Walter Ondrich hat mit 66 Jahren die Diagnose Parkinson erhalten und setzt sich seitdem für andere Betroffene als Leiter einer Selbsthilfegruppe ein. Seine Erfahrungen mit Parkinson hat er in einem Buch zu Papier gebracht und thematisiert vor allem die Früherkennung und seinen persönlichen Umgang mit der Erkrankung. Im Gastbeitrag mit selpers erzählt er über die Früherkennung von Parkinson und gibt hilfreiche Tipps für andere Betroffene.
„Was ist los mit mir?“ Dieser Gedanke verfolgte mich schon seit geraumer Zeit. Irgendwas passte nicht mit mir und ich war nicht mehr die Person, die immer aktiv und agil war. Statt eine treibende Kraft zu sein, verfiel ich immer mehr zu einem sprach- und willenlosen „Grantscherm“. Wo waren meine Fröhlichkeit und mein Humor geblieben? Stattdessen sind einige gesundheitliche Beschwerden meine Begleiter geworden und im Terminkalender haben die Arzttermine zugenommen. Allen Anschein trifft die landläufige Meinung zu, dass mit dem Alter die (eigenen) Krankheiten in den Mittelpunkt der Gespräche rücken? Dabei war ich es doch immer, der in Gesprächsrunden diesen Zustand mit einem humorvollen Bonmot aufzeigte und die „kränkliche“ Diskussion durchbrach. Auf einmal hätte ich zu diesem Lamentieren einiges beitragen können, wenn ich nur die Worte dafür gefunden hätte.
Eine Wesensveränderung war die „Sprachlosigkeit“. Oft stand ich stumm in einer Freundesrunde und wusste nicht, woher ich die Worte nehmen sollte, um mit meiner Umwelt kommunizieren zu können. Im Oberstübchen war nur eine Leere und keine geistreichen oder humorvollen Worte kamen in den Sinn, um mich bei Gesprächen beteiligen zu können. Dabei ist mir die Gabe geschenkt, mit schlagfertigen Statements eine Diskussion zu bereichern oder mit fröhlichen Wortspielen eine Gesprächsrunde zum Lachen zu bringen. Doch statt lauter und artikulierter Worte kamen nur heiser gekrächzte Wortfragmente aus meinem Mund. Diese Wesensveränderung belastete das Gemüt und zusätzlich wurde ich immer öfters aufbrausend und missmutig. Ein anderes Problem ließ mich vermuten, dass die Folgen des Älterwerdens schon mit 66 Jahren zu spüren sind. Es war eine deutliche Ungeschicklichkeit der Hände beim Essen oder bei motorischen Tätigkeiten zu erkennen. Innerlich beschimpfte ich mich dann als ungeschickten und alten Deppen. In dieser Phase kam eine zufällige Selbstbeobachtung. Ich sah mich selbst, wie ich mich ungewöhnlich langsam bewegte und einen Gegenstand von einem Platz auf die andere Seite des Tisches legte. Zugleich sah ich mich wie ein Fragezeichen im Raum stehen – die Knie leicht gebeugt und der Rücken mit den ständig schmerzenden Muskelverspannungen. Da kam in mir der Gedanke hoch: So kennt man das Verhalten von alten Menschen, die Parkinson haben.
Mit diesem Vergleich kam plötzlich aus den Tiefen des Gehirns ein vor vielen Jahren gelesener Satz in den Sinn: „Bei Parkinson kann der Geruchssinn verloren gehen“ und meine Geruchswahrnehmungen sind seit vielen Jahren kaum mehr vorhanden! Habe ich vielleicht Parkinson?
Die im Internet zu findenden Symptome waren dann ein Spiegelbild meiner körperlichen Schwächen und ein Aufzeigen meiner psychischen Verfassung. Mit erschreckender Klarheit waren meine erkannten Probleme im vollen Umfang in der Liste der Parkinson-Früherkennungssymptome zu finden. Aber nicht nur die mir aufgefallenen Hinweise waren Teil der frühen Symptome. Die gesamte Palette meiner körperlichen Probleme war vertreten. Sie alle bekamen nun einen Namen: „Morbus Parkinson“. Diese „Selbstdiagnose“ für Parkinson bestätigte Tage später der Neurologe der Ambulanz mit den Worten: „Herr Ondrich, ja sie haben mit Sicherheit Parkinson und ich bewundere sie, wie sie sich selbst beobachtet und die Krankheit im frühen Stadium erkannt haben. Ich wünsche ihnen alles Gute!“
Mit 66 Jahren begann dann das Leben mit Parkinson. Es ist eine erzwungene Partnerschaft für das restliche Leben und sie gilt „… in guten und in schlechten Tagen, bis der Tod euch scheidet!“ Eine zwischenmenschliche Partnerschaft beginnt mit einem Hoch der Gefühle. Doch das Zusammenleben begann mit einem mentalen Absturz und es wurde eine Fahrt mit der Achterbahn der Gefühlswelt. „Geschüttelt und nicht gerührt“ fühlte sich die erste Phase des Lebens mit Parkinson an und diese wird paradoxerweise als „Honeymoon-Phase“ bezeichnet.
Das Erkennen der Krankheit, das Leben mit dem unerwünschten Lebenspartner und die frühen Erkennungssymptome habe ich mit offenen Worten in meinem Buch „Mit 66 Jahren – PARKINSON!“ beschrieben. Die intimen Bekenntnisse sind mit ironischem Humor umschrieben. Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Lachen ist auch die beste Medizin. Beim Lachen wird die Lungenfunktion angeregt, das Blut wird mit Sauerstoff angereichert und Glückshormone werden ausgesendet. Darum sind die erlebten Situationen mit pointierten Cartoons nachgezeichnet und passende Witze sollen das Leben erheitern.
Mit positiven Eindrücken ist jede Krankheit leichter zu ertragen. Die Gründung der Selbsthilfegruppe und das Buch sind Beispiele für neue Herausforderungen im Leben mit Parkinson. Damit gewinnt man neue Perspektiven. Mit interessanten Zielen vor Augen, wird die unheilbare Krankheit als lästiges Anhängsel in den Hintergrund gedrängt.