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Aktion „Unterleibskrebs Österreich“ – Interview zum Welttag der gynäkologischen Onkologie

Initiative "Unterleibskrebs Österreich"

Am 20. September 2019 findet zum ersten Mal der Welttag der gynäkologischen Onkologie statt. Österreichs GynäkologInnen und die Österreichische Krebshilfe nehmen dies zum Anlass, um die neue Aktion „Unterleibskrebs Österreich“ zu starten. selpers hat Doris Kiefhaber, Geschäftsführerin der Österreichischen Krebshilfe und Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda, Präsident der Krebshilfe Österreich, zum Gespräch gebeten:

Doris Kiefhaber – „Der Welttag soll zu mehr Öffentlichkeit beitragen“

selpers: Liebe Frau Kiefhaber, dieses Jahr findet zum ersten Mal der Welttag der gynäkologischen Onkologie statt. Warum ist es so wichtig dieser Gruppe an onkologischen Erkrankungen einen eigenen Tag zu geben?

Kiefhaber: Frauen beginnen zwar meist schon in jungen Jahren, einen Gynäkologen aufzusuchen. Vorrangig geht es dann aber um den Empfängnisschutz. Über diesen „Hebel“ können Frauen auch schon früh auf z.B. den Krebsabstrich hingewiesen werden. Aber das Problem dabei ist, dass Frauen in späteren Jahren dann oft nicht regelmäßig oder rechtzeitig zur Vorsorge gehen und – wie in vielen anderen Bereichen – aufgrund von Doppel- und Dreifachbelastung (Job, Kinder, Familie) schlicht und einfach vergessen. Der Welttag soll zu mehr Öffentlichkeit beitragen und eine Art Erinnerung werden. So wie auch der Internationale Brustkrebstag (1.10.) oder der internationale Darmkrebsmonat März.

selpers: Die Krebshilfe startet zusammen mit Österreichs GynäkologInnen die Initiative „Unterleibskrebs Österreich“. Worum geht es dabei genau?

Kiefhaber: Wir wollen thematisieren, dass „Unterleibskrebs“ nicht EINE Krebsart ist sondern es viele Krebsarten gibt, die in dem Begriff „Unterleibskrebs“ zusammengefasst werden und es für einige Krebsarten gute und wichtige Früherkennungsuntersuchungen gibt (wie z.B. den PAP-Abstrich oder den HPV-Test) und wichtige Vorsorgemöglichkeiten (wie die HPV-Impfung). Andererseits wollen wir an Unterleibskrebs erkrankte Frauen auf das breite Hilfs- und Unterstützungsangebot der Krebshilfe hinweisen.

selpers: Sie starten auch eine neue moderierte Facebook-Gruppe mit dem Namen „Unterleibskrebs Österreich“. Welche Rolle spielt der Austausch zwischen Betroffenen online?

Kiefhaber: Diese Gruppe wurde von der AGO (Arbeitsgemeinschaft gynäkologie Onkologie) und der Krebshilfe ins Leben gerufen, weil sich viele Patientinnen einen sicheren und geschützten Raum gewünscht haben, in dem sie sich untereinander austauschen können, aber auch direkt Fragen stellen können.

In dieser geschlossenen FB-Gruppe sind ausschließlich Patientinnen aus Österreich, keine Angehörigen, keine Ärzte. Krebshilfe-Mitarbeiterinnen moderieren die Gruppe und sind direkte Ansprechpersonen für Sorgen, Wünsche und Anliegen aller Art. Medizinische ExpertInnen der AGO stehen beratend zur Seite, sind aber selbst nicht Mitglieder der Gruppe.

selpers: Welche positiven Auswirkungen erwarten Sie durch die Einführung des Welttages der gynäkologischen Onkologie?

Kiefhaber: Wir erwarten uns Ähnliches wie wir für Brustkrebs (durch Pink Ribbon) bereits erreicht haben. Mehr Öffentlichkeit für das Thema und dass mehr Frauen regelmäßiger Früherkennungsuntersuchungen wahrnehmen und mehr Patientinnen wissen, dass sie bei der Krebshilfe jede Art von Unterstützung erhalten – in den österreichweiten Beratungsstellen aber jetzt auch in einer geschlossenen FB-Gruppe.

selpers: Welche Kampagnen und Initiativen hat die Krebshilfe in nächster Zukunft geplant?

Kiefhaber: Zunächst die Beibehaltung unserer jährlichen Vorsorgeaktionen zu Darmkrebs, Prostatakrebs, Hautkrebs, Brustkrebs, Unterleibskrebs sowie zu den Themen „Nichtrauchen“ und „HPV-Impfung“. Konkret arbeiten wir auch daran, dass endlich das „Darmkrebs-Screening“ umgesetzt wird und die Beschlüsse der parlamentarischen Enquete „Sterben in Würde“ (Ausbau palliativer Einrichtungen).

Vielen Dank für das Interview

Interview-Doris-Kiefhaber-Krebshilfe Doris Kiefhaber
Geschäftsführerin der Österreichischen Krebshilfe

www.krebshilfe.net

Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda – „Wahrnehmen der Früherkennungsuntersuchungen wichtig“

selpers: Lieber Herr Prof. Dr. Sevelda, der Sammelbegriff „Unterleibskrebs“ umfasst mehrere Krebsarten. Können Sie uns einen kurzen Überblick geben und erklären, warum sie unter diesen Begriff zusammengefasst werden?

Prof. Sevelda: Der Begriff wird dadurch definiert, dass es Krankheiten sind, die vom gynäkologischen Facharzt behandelt werden und alle Krebsarten des weiblichen Genitales umfassen. Das sind, Eierstock, Eileiter, Gebärmutterkörper, Gebärmutterhals, die Scheide und das äußere Genital. Zu gynäkologischen Tumoren aber nicht zum Bereich des Unterleibs zählt auch der Brustkrebs, das ist also ein eigener Bereich.

selpers: Wie häufig treten Krebsarten auf, die dem Begriff „Unterleibskrebs“ zugeordnet werden?

Prof. Sevelda: Wenn man alles zusammennimmt, die invasiven Karzinome und aber auch teilweise die Vorstufen, dann sind es circa 6500 bis 7000 Frauen jährlich in Österreich, die mit einer solchen Krebs- oder Krebsvorstufendiagnose konfrontiert sind.

selpers: Wie gestaltet sich die Diagnose dieser onkologischen Erkrankungen? Werden sie vergleichsweise eher früh oder spät erkannt?

Prof. Sevelda: Das hängt sehr von der Art ab. Der Gebärmutterhalskrebs und seine Vorstufen stellen sozusagen die Urform der Früherkennung mit dem Krebsabstrich dar, der in den 50er-Jahren des letzten Jahrtausends, um 1950 eingeführt wurde. Damit konnte der Anteil der Krebserkrankungen drastisch gesenkt werden. Hier ist die Früherkennung wichtig und bereits sehr ausgeprägt durch die Früherkennungsuntersuchung, die bis vor kurzem mit der Krebsabstrichuntersuchung durchgeführt wurde. Hier gibt es eine Neuerung. Nach den neusten Empfehlungen der wissenschaftlichen Gesellschaft wird der jährliche Krebsabstrich ab dem zwanzigsten Lebensjahr bis zum dreißigsten Lebensjahr empfohlen. Ab Dreißig hat man dann die Möglichkeit, entweder weiterhin den Krebsabstrich zu machen oder einen HPV-Test. Wenn dieser HPV-Test negativ ist, er also zeigt, dass keine Besiedlung mit Human Papilloma Viren im Genitaltrakt vorliegt, dann genügt eine Kontrolle dieses Tests nach drei Jahren.

Für die anderen Unterleibskrebserkrankungen gibt es keine etablierten Früherkennungsmethoden, für den Eierstockkrebs genauso wenig wie für Scheidenkrebs und Krebs des äußeren Genitales. Sie werden, wenn sie vorliegen, klinisch erkannt.

selpers: Gibt es allgemein Symptome, die man beachten sollte?

Prof. Sevelda: Krebs des Gebärmutterkörpers oder Gebärmutterhalses zeigt sich meist durch eine außergewöhnliche, lange anhaltende vaginale Blutung, die nicht von alleine aufhört und meistens nach der Menopause, also im Wechsel auftritt. Daraufhin wird eine Kürettage durchgeführt und die Diagnose Gebärmutterkörperkrebs gestellt. Beim Eierstockkrebs sind es zumeist eher Spätsymptome wie Zunahme des Bauchumfangs, Wasserbildung im Bauch oder Gewichtsverlust.

selpers: Was kann man selbst zur Vorsorge beitragen? 

Prof. Sevelda: Die wichtigste Botschaft ist, dass man sich gegen den Human Papilloma Virus impfen lässt und dass vor allem Kinder im Rahmen des kostenlosen Impfprogramms vor einer HPV-Infektion, die zu Gebärmutterhalskrebs oder seinen Vorstufen führen kann, geschützt werden. Zusätzlich ist das Wahrnehmen der Früherkennungsuntersuchungen wichtig, vor allem beim Gebärmutterhalskrebs. Was man sonst als Frau noch selber machen kann, ist ein möglichst vernünftiger Lebensstil, das beinhaltet im Wesentlichen regelmäßige Bewegung, Vermeiden von Übergewicht, übermäßigem Alkoholkonsum und Nikotin.

selpers: Wie entwickelt sich die Therapie dieser Krebsarten momentan? Welche Möglichkeiten gibt es?

Prof. Sevelda: Für den Gebärmutterkörperkrebs geht die Entwicklung hin zu immer weniger radikalen und damit auch immer weniger belastenden Operationstechniken. Beim Eierstockkrebs ist das Gegenteil der Fall. Hier ist die vollständige Tumorentfernung das anzustrebende Ziel, das meist erreicht werden kann, wenn an entsprechenden Zentren interdisziplinär gemeinsam mit den Chirurgen vorgegangen wird.

Generell kann man sagen, dass heute die Behandlung von Unterleibskrebs sehr viel individueller auf die einzelnen Krebsarten abgestimmt erfolgt und wir mit Bestrahlung und Chemotherapie, auch mit Antikörper- und antihormonellen Therapien zusätzlich zur operativen Therapie heute sehr gute Möglichkeiten haben, Unterleibskrebs besser zu behandeln, als das noch vor zwanzig Jahren der Fall war. Auch die Nebenwirkungen sind durch diese modernen Therapien wesentlichen geringer geworden.

Vielen Dank für das Interview

Interview-Prof.-Dr.-Paul-Sevelda-Krebshilfe Univ. Prof. Dr. Paul Sevelda
Präsident der Österreichischen Krebshilfe

www.krebshilfe.net

Interview wurde geführt von:  selpers Red.

Bildnachweis: Österreichische Krebshilfe | Bigstock