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chronisch krank und in einer Beziehung

Zeit um dankbar zu sein

Wenn der Partner/die Partnerin chronisch krank wird, kommen neue Herausforderungen auf die Beziehung zu. Im folgenden Gastbeitrag erzählt Ihnen die 34 Jährige Journalistin und Bloggerin Karina, was es heißt chronisch krank und in einer Beziehung zu sein, welche Herausforderungen auf einen zukommen und wie man diese meistert.

Plötzlich chronisch krank. Was nun?

Meine chronische Krankheit traf mich ganz plötzlich. Ich war gerade erst 24 Jahre alt und stand fest im Leben. Nur wenige Monate zuvor zog ich mit meinem damaligen Langzeitfreund in meine erste eigene Wohnung. In meinem Kopf malte ich mir bereits die nächsten zehn Jahre in der Zukunft aus: Familie, Haus, Kinder, Hund. Doch nichts von alledem traf ein. Stattdessen erkrankte ich wenig später schwer und meine Beziehung zerbrach.

Chronische Krankheit und Familie/Partnerschaft.

Egal in welchem Alter, unerwartet mit einer chronischen Krankheit konfrontiert zu werden ist ein Schock. Diesen zu verdauen und das neue Leben mit der Krankheit zu akzeptieren, ist ein langer Weg, bei dem die Betroffenen häufig alle Phasen der Trauer durchleben: Verleugnen, Zorn, Verhandeln, Depression, Akzeptanz. Doch selbst wenn man es endlich zur Akzeptanz geschafft hat, hören die großen und kleinen alltäglichen Probleme nicht auf. Und diese sind oft nicht nur für die Betroffenen schwierig, sondern gleichermaßen für deren Partner und Familie.

Herausforderungen.

Mit der chronischen Erkrankung kommt für Betroffene oft das Gefühl jegliche Kontrolle über ihr Leben verloren zu haben. Dieser Kontrollverlust führte für mich dazu, dass ich akribisch genau alles um mich herum plante, was meist auch meinen Partner betraf. In einer Beziehung zum Kontrollfreak zu werden, ist nicht förderlich. Hinzu kommt der Verlust vieler Körperfunktionen, finanzielle Sorgen und das generelle Gefühl, abhängig vom Partner zu sein. All diese Herausforderungen führen zu chronischem Stress, der eine Beziehung stark belasten kann.

Lösungen.

Mittlerweile bin ich seit zehn Jahren chronisch krank. Über diese Zeit habe ich viel dazugelernt und Wege gefunden, mit meiner Erkrankung umzugehen, meine Beziehung zu entlasten und ein glückliches Leben zu führen.

  • Kommunikation: Der ehrliche Austausch über die Erkrankung und die damit im Zusammenhang stehende psychische Belastung ist für mich der wichtigste Schritt. Verständnis und Empathie sind Vorraussetzungen für eine glückliche Beziehung – mit oder ohne Krankheit.
  • Adaptieren: Jeder, der mit einer chronischen Krankheit lebt, weiß, dass wir uns konstant verändern und anpassen müssen. Was heute noch körperlich möglich war, kann morgen schon Geschichte sein. Alltägliche Dinge, wie z. B. Lebensmittel einkaufen, wird plötzlich zur Herausforderung und es ist nicht immer einfach um Hilfe zu bitten. Adaptieren bedeutet für mich kreative Wege zu finden, wie ich Alltagssituationen selbstständig meistern kann, auch wenn mein Körper nicht immer kooperiert.
  • Zukunftsperspektive: Meinen Beruf nicht mehr ausüben zu können und damit finanziell abhängig von meinem Partner zu sein, war mental für mich schwer zu ertragen. Auch die Tatsache, dass ich obwohl ich den ganzen Tag zuhause verbrachte, nur bedingt fähig war mich um den Haushalt zu kümmern, half nicht. Der für mich wichtigste Schritt in dieser Zeit war einen neuen Sinn im Leben zu finden. Ein Ziel zu schaffen, das mir neue Wege ebnet, um unabhängig zu sein und ein eigenes Leben zu führen.
  • Psychische Unterstützung: Einer der wichtigsten Bewältigungsmechanismen im Umgang mit meiner Erkrankung ist für mich die Unterstützung durch meine Therapeutin. Unter konstantem Stress zu stehen und mit ständigen Sorgen zu leben, belastete meine Partnerschaft. Anstatt all meine Sorgen in meiner Beziehung abzuladen, spreche ich heute wöchentlich mit meiner Therapeutin und reduziere damit den Druck, der auf mir und meinem Partner lastet.
  • Selbsthilfegruppen: In der Vergangenheit habe ich festgestellt, dass ich in besonders schlechten Phasen oft all meine Ängste und auch meine dadurch entstehende schlechte Laune an meinem Partner auslasse, der meist nicht komplett verstehen kann, was mir durch den Kopf geht. In solchen Momenten kann es helfen sich mit Menschen auszutauschen, die im selben Boot sitzen und intuitiv wissen, was in einem vorgeht.
  • Auszeit: So vieles in meinem Leben dreht sich nur um mich: um meine Gesundheit, um meine Termine, um meine Schmerzen und vieles mehr. Dabei kann man schnell vergessen, dass auch der gesunde Partner Probleme haben kann. In meiner Beziehung schaffe ich gerne ‘krankheitsfreie’ Zeiten, in denen es nicht um mich geht, sondern nur um meinen Partner. Zusätzlich schaffe ich auch Momente, in denen wir beide eine Auszeit voneinander nehmen.

Viele Menschen sehen ‘Krankheit’ vor allem in einer Partnerschaft als etwas Schlechtes und Belastendes. Das stimmt jedoch nicht. Eine chronische Krankheit verändert die Weltanschauung und kann positiven Einfluss auf die Beziehung haben. Sind die anfänglichen Hürden erst einmal überwunden, bleibt am Ende eine etwas andere, aber trotzdem recht normale Beziehung – mit all ihren Ecken und Kanten.

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Karina Sturm

Karina ist eine Filmemacherin und Journalistin aus Deutschland, die derzeit in den USA lebt. Durch ihre Ausbildung zur medizinisch-technischen Laboratoriumsassistentin und die darauffolgende mehrjährige Tätigkeit in einer deutschen Forschungseinrichtung erlangte Karina ein breites medizinisches Wissen, das sie heute in den Journalismus einbringt. Aufgrund mehrerer chronischer Erkrankungen fand Karina 2013 ihre Leidenschaft für die Medienproduktion und ist seither als freie Journalistin tätig. 2019 beendete sie ihr Masterstudium mit der Produktion des Dokumentarfilms ‘We Are Visible,’ der Menschen, die mit dem Ehlers-Danlos-Syndrom leben, porträtiert. Karinas Fokus liegt darauf, Menschen mit Behinderungen in den Medien akkurat zu repräsentieren, um Vorurteile und Stereotypen abzubauen.

Hier finden Sie Karinas Website karina-sturm.com


Karinas neuestes Buch: Ratgeber Ehlers-Danlos-Syndrome. Komplexe Bindegewebserkrankungen einfach erklärt

Auf rund 200 Seiten führen sie Betroffene, Angehörige, sowie medizinisches Personal durch alle Schritte: von der Diagnose bis hin zum Management der EDS. Außerdem werden die Komorbiditäten und deren Behandlungsoptionen beleuchtet und hilfreiche Hinweise zu sozialrechtlichen Fragestellungen gegeben. Zusätzlich zum Text und den 30 Abbildungen können die Leser*innen außerdem umfangreiche Information in den 18 Videointerviews mit nationalen und internationalen Expert*innen finden.

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Autorin: Karina Sturm

Bildnachweis: Karina Sturm