Blog | Erfahrungsberichte

Zwischen Familie und Therapie: Darmkrebs-Patient mit 29

Michael Kecht ist 35 Jahre alt, lebt mit seiner Frau und zwei – bald drei – Töchtern in Berchtesgaden. Mit Ende 20 erhielt er die überraschende Diagnose Darmkrebs. Mit selpers spricht er über seine Erfahrungen als junger Krebspatient und gibt wertvolle Ratschläge, wie man frühzeitig auf seinen Körper hören sollte.

selpers: Könntest du beschreiben, wie alt du bei der Diagnose warst und wie sich dein Leben kurz vor der Diagnose gestaltet hat?

Michael Kecht: Ich war 29 Jahre alt, als ich die Diagnose bekam. Damals lebte ich mit meiner Frau und unserer sechs Monate alten Tochter in Köln. Wir waren gerade dabei, uns als Familie einzuleben und standen beide am Beginn unserer beruflichen Karrieren.

selpers: Welche Symptome hast du bemerkt, die dich dazu veranlasst haben, ärztlichen Rat einzuholen?

Michael Kecht: Das erste Mal fiel mir Blut im Stuhl nach den deftigen Weihnachtsessen bei meinen Eltern auf – und das verdanke ich der guten alten Flachspüler-Toilette! Da ich in der Onkologie arbeite, wusste ich sofort, dass es ernst sein könnte. Mein Hausarzt riet mir jedoch, es erst einmal mit einer Hämorrhoiden-Creme zu versuchen. Als das Blut nicht verschwand, holte ich mir eine zweite Meinung ein. Schließlich wurde mir eine Darmspiegelung verordnet – und der Tumor war so groß, dass die Untersuchung abgebrochen werden musste. Kurz danach wurde ich operiert, und man entfernte etwa 30 cm meines Darms.

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Mit einer frühzeitigen Diagnose und Therapie bei Krebs steigen die Heilungschancen der Erkrankung. In Österreich steht ein kostenloses Angebot verschiedener Kontrollscreenings zur Verfügung.

Frau Prim.a Priv.-Doz.in Dr.in Birgit Grünberger erklärt in unserem Kurs „Krebsfrüherkennung“ ab wann man regelmäßig zur Darmkrebs-Vorsorge gehen sollte und wie diese abläuft.

selpers: Wie hast du es geschafft, in der Zeit der Ungewissheit und nach der Diagnose eine positive Einstellung zu bewahren und selbstbewusst aufzutreten?

Michael Kecht: Obwohl ich beruflich in dem Bereich tätig war, hat mich die Diagnose wie ein Schlag ins Gesicht getroffen. Vor allem, weil ich zum Zeitpunkt der Krebsdiagnose gerade Vater geworden war. Aber ich war entschlossen, alles zu tun, um die Therapie bestmöglich zu unterstützen. Das Fahrradfahren während der Chemotherapie half mir sehr, um mich besser zu fühlen. Und der Gedanke, meine Tochter aufwachsen zu sehen, hat mir zusätzliche Kraft gegeben.

selpers: Was oder wer hat dich während der Behandlungszeit besonders unterstützt?

Michael Kecht: Meine Familie und Freunde haben mir unglaublich viel Unterstützung gegeben. Sie kamen ins Krankenhaus, und das bedeutete mir viel. Meine Frau war dabei meine größte Stütze, auch wenn es für sie extrem schwer war, mit einem kleinen Kind allein zu sein. Um mich abzulenken, habe ich mir eine Nintendo Switch gekauft und „Zelda: Breath of the Wild“ gespielt, was mir besonders bei den langen Chemo-Sitzungen geholfen hat. Die Neuropathie durch die Chemotherapie war sehr unangenehm, meine Füße und Fingerspitzen wurden taub. Aber ich habe an klinischen Studien teilgenommen und durch Eisbäder Erleichterung gefunden. Trotz aller Belastungen habe ich immer versucht, meine Gesundheit und meine Familie an erste Stelle zu setzen.

selpers: Im Nachhinein betrachtet, was hättest du in Bezug auf die Kommunikation mit dem Fachpersonal heute anders gemacht?

Michael Kecht: Da ich die Therapieoptionen gut kannte, hatte ich keine Probleme mit dem medizinischen Personal. Was ich im Nachhinein anders gemacht hätte: Ich hätte früher offen darüber gesprochen, dass ich Krebs habe. Ich habe das lange verdrängt und erst sechs Jahre später angefangen, die ganze Sache wirklich zu verarbeiten.

selpers: Was hat dich motiviert, deine Geschichte mit anderen zu teilen?

Michael Kecht: Es hat mich überrascht, wie viele Dinge plötzlich kompliziert wurden – zum Beispiel Lebensversicherungen oder eine Psychotherapie zu bekommen. Aber das Vernetzen mit anderen jungen Krebspatienten hat mir sehr geholfen. Es ist ein gutes Gefühl, mit Menschen zu sprechen, die dich wirklich verstehen, und das Stigma und Tabu der Krankheit hinter sich zu lassen. Mit gesunden Menschen darüber zu sprechen, ist oft schwerer, weil sie sich schnell unwohl fühlen.

selpers: Wenn du jungen Menschen eine Botschaft über Darmkrebs übermitteln könntest, welche wäre das und warum?

Michael Kecht: Respektiert die Flachspüler-Toilette! Schaut auf eure Hinterlassenschaften und hört auf euren Körper. Geht lieber einmal zu oft zum Arzt als einmal zu wenig. Die Raten von Darmkrebs steigen bei jungen Menschen durch unsere westliche Lebensweise rapide an – lasst den Krebs nicht gewinnen. Redet offen über eure Symptome und holt euch eine Zweitmeinung, wenn ihr nach dem Arztbesuch ein schlechtes Gefühl habt.

Für Betroffene: Krebs ist verdammt hart. Aber gib nicht auf! Lass dir von Freunden und Verwandten helfen, auch wenn sie oft nicht wissen, wie. Gib dir nach der Chemotherapie Zeit, dich anzupassen, und setze dich nicht zu sehr unter Druck, sofort wieder ins „normale Leben“ zu starten. Akzeptiere die Veränderungen und lerne, mit der Krankheit zu leben. Ein gesunder Lebensstil hilft dir, deinen Körper zu unterstützen. Und hol dir psychologische Hilfe – nicht nur du, auch deine Familie braucht vielleicht Beratung. Vernetze dich mit anderen Überlebenden, das wird dir wirklich guttun.

Herzlichen Dank für das Interview!

Michael Kecht
Michael ist 35 Jahre alt, lebt mit seiner Frau und seinen Töchtern in Berchtesgaden. Mit 29 Jahren erhielt er die überraschende Diagnose Darmkrebs. In seiner Freizeit liebt er es, bergsteigen zu gehen, Snowboard zu fahren und Improtheater zu spielen.

Interview wurde geführt von:  selpers Red.

Bildnachweis: Michael Kecht