Corona-Impfungen für chronisch Kranke
In der Experten-Sprechstunde beantwortet Prim. Lamprecht häufige Fragen zum Thema Corona-Impfungen und chronisch Kranke (Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Lungenerkrankungen oder Autoimmunerkrankungen uvm.) wie z. B. Welche chronisch kranken PatientInnen sollen sich impfen lassen? Wie gelangen chronisch Kranke zu einer Corona-Impfung? Sind alle Covid-19-Impfstoffe für PatientInnen mit einer chronischen Erkrankung geeignet?
[00:00]
Dr. Iris Herscovici:
Herzlich willkommen zur heutigen Experten Sprechstunde „Corona-Impfstoffe und chronische Erkrankungen“.
Mein Name ist Iris Herscovici. Ich bin eine der Gründerinnen vom selpers und werde die heutige Stunde moderieren.
Wir haben noch nie so viele Fragen bekommen zu einem Thema wie diesmal. Und das zeigt auch das große Informationsbedürfnis und auch die Verunsicherung, die es gibt in Zusammenhang mit chronischen Erkrankungen.
Wir werden uns heute den aktuellsten Wissensstand ansehen und vor allem auf die Fragen eingehen, die Sie uns geschickt haben, die sich stellen können, wenn man von einer chronischen Erkrankung betroffen ist.
Die Antworten auf Ihre Fragen gibt Herr Primarius Dozent Dr. Bernd Lamprecht. Er ist Lungenfacharzt und Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde am Kepler Universitätsklinikum in Linz. Er ist Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie und außerdem ein ausgewiesener COVID-19-Experte. Sie haben ihn wahrscheinlich im letzten Jahr öfters im Fernsehen gesehen.
Lieber Herr Primarius Lamprecht, ich freue mich sehr, dass Sie dabei sind, dass Sie sich Zeit nehmen für uns heute.
[02:48]
Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht:
Vielen Dank! Ich freue mich sehr, hier eingeladen zu sein und freue mich auf unser Gespräch.
(((Grundlagen zu Corona-Impfstoffen: Prinzipien, Unterschiede)))
[02:53]
Dr. Iris Herscovici:
Schön.
Bevor wir einsteigen und uns die Zusammenhänge zwischen Corona-Impfungen und verschiedenen chronischen Erkrankungen ansehen, würde ich gerne auf die Grundlagen zu den Impfstoffen eingehen, weil die auch sehr viel beitragen zum Verständnis, und zum Verständnis vor allem der Antworten, die dann zu den chronischen Erkrankungen kommen.
Es wird ja über die verschiedenen Impfstoffe, die in Österreich zugelassen sind, in einem Atemzug gesprochen, und sie werden oft verglichen. Es sind aber eigentlich unterschiedliche Wirkmechanismen.
Können Sie die verschiedenen Prinzipien, die hinter diesen Impfstoffen stehen, erklären und vor allem auch die Unterschiede zwischen den einzelnen Impfstoffen?
[03:40]
Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht:
Ja, sehr gerne.
Derzeit mit Stand 9. März haben wir ungefähr eine Situation, dass zwei unterschiedliche Impfstoffklassen zugelassen sind, wobei es in Wirklichkeit schon mehrere Anbieter sind.
Sie haben richtig gesagt: Wir unterscheiden
- sogenannte Erbgut-basierte Impfstoffe, die gerne auch als RNA- oder Messenger-RNA-Impfstoffe bezeichnet werden,
- und den zuletzt zugelassenen Impfstoff von AstraZeneca. Das ist ein Vektorimpfstoff.
Zusammenfassend für alle drei kann man sagen: Sie sind keine Lebendimpfstoffe. Das heißt: Hier wird nicht mit einem echten Virus gearbeitet, sondern es wird lediglich mit Informationen von einem solchen Virus gearbeitet. Streng genommen nur mit Informationen für ein Oberflächenmerkmal des Virus.
Das bedeutet auch, dass man an dieser Impfung keinesfalls erkranken kann, weil ja gar kein echtes Virus in den Körper kommt und damit auch keine Viruserkrankung ausgelöst werden kann.
Wie nun aber diese Information über das Aussehen des Virus in unseren Körper kommt und dann eine Immunreaktion auslöst, das ist etwas unterschiedlich:
- Bei den Erbgut-basierten Impfstoffen wird diese Information, also diese RNA, die praktisch der genetische Code für ein Oberflächenmerkmal des Virus ist, nur verpackt in eine Hülle und so direkt geimpft, kommt dann in eine menschliche Muskelzelle, wird dort übersetzt. Die Übersetzung führt dazu, dass ein Eiweißstoff und damit ein Merkmal des Virus zusammengebaut wird. Das Immunsystem erkennt dann dieses Merkmal, erkennt es als fremd und bildet eine Immunantwort dagegen aus.
- Beim Vektorimpfstoff, bei dem jetzt zugelassenen von AstraZeneca, ist es gar nicht so unterschiedlich. Aber die Information kommt auf einem anderen Weg in die menschliche Zelle. Und zwar benutzt man eben einen sogenannten Vektor. Ein Vektor ist ein Transportvehikel, ein anderes, für den Menschen eigentlich harmloses Virus. In diesem Fall ist es ein Schnupfenvirus, das bei Schimpansen vorkommt. Und diesem packt man nun eine Information praktisch als Gepäck hinzu, und zwar eine Information vom Corona-Virus. Wiederum eine Information für ein Oberflächenmerkmal dieses Virus, aber kein ganzes Corona-Virus. Diese Information kommt dann mit Hilfe des Vektors auch wieder in die menschliche Zelle. Und dann passiert dasselbe: Es geht das Oberflächenmerkmal zusammengebaut. Das Immunsystem kann es erkennen und eine Immunantwort ausbilden.
Und unter „Immunantwort ausbilden“ verstehen wir wieder bei allen Impfstoffen dasselbe, nämlich
- die Bildung von sogenannten Antikörpern. Das ist etwas, das wir dann auch gut messen können,
- und andererseits auch eine sogenannte zelluläre Immunität. Das heißt, dass auch bestimmte Zellen unseres Immunsystems in die Lage versetzt werden, später menschliche Zellen zu erkennen, die mit dem Virus infiziert sind und diese Zellen aus dem Verkehr zu ziehen.
[07:06]
Dr. Iris Herscovici:
Viele Zuschriften, die wir bekommen haben, haben auch eine gewisse Verunsicherung gezeigt, ob es qualitative Unterschiede gibt zwischen diesen einzelnen Impfstoffen. Gibt es sowas, oder sind die alle gleichwertig?
[07:23]
Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht:
Meines Erachtens sind diese Impfstoffe tatsächlich gleichwertig.
Und am besten kann man das daran erkennen, dass alle Impfstoffe von der europäischen Zulassungsbehörde geprüft und dann auch zugelassen und empfohlen wurden. Und so eine Empfehlung und Zulassung erfolgt eben nur dann,
- wenn einerseits die Wirksamkeit dieses Impfstoffes bestätigt werden kann
- und auch die Sicherheit dieses Impfstoffes gewährleistet ist.
Diese Qualitätsmerkmale,
- also Wirksamkeit
- und Sicherheit,
erfüllen alle derzeit in Europa zugelassenen Impfstoffe. Und daher sind sie als gleichwertig zu betrachten, wenn sie auch unterschiedlich erscheinen mögen, weil der eine bei Kühlschranktemperaturen gelagert werden kann, der andere ganz niedrige Temperaturen braucht, unterschiedliche Transport Voraussetzungen gegeben sind oder auch Unterschiede in den Intervallen zwischen der ersten und der zweiten Teilimpfung.
Letztlich zählt aber die Wirksamkeit und die Sicherheit. Und hier sind sie alle auf Augenhöhe.
(((Wirksamkeit)))
[08:30]
Dr. Iris Herscovici:
„Wirksamkeit“ ist dann ein Stichwort für mich. Es wird ja sehr viel über Wirksamkeit gesprochen. Aber wonach wird die Wirksamkeit beurteilt?
Und man hört dann auch immer: „… hat eine Wirksamkeit von soundsoviel Prozent“. Was sagen denn die Prozente aus?
[08:46]
Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht:
Ja, das ist tatsächlich eine sehr wichtige Frage, weil gerade diese Zahlen sind in der letzten Zeit vielfach berichtet und dann aber auch miteinander vermengt worden. Und das hat zu großer Verwirrung beigetragen.
Entscheidend ist einmal, dass man sich davon ein Bild macht: Was ist eigentlich das Ziel der Impfung? Das Ziel der Impfung ist im Wesentlichen, schwere Erkrankungsverläufe zu verhindern, d.h. Erkrankungen, die im Spital behandelt werden müssen oder gar eine intensivmedizinische Behandlung notwendig machen. Das ist das Ziel dieser Impfung.
Es ist nicht das Ziel, einen positiven Test verlässlich zu verhindern oder vielleicht ein geringes Symptom wie einen Schnupfen, eine vorübergehende Störung des Geruchs- oder Geschmackssinnes oder leichten Husten. Das zu verhindern ist nicht das Ziel dieser Schutzimpfung.
Und das Ziel, schwere Erkrankungen zu verhindern, das gelingt offensichtlich allen bisher in Europa zugelassenen Impfstoffen ausgezeichnet.
Es wird hier eine fast hundertprozentige Wirksamkeit bei allen Impfstoffen gesehen in Hinblick auf Vermeidung von schweren Erkrankungen. Und dass das zutrifft, sehen wir jetzt in Ländern, die schon eine höhere Durchimpfungsrate erzielen konnten, von Israel bis Großbritannien. Überall dort, wo schon ein größerer Teil der Bevölkerung geimpft wurde, sehen wir deutliche Rückgänge bei den Anzahlen der Krankenhauspatienten oder bei den Neueinweisungen ins Krankenhaus als Ausdruck, dass diese Impfung also ihr Ziel erreicht.
Daneben, und daher kommen unterschiedliche und auch von 100 Prozent abweichende Prozentangaben, haben die Impfstoffe natürlich auch einen gewissen Schutz vor milden Verläufen, d.h. sie schützen auch davor, überhaupt Symptome zu bekommen oder positiv getestet zu werden. Aber das ist nicht das wesentliche Ziel.
Daher werden diese Prozentzahlen manchmal auch ungerecht miteinander verglichen.
- Das Wichtigste ist die Verhinderung schwerer Verläufe. Das gelingt zu hundert Prozent.
- Die anderen Prozentsätze beziehen sich darauf, wie sehr es gelingt, jemanden mit der Impfung auch vor milden oder moderaten Verläufen zu schützen. Und hier bewegen wir uns bei diesen Impfstoffen ungefähr zwischen 60 und 80 Prozent im Hinblick eben auf milde oder moderate Verläufe bzw. das Empfinden von Symptomen.
[08:30]
Dr. Iris Herscovici:
Gibt es Erkenntnisse, ob diese Wirksamkeit anders gelagert ist bei Patienten mit chronischen Erkrankungen oder ob es da andere Arten von Nebenwirkungen gibt?
Wir haben da auch zwei Fragen von Patienten, die ich ausgesucht habe:
„Wie sieht es mit den Nebenwirkungen bei chronisch Kranken, z.B. COPD mit Langzeit-Sauerstofftherapie aus? Wie gefährlich sind diese? Und wie hoch ist das Risiko?“
und
„Ist bei Autoimmunerkrankungen ohne immunsupprimierende Medikamente mit einer stärkeren Reaktion zu rechnen?“
[11:55]
Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht:
Nun, prinzipiell ist zu sagen, dass die Impfstoffentwicklung natürlich, wie das meist ist, Personen einschließt, die solche Erkrankungen nicht haben. Daher sind ja auch andere Gruppen wie Schwangere z.B. nicht untersucht, weil gerade in der Impfstoffentwicklung und beim Suchen nach Freiwilligen für Impfstofferprobungen üblicherweise nicht-Menschen belastet werden, die an chronischen Erkrankungen leiden.
Umgekehrt kann man aber dennoch gute Schlüsse daraus ziehen, wie so ein Impfstoff, der bei überwiegend gesunden Menschen wirksam ist, bei Menschen wirkt, die an chronischen Erkrankungen leiden.
Und man hat diesen Impfstoff ja entwickelt, um gerade ältere Menschen und auch gerade chronisch erkrankte Menschen besonders gut schützen zu können. Denn es war klar, dass das jene Personengruppe ist, die am dringendsten einen Schutz durch eine solche Impfung benötigen wird und auch als erste in den Schutz einer solchen Impfung kommen soll.
Es ist nach allem, was wir bisher wissen, und nun sind ja schon viele Millionen Menschen geimpft worden: Es gibt hier keinen Hinweis, dass Menschen mit chronischen Erkrankungen gefährdet wären durch die Impfung. D.h., dass es dort nicht eine höhere Wahrscheinlichkeit für Nebenwirkungen gibt und dass man auch mit sogenannten Impfreaktionen nicht in einem deutlich höherem Maß rechnen muss.
Es ist denkbar, dass die Impfung nicht bei allen Menschen eine gleich starke Wirksamkeit entfaltet. Das hat weniger mit dem Impfstoff selbst als mit der Reaktion des Körpers auf diesen Impfstoff zu tun.
Solche Unterschiede sehen wir beispielsweise auch altersabhängig, dass also jüngere Menschen eine stärkere Immunantwort zeigen als ältere Menschen. Wir führen das auf das Älterwerden des Immunsystems zurück, das eben nicht mehr so reaktiv ist.
Vergleichen Sie es mit anderen, gut bekannten Impfungen, z. B. die Impfung gegen FSME, die sogenannte Zeckenimpfung. Hier ist seit langem bekannt, dass ältere Menschen dies in kürzeren Intervallen auffrischen sollen, z.B. alle 3 Jahre, während es bei jüngeren Menschen reichen dürfte, alle 5 Jahre aufzufrischen. Das heißt: Solche Unterschiede sind erkennbar. Und das ist auch etwas, das bei chronisch kranken Menschen, vor allem dann, wenn das eigene Immunsystem geschwächt ist, durchaus der Fall sein kann, dass die Antwort auf die Impfung nicht ganz so ausgeprägt ist.
Aber das lässt sich ja in späterer Folge gegebenenfalls durch eine Auffrischungsimpfung bestimmt ausgleichen.
Und viel wichtiger für den Moment ist, dass ein Schutz hergestellt werden kann, ohne dass eine Gefahr droht durch diese Impfung, für seine eigene Erkrankung einen Schaden zu nehmen oder gar nicht geschützt zu sein oder gefährdet zu sein.
[14:49]
Dr. Iris Herscovici:
Es wird ja auch viel über die neuen Mutationen gesprochen. Und die Frage: „Wie wirksam sind die Impfstoffe gegen die neuen Mutationen?“ Was sind denn die neuesten Erkenntnisse dazu?
[15:03]
Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht:
Da ist es wichtig, in Erinnerung zu rufen, dass zum Zeitpunkt der Impfstoffherstellung natürlich die, wenn man so möchte „Originalvariante“ oder jetzt gerne als „Wildtyp“ bezeichnete Variante praktisch zugrunde gelegen hat und die Impfstoffherstellung ermöglichte.
Varianten bedeuten Abweichungen von dieser ursprünglichen Form und damit auch die Gefahr, dass der Impfstoff, der ja auf diese ursprüngliche Form zielt, nicht ganz perfekt wirksam ist.
Jetzt sind wir im Moment in Kenntnis
- der sogenannten britischen Mutation,
- dann einer südafrikanischen
- und einer brasilianischen oder südamerikanischen.
Wir wissen, dass die Impfung bei der britischen Variante sehr gut wirksam ist:
- Und zwar alle derzeit zugelassenen Impfstoffe decken die bei uns ja momentan vorherrschende britische Variante ausgezeichnet ab, bieten hier also einen zuverlässigen Schutz.
- Bei der südafrikanischen Variante hat vor einigen Wochen der Impfstoff Hersteller AstraZeneca mit Daten aufhören lassen, dass hier ein verlässlicher Schutz vor milden und moderaten Verläufen nicht sichergestellt werden kann. Hier wurde eine Studie bei ungefähr 2.000 jungen Personen durchgeführt und es wurde gezeigt, dass hier eben milde Verläufe nicht verlässlich verhindert werden können. Man sah zwar keine schweren Verläufe, allerdings ist das in einer relativ kleinen Gruppe und auch bei relativ jungen Menschen nicht allzu verwunderlich. D.h. über schwere Verläufe weiß man bei diesem Impfstoff noch nichts.
Bei den anderen Impfstoffen weiß man hier auch noch nicht verlässlich, inwieweit sie hier einen Schutz bieten. Es gibt Untersuchungen mehr oder weniger nur im Labor. Das heißt, das Blut von Genesenen und dort enthaltene Antikörper wurden getestet. Und es scheint so zu sein, dass bei der südafrikanischen Variante alle Impfstoffe gewisse Schwächen zeigen, aber nicht völlig wirkungslos sind.
- Bei der brasilianischen Variante sieht es nach derzeitigem Kenntnisstand etwas besser aus. Hier dürfte der Schutz durch die derzeit verfügbaren Impfungen besser sein als bei der südafrikanischen Variante. Aber ganz exakte Prozentzahlen kann man hier noch nicht angeben.
Kurzgefasst: Für die ursprüngliche Variante und für die bei uns derzeit vorherrschende britische Variante besteht durch die Impfung ein ausgezeichneter Schutz. Andere und wohl auch noch zukünftig entstehende Varianten werden wahrscheinlich diesen Schutz zumindest teilweise einschränken, aber nicht völlig aufheben.
Daher ist eine Impfung in jedem Fall empfehlenswert.
(((Sicherheit)))
[17:46]
Dr. Iris Herscovici:
Wir haben auch viele Fragen in Richtung Sicherheit bekommen.
Vor allem waren Patienten auch etwas verunsichert, weil diese Impfstoffe sehr schnell entwickelt werden konnten.
Wie wurde denn da die Sicherheit sichergestellt und wie war das überhaupt möglich, dass die Impfstoffe so schnell entwickelt werden?
[18:05]
Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht:
Tatsächlich ist diese Impfstoffentwicklung sehr viel schneller gegangen, als wir das in der Vergangenheit von anderen Viruserkrankungen gekannt haben.
Die Impfstoffentwicklung, die sonst manchmal fünf oder sieben Jahre in Anspruch nimmt, ist jetzt binnen Monaten, jedenfalls unter Jahresfrist gelungen. Und das führt natürlich zu berechtigten Fragen.
Auf der anderen Seite lässt sich diese Geschwindigkeit sehr gut erklären dadurch, dass es eben einen unvergleichbaren Ressourceneinsatz gegeben hat. Das heißt: Es wurde alles auf eine Karte gesetzt. Viele Firmen haben hier in Studien investiert und haben auch Studienphasen nicht, wie sonst üblich, hintereinander durchgeführt, sondern haben auch schon mit späteren Studienphasen begonnen, obwohl sie noch nicht ganz verlässlich wissen konnten, ob eine frühere Studienphase überhaupt so erfolgversprechend ist, dass sich dieses Investment in eine spätere Studienphase auch lohnen wird.
Das haben aber viele Firmen gemacht, weil der Druck und die Notwendigkeit eben so hoch gewesen ist.
Auf der anderen Seite darf man nicht unterschätzen, welche Rolle hier auch Freiwillige gespielt haben, die sich für diese Impfstoffentwicklung zur Verfügung gestellt haben. Und während üblicherweise das Interesse bei der Impfstoffentwicklung ein eher überschaubares oder sehr geringes ist, war es hier ganz anders. Man hat ja über Monate von nichts anderem gesprochen als von dem Corona-Virus. Es war also einfach, Menschen zu finden, die auch bereit waren, an einer Impfstoffstudie teilzunehmen. Daher war man auch in dieser Phase wesentlich schneller als sonst, weil die Rekrutierung von Freiwilligen ganz rasant möglich gewesen ist.
Und die Zulassungsbehörden wurden schon sehr früh in diese Impfstoffentwicklung eingebunden. Ihnen wurden also immer wieder Teilergebnisse bereits präsentiert, sodass sie am Ende relativ rasch ein Ergebnis abschließend beurteilen konnten und eine Zulassung aussprechen konnten. Auch das ist sonst nicht üblich und daher dauern dann die Zulassungsprozesse noch wesentlich länger.
In Summe kann man sagen:
- Es wurden alle üblicherweise durchzuführenden Studienphasen regulär durchgeführt.
- Es wurde hier nicht auf die Sicherheit vergessen.
- Es wurden ausreichend viele Menschen in den Studienphasen auch untersucht
- und die Ergebnisse ganz aussagekräftig dann auch interpretiert und kontrolliert.
Insofern würde ich keine mangelnde Sicherheit erkennen.
[20:40]
Dr. Iris Herscovici:
Ein überwiegender Teil der Fragen, die wir bekommen haben, ging in die Richtung: „Kann ich mit dieser oder jener Erkrankung überhaupt geimpft werden?“ Wir gehen dann noch auf die einzelnen Erkrankungen ein. Aber kann man ganz grob sagen: Gibt es Menschen, die nicht geimpft werden dürfen grundsätzlich? Gibt es Vor- oder Grunderkrankungen, die nicht empfehlenswert sind oder wo die Impfung nicht empfehlenswert ist
[21:11]
Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht:
Nein, einen solchen Ausschluss gibt es tatsächlich nicht.
Es gibt allerdings Personengruppen, für die wir momentan die Info noch nicht anbieten können:
- Das sind Menschen unter 16 bzw. unter 18 Jahren, weil es dafür noch keine ausreichenden Studiendaten gibt.
- Das sind z.B. auch Schwangere, für die es auch keine ausreichenden Sicherheitsdaten bisher gibt.
- Oder es sind Menschen, die eine bekannte Allergie auf einen Inhaltsstoff der Impfung haben. Dann ist natürlich zumindest genau dieser Impfstoff, wo der Inhaltsstoff ein Problem darstellen könnte, nicht empfehlenswert.
Bei den Erkrankungen ist es nicht so. Hier ist prinzipiell, wenn jemand nicht gerade im Moment einen akuten fieberhaften Infekt hat, die Impfung prinzipiell immer möglich und jedenfalls der bessere Weg als die Infektion.
Denn um das noch einmal klarzustellen: Die Impfung, die bietet ja nur eine Information zum Merkmal des Virus. Daran kann man nicht erkranken. Die echte Infektion mit dem Virus, die ja auch vor niemandem haltmacht, auch nicht vor Menschen mit chronischen Erkrankungen, die stellt aber tatsächlich ein Risiko dar, weil es hier zu schweren Verläufen dieser Viruserkrankung kommen kann.
(((Neurodermitis)))
[22:23]
Dr. Iris Herscovici:
Ich glaube, dazu passt auch ganz gut die Patientenfrage, die wir ausgewählt haben: „Mein Mann hat Neurodermitis und ein schwaches Immunsystem. Er raucht und hat Bluthochdruck. Bei Grippeschutzimpfungen hat er immer sehr heftig reagiert mit Fieber, Mattheit und Gliederschmerzen. Empfehlen Sie trotzdem eine Corona-Impfung?“
[22:45]
Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht:
Ja, ich würde in dieser Situation selbstverständlich die Impfung empfehlen.
Es ist durchaus damit zu rechnen, dass sogenannte Impfreaktionen auftreten. Ungefähr bei 2 von 3 Geimpften werden Impfreaktionen beobachtet.
- Impfreaktionen können örtlich sein, das heißt, Schmerzen und Rötung an der Einstichstelle, vielleicht auch eine Schwellung.
- Impfreaktionen können aber auch generalisiert auftreten, d. h. Kopfschmerzen, erhöhte Temperatur, Gliederschmerzen.
Und wir sehen bei dieser Impfung gegen das Corona-Virus, und zwar bei allen Impfstoffen, relativ häufig Impfreaktionen. Und das ist wohl auch auf den Umstand zurückzuführen, dass dieser Impfstoff auch dafür entwickelt wurde, schwere Verläufe verlässlich zu verhindern. Er wurde nicht unbedingt entwickelt, um völlig beschwerdefrei vertragen zu werden, sondern um sein Ziel zu realisieren: Schutz vor schwersten Erkrankungen.
Das rechtfertigt auch manche Impfreaktion.
- Und diese Impfreaktionen kommen bei den Erbgut-basierten Impfstoffen meist bei der zweiten Teilimpfung etwas deutlicher zutage.
- Bei den Vektor-Impfstoffen ist es üblicherweise bei der ersten Teilimpfung etwas mehr und dafür bei der zweiten dann etwas weniger.
(((Wechselwirkungen und zeitliche Abstände)))
[24:08]
Dr. Iris Herscovici:
Gibt es Erkenntnisse zu Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten oder anderen Impfungen?
[24:20]
Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht:
Idealerweise sollte man zu anderen Impfungen einen gewissen Mindestabstand lassen.
Das ist vor allem deswegen empfehlenswert, um Impfreaktionen voneinander trennen zu können. Würde man das binnen weniger Tage impfen, zwei oder drei verschiedene Impfungen, ist es ja nicht mehr möglich zu sagen: „Welche Reaktionen stammen von welcher Impfung?“ Das ist der Hauptgrund für diesen Abstand.
- Sonst ist es so, dass es ja hier um keinen Lebendimpfstoff sich handelt. Daher sind also keine besonders langen Abstände notwendig. Eine oder zwei Wochen sind hier durchaus ausreichend als Abstand zu einer anderen Impfung.
- Dauerhaft einzunehmende Medikamente, die also täglich einzunehmen sind, die brauchen selbstverständlich und können auch keinen Abstand haben.
- Bei anderen Medikamenten, die z.B. zyklusweise eingenommen werden, einmal im Monat oder alle zwei Monate: Hier ist es möglich, den Abstand so zu wählen, dass die Impfung vielleicht in die Mitte eines solchen Intervalls fällt und damit zu den beiden Verabreichungen ungefähr einen ähnlichen Abstand hat.
[25:28]
Dr. Iris Herscovici:
Wir haben auch viele Fragen von Menschen bekommen, die schon eine COVID-Infektion hatten und wissen wollen, ob es sinnvoll ist, sich trotzdem impfen zu lassen bzw. wie viel Zeit vergehen sollte zwischen der Infektion und der Impfung.
[25:46]
Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht:
Ja, eine Impfung wird prinzipiell allen Menschen empfohlen, auch jenen, die die Erkrankung schon einmal durchgemacht haben.
Es gibt hier allerdings nun mehrere Unterscheidungsmöglichkeiten.
Das eine ist: Wer die Erkrankung schon durchgemacht hat und also mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit augenblicklich noch einen Schutz genießt, der muss jetzt nicht unbedingt als erster geimpft werden.
In einer Zeit, in der der Impfstoff wahnsinnig knapp ist, macht es hier Sinn, dass andere, die noch gar keinen Schutz genießen, zuerst die Impfung in Anspruch nehmen.
Allerdings sollte man auch nicht zu lange zuwarten, denn wir wissen noch nicht verlässlich, wie lange man nach einer durchgemachten Erkrankung auch einen Schutz genießt. Wir gehen davon aus, dass er zumindest über mehrere Monate vorhanden ist, wohl mindestens sechs Monate. Manche Studiendaten zeigen auch an, dass es eine längere Zeit ist, die man nach einer durchgemachten Erkrankung einen Schutz genießt.
Aber das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich und hängt auch ein wenig von der Schwere der Erkrankung ab, die man durchgemacht hat: Hatte man überhaupt keine Symptome? War das also ein ganz milder Verlauf? Man wurde lediglich positiv getestet und war überrascht über dieses Testergebnis. Dann ist der Schutz mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit weniger lang bestehend als bei einer doch mit deutlichen Symptomen einhergehenden Erkrankung. Ungefähr ein halbes Jahr wäre man also hier zweifellos geschützt nach derzeitigem Kenntnisstand. Und innerhalb dieser Zeit müsste eine Impfung noch nicht zwingend erfolgen.
Danach würde ich allerdings nicht zu viel Zeit verstreichen lassen, denn die Impfung stellt eine sehr standardisierte gute Immunantwort her, die dann sehr lästig ist und vor einer neuerlichen Erkrankung gut schützen kann.
(((Impftermin-Anmeldung)))
[27:30]
Dr. Iris Herscovici:
Ich war überrascht, dass es doch viele Zuschriften gegeben hat von Menschen, die nicht wissen, wie sie sich anmelden können oder die Schwierigkeiten hatten, sich anzumelden.
Was haben Sie denn da für eine Empfehlung? Wie kann man sich anmelden, wenn man tatsächlich sich jetzt für die Impfung interessiert?
Wir haben da auch zwei Fragen von Patienten:
„Mein Mann und ich haben beide Krebs, mein Mann ein multiples Myelom, 80, und ich bin 76 und habe ein Lymphom. Was sollen wir machen, um so bald wie möglich zu einer Impfung zu kommen?“
Und eine andere Frage: „Ich habe eine pulmonale Hypertonie mit einer Herzinsuffizienz. Wird dies bei der Vergabe des Impfstoffes berücksichtigt bzw. kann man aktiv an der Art des Impfstoffes im Vorfeld Einfluss nehmen?“
[28:22]
Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht:
Nun, was die Anmeldung zur Impfung betrifft, so gibt es hier einerseits in den Bundesländern jeweils eine Möglichkeit, sich hier mit seinem Interesse zu registrieren. In manchen Bundesländern wird hier lediglich das Interesse, der Name, das Alter erfasst. Andernorts ist auch möglich, dass man bereits sogenannte Begleiterkrankungen oder Vorerkrankungen mit anführt, die darauf schließen lassen, in welcher Reihenfolge die Impfung dann erfolgen sollte.
Die wichtigste Anlaufstelle wird allerdings der eigene betreuende Hausarzt sein. Ich würde jedenfalls empfehlen, mit diesem oder dieser Kollegin Kontakt aufzunehmen, dort das Interesse zu deponieren und zu ersuchen, dann kontaktiert zu werden, sobald dieser Arzt, diese Ärztin über einen Impfstoff verfügt und Impfungen anbieten kann.
Die Hausärzte werden dann natürlich priorisieren und werden sowohl nach Alter wie auch nach Erkrankungen vorgehen und werden also jenen Menschen zuerst die Impfung anbieten, die sie auch am dringendsten benötigen.
Gerade die Hausärzte sollten ja über die Befunde, die sie haben, die Diagnosen, die sie kennen, die Arztbriefe, die bei ihnen zusammenlaufen, eine gute Information darüber haben, welche Risikofaktoren eben bestehen und in welcher Reihenfolge hier am besten vorzugehen ist.
Wenn zusätzlich zu den Hausärzten, und das erwarte ich, auch Impfstraßen in Österreich etabliert werden, dann wird dort ganz bestimmt auch nach genau diesen Kriterien vorgegangen werden. Das heißt nicht nur nach dem Alter, sondern dann zweifellos auch nach Begleiterkrankungen.
So ist das im derzeitigen Impfplan auch vorgesehen.
Wenn man also jetzt die Möglichkeit hat, sich zu registrieren, dann würde ich auf mehrere Karten setzen:
- Nehmen Sie bitte Kontakt mit Hausarzt/ Hausärztin auf.
- Versuchen Sie es auch unbedingt über die Angebote des jeweiligen Bundeslandes.
- Und wenn Sie im Spital betreut sind wegen einer sehr schweren chronischen Erkrankung, deponieren Sie auch dort bitte Ihr Interesse an der Impfung.
Denn es ist möglich, dass bei einem größeren Impfstoffangebot auch andere Einrichtungen neben dem Hausarzt mit Impfstoffen versorgt werden und dann Impfungen anbieten können.
(((nach der Impfung – Schutz und Hygienemaßnahmen)))
[30:52]
Dr. Iris Herscovici:
Sie haben vorher angesprochen, wie lange man nach einer COVID-Infektion geschützt ist.
Wie ist denn das nach einer Impfung? Wie lange dauert es, bis man nach der Impfung wirklich einen Schutz hat, und wie lange hält dieser an?
[31:07]
Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht:
Nun, wir gehen heute davon aus, dass man ungefähr zwei Wochen nach der ersten Teilimpfung schon einen ziemlich verlässlichen Schutz genießt, und ungefähr eine Woche nach der zweiten Teilimpfung dann einen perfekten Impfschutz.
Das ist einmal die gute Nachricht für den individuellen Schutz.
Und wir dürfen auch annehmen, dass dieser Schutz mindestens so lange besteht wie nach einer durch gemachten schweren Erkrankung. Also jedenfalls über mehrere Monate. Vielleicht auch ein Jahr. Das ist derzeit Gegenstand von Untersuchungen. Und ich bin überzeugt, dass wir hier nach dem Sommer dann Informationen haben werden, wann gegebenenfalls hier Auffrischungen notwendig sind und für welche Gruppe sie besonders dringend sind.
Der Schutz ist einmal das eine.
Daneben ist natürlich auch eine derzeitige Diskussion über die Übertragungsfähigkeit gegeben. Das heißt: Wir wollen ja gerne mit der Impfung nicht nur einen persönlichen Schutz für den Geimpften anbieten, sondern im Idealfall auch die Übertragung von dieser Person hin zu anderen Personen unterbinden.
Das ist nicht bei allen Impfungen, die es gibt, und zwar meine ich jetzt nicht das Corona-Virus, sondern andere Erkrankungen, gegen die wir impfen, überall möglich. Bei vielen aber gelingt dies. Und so wie es momentan danach aussieht, dürfte es auch beim Corona-Virus und den dafür zugelassenen Impfungen ganz gut gelingen, dass nämlich nicht nur ein individueller Schutz besteht, sondern auch diese Transmission, also die sogenannte Übertragung, reduziert wird.
Wir haben dafür noch keinen Beweis. Aber wir haben schon stichhaltige Hinweise, die sich immer mehr verdichten, von allen Impfstoffherstellen, die das sowohl in Studien untersucht haben, wie auch jetzt in den Nachuntersuchungen von den Impfungen in Ländern, die schon sehr große Teile der Bevölkerung geimpft haben. Und es sieht danach aus, dass das deutlich reduziert wird, indem beim einzelnen Geimpften die sogenannte Viruslast jedenfalls signifikant abnimmt. Und je weniger Viren im Körper sind, umso weniger kann jemand noch ansteckend sein.
Wir hoffen hier, sehr bald so genaue Informationen zu haben, dass man dann als Geimpfter auch weiß, inwieweit die Risikoreduktion für die Übertragung gegeben ist.
[33:29]
Dr. Iris Herscovici:
Das passt perfekt zu der nächsten Patientenfrage: „Wenn ich geimpft wurde, darf ich dann auf die Abstandsregeln und das Tragen von Masken verzichten?“
[33:39]
Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht:
Eine sehr berechtigte Frage, die natürlich auch mit eine Motivation darstellt, diese Impfung in Anspruch zu nehmen.
Aber im Moment ist es leider dafür noch zu früh. Und das hat mehrere Gründe:
Der eine ist der genannte, dass wir noch nicht so exakt wissen, ob neben dem persönlichen Schutz auch ein ganz verlässlicher Schutz vor Übertragung gegeben ist. Und insofern spielt man also auch als Überträger vielleicht noch eine Rolle. Und das kann man dann nur mit der Maske und mit Abstand verlässlich unterbinden.
Und auf der anderen Seite ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt Anfang März leider noch ein zu geringer Teil der Bevölkerung geimpft und damit geschützt, als dass wir auf diese anderen Maßnahmen wie Abstand, Maske, Händehygiene verzichten könnten.
Das mittelfristige und langfristige Ziel ist aber natürlich, eine gute Immunität in der Bevölkerung herzustellen und dann wieder zu jener Normalität zurückzufinden, nach der wir uns sehnen und die natürlich nicht durch Abstand und Maske gekennzeichnet werden soll.
(((Allergien)))
[34:50]
Dr. Iris Herscovici:
Sie haben vorhin Allergien angesprochen gegen Bestandteile des Impfstoffes. Und wir haben auch sehr viele Zuschriften bekommen von Menschen, die eine Allergie haben und die nicht wissen, ob sie dann eine Impfung sich geben lassen können oder vorsichtig sein müssen.
Ein paar Beispiele haben wir herausgegriffen:
„Ich habe verschiedene Allergien, Pollen, Hausstaub, Tierhaar, Gräser, Baum, Milch, Schmerzmittel. Kann ich mich trotzdem impfen lassen?“
„Was ist bei Patientinnen mit bekannten Allergien vor einer Impfung gegen COVID-19 mit einem mRNA-Impfstoff zu beachten?“
Und eine letzte Frage in dieser Gruppe: „Man geht ja, wie ich gelesen habe, davon aus, dass eine schwere Reaktion durch den Bestandteil PEG ausgelöst wird. Kann man sich vorher auf mögliche allergische Reaktionen auf die Impfstoffbestandteile testen lassen? Macht das Sinn?“
[35:48]
Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht:
Auch das ist eine ganz wichtige Frage oder eigentlich ein Fragenkreis. Denn viele Menschen leiden an Allergien. Ungefähr ein Drittel hat irgendeine Allergie oder Unverträglichkeit. Daher spielt das eine natürlich ganz, ganz große Rolle, hier Bescheid zu wissen.
Die Fachgesellschaft der Allergologen hat sich hier inzwischen klar festlegen können und empfiehlt die Impfung auch dann, wenn die genannten Allergien z. B. bestehen. Das wäre so von der Hausstauballergie bis hin zu Pollenallergie. Auch Unverträglichkeiten können hier durchaus bestehen. Und das ist kein Hinderungsgrund für die Impfung.
Wichtig sind allerdings folgende Einschränkungen:
- Eine Impfung ist dann nicht empfehlenswert, wenn jemand bei einer früheren Impfung gegen eine andere Erkrankung eine schwere allergische Reaktion gezeigt hat. Eine schwere allergische Reaktion ist ein Umstand, wo es nicht nur zu einer Hautirritation kommt, sondern wo es zu Kreislaufbeschwerden, vielleicht auch zu ausgeprägter Atemnot kommt. So ein Ereignis sollte ernst genommen werden und bedarf also im Vorfeld einer Corona-Impfung zumindest einer allergologischen Abklärung, eines Vorgesprächs mit einem Allergie-Spezialisten, vielleicht auch einer Vorbehandlung und jedenfalls dann einer guten Nachbeobachtung nach der Impfung.
- Bei allen anderen Allergien, die Sie genannt haben, reicht die übliche Nachbeobachtungszeit von 15 Minuten gut aus. So lange sollte übrigens jeder, der geimpft wird, an dem Ort der Impfung verbleiben, denn dort ist ausreichend medizinische Kompetenz vorhanden, um im Falle einer allergischen Reaktion auch rasch Hilfe leisten zu können.
- Bei den sogenannten Messenger-RNA Impfstoffen oder den Erbgut-basierten Impfstoffen wird Polyethylenglykol (PEG) als Art Trägersubstanz für diese Erbinformation benutzt. Gegen dieses Polyethylenglykol könnte man im ungünstigsten Fall allergisch reagieren. Das ist etwas, das zwar ausgesprochen selten zu erwarten ist, aber es wäre möglich. Die meisten Menschen werden davon schon Kenntnis haben. Denn Polyethylenglykol ist auch in vielen Kosmetika oder in anderen Körperpflegeprodukten enthalten, von Haarshampoos bis Seifen. Das heißt: Es ist unwahrscheinlich, dass jemand hier gar keine Ahnung hat, dass er empfindlich reagiert. Im Zweifelsfall kann man dies vorher testen lassen. Und dann sollte auch in jedem Fall eine entsprechend längere Nachbeobachtungszeit stattfinden.
Generell aber ist bei Allergien eine Impfung gut möglich. Nur bitte die 15 Minuten Nachbeobachtung unbedingt auch ernst nehmen.
(((Immunsuppressiva)))
[38:40]
Dr. Iris Herscovici:
Auch Menschen, die Immunsuppressiva bekommen, haben uns geschrieben und sind unsicher, ob sie eine Impfung haben könnten oder ob die Therapie ein Problem darstellt. Wie sehen Sie das?
[38:57]
Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht:
Ich glaube, für Personen, die eine solche Therapie durchführen, ist folgender Punkt der wichtigste:
Durch die Impfung besteht eben kein Risiko einer Erkrankung. Viele Menschen nehmen ja an, dadurch, dass das Immunsystem künstlich unterdrückt ist durch eine Therapie, die sie durchführen müssen, könnte dann bei einer Impfung eine Erkrankung ausbrechen. Das ist eben nicht möglich, weil ja hier nicht mit einem echten Virus geimpft wird, sondern lediglich mit Oberflächenmerkmalen, die bestenfalls für die Erkennung von solchen Merkmalen dienen, aber die keine Erkrankung auslösen können.
Insofern besteht hier keine Gefahr für Erkrankung durch die Impfung.
Die einzige Gefahr, die besteht, ist, dass das geschwächte Immunsystem vielleicht nicht ganz in dem Umfang auf die Impfung reagiert wie bei jemandem, der keine immunsuppressive Therapie durchführen muss.
Das lässt sich allerdings später im Zweifelsfall auffrischen. Das heißt: Hier könnte eine spätere Auffrischung gegebenenfalls ein kleines Defizit ausgleichen.
Daneben ist es messbar. Das heißt: Der Impferfolg wird in späterer Folge auch einmal messbar sein über eine Antikörperbestimmung. So eine kann dann Sinn machen zur speziellen Situation, wo jemand zweifelt, ob er zu einer vollen Immunantwort gekommen ist. Und er kann durch Überprüfung dieser Immunantwort sicherstellen, dass auch er einen verlässlichen Schutz genießt.
[40:33]
Dr. Iris Herscovici:
Das heißt: Patienten, die eine immunsuppressive Therapie bekommen, müssen nicht pausieren und können während der Therapie auch die Impfung bekommen. Richtig?
[40:44]
Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht:
Es gibt hier von mehreren Fachgesellschaften klare Empfehlungen, die sagen, dass diese notwendige Therapie, die für die Beherrschung der chronischen Erkrankung notwendig ist, nicht unterbrochen werden sollte, sondern konsequent durchgeführt werden soll, und die Impfung dennoch gut möglich ist.
Wenn man Therapien durchführt, die das Immunsystem besonders stark unterdrücken, ist es ratsam, mit seinem behandelnden Spezialisten dennoch vorher zu sprechen und mit ihm gemeinsam zu überlegen: Wann wäre der perfekte Zeitpunkt für die Impfung.
Üblicherweise sollte das bei einer chronischen Erkrankung in einer möglichst stabilen Phase sein. Das heißt: nicht gerade dann, wenn man einen Schub bekommen hat und diesen gerade wieder behandelt, sondern in einer stabilen Phase der Erkrankung wäre es günstig. Und wenn die Medikamente nicht täglich, sondern zyklisch gegeben werden, dann ist ein Abstand zu den Medikamentengaben durchaus sinnvoll.
Einzelne Medikamente könnten auch erwogen werden im Hinblick auf: ob man nicht impft, bevor man mit ihnen beginnt. Das heißt: Führt man gerade eine Therapie durch und es ist eine Therapieumstellung geplant, dann macht es auch hier Sinn, mit einem Spezialisten zu sprechen, ihn zu fragen, ob man vielleicht bevor man die Medikamentenumstellung durchführt, noch die Impfung in Anspruch nehmen sollte oder ob man mit dem Medikamentenumstellung gegebenenfalls auch noch etwas zuwarten kann, damit eben in einer möglichst stabile Phase der Erkrankung die Impfung erfolgen kann.
(((Autoimmunerkrankungen und Schübe]
[42:18]
Dr. Iris Herscovici:
„Schub“ war ein gutes Stichwort und Überleitung zum nächsten Block.
Wir haben auch viele Zuschriften bekommen von Menschen mit diversen Autoimmunerkrankungen. Und ich würde Ihnen gerne die eine oder andere Frage vorlesen, weil da auch der Schub angesprochen wurde:
„Ich bin 59 Jahre alt und seit 2012 an Eierstockkrebs erkrankt. Seit 2013 habe ich Rheuma. Aktuell befinde ich mich in Remission. Sind alle bisher verfügbaren Impfstoffe gleichermaßen für mich geeignet?“
„Guten Tag, Herr Dr. Lamprecht, ich leide seit 2013 an einer Thrombozytopenie und an einer atopischen Dermatitis. Darf ich gegen Corona geimpft werden? Welcher Impfstoff käme für mich in Frage? Habe gelesen, dass die RNA-Impfstoffe auch Lebend-Impfstoffe enthalten, die bei einer ITP nicht verabreicht werden dürfen. Bin 65 und weiblich.“
Vielleicht nehmen wir mal die 2 Fragen. Und dann kommen zwei andere noch.
[43:20]
Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht:
Ja, danke.
Bei der ersten Frage ging es um die Krebserkrankung und das Rheuma. In beiden Fällen ist die Impfung empfehlenswert und auch sicher möglich. Ich würde sie daher jedenfalls zum frühestmöglichen Zeitpunkt ans Herz legen.
Die zweite Frage mit der Thrombozytopenie: Hier ist zu beachten, dass einerseits die Thrombozytopenie keinen Hinderungsgrund für die Impfung darstellt. Eine Ausnahme wäre ein ganz, ganz niedriger Wert an Blutplättchen mit einer allerhöchsten Blutungsgefahr. Aber das wären Situationen, wie man zuhause ohnedies nicht verweilen kann, sondern im Krankenhausbehandlung sich befinden muss. Das heißt: Eine normalerweise stabile Thrombozytopenie, also eine reduzierte Zahl an Blutplättchen, stellt keinen Hinderungsgrund für die Impfung dar. Und die Messenger-RNA Impfstoffe sind eben keine Lebendimpfstoffe und sind daher, ebenso wie der derzeit zugelassene Vektorimpfstoff, in dieser Situation möglich.
[44:23]
Dr. Iris Herscovici:
Jetzt eine konkrete Frage zum Schub: „Bei mir wurde vor fünf Jahren eine rheumatoide Arthritis diagnostiziert. Kann die SARS-CoV-2-Impfung einen Schub auslösen?“
Und vielleicht gleich noch eine zweite Frage:
„Ich habe neben Mukoviszidose auch MS und SLE. Gibt es bereits aussagekräftige Erfahrungen mit dem AstraZeneca-Impfstoff bei Autoimmunerkrankten?“
[44:47]
Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht:
Ja, die Frage nach Schüben bei chronischen Erkrankungen ist eine wichtige.
Natürlich muss man einschränkend sagen: Genau solche Personen waren in den Impfstoffstudien üblicherweise nicht eingeschlossen. Und daher war es in diesen Studien nicht gut möglich zu beurteilen, ob es durch die Impfung hier überproportional häufig zum Auslösen von Schüben kommt.
Allerdings hat man zuvor durch die Erkrankungsausbreitung selbst das jetzt nicht gesehen. Das heißt: Man hat nicht den Eindruck gewonnen, dass Schübe chronischer Erkrankungen durch die echte Virusinfektion deutlich gehäuft sind.
Daher darf man auch erwarten, dass die Impfung hier keinen solchen Effekt haben wird.
Bisherige Beobachtungen aus Ländern, in denen schon große Teile der Bevölkerung und damit auch viele Menschen mit chronischen Erkrankungen geimpft wurden, geben dem bislang Recht.
Hundertprozentig ausschließen, dass es bei der einen oder anderen Erkrankung noch zu Beobachtungen kommen wird, wo doch Schübe etwas häufiger auftreten, kann man jetzt nicht.
Aber wir haben jetzt verlässlich keine Hinweise, dass das zu befürchten ist und würden daher gerade auch bei chronischen Erkrankungen, wo ja ein höheres Risiko für einen schwereren oder komplikationsbehafteten Verlauf besteht, die Impfung jedenfalls empfehlen.
(((Krebserkrankungen)))
[46:13]
Dr. Iris Herscovici:
Uns haben auch viele Krebspatienten geschrieben, die wissen wollten,
- ob es ganz spezielle Erkenntnisse gibt zur Corona-Impfung und Krebspatienten,
- ob sie etwas Bestimmtes beachten sollen
- und vor allem, ob alle Impfstoffe auch für sie infrage kommen.
[46:30]
Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht:
Ja, also auch bei Krebserkrankungen und laufender Therapie für so eine Krebserkrankung ist die Impfung gut möglich.
Auch hier handelt es sich sehr oft um Therapien, die in regelmäßigen Abständen gegeben werden. Dann wäre es nach Möglichkeit gut, die Impfung im Intervall zwischen zwei solchen Medikamenten-Verabreichungen durchzuführen, um auch Impfreaktionen optimal beobachten zu können und sie nicht mit Reaktionen auf die Medikamenteneinnahme für die Tumorerkrankung zu vermischen.
Aber möglich ist es hier und auch von den Fachgesellschaften empfohlen. Gerade diese Menschen benötigen einen Schutz. Und durch den Umstand, dass es sich um keine Lebendimpfstoffe handelt, keine Impfstoffe, die die Erkrankung selbst auslösen können, besteht auch für Menschen, die ja durch die Krebserkrankung geschwächt sind, hier kein erhöhtes Risiko.
(((vermindertes Immunsystem)))
[47:27]
Dr. Iris Herscovici:
Eine Frage, die in eine andere Richtung geht, ist: „Kann es sein, dass mein vermindertes Immunsystem eine zu geringe Immunantwort auf die Impfung gibt? Wie kann ich Sicherheit erlangen? Falls eine Antikörper-Untersuchung möglich ist, sollte ich dies machen?“
[47:43]
Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht:
Ja, diese Frage spricht etwas an, das wir zuvor schon einmal gestreift haben, nämlich den Umstand, dass schlicht das Immunsystem, sei es altersbedingt geschwächt oder sei es durch bestimmte Medikamente, die man einnehmen muss und die das Immunsystem dämpfen. Hier kann es sein, dass die Antwort auf die Impfung nicht so stark ausfällt wie bei jemandem, der eine solche Therapie nicht durchführen muss oder der um Jahrzehnte jünger ist.
Das bedeutet auch, dass der Schutz, der aus einer solchen Impfung entsteht, dann unter Umständen nicht im gleichen Umfang gegeben ist.
Allerdings gehen wir davon aus, dass auch Menschen, die eine geschwächte Antwort auf die Impfung zeigen, immer noch einen guten Schutz erfahren.
Wir wissen nur noch nicht exakt, wie lange dieser hält.
Und es ist denkbar, dass Menschen, die älter sind oder ein geschwächtes Immunsystem haben, eben aufgrund einer nicht ganz so starken Reaktion vielleicht etwas weniger lange Schutz genießen.
Das heißt auch: vielleicht etwas früher eine Auffrischung dieses Schutzes wieder benötigen könnten.
Das wird gegenwärtig verlässlich untersucht. Ich bin überzeugt, dass wir dazu auch bald Antworten haben werden.
Aber es ist jedenfalls kein Hinderungsgrund für die Impfung. Die Impfung macht in jedem Fall Sinn und bietet eine gute Chance, einen verlässlichen Schutz zu erwerben.
(((COPD/Lungenerkrankungen)))
[49:07]
Dr. Iris Herscovici:
COPD-Patienten oder Patienten mit einer Lungenerkrankung sind naturgemäß gerade durch Corona besonders verunsichert, was das für sie bedeuten kann. Und so haben uns auch viele COPD-Patienten vor allem geschrieben, dass sie interessiert wären, ob es schon Erkenntnisse gibt zur Impfung und COPD bzw. ob die Impfung die COPD oder den Krankheitsverlauf negativ beeinflussen kann. Und ein solches Beispiel: „Hallo, ich habe COPD-4, ein Lungenemphysem und 35 Prozent Leistung. Habe ein ungutes Gefühl, mich impfen zu lassen. Was raten Sie mir?“
[49:48]
Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht:
Ich würde die Impfung in dieser Situation jedenfalls empfehlen.
Die Lungenfunktion, die hier als eingeschränkt beschrieben wird, ist ja ein Risikofaktor, im Falle einer echten Viruserkrankung einen schwereren Verlauf zu erleiden. Und genau das möchte man verhindern.
Und wenn es eben gelingt, durch die Impfung, die nur um den Preis von meist leichten Impfreaktionen zu haben ist, wenn es also gelingt, mit dieser Impfung einen verlässlichen Schutz vor schweren Verläufen aufzubauen, dann ist das gerade in Anbetracht einer eingeschränkten Lungenfunktion sehr, sehr sinnvoll.
Also ja, ich würde damit rechnen, dass man nach der Impfung ein, zwei Tage danach durchaus Impfreaktionen spüren kann, die unangenehm sind, mit denen man rechnen sollte, aber die letztlich dann auch zeigen, dass ein guter Schutz aufgebaut wird, der schwere Verläufe bei einer echten Virusinfektion dann verhindern kann.
(((weiter COPD; + Umgang mit Corona-Leugnern und Impfgegnern)))
[50:50]
Dr. Iris Herscovici:
Die nächste Frage zeigt eine Situation, die wahrscheinlich viele von uns kennen, nämlich wenn man es mit Corona-Leugnern oder absoluten Impfgegnern zu tun hat und selbst aber daran glaubt und nicht weiß, wie man mit dieser Situation oder mit diesen Leuten umgehen kann oder sie informieren kann.
Die Frage ist: „Ich habe COPD-3 und bin sehr vorsichtig. Mein Mann hat ein Video von einem angeblich anerkannten Wissenschaftler gesehen und hat seitdem seine Meinung komplett geändert. Er will von der Impfung nichts mehr wissen und sieht plötzlich alles als eine große Lüge. Wie kann ich meinem Mann erklären, dass ich mich besonders schützen muss? Könnte der Impfstoff für meine Lunge wirklich mehr Schaden anrichten als von Nutzen sein?“
Was empfehlen Sie der Dame? Und vor allem: Was kann man den Menschen mitgeben? Wie kann man seriöse Information von unseriöser Information unterscheiden? Und wie kann man in so einer Situation mit Corona-Leugnern umgehen?
[51:55]
Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht:
Nun, ich glaube, für die betroffene Fragestellerin wäre zweifellos gut, wenn sie selbst das Angebot einer Impfung in Anspruch nehmen kann, weil sie damit für sich einen individuellen Schutz erhalten kann, im Falle einer Infektion nicht schwer zu erkranken.
Obendrein, und das ist auch schön, wird sie mit hoher Wahrscheinlichkeit dann ein geringes Übertragungsrisiko auf andere Personen und damit auch innerhalb ihrer Familie haben. Was ein positiver Nebeneffekt sein wird.
Ob es ihr gelingt, auch Personen in ihrer unmittelbaren Nähe zu überzeugen, die hier eine andere Meinung haben, ist nicht sicher vorherzusagen.
Ich würde auch abraten, jemanden zur Impfung zu überreden. Das ist sicher schlecht. Wenn es nicht gelingt zu überzeugen, dann glaube ich, sollte man hier keine Bemühungen eines Überredens in Anspruch nehmen, denn das führt meist zu keinen guten Ergebnissen.
Die Impfstoffstudien waren einwandfrei. Die europäische Zulassungsbehörde würde ich als ein Kriterium betrachten, auf das man sich tatsächlich verlassen kann. Und daneben erfolgen ja jetzt ganz verlässliche Nachbeobachtungen aller Geimpfter. D.h.: Impfreaktion werden erfasst. Nebenwirkungen werden erfasst. Und jetzt haben wir Daten schon von vielen Millionen Menschen, die geimpft wurden und die zeigen, dass die Verträglichkeit einmal gut ist. Natürlich sind das Ergebnisse, die noch keine Langzeiterfahrung darstellen. Das ist richtig. Aber wir haben mit Impfstoffen auf diesen Plattformen, sei es jetzt die RNA-Technologie oder sei es auch die Vektortechnologie, zumindest was die Technologie betrifft, schon über viele Jahre Erfahrung.
Und wir dürfen davon ausgehen, dass wenn die Verträglichkeit in den ersten Tagen und Wochen eine sehr gute ist, dass es hier auch in der Folge so bleiben wird.
Und vielleicht überzeugt das auch noch viele andere Menschen, die nicht zu den ersten gehören wollen bei der Impfung, aber die dann sehen, wenn sehr viele andere Menschen geimpft wurden und das letztlich bei der überwiegenden Mehrzahl auch sehr gut vertragen wurde, dass es vielleicht doch lohnenswert ist, auch für sich selbst diesen Impfschutz in Anspruch zu nehmen.
[54:09]
Dr. Iris Herscovici:
Eine letzte Frage zum Themenkomplex Lungenerkrankungen: „Dürfen sich Sarkoidose-Patienten mit Beteiligung der Lunge impfen lassen? Gibt es einen Impfstoff, der zu empfehlen ist? Oder sollte ich sonst noch etwas beachten?“
[54:25]
Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht:
Auch für diese spezielle Erkrankung Sarkoidose gibt es keinen Grund, sich nicht impfen zu lassen.
Die Impfung ist hier möglich und zweifellos der wesentlich sicherere Weg als die Infektion mit dem echten Virus.
Das ist überhaupt etwas, das sich alle auch durchaus durch den Kopf gehen lassen sollten, wenn sie große Bedenken wegen der Impfung haben: Wie würde es dann aussehen, wenn man mit dem echten Virus in Kontakt kommt? Und das hält sich hier so auch nicht an bestimmte Grenzen oder macht Abstand zu bestimmten Erkrankungen.
Also ja, das ist gut möglich. Und aus den bisherigen Daten wird auch hier bei dieser Erkrankung kein Schub ausgelöst, so wie das auch bei anderen chronischen Erkrankungen bisher erfreulicherweise bestätigt werden konnte.
(((Herz-Kreislauferkrankungen)))
[55:15]
Dr. Iris Herscovici:
Viele Herz-Kreislauf-Patienten sind ja auch etwas sensibilisiert auf Corona. Und so haben wir auch Fragen bekommen, was das bedeutet für die Medikation.
Ganz konkret: „Soll ich für die COVID-19-Impfung meinen Gerinnungshemmer absetzen?“
Oder eine andere Frage ist: „Ist eine Corona-Impfung unter möglich?“
[55:35]
Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht:
Wichtig ist, keine Medikamente, die zu einer guten Einstellung der chronischen Erkrankung beitragen, absetzen.
Das ist nicht notwendig und auch nicht sinnvoll. Gerade auch blutverdünnende Medikamente müssen keinesfalls abgesetzt werden. Auch wenn die Impfung intramuskulär, also in den Oberarmmuskel erfolgt, so ist das kein Grund, eine Blutverdünnungstherapie abzusetzen. Eine solche Therapie ist wie gesagt auch kein Hinderungsgrund für die Durchführung der Impfung.
[56:09]
Dr. Iris Herscovici:
Eine etwas speziellere Frage: „Ich habe seit 2012 eine mechanische Aortenklappe und einen Herzschrittmacher. Meine jährlichen Kontrolluntersuchungen sind immer OB. Ich muss lebenslang Marcumar einnehmen und darf nur subkutan geimpft werden, was bei der Corona-Impfung ja nicht möglich ist. Soll ich Ihrer Meinung nach geimpft werden, oder was kann ich tun?“
[56:30]
Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht:
Auch in dieser Situation ist die Impfung möglich.
Die Blutverdünnung mit der genannten Substanz ist hier jetzt kein Hinderungsgrund, für diese sehr behutsam durchgeführte Impfung mit inzwischen ausgesprochen dünnen Nadeln, die nur eine minimale Verletzung des Muskelgewebes hervorrufen.
Es ist sinnvoll, an der Stelle, wo man geimpft wurde, nachher leichten Druck auszuüben, um hier eine Blutung jedenfalls sofort zu unterbinden. Allerdings ist, wie gesagt, bei dieser Impfung mit feinsten Nadeln mit keiner relevanten Verletzung und damit auch keiner Blutungsgefahr zu rechnen. Die Blutverdünnungstherapie würde ich nicht absetzen, denn sie trägt ja zu einer guten Kontrolle der chronischen Erkrankung bei. Und es würde mehr Schaden anrichten, auf diese Therapie zu verzichten.
(((neurologische Erkrankungen)))
[57:20]
Dr. Iris Herscovici:
Der letzte Themenblock: Neurologische Erkrankungen.
Gibt es irgendwelche Erkenntnisse, speziell auf neurologische Erkrankungen bezogen?
Und wir haben da auch eine konkrete Frage: „Mein Mann hat einen schweren Parkinson in der Endstufe mit Pflegegrad 5 und eine Demenz. Er ist 59 Jahre alt. Impfen ja, nein?“
[57:44]
Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht:
Ja, auch bei dieser Erkrankungskonstellation ist die Impfung empfehlenswert.
Gerade auch die genannte Demenz ist ja ein Risikofaktor, die auch mit besonders schweren Verläufen oft einhergeht. Das heißt: Auch hinter Priorisierungstabelle des nationalen Impfgremiums werden gerade solche Zustände erwähnt als besonders empfehlenswert für eine frühzeitige Impfung.
Daher: Ja, auch hier bitte die Angebote der Impfung zum frühestmöglichen Zeitpunkt in Anspruch nehmen.
(((Aussichten)))
[58:20]
Dr. Iris Herscovici:
Wir kommen langsam zum Abschluss, aber noch eine letzte Frage –ein Einblick in die Kristallkugel: Wie viel Prozent der Bevölkerung müssen geimpft sein, dass wir wieder zu unserem alten Leben zurückkehren können? Was schätzen Sie, wann wird es so weit sein?
[58:40]
Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht:
Nun, hier gibt’s natürlich verschiedene Szenarien.
Das Wunschszenario ist, dass sich keine Virusvarianten in den Vordergrund spielen, die den Impferfolg in Frage stellen.
Diese Variante, wo das in Frage gestellt wird, die wollen wir im Moment lieber gar nicht denken und hoffen, dass wir jetzt einerseits einen schönen Impffortschritt erzielen von Tag zu Tag und andererseits in erster Linie mit Varianten konfrontiert sind, die von der Impfung gut abgedeckt sind.
Wenn das der Fall ist, dann rechnen wir damit, dass zumindest die Hälfte der Bevölkerung geimpft sein sollte, um eine wirksame Ausbreitungseindämmung zu erzielen. Im Idealfall wären es wohl 60 bis 70 Prozent.
Wir sehen aber jetzt aus den Erfahrungen anderer Länder, wo noch nicht ganz so hohe Prozentsätze der Bevölkerung geimpft sind, aber schon spürbare Entlastung für das Gesundheitssystem entsteht, das auch niedrigere Prozentsätze bereits sehr hilfreich sind.
Die sind vor allem dann sehr hilfreich, wenn die Richtigen geimpft sind, d.h. wenn es Menschen sind, die ein besonders hohes Risiko haben, schwer zu erkranken. Dort macht eine hohe Durchimpfung besonders viel Sinn. D.h.: Wenn es gelingt, unter älteren Menschen und unter chronisch erkrankten Menschen für einen guten Schutz mit der Impfung zu sorgen, dann hat man einerseits für die betreffenden Personen einen verlässlichen Schutz anbieten können und andererseits aber auch durch eine Stabilisierung des Gesundheitssystems jene Sicherheit, die auch Freiräume im gesellschaftlichen Zusammenleben wieder eröffnet und damit die Rückkehr zu der von uns allen ersehnten Normalität ermöglichen wird.
[1:00:20]
Dr. Iris Herscovici:
Vielen Dank für die vielen hilfreichen Antworten. Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben.
Und danke an Sie, dass Sie dabei waren.
Diese Experten Sprechstunde wurde wieder aufgezeichnet. Das heißt: Sie können sie auch in Ruhe nochmal ansehen bzw. auch andere darauf aufmerksam machen auf selpers.com
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Und auf selpers.com finden Sie auch weitere Schulungen zum Leben mit einer chronischen Erkrankung.
Ich freue mich, wenn Sie das nächste Mal wieder dabei sind.
Bis dahin alles Gute. Kommen Sie gut durch diese bewegte Zeit, und: Es ist Licht am Horizont. Wiedersehn.
Experten-Sprechstunde: Corona-Impfungen für chronisch Kranke
11.03.2021 | 18.00 Uhr
Die Covid-19-Pandemie verunsichert derzeit viele PatientInnen mit chronischen Erkrankungen. So stellen sich Menschen mit Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Lungenerkrankungen oder Autoimmunerkrankungen aktuell viele Fragen zu den Corona-Impfungen wie zum Beispiel: Welche chronisch kranken PatientInnen sollen sich impfen lassen? Wie gelangen chronisch Kranke zu einer Corona-Impfung? Sind alle Covid-19-Impfstoffe für PatientInnen mit einer chronischen Erkrankung geeignet?
In der Experten-Sprechstunde informiert Sie Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht über alles, was chronisch kranke PatientInnen über die Corona-Impfungen wissen sollten.
Vortragender
Prim. Priv.-Doz. Dr.
Bernd Lamprecht
Facharzt für Pneumologie
Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht ist Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde am Kepler Universitätsklinikum in Linz. Zudem ist er Generalsekretär bei der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP). Als Experte nimmt er regelmäßig Stellung zu COVID-19 und informiert diesbezüglich PatientInnen mit Lungenerkrankungen über wichtige Themen.
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