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Mein Leben mit angeborenem Herzfehler

Zeit um dankbar zu sein Die Medizinstudentin Sophie ist 20 Jahre alt und hat einen angeborenen Herzfehler. Seit einem Jahr führt sie einen Instagram-Account, auf dem sie über das Leben mit ihrer Erkrankung erzählt, um aufzuklären und anderen Betroffenen Mut zu machen. Im Gastbeitrag für selpers klärt sie über den Alltag mit einem angeborenen Herzfehler auf.

Ich war noch nie “gesund”. Zumindest, das was man als “gesund” bezeichnen würde. Bereits vor meiner Geburt fand man heraus, dass ich einen schweren angeborenen Herzfehler habe. Genauer gesagt habe ich: Double-Inlet-Left-Ventricle (kurz: DILV) mit Malpositionsstellung der großen Arterien, subvalvuläre und valvuläre Pulmonalstenose und kongenitaler AV-Block. Ziemlich viele Fachwörter auf einem Mal. Kurz zusammengefasst kann man sagen, dass meine rechte Herzhauptkammer unterentwickelt ist und dass ich eine Reizweiterleitungstörung im Herzen habe.

Mein Herzfehler

Kommen wir zuerst zu meiner Herzkammer: Das menschliche Herz besteht aus vier Herzkammern: zwei Vorkammern und zwei Hauptkammern. Da meine rechte Herzhauptkammer viel zu unterentwickelt ist, ist sie nicht funktionsfähig. Man nennt diese Art von Herzfehler auch “univentrikuläres Herz” oder “halbes Herz” (was natürlich nicht ganz richtig ist, richtiger wäre der Ausdruck “dreiviertel Herz”, aber das spricht sich wahrscheinlich nicht so gut). Normalerweise pumpt die linke Herzhauptkammer das Blut durch den Kreislauf, das Blut kommt dann in der rechten Herzvorkammer an, gelangt in die linke Herzhauptkammer, wird in die Lunge gepumpt, gelangt in die linke Herz Vorkammer und endet dann wieder in der linken Herzhauptkammer. Normalerweise. Da ich aber keine rechte Herzhauptkammer habe, musste mein Kreislauf angepasst werden. Die obere und die untere Hohlvene wurden vom rechten Vorhof getrennt und mit den Lungenarterien verbunden. Dadurch fließt das Blut bei mir, nachdem es durch den Körper geflossen ist, direkt in die Lunge. Also ohne noch einmal einen Zwischenstopp im rechten Herzen zu machen.

Die Reizweiterleitungstörung bedeutet, dass mein Herz ohne Unterstützung nur in einer Frequenz von 30-40 Schlägen pro Minute schlagen würde. 30-40 Herzschläge pro Minute sind wirklich nicht angenehm (solange man kein Profisportler ist und deswegen so einen niedrigen Puls hat). Vor allem nicht, wenn der Puls zusätzlich auch noch unregelmäßig ist. Dadurch brauche ich einen Schrittmacher, der mein Herz motiviert etwas öfter und regelmäßiger zu schlagen.

Meine (Herz-)Operationen

Da vier Wochen vor meiner Geburt bekannt war, dass ich einen Herzfehler habe, erfolgte bereits am Tag meiner Geburt meine allererste OP. Per Katheter wurde die Vorhofscheidewand gesprengt, damit sich meine Sauerstoffsättigung erhöhte.

Mit 16 Tagen bekam ich dann meinen ersten Schrittmacher. Damals als jüngstes Kind mit einem Schrittmacher dieser Art (DDD) weltweit.

Mit etwas über 4 Monaten erfolgte meine erste große Herz-OP, bei der mein Kreislauf in einem ersten Schritt umgebaut wurde. Diese Art der Operation nennt sich auch Hemi-Fontan bzw. Glenn-Anastomose. Bei dieser OP wurde die obere Hohlvene an die Lungenarterie angeschlossen. Diese ging ca 4 bis 5 Stunden, während denen ich an die Herz-Lungenmaschine angeschlossen war.

Mit 22 Monaten, also fast 2 Jahren, erfolgte schließlich meine zweite große Herz-OP (Fontan-Komplettierung), bei der mein Kreislauf endgültig umgestellt wurde. Hierbei wurde zudem ein Fenster zwischen Herz und Hohlvene geschaffen, damit sich der Körper besser an den veränderten Kreislauf gewöhnt. Diese OP ging ca 12 Stunden und auch hier war ich wieder an die Herz-Lungenmaschine angeschlossen. Außerdem wurde mein Schrittmacher samt Elektroden erneuert.

Da meine Sauerstoffsättigung mit den Monaten nach der OP absank, wurde das Fenster 4 Monate später per Herzkatheter wieder geschlossen. Danach erholte ich mich zusehends.

Mit 8 Jahren bekam ich in einer kleinen Operation meinen dritten Schrittmacher und mit 16 schließlich meinen vierten. Außerdem habe ich bereits weitere Herzkatheter zur Kontrolle hinter mir, die ich jetzt nicht einzeln aufführen kann.

Ich bin ziemlich froh, dass die meisten Operationen – und gerade die großen Herz-Operationen – so früh in meinem Leben erfolgten, sodass ich mich heute nicht mehr an diese erinnern kann. Ich werde immer ganz traurig, wenn ich darüber nachdenke, was meine Eltern durch meinen Herzfehler schon alles haben durchstehen müssen.

Leider wurde der Herzfehler mit den Operationen, die ich hinter mir habe, nicht geheilt. Das ist schlichtweg nicht möglich, da man (zumindest heutzutage) noch keine weitere Herzkammer hinzu operieren kann.

Mein Leben mit meinem Herzfehler

Bis jetzt kann ich mit dem Herz-Kreislaufsystem ziemlich gut leben. Meine Leistungsfähigkeit, welche im Vergleich zu “Gesunden” etwas vermindert ist, ist mein Normal. Ich kenne es schlichtweg nicht anders. Ich hatte eine Kindheit, an die ich mich sehr gerne zurück erinnere, habe viele gute Freunde und eine tolle Familie, die mich immer unterstützt haben und habe bis jetzt immer die Ziele erreicht, die ich mir gesetzt habe. So verfolge ich meinen großen Traum und studiere zur Zeit Medizin, wofür ich sehr dankbar bin! Doch der Körper ist auf dieses Kreislaufsystem leider nicht ausgelegt und so werden mich in Zukunft sehr wahrscheinlich einige Hürden erwarten, die ich werde bewältigen müssen. Ein paar dieser Hürden sind mir gerade im letzten Jahr ziemlich bewusst geworden. So zum Beispiel, dass meine Leistungsfähigkeit, welche noch nie die 100 Prozent eines gesunden Menschen betrug, schlagartig abfallen kann.

Diese Erfahrung habe ich Anfang letzten Jahres gemacht. Während ich sonst mit dem Fahrrad zur Uni gefahren bin, habe ich zu dem Zeitpunkt lieber den Bus genommen. Fahrradfahren ist auch so schon immer relativ anstrengend für mich gewesen. Anfang Januar war es jedoch so anstrengend, dass ich beim Fahrradfahren immer mehr Pausen einlegen musste und mich schließlich vom Fahrradfahren so lange erholen musste, dass ich mich gar nicht wirklich auf die Univeranstaltung konzentrieren konnte. Also beschloss ich schließlich für die restlichen Veranstaltungen des Semesters den Bus zu nehmen und ca 700m zur Uni zu laufen. Das Laufen ist für mich nämlich nicht so anstrengend wie das Fahrradfahren. Doch auch das Laufen fiel mir zusehends schwerer: Auf 700m brauchte ich Mitte Januar mindestens eine Pause, obwohl ich schon sehr gemächlich lief.

Schließlich ging ich zu meinen Kardiologen. Es kam heraus, dass meine Sauerstoffsättigung nur zwischen 88 und 91 Prozent lag und dass Blutwerte erhöht waren, die auf eine Herzinsuffizienz hindeuten. Die Kardiologen bestanden auf einen Herzkatheter, der 2 Wochen später durchgeführt wurde und glücklicherweise auch ein Ergebnis lieferte. In meinem Kreislauf hatte sich ein Gefäß gebildet, welches von der unteren Hohlvene zur rechten Lungenvene führte. Dadurch kam es dazu, dass sich das sauerstoffarme Blut der Hohlvene mit dem sauerstoffreichen Blut der Lungenvene mischte, was eine Erklärung für meine niedrige Sauerstoffsättigung lieferte. Noch im Herzkatheterlabor wurde dieses Gefäß verschlossen.

Ehrlich gesagt habe ich erwartet, dass meine Leistungsfähigkeit mit dem Verschluss des Gefäßes wieder relativ schnell ansteigen würde. Doch es war leider ein sehr langwieriger Prozess. Ca ein halbes Jahr hat es gedauert bis ich wieder die Leistungsfähigkeit von vorher zurückerlangt hatte.

Das Ganze hat mir vor Augen geführt, wie plötzlich sich mein Gesundheitszustand doch ändern kann und wie dankbar ich für die Gesundheit sein sollte, die ich habe.

Herzrhythmusstörungen

Ende des letzten Jahres litt ich zum ersten – und bis jetzt zum Glück einzigen – Mal an Vorhofflimmern. Alles fing damit an, dass ich abends beim entspannten Serienschauen plötzlich Herzrasen hatte. Mein Puls pendelte zwischen 150 und 160 Schlägen pro Minute hin und her und beruhigte sich auch nach 20 Minuten nicht. Daraufhin fuhr mich mein Bruder in die nächste Notaufnahme. Dort angekommen wurde Vorhofflimmern (der Vorhof kontrahiert sich sehr schnell) festgestellt. Der Schrittmacher gab die schnellen Impulse des Vorhofs an die Kammer weiter und dadurch schlug mein komplettes Herz in einer hohen Frequenz.

Im Krankenhaus wurde mein Schrittmacher dann umprogrammiert, sodass ich trotz des Vorhofflimmerns einen Puls von ca 60 hatte. Diese Einstellung fühlte sich für mich sehr komisch an und am nächsten Tag erlitt ich eine andere Form von Rhythmusstörungen und zwar polymorphe ventrikuläre Tachykardien. Bei dieser Form der Rhythmusstörung spielt die Kammer verrückt, was relativ gefährlich sein kann. Die Ärzte kamen sogar mit einem Defibrillator hereingelaufen, welcher glücklicherweise nicht benutzt werden musste. Aber du kannst mir glauben: in dem Moment, in dem sie den Defibrillator geholt haben, hatte ich unglaubliche Panik. Panik, dass die Ärzte ihn eventuell benutzen müssen. Es fällt mir auch immer noch schwer darüber zu schreiben.

Daraufhin war klar, dass ich erstmal ein paar Tage im Krankenhaus bleiben müsste. Mein Schrittmacher wurde ein paar Mal umprogrammiert und danach traten keine Rhythmusstörungen mehr auf und auch das Vorhofflimmern hat nach der Zeit von selbst aufgehört. Doch aufgrund des Ereignisses mit den Kammer-Rhythmusstörungen wurde die Empfehlung ausgesprochen mir einen Defibrillator zu implantieren.

Mir persönlich ging das alles zu schnell. Ich hatte zuvor noch nie ernsthafte Rhythmusstörungen gehabt und der Gedanke nun direkt einen Defibrillator zu bekommen, war doch ziemlich erschreckend. Ich wollte mir noch eine zweite Meinung einholen. Also sagte ich die bereits geplante OP ab und stellte mich in einem zweiten Krankenhaus vor.

Hier wurde ich komplett durchgecheckt und musste auch ein paar Tage bleiben. Bei den Check-Ups sah alles super aus. Sowohl mein Herz, als auch mein Schrittmacher, mein EKG (normales, Langzeit und Belastungs-EKG) und mein Blutbild waren einwandfrei. Da außerdem keine Rhythmusstörungen mehr aufgetreten waren, sprach sich die zweite Klinik dazu aus, keinen Defibrillator zu implantieren. Dafür sollte ich aber die Medikation, die sie in der ersten Klinik angefangen hatten, fortführen. Diese Medikation besteht aus einem Betablocker, um eventuelle Herzrhythmusstörungen zu unterdrücken, und einem Blutgerinnungshemmer, da Rhythmusstörungen die Bildung von Blutgerinnseln fördern und so eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für beispielsweise Schlaganfälle besteht. Zwei Tage vor Weihnachten wurde ich schließlich entlassen.

Mit den Betablockern hatte ich zu Beginn sehr zu kämpfen. Der erste Betablocker, der mir gegeben wurde, führte bei mir zu Unwohlsein. Ich hatte starke Bauchschmerzen, kaum Appetit und Kreislaufprobleme. Daraufhin bekam ich einen zweiten Betablocker. Auch diesen vertrug ich nicht gut. Ich war den ganzen Tag unglaublich müde und hatte starke Kopfschmerzen. Außerdem hatte ich wieder starke Bauchschmerzen. Diesmal so stark, sodass ich abends kaum einschlafen konnte. So wurde mein Betablocker wurde wieder auf den ersten Betablocker umgestellt, doch diesmal wurde mir die halbe Dosis von der Dosis, die ich vorher genommen habe, verschrieben. Bis jetzt vertrage ich das alles sehr gut und ich hoffe, dass das auch so bleibt. Ich bin sehr froh, dass seitdem keine weiteren Rhythmusstörungen mehr aufgetreten sind und habe wieder mehr Vertrauen in meinen Körper gefasst. Gerade in der Zeit nach dem Krankenhaus Aufenthalt hatte ich immer wieder Sorge, dass wieder Rhythmusstörungen auftreten. Doch da jetzt ganze drei Monate unter meiner Medikation nichts mehr aufgetreten ist, bin ich ziemlich optimistisch, dass auch erstmal nichts mehr auftreten wird.

Die sozialen Medien

Trotz dieser zum Teil auch negativeren Erlebnisse lasse ich mich von meiner Krankheit nicht unterkriegen und versuche sie zu nutzen. Das ist einer der Gründe, weshalb ich letztes Jahr einen Account auf Instagram und Facebook erstellt habe. Ich möchte anderen mit meinen Erfahrungen Mut machen und zeigen, dass man mit seiner Krankheit nicht allein ist! Außerdem möchte ich allgemein über das Thema angeborene Herzfehler aufklären, welches meiner Meinung nach noch sehr wenig präsent in der heutigen Gesellschaft ist, und so mehr Verständnis für chronische Erkrankungen schaffen.

Die sozialen Medien sind für mich wie so eine digitale Selbsthilfegruppe. Gerade wenn man eine Erkrankung hat, die eher selten ist – was bei mir der Fall ist -, ist es schwierig Leute kennenzulernen, die dieselbe bzw eine ähnliche  Krankheit haben. Die sozialen Medien bilden hier wirklich eine gute Chance sich darüber auszutauschen, sich weniger allein zu fühlen und sich gegenseitig zu unterstützen. Ich war sehr überwältigt von dem überaus positivem Feedback, das ich ab Tag 1 mit meinem Account erlebt habe! Ich bin sehr dankbar für die ganzen Menschen, die ich durch die sozialen Medien kennengelernt habe. Es sind wirklich mehrere tolle Freundschaften entstanden, die ich nicht mehr missen möchte!

Außerdem bekomme ich öfter private Nachrichten mit Fragen von Betroffenen. Es gibt mir immer ein sehr gutes Gefühl, wenn ich mit der Schilderung meiner Erfahrungen anderen Mut machen kann!

Ich kann es jedem mit einer chronischen Erkrankung nur wärmstens empfehlen sich in den sozialen Medien ein wenig nach Gleichgesinnten umzusehen und sich mit ihnen auszutauschen. Das hilft die eigene Erkrankung besser zu akzeptieren und mit ihr umgehen zu können!

Alles Liebe,

Sophie

 

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Sophie Teubener

Sophie ist 20 Jahre alt und hat einen angeborenen Herzfehler. Auf Instagram unterstützt die Medizinstudentin andere Betroffene und klärt über ihre Erkrankung auf.

Sophies Instagram

Autorin: Sophie Teubener

Bildnachweis: Sophie Teubener