Blog | Erfahrungsberichte

Eine persönliche Reise durch die Herausforderungen chronischer Krankheiten

Die bewegende Geschichte einer Frau, die seit Kindheit mit seltenen Krankheiten kämpft. Von unerklärlichen Symptomen bis zu Diagnosen wie Morbus Bechterew und Acne Inversa zeigt sie den Weg zur Selbstakzeptanz auf. Erfahren Sie, wie Bewegung und Gemeinschaft zu einem neuen Lebensverständnis führen. Eine inspirierende Erzählung über Mut und Hoffnung.

Vor Kurzem sagte meine Mama: „Seit du sieben Wochen alt warst, hast du dir seltene und ernste Krankheiten zugelegt!“
Klingt so, als hätte ich die im Restaurant bestellt und dann auch ein herrlich aufwendiges Menü serviert bekommen. Aber tatsächlich fühlt es sich ein bisschen so an. Damals hatte ich als Säugling Verdacht auf Meningitis und extrem erhöhte Entzündungswerte, die damals keiner erklären konnte.
Mit drei Jahren folgte Neurodermitis und als Teenie Migräne mit Aura und Erbrechen. Im Alter von 20 Jahren lahmte mein linkes Bein ohne verständlichen Grund…

Diagnose Morbus Bechterew

Die Diagnose Morbus Bechterew kam aber trotzdem eher zufällig im Jahr 2006. Im Studium litt ich damals unter extremen Rückenschmerzen. Trotz Bewegung und Medikamenten wurde es nicht besser.
Von Köln über Frankfurt bis Darmstadt ging die Ursachensuche weiter. Irgendwann kam mein Vater (Internist und Nephrologe) auf die Idee, den Blutwert HLA B27 positiv testen zu lassen, da bereits mein Großvater an einer verwandten rheumatischen Erkrankung litt. So war sie plötzlich da: eine Diagnose!
Der Schock hielt sich damals in Grenzen, da ich mir nicht vorstellen konnte, dass diese Krankheit mal mein Leben bestimmen würde.
In den kommenden Jahren allerdings gingen ein paar Symptome immer wieder vor und zurück. Versteifungen wurden im MRT als minimal eingestuft und bis zu meiner ersten Schwangerschaft mit 24 Jahren verlief die Krankheit still und ohne besondere Schübe.

Chronisch krank und schwanger

In der Schwangerschaft begann das Drama: Die ersten Fisteln und Zysten bildeten sich am Steißbein. Einige mussten noch mit Babybauch operativ entfernt werden. Das diffuse Bitzeln am Steißbein blieb bis heute.
In der zweiten Schwangerschaft war ich durch frühe Komplikationen zur dreimonatigen Bettruhe gezwungen und dadurch ziemlich beansprucht. Aber wen hätten 12 Wochen Bettruhe nicht körperlich beansprucht?

Beide Töchter haben per Kaiserschnitt gesund das Licht der Welt erblickt und sind heute 10 und 13 Jahre alt.

Mein Leben mit Schüben

Erst viele Jahre später kamen die ersten Schübe mit entzündlicher Veränderung in den Gelenken. Regelmäßig tauchten weitere Zysten auf, die oftmals operativ entfernt werden mussten. Die Ursache für die schnell wachsenden Zysten ist bis heute ungeklärt. Gemeinsam mit einem Endokrinologen habe ich auf Unverträglichkeiten getestet und bei dem Verzicht auf Gluten konnte man eine kleine Verbesserung der Werte erkennen. Die Zysten entwickeln sich dennoch.

Seitdem versuche ich im Alltag – so gut es geht – auf Zucker, Gluten und entzündliche Stoffe zu verzichten. Gilt nicht für den Urlaub oder besondere Anlässe wie Geburts- oder Feiertage. Die Werte wurden besser, die Beschwerden leider nicht. Nach der COVID-Infektion im Jahr 2022 ging es steil bergab. Eine weitere Entzündung wütete wie ein Sturm durch meinen Körper. Mit Sportreha und vielen Übungen zur Stärkung des Rumpfes habe ich mich langsam durch die Schmerzen gekämpft. In den warmen Monaten bin ich weitestgehend symptomfrei. Kommt der Oktober und der nasskalte Regen, kommt der Schub ganz bestimmt. „Lifestyle ist zuträglich, heilt die Krankheit aber nicht!“, auch das musste ich schmerzlich lernen.

Online-Patientenschulungen

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Diagnosen Acne Inversa, Migräne und mehr…

Danach kam eine weitere Diagnose: Acne Inversa. Eine entzündliche Hauterkrankung, die bei mir vor allem an Oberschenkeln, Bauch und Bikinizone auftaucht.

Eine Autoimmunerkrankung kommt bekanntlich selten allein – so setzen sich nach Jahren mit neuen Diagnosen einige Puzzlestücke zusammen: Seit meinem 2. Lebensjahr litt ich an Neurodermitis, mit 13 folgten heftige Migräneattacken mit Aura und Übelkeit. Die Liste an chronischen Erkrankungen wurde immer länger. Vieles davon passt aber lehrbuchartig zusammen und erklärt mir täglich mehr über mich und meine Beschwerden.

Wie kann man damit umgehen?

Seit Oktober letzten Jahres habe ich – nach weiterer Verknöcherung im Gelenk – den Kreislauf durchbrochen und mich auf unbestimmte Zeit krankschreiben lassen, war in stationärer Reha und habe mein Leben umgekrempelt. Gesünder leben und Druck rausnehmen! Für mich bedeutete das eine große Umstellung: keine täglichen Termine außer Krankengymnastik, Psychotherapie und Bewegung. Nur noch Verantwortung für meine Kinder, meinen Körper und mich. Zunächst tat es nicht nur körperlich weh. Ich definiere mich (seit ich ins Berufsleben einstieg mit Anfang 20) darüber, was ich tue. Ich habe eine starke Meinung, den Drang, mich mitzuteilen und glaube an mich und meine Fähigkeiten. Da war die Ablösung von einem sehr erfüllenden Job mit viel kreativem Output und Verantwortung ein großer Einschnitt.

Ohne jemandem Ratschläge erteilen zu wollen, kann ich trotzdem zu 100 % bestätigen, dass es mit derlei Diagnosen nur richtig war, sich selbst aus dem Verkehr zu ziehen, bevor es die Krankheit tut…

Und da ich nie Sätze wie „Das hat mein Leben verändert!“ sagen würde, bleibt mir nichts anderes zu sagen als: Es war die richtige Entscheidung! Denn, seitdem lerne ich täglich Neues über mich, meinen Körper und darüber, wie ich mit den chronischen Erkrankungen im Alltag besser zurechtkomme.

Wie helfen Bewegung & Sport?

Durch die Reha habe ich außerdem spüren gelernt, dass Bewegung trotz Schmerz und Erschöpfung ein wesentlicher Teil meines Schmerzmanagements ist. Die Anfänge sind hart und kosten Überwindung, ja – das ist so!

Eine schmerzende Hüfte oder Schulter einem Pilates-Workout zu unterziehen, fühlt sich zunächst nach Folter an.

Mit einem sanften Youtube-Workout habe ich mich langsam zur Mobilität zurückgesportelt. Unter Anleitung mit Yogamatte und einem Sportdress habe ich jeden zweiten Tag 30 – 40 Minuten Pilates, Bauch-Beine-Po und Co. absolviert. Nach 28 Tagen war es manifestiert: Der Sport gehört nun zu meinem Alltag. Vier bis fünfmal pro Woche entfalte ich die Matte, weiß mittlerweile, welche Übungen bei Nackenschmerzen und müder Hüfte helfen und empfinde nach dem Workout ein wirkliches Gefühl von Beweglichkeit und Leichtigkeit. Aus den Anleitungen und Challenges habe ich mir mein eigenes Programm zusammengebastelt und ziehe dieses bis zu einer Stunde am Tag durch. Auch hier: loslegen und unbedingt durchziehen. Mir hilft es!

Akzeptanz

Ein wichtiger Faktor für die innere Heilung, die Akzeptanz, war der Austausch und das öffentliche Bekenntnis meines Zustands. Auf Instagram versuche ich, so ehrlich und offen wie nur möglich über meine Erkrankungen zu berichten und stelle fest, dass ich so angefangen habe, die chronischen Krankheiten anzunehmen. Bis vor einem Jahr habe ich zwanghaft gegen die Symptome angekämpft, sie verdrängt und in allem die sofortige Heilung gesucht. Seitdem ich mit der Öffentlichkeit spreche, nehme ich mich und die Beschwerden ernster, lerne Pausen einzuplanen und habe akzeptiert, dass diese Diagnosen zu mir gehören.

Außerdem ist der Austausch mit anderen Betroffenen so viel Wert. Zu wissen, dass die anderen genau wissen, wovon ich spreche, ich so vieles nicht erklären muss und wir gemeinsam hassen und lachen können, tut so gut!

Ich bin eine Rampensau und genieße die Aufmerksamkeit von 10.000 Followern. Ich verstehe, dass das vielen zu privat, zu extrovertiert vorkommt – so mache ich es eben gern – ich empfehle Euch trotzdem, Euch mitzuteilen. Es gibt ja nicht nur Instagram. Überall finden wir Selbsthilfegruppen, Foren oder Rehaplätze, wo wir Betroffene uns treffen und austauschen können. Es tut so gut und hilft!

Autorin: Marie Helene Anschütz

Bildnachweis: Greta Lina Motzki

Marie Helene Anschütz
Helene ist seit ihrem 3. Lebensjahr an Neurodermitis erkrankt. In ihrer Teenie-Zeit folgte Migräne, 2006 Morbus Bechterew und später kam noch Acne Inversa dazu. Sie wohnt mit ihrer Familie in Darmstadt in Mainz und bloggt unter @helene.anschuetz auf Instagram über ihren Alltag mit den Erkrankungen.

Instagram: @helene.anschuetz