Wer mit einer Krebsdiagnose konfrontiert ist, muss seinen eigenen Weg finden, damit umzugehen. Das gilt ganz besonders, wenn auch noch intime Körperregionen betroffen sind, wie beim Prostatakrebs. Herbert Steinböck, österreichischer Kabarettist und Schauspieler, hat sich für einen besonderen Weg entschieden: Er brachte den Krebs auf die Bühne.
Krebs und Kabarett – geht das? Klar!
selpers: Herr Steinböck, Sie haben sich mit dem Thema Prostatakrebs gezwungenermaßen auseinandergesetzt, weil Sie selbst betroffen waren. Würden Sie mir von Ihrer Geschichte erzählen?
Herr Steinböck: Im Jahre 2003 war ich bei einer Routineuntersuchung bei meiner Urologin. Die hat einen etwas erhöhten PSA-Wert (1) festgestellt. Sicherheitshalber wurde eine Biopsie gemacht und von zwölf Werten waren fünf oder sechs positiv. Das ist schon ein Schlag: Man hat Krebs. Trauer, Verzweiflung, Angst, Tod, alles geistert in einem herum, und man muss seinen ganz persönlichen Weg finden, damit umzugehen.
Für mich waren Familie und Freunde ganz besonders wichtig. 14 Tage vorher hatte ich erfahren, dass ich Vater werde, das war natürlich ein sehr starker Anreiz: Ich wollte meine Tochter kennenlernen. Außerdem war mein Ansatz: Wenn ich schon einen Feind in mir habe, dann will ich ihn kennenlernen. Ich habe mich intensiv damit beschäftigt, mit vielen Ärzten gesprochen und versucht, möglichst viel herauszufinden. Ich habe mich mit verschiedenen Spezialisten unterhalten und dann meine persönliche Entscheidung für eine Operationsmethode getroffen. Beim Prostatakrebs hat man ja zum Glück ein bisschen Zeit, der wuchert meistens nicht so schnell und ist ja auch relativ früh erkannt worden. Ich habe mich vorbereitet, indem ich Dinge abgeschlossen habe. Nicht mit dem Leben abgeschlossen, aber mir war sehr wichtig, falls es so sein sollte, dass ich dann alles vorbereitet habe.
Am 12. Januar 2004 war ich dann von Ärzten umgeben, denen ich vertraut habe. Ich habe mich auf die Liege gelegt – die ja einer Bahre recht ähnlich ist – und mir gedacht: Jetzt ist mein Teil erledigt, jetzt muss die Schulmedizin ran.
selpers: Aber es ist gut gegangen am Ende …
Herr Steinböck: Ja, es ist Gott sei Dank gut gegangen. Die Operation lief gut, der Krebs war noch abgekapselt. Aber das Jahr danach war sehr hart. Mit Inkontinenz und Impotenz und allem, was so entstehen kann. Bei den neuen Behandlungsmethoden sind die Komplikationen nicht mehr so groß, aber damals kam das noch bei einem hohen Prozentsatz vor. Heute ist alles wieder so, wie es sein soll. Ein paar kleinere Einschränkungen gibt es noch, weil ja der Blasenschließmuskel mit entfernt werden musste. Das merkt man dann manchmal, aber ich kenne das und kann dann Gegenmaßnahmen treffen.
selpers: Sie haben einen ungewöhnlichen Weg gewählt, mit der Krankheit umzugehen, und haben sie auf die Kabarettbühne gebracht.
Herr Steinböck: Ja, genau. Das hat natürlich eine Weile gebraucht. Viele haben gesagt, das sei eine Bewältigung, aber bewältigen muss man so etwas vorher. Ich glaube nicht, dass ich es kurz nach der Operation geschafft hätte, es so lustig und aus einer gewissen Vogelperspektive auf die Bühne zu bringen. Aber nach einem Jahr mit anderen Produktionen wurde es für mich Zeit für ein erstes Soloprogramm. Als ich überlegt habe, worum es gehen soll, kam ich um das Thema nicht mehr herum. Ich dachte mir, ich habe ja eine gewisse Öffentlichkeit, vielleicht kann ich da etwas Gutes tun und den Leuten sagen: „Ja, es ist ein Feind und eine schlimme Sache, aber pack den Stier bei den Hörnern und arbeite dagegen, wenn du es hast. Und davor: Geh zu den Vorsorgeuntersuchungen!“
selpers: Wie waren die Reaktionen?
Herr Steinböck: Ich hatte teilweise sehr heftige Reaktionen. Manche haben geschimpft, dass ich mich über das Thema Krebs lustig machen würde, bis sie begriffen haben, dass ich selbst betroffen bin. Ich will die Krankheit nicht verniedlichen. Es ist eine furchtbare Krankheit und es sterben viele Leute daran. Aber ich nehme mir als Krebspatient heraus, mich dem Thema auch auf eine humoristische Weise zu nähern und zu sagen: Es ist nicht alles verloren, man kann sein Leben trotzdem leben.
Heute spiele ich das Programm aber nicht mehr, weil sich in der Medizin so viel verändert hat und ich damit gar nicht mehr up to date wäre. Außerdem muss ja auch irgendwann mal Schluss sein damit. Ich gehe natürlich noch weiter zu den jährlichen Untersuchungen, damit nichts übersehen werden kann, aber ansonsten ist der Krebs eigentlich kein Thema mehr.
selpers: Was sind Ihre nächsten Projekte?
Herr Steinböck: Neben vielen aktuellen Auftritten arbeite ich an einem Programm, das am 29. Oktober 2018 Premiere haben wird. Dann bin ich 60. Das Programm wird heißen: „Ätsch!“ Dabei wird mein langjähriger Bühnenpartner Gerold Rudle Regie führen. Es geht um die Frage: Wie wäre ich, wenn ich ein anderer wäre? Was wäre aus mir geworden, wenn ich als Baby vertauscht worden wäre? Wäre ich ein anderer? Wäre ein anderer dann ich? Da tut sich ein großes Feld von verrückten Möglichkeiten auf. Ich bin schon sehr gespannt und würde mich am liebsten den ganzen Tag damit beschäftigen, obwohl noch ein ganzes Jahr Zeit ist.
Herzlichen Dank für das Interview!
(1) PSA = prostataspezifisches Antigen: ein Enzym, das über eine Blutuntersuchung gemessen werden kann. Ein hoher PSA-Wert kann auf Veränderungen der Prostata hinweisen.
Herbert Steinböck
Kabarettist und Schauspieler
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Interview wurde geführt von: Birgit Oppermann.