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Kugelfischgift: Neues Schmerzmittel aus der Natur?

Kugelfisch-Gift-Schmerzmittel-Tetrodotoxin Tetrodotoxin (TTX) heißt ein hochwirksames Nervengift, das in Kugelfischen und anderen Meerestieren vorkommt. Schon lange ist bekannt, dass das Gift Schmerzen sehr gut lindern kann, doch bisher gelang es nicht, daraus ein sicheres Medikament herzustellen. Jetzt geben neue Ansatzpunkte Hoffnung, dass Tetrodotoxin in Zukunft eine Alternative zu Opioiden darstellen könnte.

Ersatz für Opioide? So entschärfen die Forscher Tetrodotoxin:

Das Gift des Kugelfischs ist schon bei relativ geringer Dosis tödlich. In weitaus kleineren Mengen verabreicht, kann es aber eine sehr gute und lang anhaltende Wirkung gegen Schmerzen haben. TTX blockiert nämlich die Übertragung von Schmerzreizen in den Nervenzellen. Das Problem dabei ist allerdings: Bei einer absichtlichen oder versehentlichen Überdosierung sind die Folgen gravierend.

Im Jahr 2019 ist es FoscherInnen der Marvard Medical School in Boston gelungen, das Gift zu „entschärfen“. Sie banden den Giftstoff an Polymere und stellten so eine Formel her, bei der das Tetrodotoxin nur sehr langsam freigesetzt wird. Davon erhoffen sie sich ein Schmerzmedikament, das nach einer Gabe tage- oder sogar wochenlang seine Wirkung entfaltet.

Von einem Einsatz am Menschen kann jedoch noch lange nicht die Rede sein: Bisher wurde das Medikament nur an Ratten getestet. Die Ergebnisse waren so vielversprechend, dass weitergeforscht werden kann. Im nächsten Schritt stehen weitere präklinische Studien an. Nur wenn diese sich ebenfalls als vielversprechend erweisen, können Studien am Menschen beginnen. Doch es gibt schon jetzt Hoffnung auf ein neues, wirksames Schmerzmedikament.

Opioide: Schmerzmittel mit vielen Missverständnissen

Zu den wirksamsten Schmerzmitteln, die es aktuell auf dem Markt gibt, gehören Opioide. Dazu zählen Opiate, aber auch synthetische Wirkstoffe, die eine ähnliche Wirkung haben. Das Suchtmittel Heroin ist das bekannteste Opioid, aber längst nicht das einzige. Opioide werden vor allem nach Operationen und Verletzungen oder auch bei Tumorschmerzen eingesetzt. Es gibt sie in unterschiedlichen Darreichungsformen: als Tabletten, Pflaster, Nasenspray oder Infusion. Viele Menschen haben Angst vor Opioiden, weil sie von Suchtgefahr und anderen Problemen gehört haben. Doch viele Annahmen stimmen so nicht:

Machen Opioide süchtig?

Opioide haben ein hohes Suchtpotenzial, das ist wahr. Allerdings besteht nur dann große Gefahr, wenn sie nicht nach Anweisung der ÄrztInnen eingenommen werden. Die meisten opioidhaltigen Medikamente geben nämlich ihre Wirkstoffe langsam, nach und nach, ab. Dadurch bleibt das „High“-Gefühl aus, das für die Entwicklung einer Abhängigkeit mitverantwortlich ist. Wichtig ist, dass Sie die Medikamente nur in der verschriebenen Dosierung einnehmen und regelmäßige Kontrollen bei Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt wahrnehmen. Diese Medikamente sollten auf keinen Fall plötzlich abgesetzt werden, sondern nach und nach abgewöhnt werden. Mehr dazu finden Sie in unserem Online-Kurs zum Thema „Medikamentöse Schmerztherapie bei Krebs“ mit dem Schmerzexperten Priv.-Doz. Dr. Christopher Gonano  https://selpers.com/lektion/medikamentoese-schmerztherapie-bei-krebs-wirkstoffe-zur-schmerzbekaempfung/

Gibt es für Opioide eine Obergrenze?

„Wenn ich jetzt schon Opioide nehme, habe ich keine weiteren Möglichkeiten mehr, wenn es noch schlimmer wird.“ Das befürchten viele Menschen. Allerdings stimmt das so nicht: Es gibt eine ganze Reihe von Opioiden, sodass Sie noch ein weiteres, stärkeres Mittel probieren können, wenn es nötig sein sollte. Und: Ihre Ärztin/Ihr Arzt hat die Möglichkeit, die Schmerzmittel je nach Bedarf zu dosieren. Sie/er wird sich gemeinsam mit Ihnen langsam an die notwendige Dosis herantasten.

Sollte man Opioide nur im Notfall einnehmen?

Natürlich sollten Sie starke Schmerzmittel nicht leichtfertig und ohne Grund einnehmen. Wenn Ihnen Ihre Ärztin/Ihr Arzt jedoch eine Dauermedikation verschrieben hat, dann sollten Sie diese unbedingt nach Anweisung einnehmen. Das gilt auch dann, wenn Sie gerade keine Schmerzen haben. Der Grund: Gerade Tumorschmerzen können manchmal plötzlich schlimmer werden. Sehr starke Schmerzen sind dann aber nur noch mit sehr hohen Dosierungen in den Griff zu bekommen. Für die Verträglichkeit und für Ihre Lebensqualität ist es wichtig, dass Sie Opioide einnehmen, wie von Ihrer ÄrztIn/Ihrem Arzt verordnet. Dann ist die Chance hoch, dass der Schmerz gar nicht erst durchkommt. Wenn Sie den Eindruck haben, die Dosis sei zu stark oder zu schwach, wenden Sie sich an Ihre Ärztin/Ihren Arzt. Passen Sie die Dosierung nicht eigenmächtig an! In diesem Fall kann das Führen eines Schmerztagebuchs von Vorteil sein.

Eine Vorlage zum Ausdrucken finden Sie hier: https://selpers.com/wp-content/uploads/2019/11/Schmerztherapie_bei_Krebs_Schmerztagebuch.pdf

Wenn Sie selbst unter Schmerzen leiden, dann zögern Sie bitte nicht eine Ärztin oder einen Arzt aufzusuchen. Niemand muss unnötig Schmerzen erdulden. Schmerzen längere Zeit auszuhalten, ist nicht sinnvoll, denn es kostet Sie unnötig Kraft und Lebensfreude. Es ist Ihr Recht, aktiv nach einer Schmerzbehandlung zu fragen und sie einzufordern.

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Autorin: Dr. med. Iris Herscovici

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