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Depression: Was waren drei hilfreiche Dinge nach deiner Diagnose?

Zeit um dankbar zu sein

Obwohl durchschnittlich jede/r Fünfte im Laufe des Lebens an einer Depression erkrankt, wird wenig darüber gesprochen. Viele Betroffene fühlen sich gezwungen mit ihrer Diagnose alleine klarkommen zu müssen, weil sie nicht die richtigen AnsprechpartnerInnen finden. Zum Glück gibt es immer mehr Betroffene, die offen über ihre Krankheitsgeschichte sprechen und dazu beitragen, dass sie enttabuisiert wird. Dazu zählen auch Eva, Jenny und Nora, die in diesem Beitrag über hilfreiche Dinge nach ihrer Diagnose sprechen.  

Eva Jahnen

Vorab muss ich sagen, dass mir die Diagnose allein schon sehr geholfen hat. Vorher habe ich mich für meine vermeintlichen Schwächen sehr geschämt und mit fast niemandem darüber gesprochen. Das war unfassbar anstrengend und sehr kräftezehrend. Ich wusste ja nicht, dass mein Zustand kein persönliches Versagen war, sondern eine psychische Störung. Als ich dann die Diagnose Depression bekam, wurde mir immer klarer, dass ich für die Tage, an denen ich einfach nicht aus dem Bett komme, gar nichts kann und „einfach mal zusammenreißen“ überhaupt nicht hilft. Das hat mich dann auch ermutigt, immer mehr darüber zu sprechen, was uns auch zur ersten Sache bringt, die sehr hilfreich für mich war:

1. Mit FreundInnen und Familie über die Diagnose und meine Gefühle reden zu können und mich so zeigen zu können, wie ich gerade war, hat mir enorm geholfen. Ich durfte erkennen, dass niemand mein negatives Bild über mich selbst teilt und habe vor allem Verständnis, Mitgefühl und Unterstützung erfahren.

2. Klingt im Kontext anderer Erkrankungen wahrscheinlich eher lapidar, aber im Falle meiner Depression war das doch irgendwie etwas sehr Besonderes, weil ich es mir lange nicht erlaubt habe: Krankschreiben lassen! Das hat so viel Druck rausgenommen. Ich konnte endlich mal durchatmen und mir später auch Zeit nehmen um mit PsychotherapeutInnen zu telefonieren.

3. Neben der unerlässlichen Psychotherapie (auf deren Platz ich gerne viel weniger lange gewartet hätte) war für mich die sogenannte Psychoedukationsgruppe eine sehr augenöffnende Veranstaltung. Ich finde, davon sollte es viel mehr geben. Es war eine Gruppe, in der ich viel Theoretisches über meine Erkrankung lernen durfte. Das hat mir extrem geholfen, einen gewissen Abstand zu meiner Erkrankung einzunehmen und mich weniger ausgeliefert zu fühlen. Wir haben über Symptome, Wahrnehmungsverzerrungen und Behandlungsmöglichkeiten gesprochen. Wir haben uns gemeinsam über unser Erleben ausgetauscht, sodass ich mit der Erkenntnis herausging, dass Ich nicht einfach ein fauler, doofer, pessimistischer Mensch bin, sondern Antriebslosigkeit und negative Gedankenverzerrungen beispielsweise einfach Symptome meiner psychischen Erkrankung sind. Und der kann ich mich mit der richtigen Behandlung und viel Geduld auch etwas entgegensetzen.

Eva Jahnen

Eva Jahnen ist selbst Betroffene und gibt auf ihrem Instagram-Account Aufklärung. Sie hat erst vor kurzem ein eigenes Buch “Die Gedanken sind Blei” herausgebracht, welches andere Betroffene und Angehörige dabei unterstützt besser mit der Erkrankung umzugehen.

Hier findest du Eva’s Instagram

Jenny Buschtöns

Drei hilfreiche Dinge nach meiner Diagnose waren: Akzeptanz. Lernen über meine Probleme zu reden und zu begreifen, dass sie schlimm sind. Und 3. mir selbst mit mehr Respekt und Verständnis zu begegnen.

1. Akzeptanz. Das ist wohl der ganz große Schlüssel zu allem. In dem Augenblick, in dem ich anfing, alles loszulassen und zu akzeptieren, dass all der Ballast auf meinen Schultern jetzt herunterfallen wird und es ordentlich in meinem Leben scheppern wird, hatte ich aber endlich die Hände frei um mich auffangen zu können. Vieles haben wir selbst in der Hand, einiges nicht. Um zu begreifen, wo wir stehen und was uns da begleitet, hilft es manchmal, alles einmal abzuladen, sich alles genau zu betrachten und erstmal zu akzeptieren, dass man ab heute erst einmal eine Pause einlegen muss um so lange zur Mülldeponie zu fahren, bis man mit leichtem Gepäck weiterziehen kann.

2. Jeder hat sein eigenes Schicksal – nur weil es anderen Menschen schlechter geht, heißt es nicht, dass es dir gut geht. Mir hat es sehr geholfen, drüber zu reden. Je öfter ich es aus meinem Mund gehört habe, umso wahrer wurde es für mich und umso einfacher konnte ich auch Hilfe zulassen und erkennen, dass ich diese auch gebraucht habe!

3. Mit anderen Menschen bin ich sehr geduldig, nur mit mir selbst nicht. Durch die Diagnose und die daran verbundene Therapie habe ich gelernt, dass ich genauso wertvoll bin wie jeder andere Mensch auch – und dass es mir nur hilft, wenn ich mir selbst wohl gesonnen bin. Es ist schwer und ich schaffe es noch nicht immer – aber es ist ein Prozess, der ewig dauert, weil es Verhaltensroutinen sind, die sich teils über Jahrzehnte entwickelt haben … aber da komme ich dann wieder zurück zu Punkt 1. Wenn es nicht gut läuft, akzeptiere ich das, lasse es los und sage mir: Morgen probiere ich es wieder, mich mehr lieb zu haben.

Depression und Therapie

Jenny Buschtöns

Jennifer bloggt als „2 Seiten des Regenbogens“ auf Instagram über psychische Erkrankungen und unterstützt andere Betroffene und Angehörige durch ihre eigenen Erfahrungen und hilfreiche Tipps.

Hier findest du Jennifers Instagram

Nora Fieling

Schon früh hatte ich das Gefühl, irgendwie anders zu sein als die anderen Kinder in meinem Alter. Ich dachte über den Sinn des Lebens nach, verspürte eine Todessehnsucht und verletzte mich selbst. Erst als ich 19 Jahre alt war, wurde eine Ärztin auf mein Leiden aufmerksam und ich erhielt die Diagnose Depression.

1. Die Erkenntnis, dass ich unter einer anerkannten Erkrankung litt, war schwer und befreiend zugleich. Mein Zustand hatte einen Namen und es gab entsprechende Therapiemöglichkeiten.  Ich war nicht anders, verrückt oder unnormal, sondern krank.

2. Auch wenn die Diagnose für mich eine Hilfe war, so bedeutet das nicht, dass ich sie zugleich easy akzeptieren konnte. Dies hat nochmal seine Zeit gedauert, doch das ist eine andere Geschichte.

3. Neben der Diagnose an sich war für mich die Therapie bzw. die verschiedenen Therapien selbst sehr wichtig. Neben individuellen Selbsthilfestrategien war es für mich am bedeutsamsten zu lernen, erkennen und verstehen, dass alle Gefühle richtig und wichtig sind.

Nora Fieling Nora Fieling

Nora Fieling arbeitet haupt- wie ehrenamtlich in verschiedenen psychosozialen Projekten. Sie gibt Workshops, hält Vorträge und ist Ansprechpartnerin für Betroffene, Angehörige als auch (angehende) Multiplikator*innen im sozialen Bereich. 2020 veröffentlichte der Starks-Sture-Verlag ihr erstes Buch „Depression – und jetzt? Wegweiser einer Erfahrungsexpertin“, in welchem sie fachliche Informationen über Depressionen in einen fachlichen Kontext setzte. Auf ihren Social-Media-Kanälen leistet die Autorin einfühlsam und kompetent Informations- und Aufklärungsarbeit.

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Vielen Dank an euch, dass ihr eure Tipps mit uns teilt! Zusammen mit Nora und Jenny haben wir schon zwei weitere wichtige Gastbeiträge zu den Themen „Depression – Wie bekomme ich einen Therapieplatz?“ und “vom Hoffen, Scheitern und Wiederaufstehen” veröffentlicht, indem sie einige Tipps zur Krankheit geben. Auch die 24-jährige Cinzia lebt schon seit über 14 Jahren mir einer psychischen Erkrankung. In einem Gastbeitrag mit selpers spricht sie über Symptome bei Depression und wie sie trotz allem ihr Studium erfolgreich meistert.

Autorinnen: Eva Jahnen, Jenny Buschtöns, Nora Fieling

Bildnachweis: Mary Long, Andrea Schombaro Fotografie, beigestellt Fotos, bigstock.