungsdruck mit wenig Zeit und somit wenig Möglichkeit für Pause. Das setzt unter Stress und ist auch von der Medikation oft recht schwieriger einzustellen.

Man sollte Pausen machen können und eine gute Kommunikation im Job haben, sodass man vielleicht sogar mitteilen kann, wenn man eine Erkrankung hat und individuell eine Lösung in seiner Jobsituation finden kann.

Soll ich meine Schizophrenie beim Arbeitgeber ansprechen?

Das muss keiner tun, es ist jedem freigestellt. Ich würde es nicht machen wenn ich mich neu bewerbe. Ich würde nicht sagen: Ich habe eine psychiatrische Erkrankung. Man kann es jedoch machen, es ist jedem freigestellt, aber es ist keine rechtliche Voraussetzung.

Warum ist eine Behandlung bei Schizophrenie wichtig?

Eine schnellstmögliche Behandlung der Schizophrenie ist wichtig, damit es nicht zum Untergang von Nervenzellen kommt. Je schneller, dauerhafter und konsequenter ich durchgehend behandle, ohne dass ich die Medikation dazwischen absetze, desto besser ist der Verlauf. Daher ist wichtig schnell zu behandeln und zu diagnostizieren.

Des Weiteren hilft eine gute Struktur und Begleitung. Auch wenn es einem gut geht sollten Sie mal zum Facharzt gehen, damit er weiß, wie es aussieht und schnell reagieren kann, wenn irgendwas von außen kommt. Auch kleinere Dinge können zum Schub führen. Es ist wichtig sich selbst gut kennen zu lernen, um die Psychoedukation anzuwenden und Frühwarn-Symptome selbstständig zu erkennen und darauf zu reagieren.

Welche regelmäßigen Kontrollen sind wichtig?

Die Kontrollen sind unterschiedlich und abhängig davon, welche Medikamente man einnimmt. Bei jeder Medikation egal welcher Art, sagt man alle Vierteljahre. Auch wenn keine Symptome auftreten, sollte man eine Labor und eine EKG Kontrolle machen. Dies ist wichtig, da Antipsychotika eine Veränderung dieser hervorrufen können.

Kontrollen beim Facharzt sind individuell. Meine Patienten kommen einmal im Monat oder alle sechs Wochen, unabhängig davon, wie es Ihnen geht. Einfach um sich auszutauschen, ob etwas zu tun ist oder um sich gemeinsam wieder zu ordnen, einen neuen Weg aufzuzeigen oder etwas neues auszuprobieren.

Ist die Schizophrenie heilbar?

Das ist eine gute Frage. Was versteht man unter Heilung? Meine Definition von einer geheilten Schizophrenie ist eine gute Lebensqualität. Wenn der Betroffene alles machen kann, was er sich wünscht und damit zufrieden ist. Heilung heißt aber nicht, dass er dann keine Medikamente mehr braucht. Sie entsteht aufgrund der medikamentösen Therapie, und der Begleitung und durch die Struktur. Denn der Betroffene ist nicht die Erkrankung, die Erkrankung begleitet ihn nur. Wenn er die Medikamente absetzen würde, würde der Gesundheitszustand kippen. Alle aufrechterhaltenden Faktoren müssen bestehen bleiben.

Wer kann mich bei Schizophrenie unterstützen?

Es gibt ein klinisches Setting, den niedergelassenen Bereich an Psychiatern oder Fachärzten der Psychiatrie und der psychotherapeutischen Medizin. Es gibt Psychotherapeuten und Psychologen, an die ich mich wenden kann. Darüber hinaus auch psychosoziale Dienste und Beratungszentren, die viele Dinge anbieten, auch für Erstgespräche oder Gruppen.

Es gibt Selbsthilfegruppen und Gruppen für schizophrene Patienten, in denen sie sich austauschen können oder einfach etwas mit Gleichaltrigen unternehmen können. Es gibt spezielle Gruppen, wie beispielsweise Gruppen für Stimmenhören oder Gruppen übers Netz.

Es gibt Tagesstrukturen, die in Anspruch genommen werden können, mit unterschiedlicher Dauer und verschiedenen aktiven Themenbereichen. Es gibt Berufsorientierungs-, und Arbeitsorientierungs- Geschichten von diversen Organisationen, die angeboten werden.

Wenn Sie zusätzlich an einer Sucht leiden, können Sie mit spezifischen Einrichtungen Kontakt aufnehmen. Diese bieten Ihnen Beratungen mit Alkohol,-Sucht- oder Drogenberatungsstellen.

Hier geht es zum Video-Interview: „Leben mit Schizophrenie“

Geprüft Dr.in Daniela Petrin-Schrempf: Stand 25.01.2022

Die Kurse sind kein Ersatz für das persönliche Gespräch mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt, sondern ein Beitrag dazu, PatientInnen und Angehörige zu stärken und die Arzt-Patienten-Kommunikation zu erleichtern.